L 16 KR 143/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 2 RA 16/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 143/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die der Beigeladenen zu 1) entstandenen außer gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Bei geladene zu 1) für die Zeit vom 01.04.1995 bis 30.09.1998.

Die am ...1967 geborene Beigeladene zu 1) bestand am ... 1993 an der R ... F ...-W ...-Universität B ... (im Folgenden Universität B ...) die Diplom-Prüfung für Biologie und erlangte den akademischen Grad ei ner Diplom-Biologin. Im Anschluss daran war sie (ausweislich eines Schreibens der Klägerin an das Arbeitsamt B ...) beim Fachvermittlungsdienst des Arbeits amtes B ... arbeitslos gemeldet. Zum 01.11.1993 begann sie ein Arbeitsverhält nis bei der Klägerin; auf den Anstellungsvertrag vom 01.11.1993 wird Bezug genommen. Vom Sommersemester 1995 bis Wintersemester 1998, also vom 01.04.1995 bis 30.09.1998, war die Beigeladene zu 1) ausweislich einer Be scheinigung des Studentensekretariats der Universität B ... für den Studien gang "Promotion Biologie" eingeschrieben. Am 30.10.1998 schloss sie mit der Klägerin mit Wirkung zum 01.11.1998 einen neuen Arbeitsvertrag, auf den ver wiesen wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.11.1999 in der Fassung des Wider spruchsbescheides vom 03.01.2001 - ergangen auf den Widerspruch der Klägerin vom 23.12.1999 - stellte die Beklagte nach einer am 17.11.1999 durchgeführten Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) eine Beitragspflicht der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 01.10.1994 bis 31.12.1998 fest und forder te Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt DM 83.689,03 nach. Die Beigeladene zu 1) sei in der Zeit vom 01.10.1994 bis 31.03.1995 nicht in der Universität eingeschrieben gewesen und habe deshalb für die Zeit vom 01.12.1994 bis 31.03.1995 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der ge setzlichen Sozialversicherung aufgrund ihrer Beschäftigung unterlegen. Da sie in der Zeit vom 01.04.1995 bis 30.09.1998 ein Promotionsstudium im Fachbe reich Biologie absolviert habe, sei Versicherungspflicht gegeben. Nachweise über ein Aufbau- oder Zweitstudium seien nicht vorgelegt worden. In der Zeit vom 01.10. bis 31.10.1998 habe Versicherungspflicht vorgelegen, da die Klägerin nicht an der Universität eingeschrieben gewesen sei und eine Beschäftigung ausgeübt habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.02.2001 Klage erhoben und vorgebracht, die Beigeladene zu 1) habe im Sommersemester 1995 ihr Studium wieder aufgenommen mit dem Ziel eines weiteren Abschlusses, nämlich einer Promotion. Zu diesem Zweck habe sie an Universitätsveranstaltungen teilgenommen, deren zeitlicher Rahmen zwischen 23 und 35,5 Semesterwochenstunden betragen habe. Sie hat eine Aufstellung der von der Beigeladenen zu 1) besuchten Veranstaltungen vorge legt (vgl. Schriftsatz vom 30.03.2001). Die Beigeladene zu 1) habe ein in ei nem geregelten Studiengang auf einen weiteren Abschluss ausgerichtetes Stu dium absolviert. Dieses Erweiterungsstudium habe ihre Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch genommen. Die von ihr besuchten Vorlesungen seien Grundlage für ihre Doktorarbeit gewesen. In ihrem Erststudium habe sie aus schließlich theoretisch im Labor gearbeitet und sei nie im Freiland tätig ge wesen. Während des Zweitstudiums habe sie an den Tiergruppen gearbeitet, de ren Lebens- und Verhaltensweisen sie in ihrer Doktorarbeit untersucht habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 30. November 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten. Die Beweisauf nahme mit der Beigeladenen zu 1) hat bestätigt, dass die Einschreibung zum Sommersemester 1995 lediglich der beruflichen Weiterbildung gedient habe. Sie habe Kurse belegt, die im vorherigen Studium nicht angeboten gewesen seien bzw. von ihr nicht hätten realisiert werden können. Sie habe ausdrücklich be stätigt, dass die besuchten Vorlesungen keine Grundlagen für die beabsichtig te Promotion gewesen seien. Das Kriterium einer ordentlich Studierenden im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Urteil vom 29.09.1992 - 12 RK 31/91 -) seien nicht mehr gegeben gewesen.

Das Sozialgericht hat in Nichtöffentlicher Sitzung am 25.10.2001 die Beigela dene zu 1) als Zeugin gehört. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Niederschrift verwiesen.

Mit Urteil vom 31.05.2002, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 06.06.2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.07.2002 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und betont, die Beigeladene zu 1) habe ab Sommersemester 1995 ein auf das Fach "Ökologie und Umwelt" ausgerichtetes Studium ausgeübt. Hierbei handele es sich um einen neugeschaffenen Studienschwerpunkt der Universität B ..., der ein Zusatzfach zu dem allgemeinen Fach Biologie sei und in dem besondere zusätzliche Studi enabschlüsse und Zeugnisse möglich gewesen seien. Seit dem Wintersemester 1991/92 sei an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität B ... ein Studienschwerpunkt "Ökologie und Umwelt" im Hauptstudium der verschiedenen Diplomstudiengänge möglich. Die Klägerin hat hierzu verschie dene Unterlagen der Universität B ..., u.a. die Hinweise für Studierende der Biologie zum Schwerpunkt "Ökologie und Umwelt" der mathematisch/naturwissen schaftlichen Fakultät aus dem Wintersemester 1997/98 vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.05.2002 abzuändern und den Bescheid vom 30.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei des vom 03.01.2001 insofern zu ändern, als darin Beiträge für die Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 01.04.1995 bis zum 30.09.1998 nachgefordert werden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat über die Modalitäten der Arbeitszeitserfassung und der Höhe des der Beigeladenen zu 1) im streitigen Zeitraum gezahlten Gehalts eine ergän zende Auskunft der Klägerin eingeholt, auf die Bezug genommen wird.

Die Verwaltungsakte der Beklagten hat neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Ak ten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 30.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.01.2001 ist rechtmäßig, so fern darin Sozialversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 01.04.1995 bis 30.09.1998 nachgefordert werden. Denn die Beigeladene zu 1) unterlag in diesem Zeitraum der Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozi alversicherung aufgrund ihrer bei der Klägerin gegen Entgelt ausgeübten Be schäftigung, die auch nicht wegen Geringfügigkeit nach § 7 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) versicherungsfrei gewesen ist.

Die Beigeladene zu 1) war nicht deswegen versicherungs- und beitragsfrei, weil sie während der Dauer dieses Beschäftigungsverhältnisses als ordentliche Studierende an der Universität B ... immatrikuliert gewesen ist. Auch zur Überzeugung des Senats sind die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V nicht erfüllt. Die Beigeladene zu 1) war zwar in der Zeit von April 1995 bis September 1998 an der Universität B ... als or dentliche Studentin eingeschrieben. Ausweislich der Bescheinigung des Studen tensekretariats der Universität B ... vom 10.11.2000 war sie dies jedoch für den Studiengang "Promotion Biologie". Damit übereinstimmend ist in den von ihr im Berufungsverfahren vorgelegten Bescheinigungen der Universität B ... als angestrebter Abschluss eine Promotion im Studienfach Biologie eingetra gen. Dass sie nach den Regelungen des Hochschulrechts als an der Universität B ... eingeschriebene Studentin deren Mitglied gewesen ist, begründet - entge gen der Auffassung der Klägerin - allein nicht ihre Versicherungsfreiheit als sogenannte Werkstudentin. Zu dem Merkmal einer hochschulrechtlichen förmli chen Einschreibung muss vielmehr hinzutreten, dass die betreffende Person ih rem Erscheinungsbild nach Studentin war. Nach der Rechtsprechung des Bundes sozialgerichts (siehe insbesondere BSG vom 29.09.1992 - 12 RK 31/91 - BSGE 71, 144 bis 149 - SozR 3-2200 § 172 Nr. 2; zur Rechtsentwicklung und "Er scheinungsbild-Theorie" siehe die Anmerkung zu diesem Urteil von Trenk-Hin terberger in SGb 1993, 371-376) kann allein das Aufrechterhalten einer Ein schreibung nach Abschluss des Studiums nicht zu einer längeren Inanspruchnah me des Werkstudenten-Privilegs führen. Vielmehr muss ein Studium absolviert werden, das in einem geregelten Studiengang auf einen weiteren Abschluss (dort Erweiterungsprüfung zur ersten Staatsprüfung) ausgerichtet ist. Ferner muss das Erweiterungsstudium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehmen (siehe hierzu auch BSG vom 10.12.1998 - B 12 KR 22/97 R - SozR 3-2500 § 6 Nr. 16). Die Beigeladene zu 1) hat am 15.10.1993 nach einem ordentlichen Studium einen berufsqualifizierenden Abschluss als Diplom-Biolo gin erworben. Ab Sommersemester 1995 war sie mit dem (formal) angestrebten Abschluss einer Promotion im Studienfach Biologie eingeschrieben. Bei ihrer Beweisaufnahme vor dem Sozialgericht hat die Beigeladene zu 1) am 25.10.2001 hierzu ausgeführt, ein Promotionsstudium sei insofern gar nicht möglich gewe sen, als Prof. Dr. K ... alle Promotionsstellen bis zum Zeitpunkt seiner Emeritierung vergeben gehabt habe. Es habe für sie aber die Möglichkeit be standen, im Institut des Prof. Dr. K ... ergänzend mitzuarbeiten und hier das an Studium nachzuholen, was sie vorher nicht gehabt habe. Soweit die Bei geladene zu 1) ab April 1995 Veranstaltungen (Vorlesungen, Seminare und Block-Praktika) aus dem Studienschwerpunkt "Ökologie und Umwelt" besucht hat, hat sie damit nicht ein Studium absolviert, das in einem geregelten Studien gang auf einen weiteren Abschluss ausgerichtet ist. Sie hat nur Veranstaltun gen in einem Studienschwerpunkt eines von ihr bereits mit Diplom abgeschlos senen Studiengangs besucht. Die Universität B ... hat seit dem Wintersemester 1991/1992 an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät im Hauptstu dium der verschiedenen Diplom-Studiengänge einen "Studienschwerpunkt" Ökologie und Umwelt eingerichtet. Der Abschluss erfolgte mit dem Diplom. Auf An trag wurde nach erfolgreicher Diplom-Prüfung eine Bescheinigung zum Studi enschwerpunkt Ökologie und Umwelt erstellt, die das Zeugnis ergänzt. Erst ab voraussichtlich Wintersemester 1997/1998 nach Genehmigung der Diplomprüfungs ordnung Biologie sollte der Studienschwerpunkt Ökologie und Umwelt als Zu satzfach gewertet werden, was hier jedoch im Hinblick auf den Studienbeginn im Sommersemster 1995 keine Rolle spielt. Die Beigeladene zu 1) hat somit auch nach ihrem eigenen Vorbringen die Hochschule allein zu einer Vertiefung ihres Biologiestudiums besucht. Ausweislich des Prüfungszeugnisses vom 15.10.1993 hat sie als Hauptfach Zoologie und als Nebenfächer Botanik und Physik gewählt. Auch nach Einrichtung des Studienschwerpunktes Ökologie und Umwelt konnten diese Fächerkombinationen, wie sich dies etwa aus dem vorge legten Hinweis für Studierende der Biologie zum Studienschwerpunkt Ökologie und Umwelt für das Wintersemester 1997/1998 ergibt, als Haupt-, erstes und zweites Nebenfach gewählt werden. Bei einer Diplom-Hauptprüfung im Studien fach Biologie mit Schwerpunkt Ökologie und Umwelt müsste lediglich die Di plom-Arbeit mit ökologischer Ausrichtung erfolgen. Unabhängig davon hat die Klägerin keine Leistungsnachweise über den Studienschwerpunkt Ökologie und Umwelt vorgelegt.

Nach vorstehendem Ergebnis brauchte der Senat nicht weiter zu ermitteln, ob im streitigen Zeitraum das Studium die Zeit und Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) überwiegend in Anspruch genommen hat.

Da sich somit das Erscheinungsbild einer Studentin nicht feststellen läßt, bleibt es bei dem Grundsatz der Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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