L 20 RJ 308/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 7/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 308/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.03.2000 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Bewertung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 02.08.1954 bis 10.12.1959.

Der am 1936 geborene Kläger ist am 11.01.1981 aus Polen nach Deutschland übergesiedelt; er ist Inhaber des Vertriebenenausweises A. Der Kläger war in Polen als technischer Angestellter beschäftigt gewesen.

In einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Nürnberg (Az: S 6 An 133/93, Kläger gegen BfA) ist mit Urteil vom 11.10.1994 entschieden worden, dass die Beschäftigungszeit in Polen vom 02.08.1954 bis 10.12.1959 als glaubhaft gemacht nur zu 5/6 anzurechnen ist. Eine vom Kläger vorgelegte Arbeitsbescheinigung vom 14.06.1993 könne nicht als Nachweis der Zeiten gewertet werden, da sie nur Angaben über Beginn und Ende der Beschäftigungen enthalte. Das vom Kläger vorgelegte Legitimationsbuch sei erst am 11.12.1959 ausgestellt worden (und könne erst von da an als Mittel des Nachweises angesehen werden). Gegen das Urteil ist ein Rechtsmittel nicht eingelegt worden.

Mit Bescheid vom 27.10.1994 bewilligte die - inzwischen kontoführende - Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.09.1994. Seit 01.03.2001 erhält der Kläger Regelaltersrente in Höhe von DM 2.922,88 (Bescheid vom 09.02.2001). In den Bescheiden ist jeweils die vorgenannte Zeit im Umfang von 5/6 angerechnet. Am 02.12.1994 legte der Kläger eine Bescheinigung der Mechanischen Betriebe "Z." vom 07.11.1994 vor. Es wird bestätigt, dass er vom 01.08.1954 bis 12.03.1981 dort beschäftigt war. Weiter ist vermerkt: "In den Jahren 1954 bis 1959 stand ihm in jedem Kalenderjahr Erholungsurlaub im Ausmaß von 26 Tagen zu. Krankheitsabwesenheit wurde in dieser Zeit nicht festgestellt". Der Kläger legte schließlich noch sein (älteres) Legitimationsbuch vor, ausgestellt am 10.08.1954 mit Eintragungen über Beschäftigungszeiten bis 11.06.1959. Der Kläger beantragte in der Folgezeit mehrfach die Überprüfung seiner in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten, im Wesentlichen mit dem Ziel der Vollanrechnung für alle Zeiten. Mit Bescheid vom 07.10.1998 stellte die Beklagte fest, dass die Zeit vom 02.05.1954 bis 10.12.1959 weiterhin zu 5/6 anzurechnen ist. Der am 10.08.1954 ausgestellte Versicherungsausweis stelle nur ein Mittel der Glaubhaftmachung dar, da keine Zeiten der Arbeitsunfähigkeit daraus erkennbar seien. Auch die Hinweise in der polnischen Arbeitsbescheinigung vom 07.11.1994 genügten nicht den Anforderungen an eine Vollanrechnung. Dagegen erhob der Kläger am 21.10.1998 Widerspruch und machte geltend, er habe in der genannten Zeit keinerlei freie Tage bis auf den jährlichen Erholungsurlaub genommen. Die Bescheinigung vom 07.11.1994 und das Arbeitsbuch belegten dies eindeutig. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 07.01.1999 als unbegründet zurück. Der Rentenbescheid vom 27.10.1994 sei auch nicht teilweise zurückzunehmen, da eine Vollanrechnung der streitigen Zeit nach wie vor nicht in Betracht komme. Die sich aus dem polnischen Recht ergebenden Zeiten seien in Anwendung des FRG/FANG in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen; dies bedeute, dass auch bei Zeiten nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen eine Vollanrechnung der Entgeltpunkte nur noch dann möglich sei, wenn die zugrundeliegenden Beitragszeiten nachgewiesen seien. Wenn in der Bescheinigung vom 07.11.1994 vermerkt sei, dass eine "Krankheitsabwesenheit" nicht festgestellt worden sei, beweise dies nicht, dass darüber hinaus keine weiteren entschuldigten oder unentschuldigten Fehlzeiten vorgelegen hätten.

Dagegen hat der Kläger am 13.01.1999 Klage beim Sozialgericht Nürnberg erhoben. Die von ihm weiterhin geltend gemachte Zeit von 1954 bis 1959 sei nicht nur glaubhaft gemacht, sondern nachgewiesen. Das im Nachhinein beigebrachte und der Beklagten vorgelegte Arbeitsbuch sowie die Arbeitgeberbescheinigung vom 07.11.1994 seien als Mittel des Nachweises voll ausreichend. Mit Urteil vom 22.03.2000 hat das Sozialgericht die - auf Vollanrechnung der Zeit vom 02.08.1954 bis 10.12.1959 gerichtete - Klage abgewiesen. Die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 27.10.1994 insoweit zurückzunehmen, als darin die vorgenannte Zeit nur als glaubhaft gemacht berücksichtigt sei. Der Kläger sei in dieser Zeit bei dem Betrieb "Mechanische Reparaturwerkstätten des Nichteisenerzbergbaus D." in Polen beschäftigt gewesen. Nach Art 2 des Zustimmungsgesetzes zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung (DPSVA) in der ab 01.07.1990 geltenden Fassung seien Zeiten nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung bei der Feststellung einer Rente aus der deutschen Versicherung in Anwendung des FRG und des FANG zu berücksichtigen. Mit dieser Regelung solle dem Eingliederungsprinzip Rechnung getragen werden. In Anwendung des § 22 Abs 1 FRG iVm § 256 b SGB VI und § 22 Abs 3 FRG in der ab 01.01.1992 geltenden Fassung seien bei nur glaubhaft gemachten Beitrags- und Beschäftigungszeiten die ermittelten Entgeltpunkte um 1/6 zu kürzen. In den vom Kläger vorgelegten Arbeitsbestätigungen sei lediglich die Dauer der Beschäftigung vermerkt und die Angabe, dass in den Jahren 1954 bis 1959 jeweils 26 Tage Urlaub zugestanden haben. In dieser Zeit sei auch eine Krankheitsabwesenheit des Klägers nicht festgestellt worden. Dies entspreche insgesamt nicht den Anforderungen an einen Nachweis der Zeiten. Die notwendigen, zeitlich aufgeschlüsselten Angaben über die im Arbeitsleben auftretenden Fehlzeiten seien den Bescheinigungen nicht zu entnehmen. Dies reiche insgesamt nur für eine Glaubhaftmachung der Zeiten aus. Auch das Legitimationsbuch erfülle nicht die Anforderungen an einen Nachweis der Zeiten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 24.05.2000 beim Sozialgericht Nürnberg eingelegte Berufung des Klägers. Er sei nach wie vor der Meinung, dass die (alle) in Polen zurückgelegten Beitragszeiten voll anzurechnen seien. Er habe die Original-Versicherungsnachweise vorgelegte, die nun auch entsprechend zu berücksichtigen seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 22.03.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, die Zeit vom 02.08.1954 bis 10.12.1959 bei der Rentenberechnung ungekürzt zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten mit Aktenteil der BfA und die Prozessakten des Sozialgerichts Nürnberg (aus den Jahren 1993 und 1999) vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151) und auch im Übrigen zulässig. Der Kläger begehrt eine höhere Rente von Rentenbeginn an.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Zeit vom 02.08.1954 bis 10.12.1959 bei der Rentenberechnung des Klägers nur als glaubhaft gemachte Zeit im Umfang von 5/6 in den Entgeltpunkten zu berücksichtigen ist, § 22 Abs 3 FRG in der ab 1992 geltenden Fassung. Auch die vom Kläger neu vorgelegte (nach der Entscheidung des SG Nürnberg vom 11.10.1994) Arbeitgeberbescheinigung vom 07.11.1994 enthält nur den pauschalen Hinweis, dass Krankheitsabwesenheiten des Klägers nicht festgestellt wurden und dass über den Jahresurlaub hinaus keine Fehlzeiten vorgelegen hätten. Sie beweist aber nicht, dass darüber hinaus keine weiteren entschuldigten oder unentschuldigten Fehlzeiten von der Arbeit, aus welchen Gründen auch immer, vorgelegen haben. Zwar ist der Bescheinigung zu entnehmen, dass sie aufgrund der Personalakten des Betriebes ausgestellt worden ist; dies lässt aber weiterhin die Frage offen, ob und ggfs welche Fehlzeiten überhaupt in den Personalakten zu vermerken waren und auch tatsächlich festgehalten wurden. Der Senat weist die Berufung des Klägers insoweit aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG. Ergänzend ist lediglich festzustellen, dass auch der am 10.08.1954 ausgestellte Versicherungsausweis (Legitimationsbuch Nr 291 788) nicht geeignet ist, eine ungekürzte Berechnung der Entgeltpunkte zuzulassen. Dieser Versicherungsausweis enthält keinerlei Aufzeichnungen über Zeiten von Arbeitsunterbrechungen, zB auch infolge von Krankheit; entsprechende Eintragungen auch für andere denkbare Fehlzeiten sind für die streitige Zeit nicht vorhanden. Nach der Übersetzung des Hinweises Nr 6 im Legitimationsbuch waren in der Spalte 6 nur dann Eintragungen vorzunehmen, wenn nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses weiterhin Krankengeld gezahlt worden ist. Eine derartige Fallgestaltung hat beim Kläger nicht vorgelegen. Der abschließende Hinweis Nr 6 im Legitimationsbuch lautet: Wenn jedoch das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Unterstützungszeit weiterhin andauert, werden keinerlei Eintragungen in den Spalten 4 und 6 vorgenommen. Dies bedeutet, dass das Legitimationsbuch insgesamt für die Eintragung von Krankheitszeiten während des Beschäftigungsverhältnisses nicht vorgesehen war. Dementsprechend kann auch das Legitimationsbuch in der hier vorliegenden Form bis zum Jahre 1960 nicht als Nachweis für eine ununterbrochene Beitragsleistung zum System der polnischen Rentenversicherung dienen.

Die Berufung des Klägers war insgesamt zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten, § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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