L 20 RJ 671/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 866/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 671/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
+ S 12 RJ 836/98
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.11.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1960 geborene Kläger erlernte von 1977 bis 1980 den Beruf eines Kfz-Mechanikers und hat diesen bis 1982 ausgeübt. In der Folgezeit war er bis 1984 nach eigenen Angaben als Lkw-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt und anschließend bis 05.04.1986 arbeitslos gemeldet; in den Jahren 1988 und 1989 war er selbständiger Handelsvertreter. Vom 01.04.1988 bis 30.11.1992 und im Januar 1993 entrichtete er freiwillige Beiträge (letzter Beitrag am 31.01.1993).

Am 28.12.1995 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er wurde am 06.03.1996 von Dr.W. vom ärztlichen Dienst der Beklagten untersucht, der im Hinblick auf die vom Kläger vielfach vorgetragenen Beschwerden (Herz-Kreislauf-Störungen, Chemikalienunverträglichkeit, Hypoglykämie, Tachyarrhythmie, Lichen planus sowie ständige Schmerzen) weitere Untersuchungen für notwendig hielt, zu denen der Kläger aber nicht erschienen ist. Nach Beinahme eines Befundberichtes der Hausärztin Dr.S. (Diagnosen: Zustand nach Amalgam-Zahnfüllung-Entfernung bei subjektivem Verdacht auf Amalgam-Allergie, Zustand nach Plastik-Zahnfüllung-Entfernung bei subjektivem Verdacht auf Plastik-Allergie, subjektiv empfundene Nahrungsmittelallergie mit nicht ärztlich nachvollziehbaren Hypoglykämien, paroxysmale Tachycardie, Somatisierungsstörung, psychopathologische Krankheitsverarbeitung) lehnte die Beklagte im Anschluss an die ärztliche Stellungnahme von Frau Dr.D. mit Bescheid vom 15.08.1996 Rentenleistungen ab, weil der Kläger noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Nacht- oder Wechselschicht, ohne besonderen Zeitdruck und ohne Eigen- oder Fremdgefährdung vollschichtig zu verrichten.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er könne wegen der Chemikalienunverträglichkeit, einer Elektrosensibilität sowie einer Unfähigkeit zur festen Nahrungsaufnahme seit Oktober 1996 das Haus nicht mehr verlassen und deswegen an einer Untersuchung durch den ärztlichen Dienst der Beklagten nicht teilnehmen. Die Beklagte wies den Widerspruch, nachdem anlässlich eines unangemeldeten Hausbesuchs am 19.03.1997 die Wohnungstüre nicht geöffnet wurde, als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.09.1997). Es bestehe kein Rentenanspruch wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit, weil von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen sei. Im Übrigen seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Dagegen hat der Kläger am 07.10.1997 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, die er mit dem Vorliegen von insgesamt 26 Gesundheitsbeeinträchtigungen begründete.

Das Arbeitsamt Nürnberg hat dem SG mitgeteilt, der Kläger sei nicht gemeldet. Der MDK Nürnberg hat die Unterlagen ab 1991, darunter die Gutachten vom 28.10.1997 und 14.01.1998 zur Frage der Pflegebedürftigkeit des Klägers übersandt; eine Pflegebedürftigkeit wurde verneint. Die AOK Mittelfranken hat auf Anfrage des SG in einem Leistungsauszug ab 1985 mitgeteilt, dass für den Kläger eine Krankheitszeit vom 02.08. bis 14.08.1996 bestätigt werde. Das SG hat ferner das Gutachten des Dr.H. vom 23.09.1998 beigezogen, das anlässlich des Rechtsstreits wegen der Feststellung im Schwerbehindertenverfahren im Rahmen eines Hausbesuches am 08.09.1998 erstellt wurde. Dr.H. hat folgende Behinderungen festgestellt: 1. Umweltkrankheit, seelische Störung. 2. Krampfadern beidseits. 3. Herzrhythmusstörungen. 4. Dupuytren sche Kontraktur beidseits. Außerdem stellte er schwere psychische Störungen mit schwerwiegenden sozialen Anpassungsschwierigkeiten (chronifiziert) und eine Verschlechterung ab dem Tage der Untersuchung mit einem Einzel-GdB von 80 fest. Die Voraussetzungen für Zuerkennung der Merkzeichen B, G und aG lägen nicht vor.

Mit Urteil vom 04.11.1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat mit der Untersuchung durch Dr.H. Erwerbsunfähigkeit angenommen. Ein früherer Leistungsfall könne nicht angenommen werden; der Kläger habe auch keine weiteren Ärzte benannt, die ihn vor 1989 behandelt hätten und von denen das SG möglicherweise weitere Unterlagen hätte beiziehen können. Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren herrschenden Grundsatz von der objektiven Beweislast gehe die Nichterweisbarkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen, der einen Anspruch daraus herleiten will. Da die geltend gemachte Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit zum fraglichen Termin März 1988 (zu diesem Zeitpunkt waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig erfüllt) nicht nachgewiesen werden konnte, sei die Klage nicht begründet. Weitere rentenrechtlich relevante Zeiten lägen beim Kläger nicht vor. Der Schulbesuch vom 15.01. bis 22.07.1976 sei keine Anrechnungszeit, da diese Ausbildung vor Vollendung des 17. Lebensjahres zurückgelegt sei. Für die Zeit vom 06.04.1986 bis 31.03.1988 sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger arbeitssuchend gemeldet war. Auch lägen weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - nachgewiesen seien nur solche vom 14. bis 16.10.1985 (Bronchitis) und vom 02. bis 14.08.1996 (Tachycardie usw) - nicht vor.

Mit seiner dagegen eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, bei ihm sei bereits vor dem 01.01.1984 "von Erwerbsunfähigkeit zu berichten". Dies ergebe sich aus den Musterungsuntersuchungs-Befunden. Er sei auch am 16.05.1983 für arbeitsunfähig befunden worden. Auf jeden Fall sei er seit 01.02.1989 berufs- und erwerbsunfähig. Außerdem begehrt der Kläger weiter den Schulbesuch vom 15.01. bis 22.07.1976 und die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 06.04.1986 bis 31.03.1988 als Anrechnungszeiten anzuerkennen. Er sei ordnungsgemäß arbeitssuchend gemeldet gewesen, habe jedoch keine Meldebescheinigungen erhalten. Weiter begehrt der Kläger, die Zeiten vom 07.04.1988 bis 01.02.1989 als versicherte Beschäftigung und die Zeit ab 01.02.1989 als Anrechnungszeit (Arbeitsunfähigkeit) anzuerkennen. Damit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung erfüllt.

Der Senat hat Befundberichte der praktischen Ärztin Dr.S. , des Internisten Dr.K. , des Hautarztes Dr.M. , des HNO-Arztes Dr.H. , der Hautärztin Dr.H. , des Allgemeinmediziners Dr.B. und des praktischen Arztes Dr.R. zum Verfahren beigezogen. Gegen die vom Senat angeordnete Begutachtung durch die Neurologin und Psychiaterin Dr.O. wehrte sich der Kläger mit einem Ablehnungsantrag: Wegen der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen müsse gewährleistet sein, dass ein Gutachter nicht nur über umfangreiche umweltmedizinische Ausbildung und Praxiserfahrung verfüge, sondern auch die hierfür erforderlichen Räumlichkeiten und Gerätschaften vorweisen könne. Außerdem müsse gewährleistet sein, dass ein solcher Gutachter die erforderliche Berufserfahrung, Ausbildung und Unvoreingenommenheit vorweisen kann, um bei Eintritt von unerwarteten allergischen oder anderen Reaktionen des Untersuchten sofort die notwendigen Notfallmaßnahmen oder Behandlungen einleiten zu können. Zudem müsse sichergestellt sein, dass der Kläger in keinerlei Kontakt mit den für ihn gefährlichen Substanzen gerate. Auf die Terminsmitteilung hat der Kläger mitgeteilt, er sei nicht reisefähig. Wegen eines in einer anderen sozialgerichtlichen Verfahrenssache angeordneten Gutachtens beantrage er die Vertagung der Streitsache bis zum Vorliegen des Gutachtens.

In der Sache selbst beantragt der Kläger: 1. Der Berufung wird stattgegeben. 2. Das Urteil des SG Nürnberg wird aufgehoben. 3. Der Bescheid der Beklagten vom 15.08.1996 und der Wider spruchsbescheid vom 25.09.1997 werden aufgehoben. 4. Der Bescheid vom 11.04.1998 idG des Widerspruchsbeschei des vom 31.08.1998 wird abgeändert. 5. Die Beklagte wird verurteilt, folgende rentenrechtliche Zeiten anzuerkennen: vom 15.01.1976 bis 22.07.1976 wegen Schulbesuches; vom 06.04.1986 bis 31.03.1988 wegen Arbeitslosigkeit; ab 01.02.1989 bis laufend wegen EU. 6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Erwerbsun fähigkeitsrente ab 01.02.1989 zu gewähren. 7. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu er statten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das SG habe zu Recht entschieden, dass ein früherer Leistungsfall nicht angenommen werden könne. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien letztmals im März 1988 erfüllt gewesen. Auch sei das SG zu Recht davon ausgegangen, dass weitere Anrechnungszeiten nicht berücksichtigt werden können.

Beigezogen sind neben den Streitakten erster und zweiter Instanz die Unterlagen der Beklagten sowie 4 Berufungs- bzw Beschwerdeakten des BayLSG und weitere 13 Streitakten des SG Nürnberg.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung ist nicht begründet.

Das SG hat im angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bewilligung von Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat. Auch ist die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung weiterer Anrechnungszeiten hat.

Die Zeit vom 15.01.1976 bis 22.07.1976 (schulische Ausbildung) ist keine Anrechnungszeit. Der Kläger hat nach dem Zeugnis der Privaten Wirtschaftsschule Dr.S. in N. vom 15.01.1976 bis 22.07.1976 einen Halbjahreskurs belegt. Zeiten einer schulischen Ausbildung können nach § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) anerkannt werden. Voraussetzung hierfür ist aber eine schulische Ausbildung nach dem vollendeten 17. Lebensjahr. Somit können nach dieser Vorschrift, die am 01.01.1997 in Kraft getreten ist, Zeiten der schulischen Ausbildung vor dem 17. Lebensjahr nicht mehr berücksichtigt werden.

Das SG hat auch zu Recht entschieden, dass weitere Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit über den 05.04.1986 hinaus nicht vorliegen. Voraussetzung für die Anerkennung einer solchen Anrechnungszeit ist nach § 58 Abs 1 Nr 3 SGB VI, dass der Versicherte bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssuchender gemeldet war und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen hat oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen hat. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Das zuständige Arbeitsamt hat dem SG mitgeteilt, dass entsprechende Unterlagen nicht mehr vorliegen. Bereits im Kontenklärungsverfahren 1988 hat aber das Arbeitsamt Nürnberg mitgeteilt, dass zuletzt Arbeitslosenhilfe am 05.04.1986 bezogen wurde. Eine Meldung des Klägers in der Zeit danach konnte nicht mitgeteilt werden. Damit ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger ab 06.04.1986 von der Arbeitsverwaltung Leistungen bezogen hat, noch dass er arbeitssuchend gemeldet war. Somit liegen keinerlei objektive Nachweise darüber vor, dass der Kläger in der streitigen Zeit vom 06.04.1986 bis 31.03.1988 arbeitslos und arbeitswillig war. Im Übrigen hat der Kläger den im Kontenklärungsverfahren ergangenen Bescheid vom 02.06.1988 nicht angefochten. Infolge dessen muss auch der Senat davon ausgehen, dass beim Kläger weitere Anrechnungszeiten nicht vorhanden sind. Der Bescheid vom 11.04.1998 idG des Widerspruchsbescheides vom 31.08.1998 ist deshalb nicht zu beanstanden.

Damit steht gleichzeitig fest, dass von dem aktenkundigen Versicherungsverlauf auszugehen ist und damit der Leistungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit spätestens im März 1988 eingetreten sein muss, damit Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewährt werden könnten. Diese Voraussetzungen sind aber vorliegend nicht gegeben.

Anspruch auf Rente wegen EU/BU haben Versicherte nach §§ 44 Abs 1, 43 Abs 1 SGB VI aF, wenn sie 1. erwerbsunfähig/berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU/BU drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der EU/BU die allgemeine Wartezeit erfüllt ha ben.

Vorliegend kann im Ergebnis dahinstehen, ob beim Kläger EU/BU, wie das SG im angefochtenen Urteil angenommen hat, im Jahre 1998 eingetreten ist und eine Wiedereingliederung des Klägers in den Arbeitsmarkt ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich war. Denn nach dem in den Akten befindlichen Versicherungsverlauf waren, worauf die Beklagte zu Recht verwiesen hat, die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen wegen EU/BU letztmals im März 1988 erfüllt. Der Kläger hat zwar die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs 1 SGB VI), nicht aber die für die streitigen Ansprüche erforderliche Beitragsdichte der §§ 44 Abs 1 Nr 2, 43 Abs 1 Nr 2 SGB VI aF erfüllt, da der letzte Pflichtbeitrag zur Rentenversicherung der Arbeiter im Juli 1984 entrichtet worden ist. Im Versicherungsverlauf des Klägers besteht somit eine Lücke ab 06.04.1986 (keine Meldung mehr beim Arbeitsamt), die, soweit sie auf die Zeit ab 01.01.1984 entfällt (vgl Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz), eine Rentengewährung für einen nach dem März 1988 eingetretenen Leistungsfall der EU/BU ausschließt.

Auch die Voraussetzungen der mit dem Rentenreformgesetz 1992 eingeführten Übergangsvorschrift gemäß §§ 240 Abs 2 bzw 241 Abs 2 SGB VI sind nicht erfüllt. Danach sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der EU oder BU bei Versicherten, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt haben, nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der EU/BU mit Beiträgen oder sonstigen Anwartschaftserhaltungszeiten iS des § 240 Abs 2 SGB VI belegt ist. Beides ist beim Kläger nicht der Fall. Seine Beitragsleistung zur gesetzlichen Rentenversicherung endet vielmehr im Juli 1984.

Sonstige Anwartschaftserhaltungszeiten (§ 241 Abs 2 Nrn 2 - 6 SGB VI) sind für die fraglichen Zeiten ab 01.01.1984 ebenfalls nicht nachgewiesen. Beitragslücken ab 1984 kann der Kläger auch nicht durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge schließen. Nach § 197 Abs 2 SGB VI (in Kraft seit 01.01.1992) sind freiwillige Beiträge nur dann wirksam, wenn sie bis 31.03. des Jahres gezahlt werden, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen. Nach der bis 31.12.1991 geltenden Vorgängervorschrift des § 1418 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) konnten Beiträge sogar nur bis zum Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres wirksam entrichtet werden. Damit scheidet nach beiden Bestimmungen eine wirksame Beitragsentrichtung für die fraglichen Zeiträume aus. Eine solche ist auch nicht gemäß § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI entbehrlich, da diese Bestimmung ein dem Grunde nach bestehendes Recht zur beitragsnahen Entrichtung voraussetzt (BSG in SozR 3-2600 § 241 Nr 1). Daran fehlt es. Die Voraussetzungen einer Nachsichtgewährung sind ebenfalls nicht gegeben; diesbezüglich wurde vom Kläger auch nichts vorgetragen.

Ein Rentenanspruch wegen EU/BU käme vorliegend zumindest nur in Betracht, wenn der Leistungsfall der EU/BU, wie vom Kläger geltend gemacht, bereits im März 1988 oder früher eingetreten wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn eine wesentliche Einschränkung im Leistungsvermögen des Klägers ist erst für die Zeit ab der Untersuchung durch Dr.H. nachgewiesen. Gegen die Annahme einer in den untervollschichtigen Bereich gesunkenen Erwerbsfähigkeit vor dieser Zeit spricht insbesondere der Befundbericht der Hausärztin des Klägers, Dr.S. vom 24.07.1996, die darin das Vorliegen von EU oder BU ausdrücklich verneint.

Dem Kläger ist daher der Nachweis eines früher eingetretenen Leistungsfalles der EU/BU nicht gelungen. Nachgewiesen ist eine Tatsache nur dann, wenn sie mit der für den vollen Beweis erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststeht. Es müssten also - bezogen auf den vorliegenden Fall - bereits im März 1988 oder früher erhebliche, die Erwerbsfähigkeit des Klägers einschränkende Gesundheitsstörungen vorgelegen haben. Ein so früher Leistungsfall konnte aber durch die objektiven Unterlagen nicht bewiesen werden. Das Gericht darf jedoch eine Leistung nur dann zusprechen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt sind. Ein solcher Nachweis ist hinsichtlich der in §§ 43 und 44 SGB VI aF vorausgesetzten Erwerbsminderung nicht geführt. Nach den auch im sozialgerichtlichen Prozess geltenden Grundsätzen von der objektiven Beweis- und Feststellungslast (vgl Meyer-Ladewig SGG 7.Aufl § 103 RdNr 19 a mw, insbesondere Rechtsprechungsnachweisen) geht die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter günstige Rechtsfolgen für sich herleiten will, zu seinen Lasten. Das bedeutet: Selbst wenn das Leistungsvermögen des Klägers bereits vor 1998 (auf Dauer) in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt war, kann das Berufungsgericht diesen Umstand mangels ausreichender Nachweise seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

Nach alledem hat der Kläger gegen die Beklagte, obwohl inzwischen medizinisch EU vorliegt, keinen Anspruch auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI aF.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Zurückzuweisen war auch der Antrag des Klägers, die Streitsache zu vertagen und das Ergebnis eines in einer anderen Streitsache ausstehenden Gutachtens abzuwarten. Es handelt sich dabei um ein nach Aktenlage zu erstellendes ärztliches Sachverständigengutachten im Berufungsverfahren L 18 SB 113/00 zur Feststellung des GdB nach dem Schwerbehindertenrecht. Eine Aufklärung zur Frage des Leistungsfalles der EU/BU kann sich aus diesem Gutachten nicht ergeben, insbesondere nicht dazu, ob ein solcher Leistungsfall bereits vor März 1988 eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben (§ 160 Abs 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved