L 15 VG 2/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 VG 7/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 2/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18.03.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) streitig.

Der am 1951 geborene Kläger kämpft seit Jahrzehnten um ein ihm seines Erachtens zustehendes Erbe als nichtehelicher Sohn des am 17.05.1977 verstorbenen K. A ...

Seinen ersten Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem OEG vom 23.07.1982 begründete er damit, dass er im Jahr 1959 von M. S. , seiner damals im Rahmen einer gesetzlichen Amtsvormundschaft bestellten Pflegemutter aus Anlass einer "anmaßenden Selbstjustiz wegen einer Unterhaltsschuld gegen seinen Vater" geschädigt worden sei. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 27.07.1982 abgelehnt, weil das Ereignis vor In-Kraft-Treten des Gesetzes am 16. Mai 1976 stattgefunden habe und er außerdem einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff auf seine Person nicht habe glaubhaft machen können. Das anschließende und Klage- und Berufungsverfahren, in dem vorgetragen wurde, M. M. , die Tochter seiner Pflegemutter, Angestellte beim Vormundschaftsgericht A. , habe die Gewalttat in Form seelischer Grausamkeit begangen, blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19.10.1982 - S 11 Vg 3/82 - und Urteil des Bayer. Landessozialgerichts - BayLSG - vom 21.04.1983 - L 10 Vg 3/82 -).

Ein erneuter Antrag des Klägers vom 12.03.1985 wegen einer Änderung des OEG am 20.12.1984 wurde mit Bescheid vom 19.06.1985 wiederum abgelehnt mangels Nachweises der Anspruchsvoraussetzungen. Im anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren (S 16 Vg 2/85) trug der Kläger vor, seine Pflegemutter und deren Tochter hätten seinem Vater nicht nur eigenmächtig erhebliche Geldbeträge als angebliche Unterhaltzahlung weggenommen und ihn als späteren Erben damit geschädigt, sondern die Pflegemutter habe ihn auch im Alter von 8 bis 8 1/2 Jahren in der Küche geohrfeigt, da sein Vater den Unterhalt nicht rechtzeitig gezahlt habe. Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26.03.1986 die Klage abgewiesen, da der Kläger nach § 10a OEG allein infolge dieser Schädigung schwerbeschädigt sein müsste. Unabhängig von der Frage, ob diese Ohrfeige als Angriff im Sinne des § 1 OEG gelten könne, sei nicht vorstellbar, dass eine solche Gesundheitsstörung die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers wesentlich verursacht habe. Das Landessozialgericht (L 10 Vg 2/86) hat mit Urteil vom 30.11.1988 die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt und dabei insbesondere auf die festgestellten Behinderungen nach dem Schwerbehindertengesetz und einen gerichtlichen Vergleich vom 07.02.1986, in dem nur eine MdE um 40 v.H. festgestellt worden sei, Bezug genommen. Das Bundessozialgericht hat anschließend mit Beschluss vom 22.05.1989 (9 BVG 3/89) die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers verworfen.

Nachdem beim Kläger mit Abhilfebescheid vom 15.01.1992 nach dem Schwerbehindertengesetz wieder ein GdB von 50 festgestellt worden war, beantragte der Kläger erneut Überprüfung seines OEG-Anspruchs. Auch dieser Antrag blieb jedoch erfolglos (Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 19.05.1992, Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 02.12.1992 - S 13 Vg 4/92 -, Urteil des BayLSG vom 07.04.1993 - L 10 Vg 7/92 -).

Am 25.06.1997 beantragte der Kläger nochmals eine Überprüfung der bisherigen Entscheidungen und deren Rücknahme nach § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X). Hauptbeweismaterial sei eine Bauamtsakte über M. S ... Eine Nachlassakte über A. A. , gestorben am 14.01.1950, Großvater des Klägers, werde gesucht. Zu seinem Antrag legte er eine Reihe von Schriftstücken und Schreiben, an das Amtsgericht A. - Nachlassgericht -, den Bauamtsleiter der Stadt A. , Unterlagen über eine Nachlassakte M. N. , etc., vor. Der Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 15.02.1999 mit, sein Antrag nach § 44 SGB X sei von ihm nicht schlüssig begründet worden. Die erneut geltend gemachten Ansprüche nach dem OEG seien bereits zweimal rechtskräftig abgelehnt worden. Da keine neuen Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgebracht worden seien, die eine andere, für den Kläger günstigere Entscheidung rechtfertigen könnten, werde an der Rechtsverbindlichkeit der ablehnenden Bescheide vom 19.06.1985 und 19.05.1992 festgehalten.

Am 02.09.1999 hat sich der Kläger mit Untätigkeitsklage an das Sozialgericht Augsburg gewandt und beantragt, die bisher getroffenen Entscheidungen aufzuheben und ihm Beschädigtenversorgung nach dem OEG zu gewähren. Es werde um Beiziehung der Rentenakte seiner Stiefmutter A. A. von der LVA Baden gebeten. Mit Schriftsatz vom 30.09.1999 hat der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, da eine Untätigkeit nicht vorliege. Vielmehr habe sich die Behörde ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidungen berufen dürfen. Es werde angeregt, falls dies erforderlich erscheine, das Schreiben vom 15.02.1999 als Verwaltungsakt anzusehen. Der Kläger hat dem Sozialgericht lediglich Unterlagen über einen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Augsburg und dem Amtsgericht/Landgericht Augsburg bzw. Bayer. Obersten Landesgericht, etc. übersandt.

Am 18.03.2002 hat das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 15.02.1999 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die am 02.09.1999 erhobene Klage stelle eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage dar, die sich gegen das Schreiben des Beklagten vom 15.02.1999 richte, das sich als Verwaltungsakt qualifiziere. Die Klagefrist habe sich mangels Rechtsbehelfsbelehrung nach § 66 Abs.2 SGG auf ein Jahr seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts verlängert. Auch wenn grundsätzlich ein Vorverfahren nach § 78 SGG als Voraussetzung für eine Sachentscheidung erforderlich sei, sei hier ein Widerspruchsbescheid aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr nötig. Aus der Klageerwiderung ergebe sich, dass der Beklagte in Hinblick auf § 44 SGB X die Sache überprüft habe und im Widerspruchsbescheid nichts anderes sagen würde. Die Klage sei nicht begründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf eine neue Feststellung im Sinne des § 44 SGB X habe.

Hiergegen hat der Kläger am 04.04.2002 Berufung zum BayLSG eingelegt. Zur Begründung hat er angegeben, der Richter habe die Tatsachen völlig verdreht. Ausgehend von der Ohrfeige alleine werde der ganze Sachverhalt verharmlost. Es liege ein Eigentumsdelikt und zwar eine Unterschlagung vor. Dies sei in verschiedenen Ermittlungsverfahren festgestellt worden. Mit Fax-Schreiben vom 08.04.2003 hat der Kläger weitere Unterlagen übersandt und um Beiziehung von Akten beim Wohnungshilfeamt der Stadt A. gebeten.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Augsburg vom 18.03.2002 und des Verwaltungsakts vom 15.02.1999 zu verurteilen, ihm unter Rücknahme entgegenstehender früherer Bescheide Versorgung nach dem OEG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18.03.2002 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten zum OEG und zum Schwerbehindertengesetz, die erledigten Klageakten des Sozialgerichts Augsburg sowie auf die Akte des vorhergehenden Klageverfahrens (S 11 VG 7/99) und den Inhalt der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Kläger hat nach § 44 SGB X keinen Anspruch auf Überprüfung der vorhergehenden rechtskräftigen ablehnenden Entscheidungen über seinen geltend gemachten Anspruch auf Versorgung nach dem OEG.

Zwar besteht grundsätzlich nach § 44 Abs.1 SGB X gegen eine Behörde, soweit diese einen rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen hat, ein Anspruch auf Rücknahme, d.h. Aufhebung und Neubescheidung. Ein solcher Anspruch besteht jedoch nicht, wenn die beantragte Leistung wiederholt abgelehnt, die Ablehnung durch rechtskräftige Urteile als rechtsmäßig bestätigt wurde und keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht wurden, die für den geltend gemachten Anspruch nach OEG bedeutsam sein könnten. Der Vortrag des Klägers, er habe als Kind eine Ohrfeige erhalten und sei finanziell durch seine Pflegemutter und deren Tochter geschädigt worden, ist nicht neu. Er bietet keinen Anlass, die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Anspruchs nach § 1 OEG, der einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff auf eine Person voraussetzt, anzuzweifeln. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.02.1988, SozR 1300 § 44 Nr.33; von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, Rdnr.13 zu § 44 m.w.N.) darf sich in einem solchen Fall die Verwaltungsbehörde ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung der früheren Entscheidungen vom 19.06.1985 und 19.05.1992 berufen.

Das Sozialgericht hat zutreffend das streitgegenständliche Schreiben des Beklagten vom 15.02.1999 inhaltlich als Verwaltungsakt gewertet, da es der Definition des Verwaltungsaktes im Sinne von § 31 SGB X entspricht und die Regelung eines Einzelfalls enthält, nämlich die Ablehnung einer erneuten Überprüfung des Anspruchs des Klägers. Es sind auch die Ausführungen des Sozialgerichts zum fehlenden Widerspruchsverfahren und zur eingehaltenen Klagefrist zutreffend. Es wird daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs.2 SGG abgesehen und im Übrigen auf die Begründung im angefochten Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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