L 13 RA 95/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 31 RA 1393/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 95/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 RA 5/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. März 2002 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI).

Die am 1961 in Irland geborene Klägerin, von Beruf Rechtsanwältin, ist nach ihren Angaben seit Oktober 1993 als Kommunikationstrainerin/Dozentin für verschiedene Auftraggeber tätig. Nach dem Bescheid der B.-Betriebskrankenkasse vom 18.05. 1999 übt sie seit 01.01.1998 keine arbeitnehmerähnliche selbständige Tätigkeit i.S.v. § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB IV aus, die zu einem Beschäftigungsverhältnis führt. Seit 01.11.2001 ist sie versicherungspflichtig beschäftigt.

Am 16.06.1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten vorsorglich die Befreiung von der Versicherungspflicht als arbeitnehmerähnliche Selbständige. Formblattanträge auf Feststellung der Versicherungspflicht bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht (VSP) wurden im September 1999 vorgelegt. Mit Schreiben vom 11.09.2000 bejahte die Beklagte die Versicherungspflicht ab 01.10.1993 aufgrund der selbständigen Tätigkeit als Dozentin und forderte vor Erteilung des Bescheids über die Versicherungspflicht weitere Angaben an. Die Klägerin gab an, sie habe vom 01.08.1998 bis 31.03.1999 zwei Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt; diese Beschäftigungsverhältnisse seien nach § 8 Abs. 2 SGB IV zusammenzurechnen. Ab 01.04.1999 bis 30.11.2000 sowie ab 01.12.2000 ff. habe sie jeweils einen Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt, wobei der zweite Arbeitnehmer in einer - anderweitigen - Hauptbeschäftigung voll der Rentenversicherungspflicht unterliege. Nach dem Gesamtbild liege eine dauerhafte versicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern vor, so dass die Klägerin nach § 2 Nr. 1 SGB VI nicht versicherungspflichtig sei. Mit Antrag vom 18.06.2001 auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige trug die Klägerin - anders als bisher - ergänzend vor, die vom 01.08.1998 bis 30.11.2000 beschäftigten Arbeitnehmer seien wegen des jeweils geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses nicht versicherungspflichtig gewesen.

Mit streitigem Bescheid vom 19.07.2001 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Am 31.12.1998 habe keine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestanden, da zu diesem Zeitpunkt zwei Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt gewesen seien, die in der Summe als ein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gälten. Damit seien auch die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht erfüllt. Mit weiterem Schreiben vom 26.07.2001 forderte die Beklagte Unterlagen wegen der beantragten einkommensgerechten Beitragszahlung an. Gleichzeitig teilte sie mit, dass für die Zeit vom 01.10.1993 - 31.07.1998 und vom 01.04.1999 - 30.11. 2000 sowie ab 01.12.2000 Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestehe. Dies gelte nicht für die Zeit vom 01.08. 1998 - 31.03.1999 wegen der geringfügigen Beschäftigung von zwei Arbeitnehmern, die nach Zusammenrechnung nach § 8 Abs.1 SGB IV einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ergäben. Wegen Verjährung nach § 25 SGB IV würden Beiträge erst ab 01.12.1994 gefordert.

Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin zur Begründung vor, nach dem Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe sie keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer im streitigen Zeitraum (01.08.1998 - 31.03.1999) beschäftigt. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit müsse sie nach § 231 Abs. 6 SGB VI befreit werden, da der in der Vergangenheit liegende Sachverhalt auch nicht mehr beeinflussbar sei und alle übrigen Voraussetzungen vorlägen. Rein vorsorglich werde der Erlass aller rückständigen Beiträge bis 11.09.2000 beantragt, da die Beklagte erst zu diesem Zeitpunkt sie erstmals von der Versicherungspflicht in Kenntnis gesetzt habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI lägen nicht vor. Zum maßgeblichen Zeitpunkt (31.12.1998) seien zwei Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt gewesen, die nach Zusammenrechnung (§ 8 SGB IV) in ihrer Gesamtheit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ersetzt haben. Am 31.12.1998 habe damit keine Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bestanden, eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI scheide daher aus.

Zur Begründung der zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage hat sich die Klägerin im Wesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen gestützt. Maßgeblich stelle § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auf einen "versicherungspflichtigen Arbeitnehmer" ab. Das sei nach dem klaren Wortlaut bei zwei geringfügig Beschäftigten nicht der Fall, die zudem nur kurze Zeit (01.08.1998 - 31.03. 1999) beschäftigt gewesen seien. Damit sei sie am 31.12.1998 versicherungspflichtig gewesen und nach § 231 Abs. 6 SGB VI zu befreien. Auch habe sich das Gesamtbild ihrer lehrenden Tätigkeit während der ganzen Zeit nicht geändert.

Durch Urteil vom 15.03.2002 hat das SG festgestellt, dass die Klägerin am 31.12.1998 versicherungspflichtig gewesen sei. Zusätzlich ist die Beklagte verurteilt worden, den Antrag vom 18.06.2001 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden. Maßgeblich sei der klare Wortlaut des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, der von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern, nicht von geringfügig Beschäftigten spreche. Der erweiternden Auslegung der Beklagten werde nicht gefolgt. Die Klägerin könne daher bei Versicherungspflicht am 31.12.1998 die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI verlangen. Dies gebiete auch die Gesamtbetrachtung der bald sieben Jahre dauernden selbständigen Tätigkeit als Kommunikationstrainerin, in der lediglich für acht Monate vorübergehend zwei geringfügig Beschäftigte angestellt gewesen seien.

Ihre zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung hat die Beklagte (=Berufungsklägerin) im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Klägerin am 31.12.1998 nicht versicherungspflichtig i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gewesen sei. Sie habe zwar zu diesem Zeitpunkt "keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt". Jedoch seien die Entgelte der beiden - in der Zeit von 08/98 - 03/99 - geringfügig Beschäftigten zusammen zu rechnen, so dass am Stichtag Versicherungspflicht zu verneinen sei. Der Auffassung des SG, wonach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI eng auszulegen sei, werde nicht gefolgt. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.12.1982, 12 RK 21/82, in SozR 2400 § 2 AVG Nr. 22) könne sich der freiberuflich Tätige unschädlich der Hilfe von - i.S.v. § 8 Abs.1 Nr.1 SGB IV - geringfügig Beschäftigten bedienen. Die Versicherungspflicht des Selbständigen hänge nicht davon ab, ob der von ihm beschäftigte Arbeitnehmer selbst versicherungspflichtig oder versicherungsfrei sei. Die vom SG aufgezeigten Meinungen bezögen sich ausschließlich auf die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Dort werde verlangt, dass zumindest ein Arbeitnehmer die Geringfügigkeitsgrenze mit dem Entgelt aus der Tätigkeit für den Selbständigen überschreiten müsse. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Formulierungen und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes sei jedoch eine generelle Übertragbarkeit der in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dargestellten Voraussetzungen auf die Voraussetzungen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI nicht ohne Weiteres möglich und - wie aus den Gesetzesbegründungen zu Nr. 9 ersichtlich - auch nicht beabsichtigt gewesen. Auch der Ansicht der Klägerseite, wegen der Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Lage (Beschäftigung von 2 Geringverdienern für 8 Monate bei einer fast 7-jährigen selbständigen Tätigkeit) sei die selbständige Tätigkeit als versicherungspflichtig anzusehen, werde nicht gefolgt. Nach richtiger Auffassung könne - in Anlehnung an § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV - lediglich die Beschäftigung bis zu einem Zeitraum von zwei Monaten als gelegentlich bzw. kurzzeitig angesehen werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 30.01.1997, 12 RK 31/96, in SozR 3-2600 § 2 SGB VI Nr. 2), was hier nicht vorliege. Die Befreiungsvorschrift nach § 231 Abs. 6 SGB VI schaffe keinen eigenständigen Begriff einer "Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI".

Die Beklagte beantragt, 1. das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.03.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen. 2. Die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.03.2002 zurückzuweisen und die Revision zum Bundessozialgericht zuzulassen.

Nach Auffassung der Klägerin (=Berufungsbeklagte) müsse beim Tatbestandsmerkmal "kein versicherungspflichtiger Arbeitnehmer" des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI allein auf den Wortlaut abgestellt werden. Bei einer anderen Auslegung werde sie benachteiligt, da dann mangels Versicherungspflicht zum 31.12.1998 eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht mehr in Betracht komme. Das führe zwingend dazu, dass belastende Normen ihre Grenze im jewei-ligen Wortlaut fänden. Außerdem sei die Stichtagslösung des § 231 Abs. 6 SGB VI in Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG problematisch, da das Abstellen auf die Verhältnisse an einem einzigen Tag kein taugliches Differenzierungsmerkmal sei. Schließlich sei § 231 Abs. 6 SGB VI eingeführt worden, da die Versicherungspflicht nach § 2 SGB VI vielen Betroffenen nicht bekannt gewesen sei und Vermögensdispositionen für eine eigene Alterssicherung getroffen worden seien. Dies müsse auch für die Klägerin gelten, die zu den befreiungswürdigen Altfällen und nicht zu den ab 01.01.1999 versicherungspflichtigen Neufällen gehöre. Lohnnachweise für die Zeit vom 08/98 - 12/98 über zwei geringfügige Beschäftigungen von 620,- DM/Monat wurden vorgelegt.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Klägerin kann eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI nicht beanspruchen, da sie zum maßgeblichen Zeitpunkt (31.12.1998) keine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt hat. Der entgegenstehenden Auffassung des SG wird nicht gefolgt.

Rechtsgrundlage für die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Selbständige ist u.a. § 231 Abs. 6 SGB VI, eingefügt durch Gesetz vom 03.04.2001 (BGBl I S. 467) mit Wirkung vom 07.04.2001. Danach werden Personen, die am 31. Dezember 1998 eine nach § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI oder § 229 a Abs. 1 SGB VI versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, auf Antrag von dieser Versicherungspflicht befreit, wenn sie 1. glaubhaft machen, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten, und 2. vor dem 2. Januar 1949 geboren sind oder 3. vor dem 10. Dezember 1998 eine andere Vorsorge im Sinne es Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 oder Nr. 3 oder Satz 2 für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene getroffen haben. Die Befreiung ist bis zum 30. September 2001 zu beantragen; sie wirkt vom Eintritt der Versicherungspflicht an.

Unstreitig übt die Klägerin seit Oktober 1993 eine selbständige Tätigkeit als Kommunikationstrainerin und - mit Schwerpunkt ab 1995 - als Dozentin aus und unterfällt damit dem Personenkreis des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Dies wird auch bestätigt durch den Bescheid der Betriebskrankenkasse vom 18.05.1999, wonach die Klägerin seit 01.01.1998 selbständig ist und keine arbeitnehmerähnliche selbständige Tätigkeit i.S.v. § 7 Abs.4 Satz 1 SGB IV ausübt.

Die Klägerin hat jedoch zum maßgeblichen Zeitpunkt (31.12.1998) keine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgeübt. Sie hat in der Zeit vom 01.08. 1998 bis 31.03.1999 zwei Arbeitnehmer in geringfügigem Umfang beschäftigt, deren Beschäftigungszeiten bzw. Arbeitsentgelte zusammengerechnet die Grenzen des § 8 SGB IV übersteigen und damit in ihrer Gesamtheit einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ersetzen. Damit scheidet eine Befreiung nach § 231 Abs. 6 SGB VI aus.

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung (vgl. BSG, SozR 2400 § 2 AVG Nr. 22) sowie der herrschenden Meinung in der Literatur (vgl. GK-SGB VI, Stand: 2/92, § 2, Rn. 43; Hauck/Haines, SGB VI, 1. Band, Lieferung VI/01, K § 2, Rn. 27 b; Kasseler Kommentar, Band 1, Stand: 3/01, § 2, Rn. 10; Schmidt, NZS 2000, S. 57, 60; a.A.: Sommer, NZS 2000, S. 122, 127; Oberthür/Lohr, NZA 2001, S. 126, 127 f.) geht der Senat davon aus, dass die Einführung des Merkmals "versicherungspflichtiger Arbeitnehmer" zum 01.01.1992 (bis 31.12.1991: § 2 Abs. 1 Nr. 3 AVG: selbständige Lehrer, Erzieher und Musiker, die in ihrem Betrieb keine Angestellten beschäftigen") nach Sinn und Zweck der Regelung nicht dazu führen kann, dass ein Selbständiger auch dann versicherungspflichtig bleibt, wenn er mehrere jeweils nur innerhalb der Grenzen von § 8 Abs. 1 SGB IV geringfügig tätige Hilfskräfte beschäftigt und dadurch die Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers umgeht. Richtig ist, dass nach dem Wortlaut der Norm die Versicherungspflicht nicht entfallen würde, weil beide Arbeitnehmer im Jahr 1998 bei der Klägerin jeweils geringfügig (620,- DM/Monat) beschäftigt waren und damit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI versicherungsfrei und nicht versicherungspflichtig waren. Jedoch ist das Tatbestandsmerkmal "keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu beschäftigen" dahin zu verstehen, dass die von einem Selbständigen beschäftigten Hilfskräfte nicht in einem Umfang tätig sind, der bei einer einzelnen Person zur Versicherungspflicht führen würde.

Allein eine solche Zusammenrechnung wird dem Sinn und Zweck der Versicherungspflicht von Selbständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI gerecht. Denn diese Norm geht von der Schutzbedürftigkeit der Selbständigen aus, solange sie allein auf die Verwertung ihrer Arbeitskraft angewiesen sind. Dies ist jedoch dann nicht mehr der Fall, wenn von einem Selbständigen gleichzeitig verschiedene Personen jeweils in geringfügigem Umfang beschäftigt werden, die als solche nicht versicherungspflichtig sind. Dabei wird unterstellt, dass die wirtschaftliche Lage des Selbständigen durch die geringfügig Beschäftigten nennenswert beeinflusst wird (vgl. BSG, in SozR 2400 § 2 AVG Nr. 22; BSG, Urteil vom 11.12.1987, 12 RK 58/85, in SozR 2400 § 2 AVG Nr. 24).

Soweit die Klägerin sich allein auf den Wortlaut des Gesetzes und die dazu vom SG zitierten Meinungen in der Literatur (vgl. Sommer, NZS 2000, S. 122, 127; Oberthür/Lohr, NZA 2001, S. 126 f, 128) stützt, folgt dem der Senat nicht. Denn diese Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf Voraussetzungen für die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Dort wird verlangt, dass zumindest ein Arbeitnehmer die Geringfügigkeitsgrenze mit dem Entgelt aus der Tätigkeit für den Selbständigen überschreiten muss (vgl. Oberthür/ Lohr, a.a.O, S. 126). Im Hinblick auf die unterschiedlichen Formulierungen und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes können jedoch die in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dargestellten Voraussetzungen nicht ohne weiteres auf die Voraussetzungen nach § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI übertragen werden, was seitens des Gesetzgebers auch nicht beabsichtigt war.

Die Klägerin kann sich auch nicht auf die Vorschrift des § 7 Abs. 4 SGB IV (sog. Scheinselbständigkeit) in der bis zum 31.03.2000 geltenden Fassung (Gesetz vom 19.12. 1998, BGBl I S. 3843, vgl. Schmidt, NZS 2000, S. 57 ff, 60) berufen.

§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IV lautet: Bei Personen, die erwerbsmäßig tätig sind und 1. im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, ... wird vermutet, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen.

Auch bei diesem Tatbestandsmerkmal ist anerkannt, dass die Verdienstgrenze dann überschritten ist, wenn das Entgelt aus mehreren Beschäftigungsverhältnissen 630 DM monatlich übersteigt (vgl. BT-Drucks 14/1855, S. 61; vgl. Brand, DB 1999, S. 1162, 1165; zu § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vgl.: Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 16.06.1999, NZA 1999, S. 746, 749). Nach der Neufassung von § 7 Abs. 4 SGB IV und § 2 Satz 1 Nr. 9 a SGB VI durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12. 1999 (BGBl 2000 I S. 2) haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung ihre Auffassung geändert (vgl. Gemeinsames Rundschreiben zum Gesetz vom 20.12.1999, NZA 2000, 190, 191).

Eine Auswirkung auf den vorliegenden Rechtsstreit ist nicht ersichtlich. Zum einen ist § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht wie § 7 Abs. 4 SGB IV geändert worden. Zum anderen gilt das Gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger erst für den neuen, nicht für den alten Rechtszustand. So ist das Gesetz vom 20.12. 1999 zwar rückwirkend zum 01.01.1999 in Kraft getreten. Dies gilt aber nicht für die hier - zum Zwecke des Vergleichs - herangezogene Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, die bis zum 31.03.2000 in Kraft geblieben ist. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist allein der Rechtszustand vom 31.12.1998 maßgebend.

Soweit die Klägerin der Ansicht ist, die selbständige Tätigkeit von sieben Jahren überwiege bei weitem die vorübergehende, achtmonatige Beschäftigung von zwei Arbeitnehmer und sei daher insgesamt versicherungspflichtig, kann dem nicht gefolgt werden.

Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 30.01.1997, 12 RK 31/96, in SozR 3-2600 § 2 SGB VI Nr. 2) entfällt die Versicherungspflicht nicht, wenn für einen Monat ein versicherungspflichtiger Angestellter beschäftigt wird. Die nicht regelmäßige (vorübergehende, gelegentliche) Beschäftigung von Angestellten lasse die Versicherungspflicht des Selbständigen unberührt. Denn in deren Versicherungsverhältnis müsse eine gewisse Kontinuität gewährleistet sein. Vor allem werde die wirtschaftliche Lage der Selbständigen durch eine nur gelegentliche und für den Betrieb belanglose Beschäftigung von Hilfskräften nicht wesentlich erschwert.

Vorliegend hat die Klägerin Arbeitnehmer für einen Zeitraum von acht Monaten beschäftigt. Insoweit entfällt eine gelegentliche oder "belanglose" Beschäftigung i.S.d. Rechtsprechung des BSG. Selbst wenn man mit der Beklagten eine Beschäftigung bis zu einem Zeitraum von zwei Monaten als gelegentlich bzw. kurzzeitig ansehen würde (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV), wäre dies bei weitem nicht ausreichend.

Ebenso wenig kann die Klägerin mit dem Argument gehört werden, die Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI müsse im Lichte des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ausgelegt werden.

Richtig ist, dass § 231 Abs. 6 SGB VI die Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI tatbestandlich voraussetzt. Ein eigenständiger Begriff "Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI" wird dadurch aber nicht geschaffen, vielmehr wird nur auf die bestehende Regelung dieser Vorschrift Bezug genommen. Die einmal getroffene Auslegung zu § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI ist dann für andere Sachverhalte maßgebend, wenn diese ausdrücklich auf die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI abstellen. Dies gilt auch für die Vorschrift des § 231 Abs. 6 SGB VI.

Schließlich ist auch der maßgebliche Zeitpunkt in § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI (hier: 31.12.1998) entgegen der Auffassung der Klägerseite nicht zu beanstanden.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach betont, dass Stichtagsregelungen für die Schaffung von Ansprüchen wie für das Inkrafttreten belastender Regelungen trotz der damit verbundenen Härten grundsätzlich zulässig sind (vgl. BVerfGE 75, 108 (157); 87, 1 (43 f.)), vorausgesetzt, der Gesetzgeber hat seinen Spielraum in sachgerechter Weise genutzt, die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt und eine sachlich begründete Entscheidung getroffen (vgl. BVerfGE 95, 64 (88)). Diese Gesichtspunkte hat der Gesetzgeber bei der Wahl des Stichtages zum 31.12.1998 beachtet.

In die gesetzliche Rentenversicherung waren bis Ende 1998 Selbständige nur berufsgruppenspezifisch einbezogen. Mit dem am 01.01.1999 in Kraft getretenen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI (eingefügt durch Gesetz vom 19.12.1998, BGBl I S. 3843, geändert durch Gesetz vom 20.12. 1999, BGBl 2000 I S. 2, sowie - mit Wirkung vom 01.01.2002 - durch Gesetz vom 21.12.2000, BGBl I S. 1983) hat der Gesetzgeber die bisherige Regelung einer nur berufsgruppenspezifischen Einbeziehung Selbständiger in die Pflichtversicherung erweitert. Er hat nunmehr alle Selbständigen in die Rentenversicherungspflicht einbezogen, die im Zusam-menhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und auf Dauer im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt für die Klägerin zwar eine Härte darstellt. Der Gesetzgeber hat sich aber bei der verfassungsrechtlich zulässigen Stichtagsregelung nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen.

Nach alledem ist das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob das Tatbestandsmerkmal "versicherungspflichtiger Arbeitnehmer" des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch dann erfüllt ist, wenn zwei oder mehr Arbeitnehmer geringfügig beschäftigt sind und dabei die Grenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten werden, wird die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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