B 2 U 22/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 63/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 157/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 22/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin die Kosten der Leistungen zu erstatten, die sie wegen der Folgen des Unfalls des bei ihr gegen Krankheit gesetzlich versicherten E. F. (V.) vom 30. April 1993 erbracht hat.

Der am 6. Januar 1947 geborene V. war als Dreher bei der G. F. GmbH beschäftigt. Er erlitt am 30. April 1993 gegen 18.40 Uhr innerhalb der Betriebsstätte in Halle 13 einen Unfall. Er wurde von einem in die Halle einfahrenden Gabelstapler erfaßt und zog sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma zu, infolge dessen er keine Angaben zum Unfallhergang mehr machen kann.

V. hatte am Unfalltag Schicht von 14.00 Uhr bis 21.30 Uhr. Üblicherweise wurde zwischen 17.30 Uhr und 18.00 Uhr eine Pause eingelegt. Der Arbeitsplatz des V. befand sich in Halle 24. Der Unfall ereignete sich im Bereich des lamellenbewehrten Tores von Halle 13, in der mehrere Getränkeautomaten standen und in der der Mitarbeiter E. F. (im Folgenden: F.) seinen Arbeitsplatz hatte. In der Nähe des Tores befanden sich Abfallkisten für Späne. Vor dem Unfall hatte sich V. mit F. unterhalten. V. hatte diesen während seiner Schicht bereits zweimal aufgesucht und sich dabei jeweils eine Flasche Bier aus den Getränkeautomaten geholt.Bei dem kurz vor dem Unfallereignis stattfindenden dritten Gespräch mit F. fragte dieser V., ob er eine Handfettpresse habe, die er, F., - allerdings nicht sofort - benötige. V. sagte zu, nach einer solchen Umschau zu halten, und begab sich danach zum Getränkeautomaten. Im Eingangsbereich der Halle 13 nahe den Spänekisten wurde er dann von dem von G. M. gefahrenen Gabelstapler erfaßt. Nach dem Unfall wurde eine ungeöffnete Flasche Bier neben V. am Boden liegend gefunden.

Mit Bescheid vom 13. Januar 1994 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab und machte für bereits erbrachte Leistungen einen Erstattungsanspruch gegenüber der Klägerin geltend. Diese lehnte die Erstattung ab und meldete zugleich mit Schreiben vom 8. Februar 1994 einen eigenen Erstattungsanspruch nach §§ 105, 112 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), § 26 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Beklagten an.

Den Widerspruch des V. wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 1995). Antriebsmotiv zum Zurücklegen des Weges sei nicht ein Durstgefühl gewesen, das V. gezwungen habe, sich ein Getränk zu besorgen. Vielmehr sei eher von dem Wunsch nach Alkoholgenuß auszugehen, was aber nicht der Erhaltung der Arbeitskraft diene, sondern dieser eher entgegenwirke, insbesondere unter Berücksichtigung der nach dem Unfall im Klinikum nach Verabreichung von etwa 3000 ml Infusion festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,79 Promille.

Das Sozialgericht (SG) hat die von V. auf Entschädigung und von der Klägerin auf Erstattung erhobenen Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und abgewiesen (Urteil vom 13. März 1997).

Das Landessozialgericht (LSG) hat die von V. und der Klägerin eingelegten Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 23. Februar 1999). Zur Begründung heißt es im wesentlichen: Das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet habe, stehe nicht im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit. Das Besorgen eines alkoholischen Getränkes sei nicht dazu bestimmt gewesen, den Zwecken des Unternehmens zu dienen. Der Rückweg des V. zu seinem Arbeitsplatz sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt "Besorgung eines Arbeitsgerätes" als versichert anzusehen. Hierfür fehle es - auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussage des F. - am Nachweis, daß V. tatsächlich nach der Rückkehr zu seinem Arbeitsplatz F. eine Handfettpresse habe bringen wollen. Versicherungsschutz könne ebensowenig unter dem Gesichtspunkt "Mitwirkung einer gefährlichen Betriebseinrichtung" angenommen werden. Maßgebend sei nämlich allein, ob der Unfall bei der versicherten Tätigkeit geschehe, also während einer Verrichtung, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehe. Versicherungsschutz bestehe allerdings ausnahmsweise, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befaßten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes einwirke, ohne daß diese private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen habe. Diese Fallgestaltung liege jedoch hier nicht vor. Mangels versicherten Arbeitsunfalles habe die Klägerin auch keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie rügt die Verletzung des § 548 Abs 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). V. habe im Zeitpunkt des Unfalles unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Dies ergebe sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Hiernach seien Wege zu und von der Kantine zur Beschaffung von Nahrungsmitteln und Getränken - soweit diese zum alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz dienten - versichert, unabhängig vom jeweils konkreten Nachweis, ob diese Beschaffung zur Aufrechterhaltung der Arbeitskraft erforderlich sei. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Nahrungsmittel bzw Getränke innerhalb oder außerhalb des Betriebes beschafft würden, ob eine Befugnis zum Verlassen des Arbeitsplatzes bestehe und ob es sich um alkoholfreie oder alkoholhaltige Getränke handele. Zu berücksichtigen sei auch, daß der Unfall auf die durch den Gabelstapler gesetzte erhebliche Betriebsgefahr zurückzuführen sei. Unabhängig davon könne zumindest eine gemischte Tätigkeit vorliegen, wenn der Rückweg von V. auch deshalb angetreten worden sei, um dem Kollegen F. eine Handfettpresse zu besorgen. Dies habe das LSG nicht für nachgewiesen erachtet. Es habe allerdings nicht zu erkennen gegeben, daß es seine Möglichkeiten, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, dem Gebot des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entsprechend ausgeschöpft habe. Zu einer solchen Sachverhaltsermittlung von Amts wegen sei es jedoch verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1999 sowie das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 13. März 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die durch den Unfall des Mitglieds E. F. entstandenen Heilbehandlungskosten zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß ihr der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht. Der bei ihr gegen Krankheit versicherte V. hat am 30. April 1993 keinen Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 RVO erlitten.

Dabei ist auf die Vorschriften der RVO abzustellen, da sich der Unfall vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 SGB VII).

Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist nicht schon wegen der Bindungswirkung des rechtskräftig gewordenen Urteils des LSG im Verfahren des V. gegen die Beklagte ausgeschlossen. Denn das Urteil entfaltet keine Bindungswirkung zuungunsten der Klägerin gemäß § 141 Abs 1 SGG; vielmehr betrifft der von V. erhobene Anspruch auf Entschädigungsleistungen einen anderen Streitgegenstand als der allein noch in Streit stehende Anspruch der Klägerin auf Erstattung (BSGE 24, 155, 156 = SozR Nr 2 zu § 1504 RVO; BSGE 58, 119, 125 = SozR 1300 § 104 Nr 7; BSGE 62, 118, 123 = SozR 2200 § 562 Nr 7; BSG Beschluss vom 2. November 1988 - 2 BU 110/88 -, HV-Info 1989, 105; BSG Beschluss vom 23. Februar 1990 - 2 BU 138/89 -; BSG Urteil vom 30. Juni 1993, aaO).

Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist aber nicht gegeben, weil V. am 30. April 1993 keinen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat. Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeit erleidet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (st Rspr BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nrn 82, 95, 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 27; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 38). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 32). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muß der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN). Es muß also sicher feststehen, daß im Unfallzeitpunkt eine - noch - versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN). Läßt sich nicht feststellen, ob der Versicherte bei einer Verrichtung verunglückt ist, die - wenn feststellbar - in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden hätte, trifft die objektive Beweislast für das Vorliegen dieser Verrichtung den Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19; BSG Urteil vom 28. Juni 1984 - 2 RU 54/83 - HV-Info 1984, Nr 15, 40; BSGE 58, 76, 79 = SozR 2200 § 548 Nr 70; s auch BVerfG SozR 2200 § 548 Nr 36).

Aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhaltes, der, da er mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffen worden ist, gemäß § 163 SGG für den Senat bindend ist, läßt sich nicht feststellen, daß V. im Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Allein der Umstand, daß ein Unfall auf dem Betriebsgelände oder gar unmittelbar am Arbeitsplatz eines Versicherten eingetreten ist, begründet den inneren Zusammenhang noch nicht, denn allein der Aufenthalt des versicherten Arbeitnehmers dort reicht zur Annahme des Versicherungsschutzes nicht aus. In der gesetzlichen Unfallversicherung besteht mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen außerhalb der See- und Binnenschiffahrt (vgl dort §§ 838 und 552 RVO) kein sogenannter Betriebsbann (vgl BSGE 14, 197, 199 = SozR Nr 38 zu § 542 RVO; BSG SozR 2200 § 548 Nrn 15 und 20; BSGE 42, 129, 131 = SozR 2200 § 548 Nr 22; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 22; von Wulffen in Festschrift für Otto Ernst Krasney, 1997, 791, 792), so daß auch im Falle der Einwirkung besonderer, dem Betrieb eigentümlicher Gefahren Unfälle bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten nicht versichert sind. Vielmehr ist stets erforderlich, daß der Arbeitnehmer im Unfallzeitpunkt einer versicherten Tätigkeit nachging, indem er betriebsdienliche Zwecke verfolgte oder zumindest eine Tätigkeit ausübte, die den Zwecken des Unternehmens zu dienen bestimmt war (vgl BSG SozR Nr 22 zu § 548 RVO; SozR 2200 § 539 Nr 119; SozR 3-2200 § 548 Nr 22). Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt kann nicht davon ausgegangen werden, daß V. im Unfallzeitpunkt einer betriebsdienlichen Tätigkeit in diesem Sinne nachging.

V. war auf dem Rückweg von einem Getränkeautomaten zu seinem Arbeitsplatz, nachdem er eine Flasche Bier entnommen hatte. Anders als bei den Wegen zur Besorgung von Nahrungsmitteln oder zur Einnahme einer Mahlzeit kann bei Wegen zur Besorgung von alkoholischen Getränken oder sonstiger Genußmittel nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, daß deren Verzehr der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitskraft dient und damit versichert ist. Hierfür müssen besondere Umstände vorliegen. Während auch der Verzehr von Nahrungsmitteln während der Arbeitszeit grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz steht, weil die Nahrungsaufnahme für jeden Menschen Grundbedürfnis ist und somit betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten (vgl BSGE 11, 267, 268; 12, 247, 249 = SozR Nr 28 zu § 542 RVO aF; BSG SozR Nr 26 zu § 543 RVO aF; SozR Nrn 41 und 52 zu § 542 RVO aF; BSG SozR 2200 § 548 Nrn 20 und 86; zuletzt Urteil des BSG vom 24. Februar 2000 - B 2 U 20/99 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, HVBG-Info 2000, 1078), hat das BSG den Versicherungsschutz auf den Wegen zu und von etwa der Werkskantine angenommen (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 86; Urteil vom 5. August 1993 - 2 RU 2/93 - BB 1993, 2454 = USK 93104; BSG SozR 2200 § 548 Nr 97); ebenso für die notwendigen Wege zur Besorgung von Nahrungsmitteln zB Erfrischungsgetränken auf dem Betriebsgelände oder außerhalb während der Arbeitszeit oder der Arbeitspause (vgl BSG SozR 2200 § 550 Nr 28; BSGE 55, 139 = SozR 2200 § 550 Nr 54; BSG SozR 2200 § 548 Nr 97; BSG Urteile vom 25. November 1992 - 2 RU 1/92 - HV-Info 1993, 531 = USK 92186 und vom 5. August 1993 - 2 RU 2/93 - aaO). Grund hierfür ist, daß auch in den Fällen, in denen die Nahrungsaufnahme nicht aufgrund besonderer betrieblicher Einwirkungen erforderlich ist, sie nicht nur dem Stillen des natürlichen Hunger- und Durstgefühls, sondern im Regelfall auch der Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit und damit betrieblichen Belangen dient und das Zurücklegen der Wege notwendig ist, weil der Beschäftigte sich nicht zu Hause oder sonstwie im privaten Bereich aufhält, sondern seiner versicherten Tätigkeit nachgeht. Beide Gründe rechtfertigen es, das Zurücklegen der erforderlichen Wege zur Nahrungsaufnahme oder zur Besorgung von Nahrungsmitteln der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, die Nahrungsaufnahme selbst aber nach wie vor grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 24. Februar 2000, aaO, mwN).

Demgegenüber ist der Genuß alkoholischer Getränke - von Ausnahmefällen abgesehen - schon grundsätzlich nicht vom Handlungsziel der Erhaltung der Arbeitskraft geprägt, so daß auch der Weg zur Beschaffung von alkoholischen Getränken nicht diesem Ziel dienen kann. Anders als die Einnahme von fester Nahrung oder Erfrischungsgetränken entspringt der Genußmittelkonsum weit mehr als die Befriedigung eines natürlichen und unabweisbaren Hunger- oder Durstgefühls regelmäßig persönlichen Angewohnheiten (vgl BSGE 12, 254, 255 = SozR Nr 27 zu § 543 RVO aF; BSG SozR Nr 15 zu § 550 RVO). Ein Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit kann daher nur beim Nachweis besonderer Umstände angenommen werden (BSGE 12, 254, 256 = SozR aaO; im Ergebnis ebenso Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl, § 8 RdNrn 80 und 220; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, 4. Aufl, § 8 RdNr 252; Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, 5. Aufl, § 8 RdNr 7.33.12). Einen solchen Ausnahmefall hat das BSG für einen Raucher erwogen, für den das Rauchen in der jeweiligen Situation so unabweisbar notwendig wie das Stillen des Hungers hätte sein können (BSGE 12, aaO), das beabsichtigte Rauchen also zur Weiterarbeit für den betroffenen Versicherten notwendig war (BSG SozR Nr 15 zu § 550 RVO S Aa 18). Zwar bestehen wegen der unmittelbar eintretenden negativen Auswirkungen des Alkohols auf die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Menschen schon Zweifel, ob die für das Rauchen erörterte besondere Lage für den Genuß von Alkohol überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Entscheidend ist aber der Umstand, daß das LSG derartige besondere Umstände nicht festgestellt hat. Es steht nicht fest, daß der Genuß einer - mindestens - dritten Flasche Bier gegen 17.30 Uhr nach Schichtbeginn um 14.00 Uhr für V. so unabweisbar notwendig war wie die Stillung des Hungergefühls. Daß der Arbeitgeber des V. durch das Aufstellen eines Bierautomaten den Bierkonsum während der Arbeitszeit geduldet und sogar erleichtert hat, kann den Versicherungsschutz hier nicht begründen. Denn es handelte sich lediglich um ein Angebot an die Arbeitnehmer, sich dieses Automaten zu bedienen anstatt zur Besorgung alkoholischer Getränke jeweils das Betriebsgelände zu verlassen. Der Entschluß, Bier aus dem Automaten zu holen und zu trinken, lag allein beim Arbeitnehmer. Da dieser Entschluß im vorliegenden Fall nicht durch mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Umstände hervorgerufen war, sind die Wege des Versicherten am Unfalltag zur Beschaffung von Alkohol dem eigenwirtschaftlichen und damit unversicherten Lebensbereich zuzuordnen.

Für den Unfallzeitpunkt kann auch nicht angenommen werden, daß V. seine versicherte Tätigkeit als Dreher nur geringfügig unterbrochen hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entfällt der Versicherungsschutz auch während einer privaten Zwecken dienenden Unterbrechung der versicherten Tätigkeit nicht, wenn die private Verrichtung der Art ist, daß sie nach natürlicher Betrachtungsweise nur zu einer geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit führt (s ua BSG SozR Nr 31 zu § 548 RVO; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8; Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNr 54; Lauterbach/ Schwerdtfeger, aaO, § 8 RdNr 350); ob eine Unterbrechung geringfügig ist, richtet sich nicht allein danach, wie weit sich der Versicherte räumlich von seinem Arbeitsplatz entfernt; rechtlich wesentlich ist auch die Zeit, die der Versicherte für die private Besorgung aufgewendet hat und voraussichtlich hätte aufwenden müssen (BSG Urteil vom 18. Dezember 1974 - 2 RU 37/73 - USK 74212). Der Begriff der Geringfügigkeit kann nicht nach absoluten Maßstäben gemessen werden. Abgesehen von dem besonders wichtigen Zeitfaktor sind daher die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 31. August 1972 - 2 RU 51/71 -; BSG vom 5. Februar 1980 - 2 RU 75/79 -, HVGBG Rundschreiben VB 87/80; Brackmann/Krasney, aaO, § 8 RdNr 54). Unterbrechungen, die wesentlich allein dem privaten Lebensbereich dienen, sind nur dann zeitlich und räumlich als geringfügig anzusehen, wenn sie Verrichtungen dienten, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt werden (BSG SozR 2200 § 550 Nr 44; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 8 S 19). Nach diesen Maßstäben hat V. seine versicherte Tätigkeit weder räumlich noch zeitlich nur geringfügig unterbrochen. Nach den Feststellungen des LSG, an die das Revisionsgericht gebunden ist (§ 163 SGG), hatte V. seinen eigenen Arbeitsplatz in Halle 24 verlassen, sich in eine andere Halle begeben, dort ein Gespräch mit F. geführt, sich ein Getränk besorgt und sich dort aus unbekannten Gründen in der Nähe der Spänekisten aufgehalten.

Versicherungsschutz läßt sich auch nicht aus dem Mitwirken einer gefährlichen Betriebseinrichtung (nach den Feststellungen des LSG hier in Form des als rücksichtslos fahrend bekannten Gabelstaplerfahrers M.) herleiten. Da es - wie schon ausgeführt - einen sog Betriebsbann in der allgemeinen Unfallversicherung nicht gibt, ist für den Versicherungsschutz daher nicht maßgebend, ob betriebliche Gefahren beim Unfall mitgewirkt haben, sondern ob der Unfall bei der versicherten Tätigkeit, also während einer Verrichtung geschah, die im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 22 mwN). Diese Grundsätze gelten allerdings nicht, wenn eine besondere Betriebsgefahr auf den mit einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit befaßten Versicherten im räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes (zB Explosion in unmittelbarer Nähe des Arbeitsplatzes während eines privaten Telefongesprächs) einwirkt, ohne daß diese private Verrichtung wesentlich zur Bedrohung durch die zum Unfall führende Betriebsgefahr beigetragen hatte (vgl BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 22, S 71 mwN; BSG Urteil vom 18. April 2000 - B 2 U 7/99 R -). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Hätte sich V. nicht auf den Weg zum Getränkeautomaten bzw wieder zurück zu seinem Arbeitsplatz gemacht, wäre er nicht an dieser Stelle mit dem Gabelstapler zusammengetroffen. Zudem hatte V. spätestens mit dem Heraustreten aus der Halle 24 den räumlich-zeitlichen Bereich seines Arbeitsplatzes in jedem Fall verlassen.

Zutreffend hat das LSG auch einen Versicherungsschutz des V. gemäß § 549 RVO verneint. Nach dieser Vorschrift gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall bei einer mit der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes. Um eine Erneuerung eines Arbeitsgerätes könnte es sich zwar handeln, wenn V. nach seiner entsprechenden Zusage gegenüber F. sich nach einer Handfettpresse umgesehen hätte. Nach den Feststellungen des LSG war das aber nicht der Fall. Vielmehr hat sich V. nach dem Gespräch mit F. zum Getränkeautomaten begeben. Die in diesem Zusammenhang von der Klägerin erhobene Rüge der Verletzung des § 103 SGG ist unzulässig, da sie insoweit noch nicht einmal ein zulässiges Beweismittel bezeichnet hat, bei dessen Ausschöpfen der den Versicherungsschutz nach § 549 RVO begründende Sachverhalt festgestellt worden wäre.

Das LSG hat auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen den Unfallversicherungsschutz des V. bei seinem Unfall vom 30. April 1993 unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zutreffend verneint. Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob V. allein aufgrund des Alkoholkonsums am Unfalltag den inneren Zusammenhang zu seiner versicherten Tätigkeit gelöst hatte, wenn er zu einer betriebsdienlichen Tätigkeit nicht mehr in der Lage gewesen wäre (vgl dazu BSGE 48, 224, 226 = SozR 2200 § 548 Nr 45), oder ob der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall gefehlt hat, weil der Alkoholeinfluß die rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war (vgl dazu BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 9; BSG Urteil vom 5. Juli 1994 - 2 RU 34/93 - BB 1994, 2209 = USK 9470). Trotz einiger Andeutungen hat das LSG schon die Höhe der Blutalkoholkonzentration des V. im Unfallzeitpunkt nicht festgestellt.

Die Revision der Klägerin war mithin als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
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