B 11 AL 13/99 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11 AL 13/99 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1998 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist noch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 27. November 1993 bis zum 14. März 1994.

Die 1941 geborene Klägerin war zuletzt mit einer tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden als Büroangestellte bei der Stadt Mainz beschäftigt. Sie erhielt bis zum 25. Januar 1993 Arbeitsentgelt und anschließend bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis bis 26. November 1993 Krankengeld. Vom 15. März 1994 bis 23. Juni 1994 arbeitete die Klägerin nochmals als Verwaltungsangestellte bei der Stadt Mainz und meldete sich sodann wieder krank. Sie erhielt über das Ende des Arbeitsversuchs hinaus noch bis einschließlich 16. Januar 1995 Arbeitsentgelt, danach vom 17. Januar 1995 bis zum 14. April 1996 Krankengeld. Nach erneuter Arbeitslosmeldung und Antragstellung bezog sie ab 15. April 1996 bis zum Rentenbeginn Alg.

Auf einen von der Klägerin am 25. Februar 1993 gestellten Rentenantrag verneinte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 8. Juli 1993 das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (BU/EU), weil die Klägerin noch in der Lage sei, vollschichtig in ihrem bisherigen Beruf als Verwaltungsangestellte zu arbeiten. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos, da die Klägerin nach dem Ergebnis einer zusätzlichen Begutachtung im Widerspruchsverfahren leichte körperliche Arbeiten ohne Publikumsverkehr weiterhin vollschichtig verrichten könne (Widerspruchsbescheid der BfA vom 15. Juni 1994). Im Klageverfahren führte ein weiteres Gutachten zu einem im Oktober 1997 geschlossenen Vergleich, durch den sich die BfA verpflichtete, der Klägerin auf Grund eines im Oktober 1996 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen EU ab 1. November 1996 zu zahlen.

Zum 27. November 1993 hatte sich die Klägerin arbeitslos gemeldet und Alg beantragt. Sie gab an, arbeitsunfähig krank geschrieben zu sein und ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht verrichten zu können. Zu den für sie noch in Betracht kommenden Tätigkeiten machte sie in ihrem Antrag keine Angaben. Auf Anfrage der Beklagten, ob sie bereit sei, im Rahmen des im Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vom 8. Juli 1993 festgestellten Leistungsvermögens zu arbeiten, erklärte die Klägerin, sie sei weiter arbeitsunfähig und fühle sich nicht in der Lage zu arbeiten. Mit Bescheid vom 8. Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 1994 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg ab, weil die Klägerin nicht bereit sei, im Rahmen des vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögens zu arbeiten und Alg auch nicht aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung in § 105a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) verlangen könne.

Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. April 1995; Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1998). Das LSG hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Für die Zeit vom 27. November 1993 bis zum 14. März 1994 sei ein Anspruch auf Alg schon deshalb zweifelhaft, weil Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß die Klägerin nicht arbeitslos gewesen sei. Letztlich könne die Frage der Arbeitslosigkeit jedoch dahinstehen, da es auch an der subjektiven Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) der Klägerin gefehlt habe. Denn die Klägerin sei nicht bereit gewesen, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie habe ausüben können und dürfen. Zur Zeit der Arbeitslosmeldung habe die Klägerin der Arbeitsvermittlung objektiv zur Verfügung gestanden, da sie nach dem Bescheid des Rentenversicherungsträgers vom 8. Juli 1993 noch vollschichtig leistungsfähig gewesen sei. Diese Feststellung sei auch zur Zeit der Arbeitslosmeldung noch zutreffend gewesen, da das Rentenverfahren erst ab Oktober 1996 zur Anerkennung von EU geführt habe. Die Klägerin habe nur dann Anspruch auf Alg, wenn sie auch subjektiv bereit gewesen sei, im Rahmen des verbleibenden Leistungsvermögens jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen. Hieran fehle es, weil sich die Klägerin nicht im Rahmen des im Rentenbescheid (vom 8. Juli 1993) festgestellten Leistungsvermögens zur Verfügung gestellt habe. Ein Anspruch auf Alg bestehe auch nicht nach der sog Nahtlosigkeitsregelung des § 105a AFG, weil es an den Voraussetzungen für deren Anwendung fehle. Denn schon vor der Arbeitslosmeldung habe der zuständige Rentenversicherungsträger durch den Bescheid vom 8. Juli 1993 festgestellt, daß weder BU noch EU vorliege, und diese Feststellung habe er auch in dem im Juni 1994 erlassenen Widerspruchsbescheid aufrechterhalten. § 105a AFG begründe nicht etwa einen Anspruch auf Alg bis zur Bestandskraft eines ablehnenden Rentenbescheids bzw bis zum rechtskräftigen Abschluß eines gegen die Rentenablehnung gerichteten gerichtlichen Verfahrens. Schon nach dem Wortlaut des § 105a Abs 1 AFG komme es nur darauf an, ob der zuständige Rentenversicherungsträger BU oder EU festgestellt habe, nicht dagegen auf eine bestandskräftige Entscheidung im Rahmen eines auf Antrag des Versicherten eingeleiteten Rentenverfahrens. Auch aus dem Zweck der Regelung, der Gefahr einer Verweigerung von Versicherungsschutz sowohl bei Leistungen der Arbeitslosen- als auch der Rentenversicherung wegen unterschiedlicher Beurteilung der Leistungsfähigkeit entgegenzuwirken, ergebe sich nichts anderes. Denn das Risiko einer unterschiedlichen Beurteilung der Leistungsfähigkeit bestehe auch dann nicht mehr, wenn der Rentenversicherungsträger das Vorliegen von BU oder EU verneine, weil die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zugunsten des Versicherten an diese Feststellung gebunden sei.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung formellen und materiellen Rechts und führt dazu im wesentlichen aus, das LSG habe ihre Erklärungen gegenüber dem Arbeitsamt unzulässig gewürdigt. Es sei ihr unmöglich gewesen, sich gegenüber der Beklagten im Umfang des im Bescheid der BfA vom 8. Juli 1993 festgestellten Leistungsvermögens für leistungsbereit zu erklären, weil sie dadurch den gegen den ablehnenden Rentenbescheid eingelegten Widerspruch entwertet hätte. Aus einer Einlassung, die sich aus einem Rechtsbehelf des Versicherten gegen einen Ablehnungsbescheid des Rentenversicherungsträgers ergebe, ungünstige Feststellungen im Hinblick auf Ansprüche gegen die BA herzuleiten, verstoße gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens. Dem LSG sei wegen seines Vorgehens eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorzuwerfen. In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das LSG zu Unrecht eine Anwendung des § 105a AFG abgelehnt. Diese Vorschrift sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß sie im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Rentenversicherungsträgers bis zur Bestandskraft dieser Entscheidung einen Anspruch auf Alg begründe. Anderenfalls wäre der mit dieser Vorschrift bezweckte Schutz der Versicherten vor Kompetenzstreitigkeiten zwischen der BA und dem Rentenversicherungsträger unvollständig, weil ein Versicherter, der eine ablehnende Entscheidung des Rentenversicherungsträgers angreife, sich gerade gegen die Fiktion der objektiven Leistungsfähigkeit wenden und BU oder EU geltend machen müsse. Anderenfalls sei sein Rentenbegehren unschlüssig. Dies dürfe aber nicht zu einem Verlust seiner Ansprüche gegen die Arbeitsverwaltung führen, da der Versicherte ansonsten gezwungen werde, sich gegenüber zwei Leistungsträgern widersprüchlich einzulassen, um eine Sozialleistung zu erhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Dezember 1998 und das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. April 1995 aufzuheben und

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Januar 1994 zu verurteilen, vom 27. November 1993 bis 14. März 1994 Arbeitslosengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält die Klägerin für nicht arbeitsbereit, weil sie sich der Arbeitsvermittlung nicht mit dem vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögen zur Verfügung gestellt habe. Die Voraussetzungen der Nahtlosigkeitsregelung seien nicht gegeben, weil die Klägerin nach den Feststellungen des LSG objektiv leistungsfähig gewesen sei. Da der Rentenversicherungsträger seine Entscheidung über das Vorliegen von EU/BU zur Zeit des Antrags auf Alg bereits getroffen habe, habe festgestanden, daß ein in der Rentenversicherung versichertes Risiko nicht eingetreten sei, so daß der Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung nicht berührt werde.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

II

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Urteil des LSG verletzt § 105a AFG. Für eine abschließende Entscheidung des Senats reichen die tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht aus

Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Der Arbeitsvermittlung steht zur Verfügung, wer eine zumutbare, nach § 168 AFG die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann und darf (objektive Verfügbarkeit) und bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung aufzunehmen, die er ausüben kann und darf (subjektive Verfügbarkeit; § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 Buchst a AFG in der hier anwendbaren Fassung des Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2343). Nach § 105a Abs 1 AFG (in der hier anwendbaren Fassung des Art II § 2 Nr 7 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vom 18. August 1980, BGBl I S 1469) hat Anspruch auf Alg nach § 100 Abs 1 AFG auch, wer die in den §§ 100 bis 103 AFG genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg allein deshalb nicht erfüllt, weil er wegen einer nicht nur vorübergehenden Minderung seiner Leistungsfähigkeit keine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts ausüben kann, wenn weder BU noch EU im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung festgestellt worden ist (Satz 1). Die Feststellung, ob BU oder EU vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 2).

Allein diese Merkmale bestimmen den Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung. Ihre Wirkung besteht darin, ein gesundheitliches Leistungsvermögen des Arbeitslosen (Versicherten) bis zum Eintritt des in der Rentenversicherung versicherten Risikos der BU/EU zu fingieren (BSGE 44, 29, 31; 49, 1, 8 = SozR 4100 § 134 Nr 14; BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 1; BSGE 71, 12, 15 = SozR 3-4100 § 105a Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 5). Diese Fiktion hindert die Arbeitsverwaltung daran, einen Anspruch auf Alg mit der Begründung zu verneinen, der Arbeitslose sei wegen nicht nur vorübergehenden Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit objektiv nicht verfügbar. Die Sperrwirkung der sog Nahtlosigkeitsregelung entfaltet sich allein im Rahmen der objektiven Verfügbarkeit (BSGE 71, 12, 15 = SozR 3-4100 § 105a Nr 4). Erst nachdem der Rentenversicherungsträger eine positive Feststellung über das Vorliegen von BU/EU getroffen hat, wobei das Gesetz für die "Feststellung" eine bestimmte Form oder ein bestimmtes Verfahren nicht voraussetzt (BSGE 71, 12, 14 = SozR 3-4100 § 105a Nr 4; BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 5), entfällt auch die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung, so daß die Beklagte nunmehr in ihrer Beurteilung der objektiven Verfügbarkeit frei ist und den Anspruch auf Alg ggf mit der Begründung verneinen kann, der Arbeitslose könne eine Beschäftigung auf der Grundlage des in § 105a Abs 1 Satz 1 AFG aufgeführten Leistungsvermögens nicht mehr ausüben. Die positive Feststellung von BU/EU durch den zuständigen Rentenversicherungsträger bindet die Arbeitsverwaltung nicht, sondern eröffnet ihr die Möglichkeit, nunmehr ohne die Beschränkungen des § 105a Abs 1 AFG die objektive Verfügbarkeit aufgrund eigener Feststellungen zu verneinen.

Eine weitergehende Bindung an tatsächliche oder rechtliche Feststellungen des Rentenversicherungsträgers iS einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Nahtlosigkeitsregelung (§ 103 Abs 1 und 2 AFG idF vom 25. Juni 1969, BGBl I 582; § 105a Abs 1 AFG idF des Art II § 2 Nr 7 SGB X vom 18. August 1980, BGBl I 1469; § 125 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) idF des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997, BGBl I 2970) ist auch nicht durch den aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Vorschrift geboten. Die Regelung soll lediglich verhindern, daß widersprüchliche Beurteilungen der Leistungsfähigkeit durch die BA und den Rentenversicherungsträger "auf dem Rücken des Versicherten ausgetragen werden" (Urteil vom 14. November 1995 - 11 RAr 19/95 = DBlR 4259 zu § 105a AFG; BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 5). Der Gesetzgeber will mit der Nahtlosigkeitsregelung unmittelbar nur der Gefahr entgegenwirken, daß Versicherungsschutz aus beiden Versicherungszweigen deshalb nicht gewährt wird, weil die BA und der Rentenversicherungsträger die Leistungsfähigkeit unterschiedlich beurteilen (BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 1; Urteil vom 14. November 1995 aaO; BSG SozR 3-4100 § 105a Nr 5 jeweils mwN). Denn ohne den Verwaltungsverbund konnte die unbefriedigende Situation eintreten, daß ein Arbeitsloser (Versicherter) wegen unterschiedlicher Beurteilung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit von der BA als nicht verfügbar, vom Rentenversicherungsträger aber als weder berufs- noch erwerbsunfähig angesehen wurde, so daß ihm sowohl Leistungen wegen Arbeitslosigkeit als auch eine Rente abgelehnt wurden (Begründung des Regierungsentwurfs BT-Drucks V/2291, 79; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit zu Drucks V/4110, 18; vgl ferner BSGE 49, 1, 4 = SozR 4100 § 134 Nr 14; BSGE 71, 12, 15 = SozR 3-4100 § 105a Nr 4). Erst nach dem der Rentenversicherungsträger zumindest BU festgestellt hat, besteht die Gefahr eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung wegen gegensätzlicher Beurteilung der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit nicht mehr (BSGE 71, 12, 16 = SozR 3-4100 § 105a Nr 4).

Über die so beschriebene "Sperrwirkung" hinaus entfaltet die Nahtlosigkeitsregelung keine weitergehende Bindung der Arbeitsverwaltung (BA). Dies gilt auch für Ablehnungsbescheide des Rentenversicherungsträgers, die dieser auf einen Rentenantrag des Versicherten hin erteilt. Ein derartiger Ablehnungsbescheid schränkt auch - entgegen der Rechtsansicht des LSG und der BA - den Anwendungsbereich der Nahtlosigkeitsregelung nicht ein und beendet die Sperrwirkung nicht (insoweit mißverständlich die nicht tragenden Erwägungen in SozR 3-4100 § 105a Nr 5 S 24 f). Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Nahtlosigkeitsregelung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rentenverfahrens anwendbar bleibe, stellt sich nach dem Tatbestand des § 105a Abs 1 AFG nicht.

Da die Sperrwirkung der Nahtlosigkeitsregelung auf die Beurteilung der objektiven Verfügbarkeit beschränkt ist, sind die Feststellungen des Rentenversicherungsträgers zum gesundheitlichen Leistungsvermögen für die Beurteilung der subjektiven Verfügbarkeit (Arbeitsbereitschaft) nicht heranzuziehen (BSGE 71, 12, 15 = SozR 3-4100 § 103 Nr 4). Da Arbeitslose nur zur Aufnahme von zumutbaren Beschäftigungen bereit sein müssen (§ 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Buchst a) AFG), kann ein fiktives Leistungsvermögen ohnehin kein geeigneter Beurteilungsmaßstab sein. Beschäftigungen, die die tatsächliche gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen übersteigen, sind nicht zumutbar. Zur Feststellung des Umfangs zumutbarer Arbeiten und zur Beurteilung der subjektiven Verfügbarkeit hat die BA deshalb das tatsächliche Leistungsvermögen der Arbeitslosen eigenständig zu ermitteln und festzustellen. Danach erweist sich das Urteil des LSG als fehlerhaft, denn es verneint die Arbeitsbereitschaft der Klägerin, weil sie sich nicht im Umfang des vom Rentenversicherungsträger festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt habe.

Erst die konkrete Feststellung des noch vorhandenen Leistungsvermögens bildet die Grundlage für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft (subjektive Verfügbarkeit nach § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG). Die fehlende Bereitschaft zur Aufnahme einer zumutbaren, der Leistungsfähigkeit entsprechenden Beschäftigung ist keine Frage der Nahtlosigkeitsregelung, sondern liegt im eigenen Verantwortungsbereich des Arbeitslosen bzw Versicherten (vgl BSGE 47, 40, 44; Eckert in GK-AFG, § 105a RdNr 2), so daß sich negative Auswirkungen auf seinen Alg-Anspruch ergeben, wenn er sich der Arbeitsvermittlung nur unterhalb seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit zur Verfügung stellt. Hingegen ist die subjektive Verfügbarkeit zu bejahen, wenn der Arbeitslose bereit ist, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen (BSGE 47, 40, 42 = SozR 4100 § 103 Nr 18). Eine Bereitschaft zur Aufnahme von Beschäftigungen, zu denen der Arbeitslose objektiv nicht in der Lage ist, verlangt das Gesetz nicht. Ein Bedürfnis für eine derartige Arbeitsbereitschaft, die im Falle ihrer Verwirklichung ins Leere ginge, ist auch nicht ersichtlich.

Der Senat vermag nicht abschließend über den Alg-Anspruch der Klägerin zu entscheiden, weil das LSG keine eigenen Feststellungen zum tatsächlichen Leistungsvermögen der Klägerin getroffen, sondern insoweit die Begründung des ablehnenden Rentenbescheides für maßgebend gehalten hat. Ergibt sich ein geringeres Leistungsvermögen als im ablehnenden Rentenbescheid angenommen, so ist aufzuklären, ob die Klägerin im Rahmen dieses Leistungsvermögens arbeitsbereit gewesen ist. Ggf hat das LSG auch weitere Feststellungen zu der bisher offengelassenen Frage der Arbeitslosigkeit der Klägerin zu treffen (s hierzu etwa BSG SozR 3-4100 § 101 Nr 9). Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückzuverweisen.
Rechtskraft
Aus
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