B 4 RA 3/01 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 3/01 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 2000 wird insoweit mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2000 als unzulässig abgewiesen wird. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist der monatliche Wert der Regelaltersrente der Klägerin und in diesem Zusammenhang die Dynamisierung des Rentenwerts zum 1. Juli 2000 gemäß § 255c des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) (in Höhe der Inflationsrate).

Die im Jahre 1929 geborene Klägerin war zuletzt ordentliche Professorin an der Hochschule für Verkehrswesen in D ... Nach ihrer Emeritierung im Jahre 1989 bezog sie sowohl eine Invalidenrente aus der Sozialversicherung von 370,00 Mark als auch eine solche aus dem Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR gemäß der Verordnung vom 12. Juli 1951 (GBl S 675) in Höhe von 3.240,00 Mark. Der Gesamtzahlbetrag wurde zum 1. Juli 1990 auf DM festgestellt (3.610,00 DM).

Die gegen die Überleitungsanstalt der Sozialversicherung - Bereich Zusatzversorgung - gerichtete Klage, mit der die Klägerin zum einen die Aufhebung des ihr im Juli 1991 zugestellten Bescheides begehrt hatte, in dem der Gesamtanspruch gemäß § 10 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) auf 2.010,00 DM begrenzt worden war (Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1991), sowie zum anderen eine Abänderung der Bescheide zur 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 1992 verlangt hatte, hatte keinen Erfolg (Urteil vom 28. September 1992). Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt.

Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte als Rentenversicherungsträger den Wert des seit 1992 bestehenden Rechts der Klägerin aus dem SGB VI auf Regelaltersrente (RAR) und ihren Nachzahlungsanspruch neu festgestellt (Bescheide vom 3. August 1993 und vom 1. August 1995). Nachdem die Entscheidung des BVerfG vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 ff) ergangen war, setzte sie mit Bescheid vom 29. Juni 1999 den Wert des Rechts auf RAR und den Nachzahlungsanspruch vorläufig neu fest unter Zugrundelegung eines Gesamtzahlbetrages von 3.610,00 DM zum 31. Juli 1991, erhöht am 1. Januar 1992 um 6,84 %. Mit Bescheid vom 24. November 1999 stellte die Beklagte die Rentenhöhe und den Nachzahlungsanspruch erneut fest, wobei sie den Gesamtzahlbetrag zum 1. Juli 1990 nach den allgemeinen Anpassungsvorschriften ab 1. Juli 1992 dynamisierte. Zum 1. Juli 2000 nahm die Beklagte die Rentenanpassung nach § 255c SGB VI vor (Bescheid vom 28. Juli 2000).

Das LSG hat mit Urteil vom 10. Oktober 2000 das Urteil des SG Dresden vom 28. September 1992 aufgehoben und die Klagen gegen die Bescheide vom 29. Juni 1999 und vom 24. November 1999 sowie gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2000 abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide seien Gegenstand des Verfahrens geworden. Begehrt werde von der Klägerin ein höherer besitzgeschützter Zahlbetrag und eine höhere Dynamisierung dieses Betrages sowie eine höhere Dynamisierung des Wertes der Rente zum 1. Juli 2000. Derartige Ansprüche stünden der Klägerin jedoch nicht zu. Die vom BVerfG (aaO) geforderte verfassungskonforme Auslegung der so genannten Zahlbetragsgarantie des EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst b Satz 4 (EV Nr 9b Satz 4) habe der 4. Senat des BSG in der Entscheidung vom 3. August 1999 (BSGE 84, 180 = SozR 3-2600 § 307b Nr 8) vorgenommen. Dieser Entscheidung schließe der Senat sich an. Die Anpassung nach § 255c SGB VI sei ebenfalls korrekt. Die durch das Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts, nämlich zur Absenkung des Bundeszuschusses sowie zur Stabilisierung des Beitragssatzes, eingefügte Vorschrift sei nicht verfassungswidrig. Die Anpassung der Renten falle nicht unter den Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG. Sie verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz. Die Maßnahme betreffe alle Rentner. In dieser Frage werde die Revision zugelassen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin sinngemäß, das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Anpassung der Rente in Höhe des Inflationsausgleichs zum 1. Juli 2000 rechtmäßig sei. Sie verstoße gegen den EinigVtr und sei verfassungswidrig, weil sie sich nicht an der Entwicklung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet orientiert habe. In Art 30 Abs 5 EinigVtr sei zugesagt worden, dass die Renten im Beitrittsgebiet wie die Löhne und Gehälter dauerhaft anzupassen seien. Dies werde durch die Entscheidung des BVerfG vom 28. April 1999 (aaO) bestätigt. Dort sei die lebensnotwendige Anpassung Ost an West ausdrücklich unter Eigentumsschutz gestellt worden; ferner sei festgestellt worden, dass der reale Wert der Ansprüche erhalten bleiben müsse. § 255c SGB VI verstoße zudem gegen die verbindliche Vorgabe in Art 72 GG. Die Ungleichheit des Rentenrechts für Bürger mit Ansprüchen aus den alten Ländern einerseits und für Bürger mit Ansprüchen aus der DDR andererseits werde verschleiert, indem einheitliche Bezeichnungen für unterschiedliche Begriffe verwandt würden. Die "neue" Dynamisierungsregel treffe nicht beide Klassen von Anspruchsberechtigten in gleicher Weise. Der aktuelle Rentenwert West betrage nunmehr 48,58 DM, der aktuelle Rentenwert Ost hingegen nur 42,26 DM. Der Abstand zwischen den beiden Rentenwerten werde damit nicht kleiner, sondern größer. Es handele sich bei der Rentenanpassung "Ost" um einen Angleichungsprozess mit anderer Qualität.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 10. Oktober 2000 - in dem Rahmen der Zulassung der Revision - aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, den in Form der Anpassungsmitteilung ergangenen Bescheid über die Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 abzuändern und die Rente nach den verbindlichen Vorgaben des Einigungsvertrages und des Grundgesetzes an die Lohn- und Einkommensentwicklung des Beitrittsgebietes anzupassen sowie der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Die in § 255c SGB VI geregelte Anpassung der Bestandsrenten in Höhe des Inflationsausgleichs verstoße nicht gegen Art 14 Abs 1 GG. Das BVerfG habe in der Entscheidung vom 28. April 1999 (aaO) zwar eine Dynamisierung des so genannten Zahlbetrages gefordert, sich jedoch jeglicher Aussage darüber enthalten, wie zu dynamisieren sei. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt. Er habe die Kürzung des Bundeszuschusses erreichen und die Beiträge stabilisieren wollen; die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems habe erhalten bleiben sollen. Die Belastungen seien für den einzelnen Rentner gering; im alten Bundesgebiet habe der Standardrentner eine um 18,00 DM, im Beitrittsgebiet eine um ca 30,00 DM niedrigere Rentenerhöhung erhalten. Eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Rentenberechtigten im Beitrittsgebiet gegenüber den Rentenberechtigten in den alten Bundesländern sei nicht feststellbar. Die sachliche Anknüpfung an die Inflationsentwicklung im Bundesgebiet sei auch gegenüber Rentenempfängern im Beitrittsgebiet nicht willkürlich.

II

Die Revision der Klägerin ist zulässig.

Die Klägerin ist formell beschwert. Denn das LSG hat die von ihr mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) begehrte Anpassung des Wertes ihrer Regelaltersrente zum 1. Juli 2000 an die Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern abgelehnt und die Klage gegen den Bescheid vom 28. Juli 2000 abgewiesen. Allein insoweit hat das LSG die Revision zugelassen; die Klägerin hat die Revision insoweit eingelegt.

Die Revision der Klägerin hat im Ergebnis jedoch keinen Erfolg. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass das Urteil des LSG abzuändern und die Klage gegen den oben genannten Bescheid nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen ist. Das LSG hätte nicht als erstinstanzliches Gericht in der Sache entscheiden dürfen. Der im Verlaufe des Berufungsverfahrens ergangene - angefochtene - Verwaltungsakt vom 28. Juli 2000 (Rentenanpassung zum 1. Juli 2000) ist weder kraft gesetzlicher Klageänderung (§ 96 SGG) noch infolge gewillkürter Klageänderung (§ 99 Abs 1 und 2 SGG) wirksam in das Verfahren vor dem LSG mit der Folge einbezogen worden, dass das LSG ihn auf seine Rechtmäßigkeit hätte überprüfen dürfen.

1. Vergleicht man den prozessualen Anspruch, der zur Entscheidung des SG gestellt worden ist, mit demjenigen, über den das LSG entschieden hat - soweit er Gegenstand des Revisionsverfahrens ist - so wird deutlich, dass er sich im Verlaufe des Verfahrens geändert und somit eine Klageänderung vorgelegen hat.

Sie liegt vor, wenn der Streitgegenstand durch eine Erklärung gegenüber dem Gericht geändert wird, etwa durch einen weiteren Antrag ergänzt, durch neues Begehren ersetzt oder wenn ein weiterer Klagegrund in den Prozess eingeführt wird. Der Streitgegenstand selbst wird bestimmt durch den prozessualen Anspruch, das auf Grund eines konkreten Sachverhalts an das Gericht gerichtete und im Klageantrag zum Ausdruck gekommene Begehren sowie durch den Klagegrund, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll (vgl hierzu BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9 und Urteil des erkennenden Senats vom 25. März 1997 - 4 RA 23/95 - BSGE 80, 149 ff = SozR 3-8760 § 2 Nr 1 - insoweit nicht veröffentlicht). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Gegenstand des Verfahrens vor dem SG war das mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Begehren, die Bescheide der Überleitungsanstalt Sozialversicherung - Bereich Zusatzversorgung - insoweit aufzuheben, als die Erhöhungen der Sozialversicherungsrente auf die Zusatzversorgungsrente ab 1. Januar 1991 angerechnet wurden, und über den 31. Juli 1991 hinaus eine ungekürzte Versorgung zu gewähren. Angefochten waren insoweit die Bescheide der Überleitungsanstalt Sozialversicherung (Bereich Zusatzversorgung) zur 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung (vom 14. Dezember 1990 (BGBl I S 2867) und vom 19. Juni 1991 (BGBl I S 1300)) sowie der Bescheid zur Kürzung der Summe der Zahlbeträge aus der Sozialversicherung und der Zusatzversorgung auf 2.010,00 DM. Im Streit vor dem SG war somit die Höhe der nach dem EinigVtr vom 31. August 1990 (BGBl II S 889) Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9b und f iVm der hierzu ergangenen 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung, dem Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, 1457) zu gewährenden "Beitrittsgebietsrente" sowie deren Kürzung nach § 10 AAÜG aF auf 2.010,00 DM. Die (hier streitige) Höhe der "Beitrittsgebietsrente" bestimmte sich für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 nach dem übergangsrechtlich geltenden "Beitrittsgebietsrecht" und nicht nach den in den alten Bundesländern bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). In Deutschland gab es bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich zwei rentenversicherungsrechtliche (Teil-)Rechtsordnungen, die jeweils partielles Bundesrecht waren und im Wesentlichen unvermischt nebeneinander bestanden (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 307a Nr 8 S 36). Zuständig für die Aufgaben der Rentenversicherung im Beitrittsgebiet war bis längstens 31. Dezember 1991 gemäß § 2 iVm § 1 EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr 1 der Träger der Sozialversicherung; dieser wurde zum 1. Januar 1991 in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt; er führte sodann den Namen Überleitungsanstalt Sozialversicherung. Die Überleitungsanstalt handelte an Stelle der Sozialversicherungsträger des Beitrittsgebiets. Sie war jedoch nicht gleichzeitig ein Sozialversicherungsträger und auch nicht dessen Rechtsnachfolger. Sie nahm lediglich für die Dauer eines Jahres die Aufgaben der noch nicht funktionsfähigen Sozialversicherungsträger wahr (vgl BSG SozR 3-8260 § 8 Nr 1).

Vor dem LSG hat die Klägerin demgegenüber von der BfA als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (und somit einem von der Überleitungsanstalt verschiedenen Rechtssubjekt) mit der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) nicht die Anpassung der "Beitrittsgebietsrente" begehrt, sondern die Anpassung des Wertes ihrer SGB VI-Rente an die Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern, insoweit die Abänderung des Bescheides vom 28. Juli 2000 und die Zahlung einer entsprechend höheren Rente.

2. Durch die hiernach vorliegende (gewillkürte) Klageänderung ist der Verwaltungsakt im Bescheid vom 28. Juli 2000 nicht kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens vor dem LSG geworden. Denn die Voraussetzungen des § 96 SGG liegen nicht vor. Der die Dynamisierung und damit auch den Wert der Rente betreffende Verwaltungsakt vom 28. Juli 2000 hat ersichtlich nicht die Bescheide über die "Beitrittsgebietsrente" abgeändert oder ersetzt. Vielmehr ist vor dem LSG ein neuer prozessualer Anspruch zur Entscheidung gestellt und ein anderes, neues Prozessrechtsverhältnis begründet worden, sowohl durch den Beteiligtenwechsel auf der Beklagtenseite als auch durch die den Wert des Rechts auf die monatliche Rente ab 1. Januar 1992 betreffende Rechtsgrundlage, das SGB VI. Ein bloßer Sachzusammenhang mit dem Streitgegenstand, dem prozessualen Anspruch, ist aber - auch soweit das BSG eine analoge Anwendung des § 96 SGG bei Dauerrechtsverhältnissen für geboten gehalten hat - nicht ausreichend, um einen neuen Verwaltungsakt zum Gegenstand des Verfahrens iS des § 96 SGG zu machen (so BSG SozR 3-1500 § 96 Nr 9; vgl hierzu auch BSGE 78, 98, 100 f = SozR 3-2500 § 87 Nr 12; BSG SozR 3-2600 § 319b Nr 1 S 4; BSG SozR 3-5425 § 24 Nr 17 S 111 f).

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Revisionsgericht die Frage, ob die Merkmale des § 96 SGG erfüllt sind und das LSG zur Sachentscheidung befugt war, im vorliegenden Zusammenhang auch ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen. Denn insoweit handelt es sich um eine von Amts wegen zu beurteilende Sachurteilsvoraussetzung der vorinstanzlichen Entscheidung (vgl zur Prüfung von Amts wegen BSG SozR 1500 § 73 Nr 5; BGHR ZPO § 295 Rechtsmittelzuständigkeit 1; NJW-RR 1991, 1346; BGH NJW 1989, 588 und 1987, 325), also nicht um einen Fall des § 163 SGG. § 96 SGG (iVm § 153 Abs 1 SGG) enthält (auch) eine Regelung über die Zuständigkeit des LSG als erstinstanzlichem Gericht. Unter den dort genannten Voraussetzungen hat das LSG ausnahmsweise entgegen § 29 SGG erstinstanzlich über die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts zu entscheiden. Im Hinblick auf Art 101 Abs 1 Satz 2 GG besteht insoweit keine Dispositionsbefugnis der Beteiligten. Die Gewährleistung des Rechts auf den gesetzlichen Richter - niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden - erfordert eine im Vorhinein rechtsatzförmige, abstrakt-generelle und rechtsstaatlich konkrete Zuständigkeitsregelung, die hinreichend bestimmt, welche Gerichte mit welchem Spruchkörper für welche Verfahren sachlich, örtlich und instanziell zuständig sind. Damit soll jeder vermeidbare Spielraum für den Rechtsanwender ausgeschlossen werden (vgl zum Vorstehenden BVerfGE 95, 322, 328 ff; 82, 286, 298; 48, 246, 253 ff = SozR 1500 § 160a Nr 30; BVerfGE 17, 294, 298 ff). Unzulässig wäre es demnach, wenn im Gesetz mehrere verschiedene Zuständigkeiten für eine Sache ausgestaltet wären (vgl hierzu Schulze-Fielitz in Dreier, Komm zum GG, Art 101 RdNr 44) oder wenn die Beteiligten über § 96 SGG die erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG vereinbaren oder trotz Vorliegens der Voraussetzungen des § 96 SGG eine Einbeziehung ausschließen könnten. Infolgedessen wird ein im Verlaufe des Verfahrens ergangener Verwaltungsakt, nur wenn die Voraussetzungen des § 96 SGG vorliegen, kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens. Unberührt bleibt hierdurch das Recht des durch § 96 SGG in seiner grundrechtlich geschützten Dispositionsbefugnis beeinträchtigten Klägers, die - kraft Gesetzes geänderte - Klage zurückzunehmen.

3. Die mithin durch § 96 SGG nicht zugelassene Klageänderung war im Hinblick darauf, dass die Beteiligten sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf sie eingelassen haben, als gewillkürte Klageänderung zwar prozessual nach § 99 Satz 1 und 2 SGG zulässig. Dies hatte jedoch nicht zur Folge, dass das LSG befugt war, entgegen § 29 SGG in der Sache zu entscheiden. Denn eine zulässige Klageänderung entbindet das Gericht nicht von der Verpflichtung, die Zulässigkeit der geänderten Klage zu prüfen. Infolgedessen müssen für die geänderte Klage sämtliche Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (vgl BFHE 106, 8, 12; BVerwGE 65, 45, 49 f; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl, § 99 RdNr 13a; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl, § 91 RdNr 31 f), mithin auch die Zuständigkeit des LSG gegeben sein. Da ein Ausnahmetatbestand für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG nicht vorliegt, sind die Klagen auf höhere Rentenanpassung insgesamt unzulässig.

Auf die Revision der Klägerin ist nach alledem das Urteil des LSG insoweit abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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