L 2 U 100/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 855/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 100/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 28/03 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.01.2001 wird ab- gewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1949 geborene Klägerin stieß am 07.11.1994 bei einer Fahrt mit ihrem Pkw seitlich mit einem anderen Fahrzeug zusammen und schleuderte.

Am 12.12.1994 suchte sie den Allgemeinmediziner Dr.P. auf, der eine Zerrung der Halswirbelsäule mit Restbeschwerden diagnostizierte. Der Durchgangsarzt, der Chirurg S. , bestätigte diese Diagnose am gleichen Tag und führte aus, die Wirbelsäule sei in allen Richtungen frei beweglich mit nur geringer Verspannung der Nackenmuskulatur. Die Klägerin gebe an, sie sei seit dem Unfall extrem nervös, habe Herzschmerzen und Schlafstörungen.

Am 04.04.1995 begab sich die Klägerin in die Behandlung des Orthopäden Dr.S. und gab an, sie habe seit dem Unfall Kopfschmerzen, Ohrensausen, Augendruck, Drehschmerzen sowie Schmerzen bei Inklination und Reklination der Halswirbelsäule, teilweise mit Brachialgie, links mehr als rechts, und Schmerzen im Bereich des rechten Schulterblattes. Die Röntgenuntersuchung ergab keinen Nachweis einer knöchernen Verletzung oder Luxation, eine regelrechte Darstellung der Kopfgelenke und eine Halswirbelsäulenkyphose ab C 5. Dr.S. führte eine Deblockierung der ersten Rippe rechts und Lösung der Kopfgelenksblockierung C 0/1 und C 1/2 rechts durch. Nach Rezidivblockierungen der Kopfgelenke bestanden am 01.06.1995 keine Blockierungen mehr. Eine Kernspintomographie vom 22.05.1995 zeigte bei In- und Reklination keine Gefügeverschiebung, insbesondere keine Verschiebung des Dens. Die Ligamenta alaria und das Ligamentum transversum atlantis zeigten sich regelrecht. Es bestand kein Hinweis auf eine Bandruptur oder eine Instabilität. Mit Schreiben vom 01.02.1996 bat Dr.S. um Kostenübernahme für eine funktionelle Kernspintomographie, insbesondere der Kopfgelenke, wegen möglicher unfallabhängiger Instabilität im C 1/2-Gelenk.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.N. führte im Gutachten vom 10.09.1996 aus, die Klägerin gebe an, nach dem Unfall habe sie die Fahrt fortgesetzt und weitergearbeitet. Sie habe keine gesundheitlichen Besonderheiten gemerkt. Allerdings seien ab dem Unfalltag starke Schlafstörungen aufgefallen, auch Herzrasen; vorübergehend sei in den Fingern 2 bis 3 eine Gefühlsstörung eingetreten, die zwischenzeitlich wieder zurückgegangen sei. Jetzt habe sie praktisch ständig Nacken-Hinterkopfschmerzen, die einen starken Druck in den Ohren verursachten. Dr.N. führte aus, es sei keine Verletzung des Nervensystems, weder im Sinne einer Hirnverletzung noch im Sinne einer Halsmarkschädigung, Schädigung der Nervenwurzeln oder der peripheren Nerven eingetreten. Neurologische Normabweichungen seien nicht feststellbar. Auf neurologischem Fachgebiet sei die MdE mit 0 v.H. einzuschätzen.

Im radiologischen Zusatzgutachten vom 25.10.1996 führte der Radiologe Dr.E. aus, kernspintomographisch sei der Befund an der Wirbelsäule, dem paravertebralen Weichteil und dem Myelon unauffällig. Die Funktionsaufnahmen hätten keinerlei Hinweise auf Segmentblockade oder Instabilität erbracht.

Die Chirurgen Prof.Dr.B. und Dr.B. kamen im Gutachten vom 01.07.1997 zu dem Ergebnis, entscheidend bei der Beurteilung seien nach ärztlicher Erfahrung die Befunde, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall erhoben worden seien und das Verhalten unmittelbar nach dem Unfall. Die Klägerin gebe an, sie habe lediglich ein starkes Zittern am ganzen Körper bemerkt, Schmerzen hätten nicht bestanden. Sie sei anschließend mit ihrem Pkw weiter zur Arbeitsstelle gefahren. Im weiteren Verlauf sei es zu Schlafstörungen und Herzbeschwerden gekommen. Kopfschmerzen seien nach mehreren Tagen aufgetreten, Schmerzen in der Halswirbelsäule bei extremen Kopfbewegungen erst nach fünf Wochen. Die jetzt feststellbaren leichten bis mäßiggradigen degenerativen Veränderungen sowie die Fehlstellung der Halswirbelsäule seien bereits in unveränderter Form zum Zeitpunkt des Unfalls nachweisbar. Es sei davon auszugehen, dass es bei dem Unfall zu einer geringgradigen Verletzung des Weichteilmantels der Halswirbelsäule im Sinne einer leichten Zerrung gekommen sei. Dabei komme es vorübergehend zu einer Verspannung sowie zu Bewegungseinschränkungen. Ein derartiges Halswirbelsäulenbeschleunigungstrauma des Schweregrades I heile nach einem Zeitraum von maximal vier bis sechs Wochen folgenlos aus. Relativ häufig komme zusätzlich sekundär eine abnorme seelische Reaktion im Sinne einer neurotischen Fehlentwicklung hinzu, mit oft jahrelang anhaltender schmerzhafter Einschränkung der Kopfbeweglichkeit, Muskelhartspann und Druckdolenz bei unauffälligem Neurostatus sowie unverändertem röntgenologischen Befund. Diese abnorme seelische Reaktion sei im Wesentlichen nicht auf ein Unfallereignis zurückzuführen. Es stelle hierfür bei bereits vorher vorhandener entsprechender psychischer Konstitution nur eine Gelegenheitsursache dar. Die persönliche Struktur des Verletzten bestimme den weiteren Verlauf. Blockierungen im Bereich der Wirbelsäule stellten eine segmentale Funktionsstörung dar, die prinzipiell reversibel und durch eine einmalige Manipulation lösbar sei. Eine Blockierung hinterlasse niemals bleibende Folgen und bestehe niemals auf Dauer. Bei der jetzigen Untersuchung habe keine eindeutige Blockierung festgestellt werden können. Ab 15.12.1994 seien keine Unfallfolgen mehr gegeben gewesen. Die MdE habe bis 14.12.1994 10 v.H., ab 15.12. 1994 0 v.H. betragen.

Mit Schreiben vom 04.08.1997 beantragte die Klägerin die Durchführung einer Untersuchung bei Dr.V. mit einem MRT open. Mit dieser Untersuchung könne festgestellt werden, inwieweit Schäden an der Halswirbelsäule vorlägen. Sie lasse sich nicht damit abspeisen, dass behauptet werde, die unfallbedingten Verletzungen seien abgeklungen, da sie nach wie vor massive Beschwerden habe.

Beigezogen war ein neurologisches Gutachten von Priv.Doz. Dr.B. (Neurologische Klinik TU) vom 30.09.1996. Darin führte Dr.B. aus, nach der Darstellung des Unfallherganges sei davon auszugehen, dass kein klassisches HWS-Schleudertrauma, sondern eine komplexe Rotationsbewegung stattgefunden habe. Eine schwerere Störung im Sinne einer Kontusion des Rückenmarks, des Hirnstammes oder des Schädels sei auszuschließen. Hierfür finde sich auch in den kernspintomographischen Aufnahmen kein Anhalt. Eine endgültige Aussage über die Prognose könne erfahrungsgemäß vor Beendigung der gerichtlichen Schadensregulierung nicht gemacht werden. Sowohl die Aussage der Klägerin, dass die Beschwerden keinen wesentlichen Einfluss auf ihre Tätigkeit hätten, als auch die Tatsache, dass sie die meiste Zeit ohne therapeutische Maßnahmen auskomme, spreche gegen eine schwere körperliche Beeinträchtigung. Obwohl Beschwerden wie Spannungskopfschmerz, den übrigens auch Dr.B. beschrieben habe, relativ häufig vorkämen, könne aufgrund des Zeitpunkts des erstmaligen Auftretens ein kausaler Zusammenhang mit dem Unfall gesehen werden.

Mit Schreiben vom 17.07.1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Unfall habe eine leichte Zerrung der Halswirbelsäule Grad I verursacht, die in einem Zeitraum von maximal vier bis sechs Wochen folgenlos ausheile, so dass ab 15.12.1994 keine Unfallfolgen mehr nachweisbar seien. Die jetzt noch bestehenden Schmerzen seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Es handle sich um röntgenologisch nachweisbare leichte bis mäßiggradige degenerative Veränderungen in der Halswirbelsäule mit Fehlstellung, insbesondere leichter kyphotischer Knickbildung bei C 4/5 ohne Nachweis einer Instabilität mit leichter Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule, leichten Druckschmerzen am rechten Unterrand des Hinterhauptbeines und leichten diffusen, nicht lokalisierbaren Schmerzen bei forcierten endständigen Bewegungen der Halswirbelsäule im Hinterkopf-HWS-Bereich. Da die BG für die jetzige Behandlung nicht mehr zuständig sei, werde gebeten, die Behandlungsmethoden mit der Krankenkasse zu besprechen.

Mit Schreiben vom 19.08.1997 führte die Beklagte aus, eine Untersuchung bei Dr.V. mit dem MRT-open werde abgelehnt. Die degenerativen Veränderungen, an denen die Klägerin leide, stünden mit dem Unfall in keinem Zusammenhang. Kosten für weitere Untersuchungen könnten deshalb von der Beklagten nicht übernommen werden.

Die Klägerin wandte mit Widerspruch vom 28.08.1997 dagegen ein, sie leide noch heute an Unfallfolgen und wende sich daher gegen die Verwaltungsakte vom 17.07.1997 und 19.08.1997.

Die Klägerin übersandte ein Attest des Dr.S. vom 11.04.1995; seit dem Unfall leide die Klägerin an Migräne, Ohrensausen, Schwindel, Augendruck und verminderter HWS-Beweglichkeit, verbunden mit Kopfschmerzen. Funktionsstörungen im Bereich der Kopfgelenke und der oberen Brustwirbelsäule seien der Grund für diese Beschwerden. Die Neurologin Dr.B. führte im Attest vom 18.04.1955 aus, die Klägerin gebe an, seit Anfang dieses Jahres bestünden fast täglich vom Nacken her ausstrahlende Kopfschmerzen bis zur Schläfe und zur Stirn. Die Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr.C. diagnostizierte im Bericht vom 18.01. 1996: Multisensorische neurootologische Funktionsstörung, zentralvestibuläres Depressionsphänomen im Sinne eines vestibulären Decruitment, zentrale cerebello-ponto-bulbäre Gleichgewichtsstörung, zentrale Reaktionsenthemmung des optikonetischen Systems, Mitteltonstörung, Syndrom des überempfindlichen Ohres mit verminderter akustischer Dynamik.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.1997 zurück. Unfallfolgen bestünden nicht mehr, somit sei keine Untersuchung zu Lasten der Beklagten notwendig. Eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß liege nicht vor.

Mit der Klage vom 29.10.1997 hat die Klägerin geltend gemacht, die fehlende Besserung zeige, dass es sich nicht nur um eine geringe Zerrung der Halswirbelsäule gehandelt habe. Erforderlich sei eine funktionelle Kernspintomographie zum Nachweis der Verletzungen.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 01.11.2000 zusammenfassend ausgeführt, nach den Schilderungen der Klägerin sei im Wesentlichen ein seitliches Aufprallereignis abgelaufen, das schon von der Mechanik her nicht geeignet sei, schwerwiegende Verletzungen an der Halswirbelsäule zu verursachen. Gegen seitliche Einwirkungen sei die Halswirbelsäule aufgrund des anatomischen Aufbaus gut geschützt. Das entscheidende Indiz gegen eine Traumatisierung der Halswirbelsäule sei in erster Linie das außerordentlich lange schmerzfreie Intervall. Im Durchgangsarztbericht vom 12.12.1994 seien keine Symptome vermerkt, die auf eine Mitbeteiligung der Halswirbelsäule schließen lassen würden. Erste Hinweise ergäben sich aus dem Befundbericht Dr.S. über die Behandlung Anfang April 1995. Weiter spräche gegen eine schwerere Verletzung die Aktivität nach dem Unfallgeschehen. Die Klägerin sei in der Lage gewesen, ihren Pkw selbst zu fahren und weiterzuarbeiten. Schließlich hätten auch zwei MRT s keinen pathologischen Befund im Sinne einer posttraumatischen Veränderung gezeigt. Unfallunabhängig bestünden degenerative Veränderungen und eine Fehlhaltung, bei der es sich nicht um einen verletzungsadäquaten Befund handle. Die von Dr.S. vermutete Instabilität der Kopfgelenke habe kernspintomographisch ausgeschlossen werden können. Die von der Klägerin angenommenen Läsionen von Bändern, Nerven, Blutgefäßen seien weder vom Unfallgeschehen noch von der Erstsymptomatik her nachzuvollziehen. Wenn eine Bänderläsion eingetreten wäre, hätte im Kernspintomogramm eine Instabilität auffallen müssen, denn eine Bänderläsion bewirke zwangsläufig Gefügestörungen. Klinische Hinweise auf eine Verletzung von Nervensträngen oder Gefäßen hätten ebenfalls nie erhoben werden können. Eine MdE sei nicht gegeben.

Die Klägerin hat dagegen eingewandt, sie habe unmittelbar nach dem Unfall Kopf- und Halsschmerzen gehabt. Auch treffe es nicht zu, dass bei einem Seitenanprall Kopf und Halswirbelsäule nicht gefährdet seien. Unbedingt erforderlich sei, insbesondere im Hinblick auf die von Dr.C. diagnostizierten Störungen, eine Untersuchung durch das MRT-open.

Mit Urteil vom 18.01.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf bestimmte Untersuchungen im Rahmen der Amtsermittlungspflicht der Beklagten bestehe grundsätzlich nicht. Die Klägerin habe am 07.11.1994 lediglich leichte Zerrungen der Halswirbelsäule erlitten. Dies stehe zur Überzeugung des Gerichts im Hinblick auf die Äußerungen der ärztlichen Sachverständigen fest. Die von der Klägerin behaupteten Lähmungserscheinungen an den Fingern hätten keine weitere Sachaufklärung veranlasst, weil es außerhalb jeder Realität liege, dass Lähmungserscheinungen, die mehr als sieben Jahre nach einer HWS-Zerrung auftreten würden, auf das Unfallereignis zurückzuführen seien.

Die Klägerin führte zur Begründung der Berufung aus, aufgrund weiterer objektiver Befunde stehe nun fest, dass sie einen Dauerschaden erlitten habe, daher sei eine MRT-open-Untersuchung nicht mehr erforderlich, und die Kostenübernahme werde nicht mehr beantragt. Dagegen habe die Beklagte Leistungen wegen der Unfallfolgen zu erbringen. Dr.S. habe bestätigt, dass seit dem Unfall über starke Beschwerden geklagt worden sei. Dr.F. habe einen harten Bandscheibenvorfall diagnostiziert, der für eine länger zurückliegende Schädigung spreche. Dr.F. habe nicht berücksichtigt, dass schon im Durchgangsarztbericht Verspannungen, Nervosität, Herzschmerzen und Restbeschwerden nach HWS-Zerrung beschrieben worden seien. Auch gegenüber Dr.B. habe die Klägerin angegeben, dass sie bereits in der Nacht nach dem Unfall zum ersten Mal Schlafstörungen sowie Herzrasen bemerkt habe. In den Folgetagen hätten sich Kopfschmerzen eingestellt.

Im Attest vom 09.05.2001 gab Dr.S. an, die Klägerin habe am 04.04.1995 erstmals seine Praxis aufgesucht. Da die Klägerin immer angegeben habe, dass sie erst seit dem Unfall die starken Schmerzen habe, stelle er fest, dass diese Beschwerden eindeutig auf den Unfall zurückzuführen seien. Der Nervenarzt Dr.F. verwies im Schreiben vom 07.05.2001 auf ein Kernspintomogramm der Halswirbelsäule vom 05.03.2001, das einen harten Bandscheibenvorfall im Bewegungssegment C 6/7 ergeben habe. Dieser Befund spreche für eine länger zurückliegende und chronische Schädigung. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall vom 07.11.1994 sei nicht mehr beweisbar und werde auch nur akzeptiert, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang Röntgenbefunde oder doch wenigstens typische Ausfallmuster dokumentiert seien. Nach der gegenwärtigen Befundlage sehe er keinerlei Aussichten für ein Zusammenhangsgutachten.

Die Klägerin übersandte ein Gutachten des Dipl.Ing. L. für das Amtsgericht Weilheim vom 03.08.1995. Die Fahrzeuge hätten sich seitlich berührt, dadurch sei der Pkw der Klägerin in eine Drehschleuderbewegung versetzt worden. Unmittelbar nach dem Erstkontakt sei es noch zu einer leichten Streifberührung an den Seiten gekommen und kurz vor Erreichen der Fahrzeugendstellungen zu einer stumpfen Kollision zwischen der Frontpartie des Beklagten-Fahrzeuges und der rechten Seite des Fahrzeuges der Klägerin. Anhaltspunkte, die für die klägerische Unfallschilderung sprechen würden, ergäben sich im Rahmen der Unfallanalyse nicht.

Der Orthopäde Dr.B. berichtete, bei den Behandlungen am 14.02. 1995 und 23.03.1995 habe die Klägerin unter Hinweis auf einen Verkehrsunfall vom 07.11.1994 über seitdem bestehende Schlafstörungen und Kopfschmerzen mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule geklagt. Er habe Schulter-Ncckenmyogelosen mit konzentrischer Bewegungseinschränkung ohne neurologische Ausfälle festgestellt. Die Neurologin Dr.B. berichtete über die Behandlung vom 10.03. bis 28.06.1995. Sie habe die Diagnose Spannungskopfschmerz bzw. cervikogene Kopfschmerzen gestellt. Die Klägerin habe angegeben, sie leide seit Januar unter Kopfschmerzen, die sie früher nie gekannt habe. Der Nervenarzt Dr.F. stellte im Behandlungszeitraum vom 08.02. bis 26.04.2001 die Diagnosen cervicocephales Syndrom bei chronischen Spannungskopfschmerzen C 7, cervicobrachiales Syndrom links. Gegenwärtig ließen sich Ausfälle nicht objektivieren. Dr.S. attestierte, der Spannungskopfschmerz und die vegetative Symptomatik, wie Augendruck und Ohrensausen, bestünden unverändert aufgrund der Unfallverletzung.

Der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.S. führte im Gutachten vom 10.09.2002 zusammenfassend aus, der Dauerkopfschmerz sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die manualdiagnostisch nachweisbaren Funktionsstörungen der Kopfgelenke zurückzuführen. Dr.B. habe die gleiche Schmerzsymptomatik festgestellt, diese aber nicht manualdiagnostisch gedeutet, da er auf diesem Gebiet nicht genügend fundiertes Wissen besitze. Inzwischen habe sich das Schmerzsyndrom stärker entwickelt, wie die auch bei den anderen Gutachtern angegebenen subjektiven Beschwerden und das Schmerzprotokoll bewiesen. Die Deutung durch Dr.B. als abnorme seelische Reaktion sei nicht haltbar, da es sich um die klassische Symptomatik eines hohen Cervicalsyndroms handle. Der Grund liege in der komplexen Traumatisierung der Bandstrukturen im Kopfgelenksbereich. Die MdE habe bis 06.01.1995 100 v.H., bis 06.02. 1995 80 v.H., bis 04.04.1995 50 v.H., bis 19.11.1995 40 v.H. und seitdem bis auf Weiteres 30 v.H. betragen.

Hierzu legte die Beklagte eine Stellungnahme von Prof.Dr.B. und Dr.B. vom 12.12.2002 vor. Die Klägerin habe lediglich eine leichte Halswirbelsäulenzerrung des Schweregrades I erlitten mit objektiver Feststellung von geringen Muskelverspannungen und geringer Bewegungseinschränkung. Zu keinem Zeitpunkt hätten krankhafte Veränderungen auf neurologischem Fachgebiet nachgewiesen werden können, ebenso weder röntgenologisch noch kernspintomographisch Hinweise auf eine schwerere Verletzung. Kopfschmerzen seien laut Angaben der Klägerin erst mehrere Tage nach dem Unfall aufgetreten und erst vier Wochen später Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Die Stellungnahme zu den chirotherapeutischen Maßnahmen im Gutachten vom 01.07.1997 stamme von Dr.B. (vgl. Gutachten vom 30.09.1996), einem allgemein anerkannten Chirotherapeuten. Sowohl die objektiven Befunde als auch das Verhalten der Klägerin unmittelbar nach dem Unfall sprächen eindeutig für eine leichte Halswirbelsäulenzerrung des Schweregrades I und gegen eine weitere schwerere Verletzung.

Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.01.2001 auf- zuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.1997 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Unfalls vom 07.11.1994 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallver- sicherung zu gewähren (Schriftsatz vom 14.05.2001).

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die Ausführungen des Orthopäden Dr.S. im Gutachten gemäß § 109 SGG vom 10.09.2002 zu keiner anderen Entscheidung führen konnten. Dr.S. verkennt, dass die von ihm bestätigte Diagnose des Dauerkopfschmerzes auf den subjektiven Angaben der Klägerin beruht, es sich also nicht um einen objektiven Befund handelt. Die Funktionsstörungen der Kopfgelenke, nämlich die Blockierungen, können nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. Denn Prof.Dr.B. und Dr.B. haben überzeugend dargelegt, dass eine Blockierung eine Funktionsstörung ist, die prinzipiell reversibel und durch eine professionelle einmalige Manipulation lösbar ist. Eine Blockierung hinterlässt niemals bleibende Folgen und besteht niemals auf Dauer. In Übereinstimmung mit dieser Beurteilung hat auch der chirotherapeutisch erfahrene Neurologe Dr.B. im Gutachten vom 30.09.1996 darauf hingewiesen, dass in der Regel Schmerzen im HWS- und Kopfbereich durch Schädeltraumen nach einigen Wochen oder Monaten abnehmen. Nur wegen der Angaben der Klägerin, dass sie vor dem Unfall keine Beschwerden gehabt habe, hat Dr.B. einen Unfallzusammenhang angenommen. Ein rein zeitlicher Zusammenhang kann aber nach den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätzen nicht genügen, um einen Ursachenzusammenhang anzunehmen.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Ausführungen von Dr.F. zu dem außerordentlich langen schmerzfreien Intervall Bezug zu nehmen. Die Klägerin hat sowohl gegenüber Dr.N. als auch gegenüber Prof.Dr.B. und Dr.B. angegeben, erst mehrere Tage nach dem Unfall seien Kopfschmerzen aufgetreten. Schmerzen bei extremen Bewegungen der Halswirbelsäule habe sie zum ersten Mal ca. vier Wochen nach dem Unfall verspürt. Diese Darstellung stimmt mit der Tatsache überein, dass die Klägerin erstmals am 12.12.1994 Dr.P. und den Chirurgen S. aufsuchte. Bei Dr.B. gab die Klägerin an, sie leide erst seit Anfang 1995 unter Kopfschmerzen. Ein derartig langes schmerzfreies Intervall ist nach der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mit einer schweren Verletzung der Halswirbelsäule nicht zu vereinbaren. Dass die Klägerin unmittelbar nach dem Unfall nicht unter gravierenden Beschwerden gelitten haben kann, zeigt auch die Tatsache, dass sie in der Lage war, ihren Pkw selbst zu fahren und ihre Berufstätigkeit zu keinem Zeitpunkt einstellte.

Die von Dr.S. verdachtsweise vermutete Instabilität der Kopfgelenke konnte kernspintomographisch ausgeschlossen werden. Die von der Klägerin behauptete Läsion von Bändern, Nerven, Blutgefäßen ist durch nichts belegt. Wenn eine Bänderläsion eingetreten wäre, hätte im Kernspintomogramm eine Instabilität auffallen müssen. Klinische Hinweise auf eine Verletzung von Nervensträngen oder Gefäßen konnten auch von den behandelnden Neurologen zu keinem Zeitpunkt erhoben werden.

Im Übrigen ist, worauf Dr.F. zu Recht hinweist, das Unfallereignis, wie es die Klägerin geschildert hat und wie es sich aus den Dokumentationen der Polizei ergibt, nicht geeignet gewesen, ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule zu verursachen. Denn eine solche Verletzung verlangt eine muskulär nicht kontrollierte, energiereiche, sagittale, freie Bewegung des Kopfes gegenüber dem fixierten Rumpf im Rahmen einer Heck- oder Frontalkollision. Der seitliche Aufprall führt nur sehr selten zu Verletzungen der Halswirbelsäule, da diese über eine gute innere Abstützung gegen seitliche Überbelastungen verfügt (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1998, S.517).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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