L 3 U 371/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 333/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 371/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 248/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. August 2002 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem Kläger, der wegen der Folgen seines Unfalls vom 07.08.1971 bisher Verletztenrente i.S. einer Stützrente erhält, Verletztenrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als um 10 vH zu gewähren hat und ob sie bei der Rentenberechnung einen höheren Jahresarbeitsverdienst (JAV) zugrunde zu legen hat.

Der 1946 geborene Kläger erlitt bei einem Wegeunfall am 07.08.1971 neben einer Rißquetschwunde an der Stirn einen Kniescheibenbruch rechts. Mit Bescheid vom 08.03.1979 erkannte die Beklagte diesen Unfall an, lehnte jedoch eine Rentengewährung ab. Nach dem Gutachten des Dr.E. vom 30.01.1979 sei lediglich eine MdE unter 10 vH zurückgeblieben. Auch bei Berücksichtigung eines weiteren Unfalls vom 26.10.1977, für den die Beklagte Verletztenrente zahle, sei keine Änderung, insbesondere kein Stützrententatbestand, eingetreten. Am 08.08.1997 ging bei der Beklagten ein Bericht des Orthopäden Dr.S. ein. Darin schilderte dieser Beschwerden des Klägers im linken Hüftgelenk, im rechten Knie und linken Vorderfuß. Er bat daher physikalische Anwendungen und eine orthopädische Schuhversorgung zu genehmigen.

Auf einen Antrag des Klägers vom 22.02.1998, mit dem er eine Neufeststellung wegen zwischenzeitlicher Verschlimmerung begehrte, beauftragte die Beklagte Prof.Dr.B. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik M. , ein Gutachten zu erstatten. Prof.Dr.B. kam am 30.03.1998 zum Ergebnis, von dem Unfall sei eine Narbe am rechten Knie, eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes und eine Kraftminderung des rechten Beines zurückgeblieben. Im Vergleich zu den im Vorgutachten des Dr.E. vom 30.01.1979 erhobenen Befunden lasse sich eine gewisse Verschlimmerung feststellen. Die MdE sei seit dem 01.01.1997 mit 10 vH zu bewerten; die Folgen des weiteren Unfalls vom 26.10.1977 hätten jetzt zu einer MdE um 40 vH ab 01.01.1997 geführt. Mit Bescheid vom 16.06.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des späteren Unfalls vom 26.07.1977 ab 01.09.1997 Verletztenrente nach einer MdE um 40 vH statt wie bis dahin um 30 vH. Mit weiterem Bescheid vom 13.08.1998 gewährte sie wegen der Folgen des - streitgegenständlichen - Unfalls vom 07.08.1971 ab dem 01.01.1997 Verletztenrente i.S. einer Stützrente nach einer MdE um 10 vH. Die Fa.S. AG, E. , bei der der Kläger im Jahr vor dem Unfall als Monteur auf wechselnden Montageorten beschäftigt war, teilte der Beklagten am 16.06.1998 mit, das seinerzeitige Bruttoentgelt des Klägers könne nicht mehr genau ermittelt werden, weil keine Unterlagen mehr vorlägen; auf Grund des damaligen Stundenlohnes schätze sie das sozialversicherungspflichtige Entgelt im Jahr vor dem Unfall, also für die Zeit vom 07.08.1970 bis 06.08.1971, auf 11.852.-DM. Der Rentenberechnung im Bescheid vom 13.08.1998 legte die Beklagte, da auch der Kläger keine Lohnunterlagen vorlegen konnte, einen JAV von 16.584,19 DM zugrunde. Diesen Verdienst entnahm sie dem Versicherungsverlauf der Landesversicherungsanstalt (LVA) Niederbayern-Oberpfalz. Daraus errechnete sich ab dem 01.01.1997 eine monatliche Verletztenrente in Höhe von 264,74 DM. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte zum einen eine höhere MdE und zum anderen einen höheren JAV zugrunde zu legen. Er habe alle Original-Verdienstnachweise in Bosnien wieder gefunden und lege diese vor. Im Schreiben vom 10.09.1998 wies die Beklagte darauf hin, bei der Berechnung des JAV, welche nach dem 7. Sozialgesetzbuch (SGB VII) durchzuführen sei, könnten nur lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtige Entgelte, nicht aber steuerfreie Auslagen und Auslösungen, wie in den Lohnabrechnungen enthalten und als solche ausgewiesen, zugrunde gelegt werden. Aus den Lohnabrechnungen ergebe sich jedoch ein Unterschied zu den von der LVA mitgeteilten Beträgen für die Zeit vom 01.01. bis 31.07.1971 zu Gunsten des Klägers. Sie sei daher bereit dies zu berücksichtigen, wodurch sich der JAV - auch unter Beachtung der nach dem SGB VII geltenden Anrechnungsvorschriften - auf 17.545.-DM erhöhe. Ansonsten entspreche ihre Berechnung den gesetzlichen Bestimmungen. Zudem ergebe sich dem Gutachten von Prof.Dr.B. zufolge keine höhere MdE als um 10 vH und dies erst ab 01.01.1997. Damit erklärte sich der Kläger nicht einverstanden. Er meinte, auch steuerfreie Zuschläge seien beim JAV zu berücksichtigen. Nach seiner Berechnung ergebe sich ein JAV von 19.317,34 DM (18.867,94 zuzüglich 449,40 DM). Die Beklagte nahm nochmals Ermittlungen auf und erhielt von der Firma S. am 12.01.1999 die Auskunft, der Jahresverdienst habe, wie von der Beklagten inzwischen korrigiert, 17.966,25 DM betragen. Auf dieser Basis bot die Beklagte am 28.01.1999 eine neue Berechnung an, was der Kläger zurückwies. Er meinte, nur die steuerfreien Auslagen, nicht aber die steuerfreien Auslösungen, welche mit dem Manteltarifvertrag garantiert worden seien und die Hälfte seines Jahresverdienstes ausmachten, dürften abgezogen werden. Nach Rückfragen bei der Fa.S. AG und beim zuständigen Finanzamt half die Beklagte dem Widerspruch mit Bescheid vom 21.10.1999 insoweit ab, als sie nunmehr einen - nochmals geringfügig korrigierten - JAV von 17.968,45 DM zugrunde legte und im Übrigen den Widerspruch zurückwies. Sie berücksichtigte dabei insbesondere die Auskunft des Finanzamtes. Nach den 1970/1971 gültigen Lohnsteuerrichtlinien seien unter Auslagenersatz solche Beträge zu verstehen, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, um sie für ihn auszugeben; dieser Zahlungsvorgang habe keinen Entlohnungscharakter und gehöre deswegen nicht zum Arbeitslohn.

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Landshut Klage erhoben und sein Begehren weiter aufrechterhalten, nämlich der Rentenberechnung eine höhere MdE und einen höheren JAV zugrunde zu legen. Seiner Meinung nach sei nämlich ein Bruttoverdienst ohne steuerfreie Beträge in Höhe von 19.317,34 DM richtig. Das Sozialgericht zog medizinische Unterlagen und Röntgenbilder bei und beauftragte den Chirurgen Dr.M. ein Gutachten zu erstatten. Am 25.09.2001 hat dieser ausgeführt, die unfallbedingte MdE betrage nicht mehr als 10 vH. Auf nochmaligen Vortrag des Klägers, der Beklagten sei bei der Errechnung des JAV ein weiterer Fehler unterlaufen, richtig sei ein JAV in Höhe von 18.105,55 DM, unterbreitete die Beklagte am 12.11.2001 ein Vergleichsangebot. Sie bot an, den JAV in Höhe von 18.105,55 DM festzustellen. Der Kläger nahm dieses Angebot nicht an und hielt sein Begehren aufrecht. Insbesondere machte er geltend, die MdE betrage mindestens 15 vH und der JAV betrage - einschließlich steuerfreier Auslösungen von 6.724,45 DM - 24.937,10 DM. Im Termin zur mündlichen Verhandlung, bei dem der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwesend war, hat die Beklagte ein Anerkenntnis abgegeben, den JAV mit 18.105,55 DM anzusetzen. Mit Urteil vom 08.08.2002 hat das Sozialgericht die Beklagte ihrem Teilanerkenntnis vom 08.08.2002 entsprechend verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Eine höhere MdE als um 10 vH sei nach dem gerichtlichen Gutachten von Dr.M. nicht gerechtfertigt. Bezüglich des JAV sei von dem Angebot der Beklagten auszugehen; diese sei ihrem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen gewesen. Danach sei ein JAV von 18.105,55 DM zugrunde zu legen. Entgegen der Auffassung des Klägers seien steuerfreie Auslösungen und Auslagenersatzzahlungen beim JAV nicht zu berücksichtigen, weil es sich dabei um einen Zahlungsvorgang handle, dem kein Entlohnungscharakter zukomme. Insoweit stütze es sich auf die Auskunft des Finanzamtes. Auch unter Anwendung des § 82 SGB VII sei kein höherer JAV gerechtfertigt.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Ihm sei nicht verständlich, dass das Gericht in seiner Abwesenheit ein Urteil gefällt habe, obwohl die zuständige Richterin zuvor mit Schreiben vom 18.07.2002 mitgeteilt habe, sein persönliches Erscheinen zum Termin sei erforderlich, da der Rechtstreit wegen komplizierter Rechtslage nicht, wie von ihm gewünscht, durch Gerichtsbescheid entschieden werden könne. Dies erwecke in ihm den Eindruck, als sei es mit der Glaubwürdigkeit der Richterin nicht weit her. Offensichtlich sei sie von einer Seite beeinflußt worden. Auf sein Schreiben vom 24.07.2002, in dem er sein Begehren wiederholt und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten habe, sei überhaupt nicht eingegangen worden. Er hoffe in einer höheren Instanz zu seinem Recht zu kommen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2002 und des Bescheids vom 13.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.1999 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen seines Unfalls vom 07.08.1971 Verletztenrente (Stützrente) nach einer MdE um 15 vH statt 10 vH zu gewähren und der Rentenberechnung einen Betrag in Höhe von 24.937,10 DM als Ausgangs-JAV für das Jahr 1971 zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.08.2002 zurückzuweisen.

Sie habe dem Begehren des Klägers soweit gesetzlich zulässig entsprochen und zuletzt eine Neuberechnung der Rente nach einem Ausgangs-JAV von 18.105.55 DM angeboten; ein höherer JAV komme nicht in Betracht, wie das SG zutreffend ausgeführt habe.

Im Übrigen wird gem. § 136 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der Akte der Beklagten (Az.: U 712 24872-0-000 R) sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente, als vom SG im angefochtenen Urteil dem Anerkenntnis der Beklagten entsprechend zugesprochen, zu; die Rente ist weder nach einer höheren MdE (§§ 56 i.V.m. § 214 Abs. 3 SGB VII) noch nach einem höheren JAV (§ 82 i.V.m. § 214 Abs.2 SGB VII) zu berechnen.

Soweit der Kläger eine höhere Rente begehrt, weil seiner Meinung nach die MdE zu niedrig bemessen sei, nimmt der Senat auf die Gründe des angefochtenen Urteils gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Andere Argumente, welche zu einer anderen Rentenberechnung führen könnten, hat der Kläger nicht geltend gemacht; solche sind auch nicht ersichtlich. Für die Rentenfeststellung ist somit das SGB VII, hinsichtlich der Rentenzahlung gem. § 214 Abs. 3 SGB VII und hinsichtlich der JAV-Berechnung gem. § 214 Abs. 2 SGB VII, anzuwenden.

Auch hinsichtlich der JAV-Berechnung stimmt der Senat der Rechtsmeinung des SG zu. Im wesentlichen konzentriert sich der Streit insoweit auf die Frage, ob die in den vom Kläger vorgelegten Lohnunterlagen als lohnsteuerfreier Auslagenersatz und als lohnsteuerfreie Auslösungen ausgewiesenen Beträge als Arbeitsentgelt gem. § 82 Abs. 1 SGB VII aufzufassen sind. Dass dies nicht der Fall ist, hat das SG zutreffend dargestellt. Soweit der Kläger in seiner Berufungsbegründung anführt, das SG habe sich zu Unrecht auf die §§ 14, 15 SGB IV bezogen, welche zur Zeit des Versicherungsfalls noch nicht galten, so ist ihm entgegenzuhalten, dass er insoweit die Auswirkung des § 214 Abs. 2 SGB VII verkennt. Diese Vorschrift - und nicht die Vorschrift der RVO - gilt für alle Fälle, in denen zwar der Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten war, in denen aber der JAV erstmals ab 01.01.1997 festgesetzt wird. Dies trifft hier zu und hat zur Folge, dass nicht nur die Vorschriften des SGB VII gelten, sondern auch die des bereits 1976 in Kraft getretenen SGB IV (BGBl. I, 3845). Danach versteht man unter Arbeitsentgelt alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Ein solches Entgelt ist eine Auslösung und ein Auslagenersatz nicht (Bereiter-Hahn, § 14 SGB IV Anm. 1 und Anlage 11). Denn, wie vom SG bereits dargelegt, handelt es sich bei solchen Zahlungen nicht um eine Entgeltleistung sondern um eine durchlaufende Zahlung des Arbeitgebers. Dies ist auch den vom Finanzamt mitgeteilten Steuervorschriften zu entnehmen. Es mag sein, dass der Kläger nicht verpflichtet war, solche Kosten einzeln zu belegen und abzurechnen, und dass sie, wenn er beispielweise niedrigere Übernachtungskosten hatte, seinen Lohn nicht unerheblich steigerten. Entgeltcharakter kommt solchen Leistungen jedoch im Rechtssinn nicht zu. Auf diesen Umstand hat das SG zutreffend hingewiesen. Damit ist kein rechtlicher Grund ersichtlich, der dem Verlangen des Klägers Rechnung tragen könnte. Ein Anspruch auf eine höhere Verletztenrente, als im angefochtenen Urteil zugesprochen, besteht für den Kläger nicht. Seine Berufung gegen das Urteil des SG Landshut vom 08.08.2002 war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hat und der Senat auch nicht von einer höchstrichterlichen Entscheidung abweicht.
Rechtskraft
Aus
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