L 8 RA 8/00

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 RA 78/97
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 RA 8/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 02.12.1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erfüllt.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger erlernte von April 1964 bis September 1967 den Beruf des Bauzeichners. Bis Juni 1972 war er mit kurzer Unterbrechung in diesem Beruf tätig. Von April 1972 bis Februar 1975 war er an der Staatlichen Musikhochschule S in E als Musikstudent eingeschrieben. Von April bis Juni 1975 und August 1975 bis Februar 1976 war er beim Arbeitsamt X arbeitslos gemeldet und bezog Arbeitslosenhilfe. Von Oktober 1975 bis Februar 1982 studierte er an der Musikhochschule L Musik mit dem Hauptfach Schlagzeug; die künstlerische Abschlussprüfung bestand er am 00.00.1982. Von Mai 1982 bis Juli 1982 war er als Musikschullehrer tätig. Seit August 1982 ging er keiner versicherungspflichtigen Tätigkeit mehr nach und bezog Sozialhilfe.

Am 29.11.1995 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Er legte in Kopie ein Attest des Neurologen und Psychiaters Dr. L1 vom 03.09.1991 (zur Vorlage beim Sozialamt) vor. Danach befand er sich dort seit dem 27.12.1990 aufgrund einer depressiven Neurose bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung mit psychosomatischem Beschwerdekomplex und Arbeitsunfähigkeit in Behandlung.

Die Beklagte holte einen Befundbericht von Dr. L1 ein. Danach hat sich der Kläger dort nach dem 03.03.1992 nicht mehr vorgestellt. Die Beklagte holte ferner ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. C vom 26.02.1996 ein. Der Gutachter gelangte zu dem Schluss, beim Kläger liege eine schwere chronifizierte Depression auf dem Boden einer sensitiven Persönlichkeitsstruktur vor. Im jetzigen Zustand sei er nicht zu beruflicher Tätigkeit in der Lage.

Auf Anfrage der Beklagten teilte das Arbeitsamt X mit, dort seien keine Bewerbungsunterlagen vorhanden. Das Arbeitsamt E teilte mit, der Kläger sei seit dem 12.09.1988 laufend arbeitslos gemeldet; Leistungsdaten seien nicht vorhanden.

Mit Bescheid vom 02.08.1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Der Kläger sei zwar seit dem 03.09.1991 erwerbsunfähig. Im maßgebenden Zeitraum vom 03.09.1986 bis 02.09.1991 seien jedoch keine Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Auch die Voraussetzungen nach §§ 240, 241 VI. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) lägen nicht vor.

Der Kläger legte Widerspruch ein mit der Begründung, es seien die im Versicherungsverlauf aufgeführten Arbeitslosigkeitszeiten nicht angerechnet worden. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass er beim Arbeitsamt seit September 1988 bis heute lückenlos arbeitslos gemeldet sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorlägen; es werde insoweit auf den angefochtenen Bescheid verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 27.06.1997 Klage erhoben und vorgetragen, die Beklagte gehe selbst davon aus, dass er seit dem 03.09.1991 erwerbsunfähig sei; er selbst trage insoweit nichts anderes vor. Er habe letztmals von Mai bis Juli 1982 versicherungspflichtig gearbeitet. Seither sei er arbeitslos und beziehe eine öffentlich-rechtliche Leistung; damit handle es sich um eine Anrechnungszeit i.S.v. § 58 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI. Eine Pflicht zur laufenden, dreimonatigen Arbeitslosmeldung sei erst zum 01.01.1988 in das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eingeführt worden. Im Übrigen reiche unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Meldung bei einer anderen Stelle aus, wenn der Betreffende sich bei der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung gestellt habe, von dieser aber ohne eine entsprechende Belehrung an eine andere Stelle verwiesen worden sei. Schon 1975 habe er vom Arbeitsamt E die Information erhalten, dass stellenlose Musiker in Nordrhein-Westfalen ausschließlich vom Künstlerdienst vermittelt würden; er habe sofort mit dieser Abteilung des Landesarbeitsamtes Kontakt aufgenommen. Als Arbeitssuchender habe er sich dort schon im September 1981 gemeldet, als sein Studienabschluss Anfang 1982 absehbar gewesen sei. Unmittelbar zuvor habe man ihm beim Arbeitsamt E gesagt, dort sei man für die Vermittlung von Künstlern nicht zuständig; er solle sich insoweit an den Künstlerdienst wenden. Beim Künstlerdienst habe man ihn bei einem Besuch am 09.09.1988 auf die Rechtsänderung zum 01.01.1988 hingewiesen; er habe sich daraufhin am 12.09.1988 beim Arbeitsamt E wieder gemeldet und werde seither sowohl dort als auch beim Landesarbeitsamt geführt. Für einen Sozialhilfeantrag vom 01.10.1982 habe das Sozialamt als Nachweis der Arbeitslosmeldung noch ohne Beanstandung eine Bescheinigung des Künstlerdienstes vom 09.05.1982 akzeptiert. Beim Künstlerdienst habe man ihm seinerzeit versichert, man werde sich bei ihm melden, wenn es ein Stellenangebot gebe; dementsprechend habe er sich nur sporadisch selbst gemeldet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1997 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.11.1995 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger seit August 1982 bis zum 11.09.1988 auch arbeitslos gewesen sei. Arbeitslosigkeit sei vielmehr erst vom 12.09.1988 bis zum 02.07.1996 nachgewiesen. Voraussetzung für eine Arbeitslosigkeit sei u.a. das Gemeldetsein beim örtlich zuständigen Arbeitsamt. Hierzu reiche ein bei den Landesarbeitsämtern eingerichteter Künstlerdienst nicht aus, bei dem es nur um einen Teilbereich des Arbeitsmarktes gehe. Dies ergebe sich schon aus einem Schreiben der Bundesanstalt für Arbeit vom 27.03.1987. Im Übrigen ließen die nur sporadischen Kontakte des Klägers zum Künstlerdienst E1 nicht den Schluss auf ein fortlaufendes Bemühen um Arbeit zu. Dass der Kläger bereit gewesen sei, jede zumutbare Arbeit aufzunehmen, sei nicht ersichtlich; der Kläger sei vielmehr nur bemüht gewesen, eine Stelle als Musiker (Solopauker) in E zu erhalten.

Auf Anfrage des Sozialgerichts hat das Arbeitsamt E mitgeteilt, für die Zeit vom 17.02.1982 bis 11.09.1998 liege ihm nichts vor. Leistungen seien nicht gewährt worden, da kein Antrag gestellt worden sei. Weitere Verwaltungsvorgänge seien nicht vorhanden.

Aus den Unterlagen des Arbeitsamtes E (BEWA-Ausdrucke) gehen Vorgänge ab dem 12.09.1988 hervor. Daraus ergibt sich, dass der Kläger sich dort (zumeist schriftlich) seit dem 12.09.1988 durchgehend alle drei Monate arbeitssuchend gemeldet hat. In einem Protokoll über ein Beratungsgespräch vom 19.03.1990 ist vermerkt, der Kläger habe ausgeführt, niemals daran gedacht zu haben, seinen Beruf zu wechseln oder etwas Anderes beruflich zu akzeptieren, als seinen erlernten Beruf; nur dort könne er Lebenszufriedenheit erreichen. Ein Stellenangebot vom 19.02.1993 für eine Tätigkeit in einem Kurorchester hat der Kläger abgelehnt, weil er nur bereit sei, in einem "Kulturorchester" zu spielen; dies habe er dem Künstlerdienst schon mehrmals mitgeteilt.

Der Kläger hat ein Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen vom 09.09.1988 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass er seit Abschluss seines Studiums als Schlagzeuger 1981 vom Künstlerdienst E1 betreut werde und ihm allein in den Jahren 1986 und 1987 durch Auswertung der Zeitschrift "Das Orchester" insgesamt zehn Stellenangebote unterbreitet worden seien. Ferner seien ihm Vorspieltermine im Juni 1982 (C1-O) und Juni 1986 (C2-O1) angeboten worden, die er aber nicht wahrgenommen habe. Im August 1987 sei ihm angeboten worden, sich mit einer Agentur in der T wegen Einstellung bei einem Tourneetheater in Verbindung zu setzen; dies habe der Kläger ebenfalls nicht getan. Der Kläger hat weiter einen Bewilligungsbescheid über Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme des Arbeitsamtes E vom 12.11.1986 vorgelegt. Danach hat er einen Zuschuss von 2.000,- DM für ein Schlagzeug zum Vorspielen für eine Arbeitsaufnahme erhalten. Dieser Bescheid zeige, dass er auch mit dem örtlichen Arbeitsamt E in Kontakt gewesen sei; weitere Beweismittel könnten wohl nicht verlangt werden.

Der Kläger hat ferner eine Bescheinigung des Künstlerdienstes E1 vom 10.03.1989 vorgelegt. Danach war er seit dem 21.09.1981 bis auf Weiteres arbeitslos gemeldet und stand der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. An folgenden Tagen hätten zwischen ihm und dem Künstlerdienst Kontakte bestanden: 09.05.1982, 17.02.1983, 25.06.1986, 23.05.1987, 10.07.1987, 20.07.1987, 20.07.1988, 01.09.1988, 18.10.1988, 23.01.1989. Der Kläger sieht hierin eine "bindende Urkunde über die Bescheinigung der Arbeitslosigkeit".

Der Künstlerdienst E1 hat auf Anfrage des Sozialgerichts mitgeteilt, bei ihm würden lediglich Vermittlungsunterlagen der Ratsuchenden geführt. Nach Beendigung des Vermittlungsfalles würden diese noch zwei Jahre aufbewahrt. Unterlagen zum Kläger seien nicht mehr vorhanden.

Das Sozialgericht hat die Verwaltungsakte des Sozialamtes E beigezogen. Daraus geht hervor, dass im Juli 1983 das Sozialamt den Kläger aufforderte, ab dem 01.08.1983 gemeinnützige Tätigkeit und zusätzliche Arbeit in einem Krankenhaus zu verrichten. Auf seinen Antrag wurde der Kläger mit Blick auf ein laufendes Bewerbungsverfahren für eine Stelle als Solopauker beim Symphonieorchester der Stadt E vorerst von der gemeinnützigen Arbeit befreit. Mehrere Nachfragen des Sozialamts E in den Jahren 1983 und 1984 beim dortigen Theater- und Konzertamt ergaben, dass die Stelle als Schlagzeuger im Symphonieorchester vorerst nicht zu besetzen sei. 1985 wurde dem Kläger von der Orchesterverwaltung mitgeteilt, dass er bei der Vergabe der Stelle nicht habe berücksichtigt werden können. Der Kläger machte daraufhin gegenüber dem Sozialamt Unregelmäßigkeiten bei der Vermittlung dieser Stelle geltend und verlangte die Zahlung des entgangenen Gehalts eines Solopaukers beim Städtischen Orchester E. Am 14.12.1988 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und einem Sozialamtsmitarbeiter statt. Der Mitarbeiter fasste den Inhalt dahin zusammen, der Kläger sei hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme völlig fixiert auf eine Tätigkeit als Musiker. Er stehe weiterhin auf dem Standpunkt, er müsse in ein Städtisches Orchester aufgenommen werden. Er werfe den zuständigen Stellen Vetternwirtschaft vor und lehne es strikt ab, irgendeine andere Arbeit zu verrichten. Im Februar 1989 forderte das Sozialamt den Kläger schriftlich auf, sich um Arbeiten außerhalb seines erlernten Berufes zu bemühen und sich bei näher bezeichneten Arbeitsstellen zu bewerben. Im Januar und März 1991 forderte es den Kläger auf, seine Bemühungen um Arbeiten nachzuweisen. Der Kläger teilte mit Schreiben vom 12.04.1991 mit, er sei nicht verpflichtet, sich um jede Art von Arbeit zu bemühen und lehne die Vorlage diesbezüglicher Nachweise ab. Er habe sich bereits seit 1982 um eine Tätigkeit als Schlagzeuger beim E Orchester bemüht; damit sei der gewünschte Nachweis erbracht. Im Übrigen leide er an Depressionen, Schlafstörungen, Alpträumen, Konzentrationsstörungen und anhaltenden Kopfschmerzen. Das Sozialamt veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Klägers vom 31.01.1992 durch den Sozialpsychiatrischen Dienst der Stadt E mit dem Ergebnis, es liege Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung vor.

Nach einer Mitteilung des Künstlerdienstes an das Arbeitsamt E vom 23.01.1989 wurden dem Kläger in der Zeit vom 06.09.1986 bis 23.01.1989 von dort insgesamt 11 Vermittlungsvorschläge als Schlagzeuger gemacht, jedoch ohne positives Ergebnis, da sich viele hochqualifizierte Bewerber um die ausgeschriebenen Stellen bemühten und ein seit Jahren Arbeitsloser naturgemäß eine schlechte Ausgangsposition habe. Der Kläger sei gebeten worden, sich an das zuständige Arbeitsamt zur Besprechung von Umschulungsmöglichkeiten zu wenden.

Mit Urteil vom 02.12.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, weil die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch nicht gegeben seien. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.

Gegen das am 14.01.2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01.02.2000 Berufung eingelegt. Er trägt ergänzend unter anderem vor, zwar habe er wegen seiner Ausbildung als Musiker gerne als Schlagzeuger arbeiten wollen und habe dies auch immer wieder deutlich gemacht. Er habe aber nicht erklärt, nicht zu anderer Arbeit bereit zu sein. Da er nur beim Künstlerdienst gemeldet gewesen sei, sei über andere Arbeit auch gar nicht gesprochen worden. Soweit er beim Sozialamt keine gemeinnützige Tätigkeit und zusätzliche Arbeit habe verrichten wollen, sei dies vorliegend unerheblich, da es sich insoweit um keine zumutbare Arbeit i.S.d. Arbeitsförderungsrechts gehandelt habe. Im Beratungsgespräch vom 19.03.1990 habe er keineswegs gesagt, er wolle niemals den Beruf wechseln. Im Gespräch sei eine Umschulung zum Musiktherapeuten gewesen, was der Sachbearbeiter abgelehnt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 02.12.1999 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 02.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1997 zu verurteilen, ihm ab 01.11.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat die Stadt E (Sozialhilfeträger) sowie die Bundesanstalt für Arbeit beigeladen.

Der Senat hat dem Kläger aufgegeben, für die Zeit von 1982 bis zum 03.09.1991 sämtliche Bemühungen um Arbeit nachzuweisen (insbesondere Bewerbungsschreiben, etwaige Absagen, Einladungen zu Vorspielen oder Vorstellungsgesprächen) auch für Bereiche außerhalb eines Orchesters (z.B. Musikschulen) und für den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Der Kläger hat mitgeteilt, er habe sich auch mündlich beworben, und zwar bei verschiedenen Musikhäusern in E und um Umgebung und bei verschiedenen Bootsbetrieben, weil er hier als L2 über Vorkenntnisse verfüge. Schriftlich habe er sich auch bei Stellen beworben, von denen er Unterlagen nicht mehr auffinden könne. Er hat Bewerbungsschriftverkehr aus der Zeit vom 04.10.1982 bis 23.09.1985 vorgelegt (Orchester: Süddeutscher Rundfunk, Duisburg, Hessischer Rundfunk, Westdeutscher Rundfunk, Freiburger Theater, Gürzenich Köln, Heidelberg, Reutlingen, Staatstheater Darmstadt, Münster, Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, Velbert, Bonn, Linz, Mönchengladbach, Pfalztheater Kaiserslautern, Korea Philharmonic Orchestra, Würzburg; Hessisches Staatstheater Wiesbaden; ferner Jugendmusikschule Südliche Bergstraße in Wiesloch).

Weiter hat der Kläger Einkommenssteuerbescheide der Jahre 1982 bis 1988 nebst Anlagen vorgelegt. Hieraus gehe hervor, dass er Tätigkeiten für namhafte Orchester außerhalb von E ausgeübt habe, wobei es sich um Aushilfsengagements gehandelt habe. Von 1987 bis April 1988 habe er ca. einmal wöchentlich ein Aushilfsengagement in I gehabt. Es sei nicht richtig, dass er nur eine Tätigkeit beim Orchester E in Betracht gezogen habe. Er habe nur nicht einsehen können, warum er dort keine Einstellungschancen bekommen habe. Er habe sich auch bei Bootsherstellungsbetrieben um Arbeit bemüht (1983 bis 1989) sowie bei Musikhäusern und einmal bei einem Campingplatz am Edersee. Er hat eine unter dem 24.09.2001 gefertigte Aufstellung seiner Tätigkeiten ab 1982 sowie über Bewerbungsbemühungen vorgelegt, auf die Bezug genommen wird.

Der Senat hat von Dr. L1 einen Befundbericht vom 05.09.2001 eingeholt. Darin ist angegeben, der Kläger sei dort erstmals im Dezember 1990 und zuletzt im März 1992 in Behandlung gewesen. Es sei damals eine depressive Neurose bei narzisstischer Persönlichkeitsstruktur diagnostiziert worden.

Der Senat hat ferner Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. B vom 10.01.2002 sowie eines psychologischen Zusatzgutachtens des Diplom-Psychologen T1 vom 28.01.2002. Dr. B äußert den Verdacht auf ein Borderline-Syndrom, welches jedoch nur schwer von einer Neurose abzugrenzen sei. Die psychischen Beeinträchtigungen seien so stark ausgeprägt, dass dem Kläger keinerlei Erwerbstätigkeit möglich sei. Die Leistungsminderung bestehe sicherlich schon seit vielen Jahren, zumindest seit 1995. Anscheinend habe es erste Symptome schon Mitte der 80er Jahre gegeben, deutlichere in der Zeit um 1990. Der Diplom-Psychologe T1 gelangt im Ergebnis zu der gleichen Leistungsbeurteilung. Er diagnostiziert allerdings eine Dysthymia mit zum Teil schweren depressiven Symptomen vor dem Hintergrund schizoider Persönlichkeitsstrukturen. Die jetzige Situation habe sich seit etwa 1988 entwickelt. Es sei anzunehmen, dass 1991 eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess noch möglich und sinnvoll gewesen wäre, was inzwischen jedoch nicht mehr der Fall sei.

Die Beklagte trägt daraufhin vor, dass sie bereits im Verwaltungsverfahren einen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit mit dem 03.09.1991 anerkannt habe. Aufgrund der nun eingeholten Gutachten könne der Leistungsfall eventuell bereits im Jahre 1988 eingetreten sein. Eine genauere Feststellung erübrige sich jedoch, weil selbst bei einem nach dem 31.12.1984 (1983) eingetretenen Leistungsfall die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Die Behauptung des Klägers, er habe von 1982 bis 1988 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden und sich fortlaufend ernsthaft um Arbeit bemüht, sei durch die diesbezügliche Aufstellung des Klägers nicht belegt.

Der Kläger trägt ergänzend vor, er habe neben seinen persönlichen Vorsprachen, welche aktenkundig seien, sich auch häufig telefonisch mit dem Künstlerdienst in Verbindung gesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Akten (Verwaltungsakten der Beklagten, Sozialhilfeakte der Stadt E, Akte des Arbeitsamts E Stamm-Nr. 000000) Bezug genommen. Der Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 02.08.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.05.1997 verletzt den Kläger nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Erwerbsunfähigkeitsrente. Nach § 44 Abs. 1 a.F. SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie erwerbsunfähig sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Nach § 44 Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 a.F. SGB VI verlängert sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um Anrechnungszeiten bzw. um Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 oder 2 (Anrechnungszeiten, Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, bestimmte Berücksichtigungszeiten) liegt. Nach § 241 Abs. 2 Satz 1 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit für solche Versicherte nicht erforderlich, die vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die Erwerbsunfähigkeit vor dem 01.01.1984 eingetreten ist.

Zwar ist der Kläger erwerbsunfähig. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Das Sozialgericht ist insoweit von einem im September 1991 eingetretenen Leistungsfall ausgegangen. Auch die Beklagte hat den Eintritt des Leistungsfalles auf September 1991 datiert, und der Kläger hat dazu ausdrücklich geäußert, er selbst trage nichts anderes vor. Die medizinischen Ermittlungen des Senats im Berufungsverfahren haben ergeben, dass der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit jedenfalls nicht deutlich früher als September 1991 gelegen haben kann. Der Neurologe und Psychiater Dr. B spricht zwar davon, dass es anscheinend erste Symptome Mitte der 80er Jahre gegeben habe, deutlichere jedoch um die Zeit von 1990. Der Dipl.-Psychologe T1 gelangte zu der Auffassung, dass die jetzige Situation sich etwa seit 1988 entwickelt habe, der Kläger jedoch anzunehmender Weise 1991 noch in den Arbeitsprozess hätte wieder eingegliedert werden können, was inzwischen nicht mehr möglich sei. Es bedarf insoweit für den Senat keines datumsgenauen Festlegens des Eintritts des Leistungsfalles. Denn sicher ist nach den durchgeführten Ermittlungen des Sozialgerichts und des Senats, dass der Kläger jedenfalls nicht vor dem 01.01.1984 erwerbsunfähig gewesen ist (vgl. § 241 Abs. 2 Satz 1 a.E. SGB VI). Deutlich wird das auch aus dem Umstand, dass er sich selbst erst am 27.12.1990 in die Behandlung des Neurologen und Psychiaters Dr. L1 begeben hat.

Bezogen auf einen etwa 1990/91 eingetretenen Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit hat der Kläger keine drei Jahre Pflichtbeiträge in dem davor liegenden Fünfjahreszeitraum belegt (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 a.F. SGB VI). Denn unabhängig davon, wann genau der Leistungsfall eingetreten sein mag, hat der Kläger jedenfalls seit August 1982 keine versicherungspflichtige Tätigkeit mehr ausgeübt und Pflichtbeiträge gezahlt.

Der Fünfjahreszeitraum ist auch nicht um sogenannte Aufschubzeiten im Sinne von § 44 Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 a.F. SGB VI zu verlängern. In Betracht kämen insoweit lediglich Anrechnungs- bzw. Aufschubzeiten wegen Arbeitslosigkeit nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 bzw. Nr. 3 i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 3 a.F. SGB VI. Denn eine durchgehende "Arbeitslosigkeit" im Sinne des Gesetzes lässt sich beim Kläger nicht feststellen.

Dabei kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob sich der Kläger regelmäßig bei der dafür vorgesehenen Stelle ordnungsgemäß als Arbeitsloser gemeldet hat, dahinstehen. Denn zum Begriff der Arbeitslosigkeit, der sich auch im Rentenrecht nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften des Arbeitsförderungsrechts, allerdings unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung, bestimmt (BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 28 m.w.N.), gehört auch die sogenannte objektive und subjektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung. Nach dem im maßgebenden Zeitraum seit dem 01.01.1984 geltenden § 103 Abs. 1 Satz 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer u.a. bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf (Nr. 2a) und das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist (Nr. 3).

Der Senat lässt dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG (tägliche Erreichbarkeit) beim Kläger vorgelegen haben. Seine diversen Aushilfstätigkeiten, die er geltend macht, und für die zumindest geringe Entgeltzahlungen aus den von ihm eingereichten Steuerunterlagen hervorgehen, lassen insoweit zumindest vermuten, dass diese auswärtigen Termine dem Arbeitsamt nicht bekannt waren. Hielt sich der Kläger jedoch nicht an seinem Wohnort, sondern z.B. - wie er vorträgt - von 1987 bis April 1988 ca. einmal wöchentlich als Aushilfs-Schlagzeuger in I auf, so war er bereits nicht täglich für das Arbeitsamt erreichbar und stand mithin im Sinne des § 103 AFG der Arbeitsvermittlung schon objektiv nicht zur Verfügung. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen.

Denn zumindest eine subjektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung i.S. v. § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AFG ist als lückenloser subjektiver Umstand beim Kläger nicht feststellbar; vielmehr ist der Senat aufgrund des Gesamtbildes der Überzeugung, dass der Kläger gerade nicht bereit war, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er hätte ausüben können. Zwar ist diese Bereitschaft eine innere Tatsache; sofern jedoch besondere - hier nicht ersichtliche - Umstände dem nicht entgegenstehen, ist für die Feststellung dieser inneren Tatsache von den Erklärungen und dem Verhalten des Arbeitslosen auszugehen (Brand, in: Niesel, Arbeitsförderungsgesetz, § 103 Rz. 29). Dabei darf sich der Arbeitslose nicht nur bereit erklären, Beschäftigungen auszuüben, die er ausüben m ö c h t e, auch wenn diese Beschäftigungen arbeitsmarktüblich sind. Kann vielmehr das Arbeitsamt diesen Wünschen aus nachvollziehbaren Gründen nicht nachkommen, muss der Arbeitslose seine persönlichen Interessen bis an die Grenze des ihm objektiv Zumutbaren zurückstellen und von vornherein seine Bereitschaft erklären, jede ihm objektiv zumutbare Beschäftigung anzunehmen (a.a.O. Rz. 30). Zwar musste der Arbeitslose nach dem Recht des AFG für eine Arbeitsbereitschaft nicht durch eigene Aktivität wie z.B. Arbeitsplatzsuche nachweisen (a.a.O.). Ergibt jedoch das Gesamtbild seines Verhaltens Anhaltspunkte dafür, dass er nicht für jede zumutbare Beschäftigung zur Verfügung gestanden hat, kann daraus auf die fehlende subjektive Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung geschlossen werden. Hierzu ist nach Ansicht des Senats durchaus auch der Umstand in Betracht zu ziehen, dass über einen sehr langen Zeitraum ernsthafte, erfolgversprechende Eigenbemühungen nicht nachzuhalten sind und sich die gleichzeitigen wenigen eigenen Bemühungen, die nachgehalten werden können, nur auf einen sehr kleinen Ausschnitt des zumutbaren Arbeitsmarkts beziehen.

Der Senat schließt sich insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts (S. 12 ff. des angefochtenen Urteils) an. Ergänzend ist anzumerken, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren keine andere Bewertung zulässt. Der von ihm vorgelegte Bewerbungsschriftverkehr endet zum Einen bereits im Jahre 1985. Zum Anderen beziehen sich die Bewerbungen fast ausnahmslos auf eine Tätigkeit als Schlagzeuger in einem Orchester; eine Ausnahme bildet lediglich die Jugendmusikschule T2 in X1. Die darüber hinaus von ihm vorgetragenen Vorsprachen auf Bootsmessen im Hinblick auf eine eventuelle Beschäftigung bei Bootsbaufirmen bezeugen - ihr tatsächliches Geschehen unterstellt - lediglich, dass der Kläger im Bereich eines Hobbys nach einer Berufstätigkeit Ausschau gehalten hat. Gleiches gilt hinsichtlich einer Tätigkeit am Edersee; die Stelle eines Campingplatzverwalters war vom Deutschen L2 ausgeschrieben. Wenn der Kläger schließlich insgesamt sieben Musikhäuser anführt, bei denen er mehrfach vorgesprochen habe, so bewegt sich eine etwaige Berufstätigkeit in solchen Häusern ebenfalls im Bereich des vom Kläger beruflich erlernten Rahmens. Der Senat lässt deshalb dahinstehen, ob diese Vorsprachen wirklich stattgefunden haben. Das Gesamtverhalten des Klägers zeigt jedenfalls eine Fixierung auf wenige berufliche Perspektiven, die sämtlich im Rahmen seines erlernten Musikerberufes oder in einem verwandten Beruf (Musikhäuser) bzw. im Rahmen eines vom Kläger ausgeübten Hobbys (C3) bewegen. Da er nicht einmal außerhalb des Künstlerdienstes Kontakt zur nicht-künstlerischen Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes gesucht hat, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger nicht bereit war, jegliche zumutbare Berufstätigkeit, auch solche im nicht-musikalischen oder im nicht durch ein Hobby abgedeckten Bereich, anzunehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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