S 2 KA 67/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 67/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid des Beklagten vom 26.04.2002 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses.

Der Kläger ist als Arzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie in C niedergelassen und sowohl zur vertragsärztlichen als auch zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen.

Im Behandlungsfall der bei der Beigeladenen zu 1) Versicherten V L händigte der Kläger der Versicherten ein Schreiben vom 25.05.1998 aus, mit welchem er mitteilte, bei ihr bestehe eine medizinische Indikation zur Durchführung der geplanten Operation: "Ober-/Unterkiefer-Sanierung (chirurgisch)/sehr umfangreich/Dentistophobie" unter Narkose (Intubationsnarkose oder Analgosedierung). Leider würden die Kosten dieser ambulanten Narkose von den Krankenkassen generell abgelehnt. So müsse er sie darauf aufmerksam machen, dass die Kosten der Narkose durch den Anästhesisten privat liquidiert würden. Sollte ihre Krankenkasse in ihrem Fall jedoch die Kosten der ambulanten Narkose übernehmen, so bitte er sie, sich dies durch die Kasse bestätigen zu lassen. Selbstverständlich werde dann die ambulante Narkose über ihren Krankenschein abgerechnet.

Mit Schreiben vom 22.06.1998 teilte die Beigeladene zu 1) dem Kläger u.a. mit, dass sie eine Leistung nicht genehmigen müsse, wenn sie die Kriterien einer ausreichenden, zweckmäßigen, wirtschaftlichen, das Maß des Notwendigen nicht übersteigenden Behandlung erfülle. In diesem Fall sei auch nicht mit einer Rückforderung der Kosten im Wege der Geltendmachung eines sonstigen Schadens zu rechnen. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die Leistung nicht durch sie genehmigt werden dürfe, wenn diese Kriterien nicht erfüllt seien. Die Entscheidung, ob die vorgenannten Kriterien erfüllt würden, könne und müsse der Kläger treffen und dürfe nicht auf die Krankenkasse abgewälzt werden. Die Versicherte erhielt daraufhin eine Privatliquidation der Gemeinschaftspraxis Dres. C1/T über 548,77 DM, die ihr von der Beigeladenen zu 1) nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in voller Höhe erstattet wurde.

Unter dem 16.04.1999 stellte die Beigeladene zu 1) gegen den Kläger einen Antrag auf Feststellung eines sonstigen Schadens gem. §§ 19, 28 der Vereinbarung über das Verfahren zur Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung in Nordrhein (VerfO). Da sie ärztliche Leistungen mit einer Kopfpauschale an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein vergüte, wären ihr bei einer Abrechnung über die KV-Karte keine weiteren Kosten entstanden. Mithin sei ihr durch das schuldhafte Verhalten des Klägers ein Schaden in Höhe von 548,77 DM entstanden.

Mit Schreiben vom 05.06.1999 stellte der Kläger klar, er habe keine Überweisung an den Anästhesisten ausgestellt. Er habe die Patientin darüber aufgeklärt, dass sie eine eventuelle Sedierung privat bezahlen müsse, dies müsse sie aber mit dem Anästhesisten klären.

Die Beigeladene zu 1) vermochte dieses Schreiben des Klägers nicht nachzuvollziehen. Der Kläger habe mehrfach medizinische Gründe ("extreme Dentistophobie") für die Sedierung bei der Versicherten angegeben. Auch der MDK Nordrhein halte in diesem Fall eine Sedierung für medizinisch indiziert, sodass der Kläger eine Überweisung hätte ausstellen können. Gegenüber der Versicherten habe er erklärt, die Sedierung sei notwendig, er mache diese aber nur auf Überweisung, wenn die Kasse sie genehmige. Der Kläger habe daher seine vertragszahnärztlichen Pflichten verletzt und den geltend gemachten Schaden verursacht.

Mit Bescheid vom 28.11.2000 stellte der Prüfungsausschuss Köln I fest, dass ein sonstiger Schaden in Höhe von 548,77 DM entstanden sei. Da die Notwendigkeit einer Sedierung von dem Kläger bescheinigt, die entsprechende vertragszahnärztliche Verordnung jedoch verweigert worden sei, wodurch die Kosten des Narkosearztes über die Kassenärztliche Vereinigung hätten abgerechnet werden können, habe die Beigeladene zu 1) nach § 13 Abs. 3 SGB V den Versicherten von einer Kostenbelastung freistellen müssen.

Es liege auch eine schuldhafte Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten vor. Der Verstoß bestehe darin, dass der Kläger - zwar nicht auf dem vertraglich vorgeschriebenen Muster - die Notwendigkeit einer Narkose bescheinigt habe, die ordnungsgemäße Ausstellung einer entsprechenden vertragszahnärztlichen Verordnung jedoch verweigert habe mit der Begründung, die Kasse habe die Narkose nicht genehmigt. Somit sei es den Anästhesisten nicht möglich gewesen, ihre Leistungen über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen. Sie hätten diese privat liquidieren müssen.

Mit Bescheid vom 26.04.2002 wies der Beklagte einen hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers zurück.

Zu den vertrags- bzw. kassenzahnärztlichen Pflichten gehöre es, eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Zu einer bedarfsgerechten vertragszahnärztlichen Versorgung könne auch eine Narkose oder Analgesie zählen, soweit eine andere Art der Schmerzausschaltung im Rahmen einer chirurgischen Behandlung nicht angezeigt sei. Der Kläger habe mehrfach bekundet, dass eine medizinische Indikation für die Durchführung einer Behandlung unter Narkose bestehe. Insoweit habe die Beigeladene zu 1) zunächst von einer Notwendigkeit der betreffenden Narkoseleistung ausgehen können. Gleichzeitig habe der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er eine Überweisung zum Anästhesisten erst nach vorheriger Genehmigung der Krankenkasse ausstellen werde. Die Krankenkasse habe stets betont, dass sie eine derartige vorherige Genehmigung nicht aussprechen könne und werde. Der Kläger habe mit dieser Verweigerung der Überweisung trotz gleichzeitig bekundeter Notwendigkeit gegen die vertragszahnärztliche Pflicht des § 70 Abs. 1 SGB V verstoßen, wonach eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten auch von ihm zu gewährleisten sei. Der Pflichtverstoß sei auch schuldhaft erfolgt. Durch die Bekundung der Abhängigkeit der Überweisung von der Bedingung der vorherigen Genehmigung sowie der Kenntnis der Genehmigungsverweigerung der Krankenkasse habe der Kläger durch die Nichtausstellung der Überweisung wissentlich und willentlich die bedarfsgerechte Versorgung der Patientin versagt. Der seitens des Klägers angegebene Rechtfertigungsgrund, dass in jedem Falle eine Regressforderung der Krankenkasse im Wege des Verfahrens betreffend die Feststellung des Vorliegens eines sonstigen Schadens geltend gemacht würde, sei unbeachtlich. Die Vermeidung einer ggf. späteren Regressforderung könne es nicht rechtfertigen, notwendige GKV-Leistungen in den privatärztlichen Bereich zu verlagern.

Die Beigeladene zu 1) habe im Hinblick auf die Behandlung des Anästhesisten für die Versicherte eine Privatliquidation in Höhe von 548,77 DM nach der Bestimmung des § 13 Abs. 3 SGB V erstattet. Hierzu sei sie verpflichtet gewesen. Von einer selbstbeschafften Narkoseleistung könne unstrittig ausgegangen werden. Eine Überweisung sei nicht ausgestellt worden, die Patientin, Adressatin der Rechnung des Anästhesisten, habe die Narkose erhalten. Von der Notwendigkeit habe die Beigeladene zu 1) ausgehen können, da seitens des Klägers das Vorliegen einer medizinischen Indikation bescheinigt worden sei. Von der Unaufschiebbarkeit der Leistung könne hier ebenfalls ausgegangen werden. Der Wortlaut der Bestimmung des § 13 Abs. 3 SGB V deute auch auf einen gewissen Notfall-Charakter der Leistung hin. Im vorliegenden Fall sei aufgrund der anzunehmenden medizinischen Notwendigkeit sowie des anstehenden Operationstermins im Hinblick auf die Gebisssanierung bei einem durch die Patientin gewählten Vertragszahnarzt die Krankenkasse zum Handeln angehalten gewesen. Insoweit könne von der Leistungspflicht begründenden Unaufschiebbarkeit ausgegangen werden. Die Leistungsverpflichtung sei dem Kläger auch zuzurechnen.

Da ärztliche Leistungen seitens der Krankenkassen mit einer Kopfpauschale an die KV Nordrhein vergütet würden, wäre bei einer Abrechnung des Anästhesisten über die KV-Karte die Entrichtungspflicht der Krankenkasse in Höhe von 548,77 DM nicht entstanden. Diesen Schaden habe der Kläger auszugleichen.

Hiergegen richtet sich die am 08.05.2002 erhobene Klage.

Der Kläger hält den Regressantrag für unzulässig.

Die Krankenkasse hätte die Kosten für die privat liquidierte Sedierung nicht übernehmen dürfen, weil es sich um eine Privatabrechnung gehandelt habe und diese von der gesetzlichen Krankenkasse nicht erstattet werden dürfe. Es habe auch nicht, wie vorgegeben, ein Notfall nach § 13 Abs. 3 SGB V vorgelegen. Vielmehr hätte die Krankenkasse aufgrund des Kostenübernahmeantrages vom 25.05.1998 der Patientin den Hinweis geben müssen, dass andere Ärzte in der Lage und Willens seien, diese Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenkasse durchzuführen. Sie werde mit ihrer Arzt/Zahnarzt-Onlineauskunft und Datei sicher in der Lage sein, ohne weitere Mühe und Aufwand einen Zahnarzt zu vermitteln, der die Leistung auf Chipkarte erbringe (und sich hinterher regressieren lasse). Hierzu wäre bis zum OP-Termin mehr als drei Wochen Zeit gewesen. Nur in dem Falle, in dem sich herausgestellt hätte, dass kein anderer Zahnarzt bereit gewesen wäre, bei dieser Indikationsstellung die Behandlung zu Lasten der Krankenkasse zu erbringen, hätte ein Fall nach § 13 Abs. 3 SGB V vorgelegen. Hieran fehle es jedoch vorliegend.

Im Übrigen reiche die Angabe "Dentistophobie" durch den Kläger für eine medizinische Indikation einer Behandlung in ITN oder Sedierung weder nach Auffassung der beteiligten Krankenkasse noch nach Auffassung des Beklagten aus, weil alle Fälle ausnahmslos mit dieser Indikation regressiert worden seien. Damit liegt nach Auffassung des Beklagten eine nicht notwendige Leistung vor. Hiernach sei weder der Kläger noch der Anästhesist verpflichtet und berechtigt, diese Leistung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Damit könne auch keine notwendige Kostenerstattung nach § 13 SGB V vorliegen.

Die beteiligte Krankenkasse habe damit zweimal fehlerhaft gehandelt. Sie hätte zum einen ihrer Versicherten einen bereiten Zahnarzt benennen müssen und zum anderen die Privatliquidation der Anästhesisten nicht erstatten dürfen.

Des Weiteren gebe die beigeladene Krankenkasse irreführende Hinweise, wenn sie behaupte, dass ihr die hier geltend gemachten Kosten dann nicht erstanden wären, wenn der Kläger eine Überweisung ausgestellt hätte und sie im Übrigen in diesem Falle aber einen Antrag auf sonstigen Schaden wegen nicht notwendiger Behandlung gestellt hätte. Der Zahnarzt könne sich aus dieser Situation nur dadurch befreien, indem er dem Patienten die Wahrheit sage.

Der Kläger habe keine Ursache dafür gesetzt, dass ein möglicher Schaden habe eintreten können. Er habe keinen Einfluss darauf, wie der Anästhesist die Anästhesie abrechne.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 26.04.2002 aufzuheben und den Widerspruch des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden, hilfsweise, die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.

Die Beigeladene zu 1) hält die Klage für unbegründet.

Sie habe ihrer Versicherten, die nach den Angaben des Klägers unter Dentistophobie leide, nicht zumuten können, eine Vielzahl weiterer Zahnärzten aufzusuchen und sich immer wieder den zur Feststellung der Operationsindikation notwendigen Untersuchungen zu unterziehen. Dies hätte im Übrigen auch weitere zusätzliche vermeidbare Kosten verursacht. Aus diesem Grunde habe sie die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V als erfüllt angesehen.

Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Prozessantrag.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte in Abwesenheit der nicht erschienenen und nicht vertreten gewesenen Beigeladenen zu 1) verhandeln und entscheiden, da auf diese Möglichkeit in der form- und fristgerecht zugestellten Terminbenachrichtigung hingewiesen worden ist.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid des Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da dieser rechtswidrig ist.

Die Voraussetzungen für die Annahme eines sonstigen Schadens im Sinne der §§ 19, 28 (VerfO) liegen nicht vor. Der Kläger hat keinen sonstigen Schaden infolge schuldhafter Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten verursacht.

Der Beklagte sieht eine schuldhafte Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten des Klägers darin, dass dieser durch die Nichtausstellung einer notwendigen Überweisung an die Anästhesisten wissentlich und willentlich die bedarfsgerechte Versorgung der Patientin versagt habe, nachdem er die Überweisung von der Bedingung der vorherigen Genehmigung durch die beigeladene Krankenkasse abhängig gemacht und Kenntnis von ihrer Genehmigungsverweigerung gehabt habe. Die Erstattung der Privatliquidation der Anästhesisten durch die Krankenkasse sei ihm als Schaden zuzurechnen.

Dieser Annahme vermag die Kammer aus mehreren Gründen nicht zu folgen.

Es liegt bereits kein Fall einer unterlassenen vertragszahnärztlichen Überweisung vor. Nach § 10 Abs. 1 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) kann der Kassenzahnarzt, wenn erforderlich, den Kranken zur Durchführung bestimmter zahnärztlicher Leistungen oder zur Weiterbehandlung einem anderen Kassenzahnarzt oder einer sonstigen berechtigten Stelle (poliklinische Einrichtung der Hochschule, kasseneigenes Institut) überweisen. Die Einschaltung eines Anästhesisten zur Erbringung von (ärztlichen) Narkoseleistungen an einem von dem Zahnarzt zu operierenden Patienten erfüllt diese Voraussetzungen einer Überweisung nicht. Ob eine vertragsärztliche Überweisung in Betracht gekommen wäre, hatte die Kammer nicht zu entscheiden. Zwar ist der Kläger als Arzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Demgemäss bestünde für ihn ggf. die Möglichkeit, seine mund-, kiefer- und gesichtschirurgischen Leistungen gemäß Kapitel N IX des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (Ziffern 3000 bis 3096 EBM) bei der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein abzurechnen und im vertragsärztlichen System ggf. Überweisungen zur Ausführung von Auftragsleistungen (§ 24 Abs. 7 Nr. 1 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä)) oder zur Mitbehandlung (§ 24 Abs. 7 Nr. 3 BMV-Ä) an den Anästhesisten auszustellen. Sollte der Kläger es unterlassen haben, im vorliegenden Behandlungsfall von einer solchen Überweisung Gebrauch zu machen, wäre aber jedenfalls nicht der Beklagte als Beschwerdeausschuss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Nordrhein zuständig, den Kläger insoweit in Regress zu nehmen. Aufgabenbereich des Beklagten ist allein die Überwachung und Prüfung der Wirtschaftlichkeit der kassenzahnärztlichen Versorgung im Sinne des § 106 SGB V und des BMV-Z (vgl. § 1 Abs. 1 VerfO). Wenn aber ein Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in seiner Eigenschaft als Vertragsarzt notwendige Überweisungen unterlässt und hierdurch der Krankenkasse durch Erstattung vertragsärztlicher anästhesistischer Leistungen ein Schaden entstehen sollte, wären ausschließlich die Gremien der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung sachlich zuständig, hierauf zu reagieren.

Es liegt auch kein Fall der unterlassenen Ausstellung einer vertragszahnärztlichen Verordnung vor, wie der Prüfungsausschuss in seinem Bescheid vom 28.11.2000 gemeint hat. Verordnungen erfolgen nur für Krankenhauspflege (§ 11 BMV-Z) sowie für Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel sowie Sprechstundenbedarf (§ 15 BMV-Z), nicht jedoch für ärztliche Anästhesieleistungen.

Vertragszahnarztrechtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Zahnarzt und dem Anästhesisten über dessen Zuziehung enthält der BMV-Z nicht. Die Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen Zahnarzt und Anästhesist ergibt sich jedoch aus der jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellung beider Ärzte. Danach obliegt dem operierenden Zahnarzt die Prüfung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Anästhesisten nach Maßgabe der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Abschnitt B II Nr. 10 Abs. 1 und 2); er stellt die Indikation nach zahnmedizinischen Gesichtspunkten (LSG NRW, Urt. v. 12.03.1997 - L 11 KA 42/96 -). Demgegenüber prüft der Anästhesist allein die Narkosefähigkeit des Patienten. Er hat darüber zu befinden, ob gegen die Narkose aus Sicht seines Fachgebietes Bedenken bestehen oder Kontraindikationen vorhanden sind. Die Verantwortung für die zahnmedizinische Indikation für eine Narkose trägt er dagegen nicht. Dies ergibt sich bereits aus der Definition des Gebietes der Anästhesiologie nach Ziffer 2 der Weiterbildungsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte vom 27.09.1994 (MinBl. NW Nr. 82 v. 30.12.1994, S. 1536 ff.). Danach umfasst die Anästhesiologie die allgemeine und lokale Anästhesie einschließlich deren Vor- und Nachbehandlung, die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen während operativer Eingriffe, die Wiederbelebung sowie die Intensivmedizin und die Schmerztherapie in Zusammenarbeit mit den für das Grundleiden zuständigen Ärztinnen oder Ärzten. Zahnärztliche Kenntnisse werden hierbei nach dem Inhalt der Weiterbildung zum Anästhesisten nicht einmal in den Grundzügen vermittelt.

Aus dieser Aufgabenverteilung zwischen Zahnarzt und Anästhesist ergeben sich haftungsrechtlich folgende Konsequenzen: Stellt ein Zahnarzt die Indikation für die Narkose oder Analgesie unter Verstoß gegen Abschnitt B II Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung fehlerhaft, ist also die Einschaltung eines Anästhesisten nicht erforderlich, und rechnet der Anästhesist seine Leistungen im vertragsärztlichen Abrechnungswege bei der Kassenärztlichen Vereinigung ab, dann darf der Beklagte gegenüber dem Zahnarzt insoweit grundsätzlich einen "sonstigen Schaden" feststellen (vgl. LSG NRW, Urt. v. 12.03.1997 - L 11 KA 42/96 -; Urt. der Kammer v. 20.03.2002 - S 2 KA 199/01 -). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.

Wenn ein Anästhesist - wie hier - seine Leistungen privat liquidiert und diese dem Versicherten von der Krankenkasse erstattet werden, scheidet die Feststellung eines "sonstigen Schadens" gegen den Zahnarzt grundsätzlich aus, wenn dieser eine fehlerhafte Indikation für die Narkose oder Analgesie gestellt hat. Dies ergibt sich aus § 13 Abs. 3 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese nach dieser Vorschrift von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Bei einer fehlerhaften Indikationsstellung des Zahnarztes für eine Narkose ist die Leistung - Erstattung des Honorars des Anästhesisten an den Versicherten - aber nicht notwendig. Diese Feststellung hat die Krankenkasse zu treffen. Sie ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen, bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen (§ 20 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X)), bedient sich unter Mitwirkung der Beteiligten der erforderlichen Beweismittel (§ 21 Abs. 1, 2 SGB X) und prüft die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 8 SGB X). Demgemäss obliegt es der Krankenkasse, sich durch umfangreiche Ermittlungen von der Notwendigkeit der selbstbeschafften Leistung zu überzeugen. Erstattet sie dem Versicherten ohne hinreichende Prüfung voreilig die Kosten, ohne dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V erfüllt sind, verbleibt dies in ihrem Verantwortungsbereich; eine Abwälzung ihres Ermittlungsdefizits auf den Zahnarzt scheidet grundsätzlich aus.

Der vorliegende Fall ist aber dadurch gekennzeichnet, dass alle Beteiligten von der Notwendigkeit der Hinzuziehung der Anästhesisten ausgegangen sind. So hat der Kläger bereits in seinem Schreiben vom 25.05.1998 an die Versicherte angegeben, bei ihr bestehe eine medizinische Indikation zur Durchführung der geplanten Operation: "Ober-/Unterkiefer-Sanierung (chirurgisch)/sehr umfangreich/Dentistophobie" unter Narkose (Intubationsnarkose oder Analgosedierung). Auch die Beigeladene zu 1) hält in ihrem Schreiben vom 16.07.1999 an die Beigeladene zu 2) unter Bezugnahme auf den MDK Nordrhein in diesem Falle eine Sedierung für medizinisch indiziert. Der Beklagte geht in dem angefochtenen Bescheid vom 26.04.2002 durch Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V ebenfalls davon aus, dass die Anästhesie vorliegend medizinisch indiziert gewesen sei.

Geht man somit vorliegend von der Notwendigkeit der Einschaltung der Anästhesisten aufgrund zahnmedizinischer Indikation aus, so hätten die Anästhesisten ihre Leistungen zwingend auf dem vertragsärztlichen Abrechnungswege gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen müssen. Der Umstand, dass sie dies unterlassen und privat liquidiert haben, fällt allein in ihren Verantwortungsbereich und kann nicht dem Kläger angelastet werden. Jeder Arzt - Zahnarzt wie Anästhesist - ist aufgrund seiner Zulassung zu den sozialen Versorgungssystemen allein eigenverantwortlich für eine peinlich genaue Abrechnungslegung seiner Leistungen gegenüber den Abrechnungskörperschaften (vgl. bereits BSG SozR 2200 § 368a RVO Nr. 3). Missachtet ein Arzt diese ihn persönlich treffende Verpflichtung, so trägt er hierfür allein die Verantwortung. Ob die Anästhesisten vorliegend möglicherweise aufgrund einer entsprechenden Empfehlung des Klägers zur Privatliquidation ihrer Honorare gegriffen haben, ist dabei unbeachtlich; privatrechtliche Abmachungen im Innenverhältnis können öffentlich-rechtliche Außenrechtsbeziehungen - hier: Feststellung eines "sonstigen Schadens" gegenüber Dritten - nicht begründen.

Unzutreffend ist hierbei allerdings die Vorstellung des Klägers, er könne sich seiner zahnärztlichen Verantwortung für eine fehlerhafte Indikationsstellung und einer daraus ggf. resultierenden Regressierung dadurch entziehen, dass die Krankenkasse der Versicherten dann eben einen anderen bereiten Zahnarzt benennt. Mit dem Erwerb des besonderen Status eines Vertrags(zahn)arztes durch den Zulassungsakt sind für den (Zahn-)Arzt verschiedene Begünstigungen, aber auch Verpflichtungen verbunden. Namentlich besteht eine Teilnahmeverpflichtung in dem Fachgebiet, für das der Vertrags(zahn)arzt zugelassen ist, mit der Folge, dass er die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes im Rahmen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung als Naturalleistung auch tatsächlich anbieten und erbringen muss (vgl. BSG USK 84272). Erfüllt der Vertrags(zahn)arzt seine Teilnahmeverpflichtung nicht oder nicht ordnungsgemäß, kann er ggf. mit den Mitteln des Disziplinarrechts (§ 81 Abs. 5 SGB V) hierzu angehalten werden; im Grenzfall ist ihm gemäß § 95 Abs. 6 SGB V die Zulassung zu entziehen (vgl. BSG USK 84272). Gründe für die Ablehnung einer Behandlung können sich im Einzelfall nur aus einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen (Zahn-)Arzt und Patient oder einer besonderen, durch Verweisung der Patienten an andere Vertrags(zahn)ärzte kompensierbaren Überlastungssituation des Vertrags(zahn)arztes ergeben. Ein darüber hinausgehendes Ablehnungsrecht würde es dem Vertrags(zahn)arzt ermöglichen, die Erfüllung seiner Behandlungspflichten von Erwägungen zur Höhe der Vergütung abhängig zu machen, was mit dem Verbot des Verlangens von durch die Versicherten zu leistenden Zahlungen gerade unterbunden werden soll (BSG, Urt. v. 14.03.2001 - B 6 KA 54/00 R -). Nichts Anderes gilt auch für taktische Erwägungen zur Vermeidung von Regressen aufgrund fehlerhafter Indikationsstellung für Narkosen.

Im Ergebnis hat die Kammer den angefochtenen Bescheid des Beklagten ersatzlos aufgehoben und von einer Verurteilung zur Neubescheidung abgesehen, da unter keinem Gesichtspunkt die Feststellung eines "sonstigen Schadens" in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG n.F. i.V.m. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Kammer die Berufung zugelassen (§ 144 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved