L 14 RJ 692/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 1205/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 692/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Juni 2000 wird aufgehoben,

1. soweit es den Rücknahmebescheid der Beklagten vom 13. Juni 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1995 auch hinsichtlich der mit Bescheiden der Beklagten vom 11. Mai 1993 und 7. April 1995 festgestellten Pflichtbeitragszeit vom 15. November 1946 bis 31. Januar 1992 aufgehoben hat,

2. soweit die Beigeladene (sinngemäß unter Abänderung ihres Rentenbescheides vom 14. Oktober 1996) verurteilt worden ist, der Klägerin höhere Altersrente auch in Hinblick auf eine zu berücksichtigende Pflichtbeitragszeit vom 15. November 1946 bis 31. Januar 1962 zu zahlen. Demzufolge wird die Klage gegen den Bescheid vom 13. Juni 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 1995 und gegen den Bescheid vom 14. Oktober 1996 teilweise abgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1930 geborene Klägerin hatte nach Vertreibungszeit (01.01.1945 bis 14.11.1946) in der Rentenversicherung der Angestellten vom 15.11.1946 bis 31.01.1965 Beschäftigungszeiten zurückgelegt, zuletzt als kaufmännische Abteilungsleiterin. Mit Formularantrag vom 13.04.1965 beantragte sie wegen Heirat am 11.08.1964 die Erstattung der (Arbeitnehmeranteile der) Ver- sicherungsbeiträge. Auf dem Formblatt war zwischen der Überschrift sowie dem Antrag und der Unterschrift folgende Passage vorgedruckt: "Es ist mir bekannt, a) dass die Erstattung weder auf eine bestimmte Zeit noch auf einen einzelnen Versicherungszweig beschränkt werden kann, b) dass in den Rentenversicherungen der Angestellten und der Arbeiter die Beiträge zur Hälfte und die Beiträge zur Höherversicherung in voller Höhe und in der knappschaftlichen Rentenversicherung der Anteil des Versicherten an den Beiträgen erstattet wird, c) dass eine Rücknahme des Erstattungsantrages von dem Zugang des Erstattungsbetrages an, spätestens jedoch einen Monat nach Empfang oder Zustellung des Erstattungsbescheides nicht mehr möglich ist, und d) dass die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten in allen Zweigen der Rentenversicherung und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung ausschließt. Die nachstehenden Fragen habe ich gewissenhaft beantwortet. Die zum Antrag erforderlichen Unterlagen sind beigefügt."

Nachdem im Kartenarchiv zum Versicherungskonto der Klägerin auch eine Mitteilung über ein am 08.02.1962 bewilligtes Heilverfahren (08.05. bis 05.06.1962) aufbewahrt worden war, wies ein Sachbearbeiter der Beigeladenen (Bundesanstalt für Angestellte) die Klägerin - laut einem Aktenvermerk vom 21.05. 1965 - mit Schreiben vom 07.05.1965 darauf hin, dass wegen des am 08.02.1962 bewilligten Heilverfahrens die Erstattung der Beiträge erst ab 01.02.1962 erfolgen könne. Die Klägerin be- stätigte daraufhin mit Schreiben vom 12.05.1965 den Erhalt des Schreibens vom 07.05.1965 und teilte mit, sie halte ihren Antrag auf Beitragserstattung wegen Heirat aufrecht. Daraufhin wurden mit Bescheid vom 24.05.1965 die Beitragsanteile in der Zeit vom 01.02.1962 bis 31.01.1965 gemäß § 83 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der seit 23.02.1957 geltenden Fassung erstattet.

Für die Zeit ab 01.07.1965 (bis 14.11.1984) übte die Klägerin (laut ihren späteren Angaben vom 01.02.1969) eine selbständige Tätigkeit (Hotelier) aus und ließ sich laut Bescheinigung der Beigeladenen vom 27.08.1965 und laut Karteieintrag der Beige- ladenen zum Versicherungskonto (s. hierzu die Umschlagmappe in der Akte der Beigeladenen) gemäß Art.2 § 1 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (Angestellte bei Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze) mit Wirkung vom 01.07.1965 befreien.

Seit dem 09.02.1988 war die Klägerin rechtskräftig geschieden. Aus der Ehezeit vom 01.08.1964 bis 31.05.1987 sind ihr im Wege des Versorgungsausgleichs Rentenanwartschaften ihres Ehemannes von 69,90 DM übertragen worden.

Anläßlich eines im Februar 1991 gestellten Antrags auf Feststellung von Kindererziehungszeiten für das Kind A. M. , geboren am 1966, und eines dann von der Beklagten eingeleiteten Kontenklärungsverfahrens insbesondere zur Zeit vom 01.02.1969 bis 30.09.1988 stellte die Beklagte bei aktenkundiger Beitragserstattung durch die Beigeladene mit Bescheid vom 11.05.1993 gemäß § 149 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI - neben der Vertreibungszeit (1945/46) Pflichtbeitragszeiten vom 15.11.1946 bis 31.01.1962 in der Rentenversicherung der Angestellten und vom 15.11.1984 bis 30.09.1988 in der Rentenversicherung der Arbeiter sowie eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.01.1988 bis 30.07.1990 fest und sprach aus, dass die Zeiten bis zum 31.12.1986 verbindlich festgestellt seien. Bei der zugleich erteilten Rentenauskunft wurde eine fiktive Regelaltersrente von 1.158,44 DM monatlich errechnet.

Im Dezember 1994 leitete die Beklagte erneut Ermittlungen zur Überprüfung des Versicherungsverlaufs unter Berücksichtigung des Rentenreformgesetzes 1992 und des Rentenüberleitungsgesetzes ein und stellte dann mit Bescheid vom 07.04.1995 die bereits im Bescheid vom 11.05.1993 angeführten Zeiten verbindlich bis zum 31.12.1988 fest. Eine wesentliche Änderung war damit nicht verbunden, lediglich die Zeit vom 15.11.1946 bis 30.09. 1949 war nunmehr mit "Pflichtbeiträge für Berufsausbildung" gekennzeichnet. In der damit verbundenen Rentenauskunft errechnete die Beklagte eine fiktive monatliche Regelaltersrente von 1.250,02 DM.

Am 26.04.1995 stellte die Klägerin bei der Beklagten Antrag auf Bewilligung der Regelaltersrente als Vollrente, den die Beklagte später an die Beigeladene abgab. Mit Schreiben vom 11.05. 1995 hörte die Beklagte die Klägerin zu der Absicht an, die Feststellungsbescheide vom 11.05.1993 und 07.04.1995 hinsichtlich der Zeit vom 15.11.1946 bis 31.01.1962 aufzuheben und den Versicherungsverlauf entsprechend zu korrigieren. Diese Zeit sei, auch wenn hierfür wegen des damals durchgeführten Heilverfahrens keine Beiträge erstattet worden seien, durch die Heiratserstattung untergegangen.

Die Klägerin äußerte sich hierzu dahingehend, dass die Beitragserstattung nicht als Grund für die Ablehnung der Versicherungsjahre von 1946 bis 1962 angeführt werden könne, denn hiervon habe die Beklagte, wie deren Bescheid vom 11.05.1993 ausweise, bereits Kenntnis gehabt; ihrer Erinnerung nach sei im Jahre 1965 - sie habe wegen der Erstattung der Beiträge nur von 1962 bis 1965 mehrmals mit der Beigeladenen telefoniert - nicht die Rede davon gewesen, dass durch Heiratserstattung - wegen der Kur - auch 16 Beitragsjahre vor dieser Kur wegfallen würden. Außerdem könne die Rücknahme des Bescheids vom 11.05.1993, der ihr am 12.05.1993 zugegangen sei (Behauptung ohne Beleg), nur binnen der Zweijahresfrist des § 45 Sozialgesetzbuch Teil X - SGB X - erfolgen, die aber bei Erhalt des Schreibens vom 11.05.1995, laut Poststempel am 15.05.1995 zur Post gegeben und ihr am 16.05.1999 zugegangen, bereits überschritten gewesen sei. Hinsichtlich der von der Beklagten erfragten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse führte die Klägerin an, dass sie seit Scheidung 1988 vom Unterhalt des Ehemanns lebe und es sein könne, dass sie bei dessen behaupteten angespannten finanziellen Lage plötzlich ohne einen Pfennig dastehen könne.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.06.1995 nahm die Beklagte die Bescheide vom 11.05.1993 und 07.04.1995 zurück, ohne im Bescheidtext eine Einschränkung auf bestimmte Zeiträume zu treffen. Sie führte hierzu aus, dass ein Vertrauensschutz gemäß § 45 Abs.2 Satz 1 SGB X nicht bestehe, weil die Klägerin die Rechtswidrigkeit dieser Bescheide zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, nachdem sie mit Schreiben der Beigeladenen vom 07.05.1965 auf die Verfallswirkung der Beitragserstattung hingewiesen worden sei. Im beigefügten Versicherungsverlauf waren Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung der Angestellten vom 15.11.1984 bis 30.09.1988, eine Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.10.1988 bis 30.07.1990 und eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vom 01.02.1969 bis 06.10.1976 angeführt.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, weil die Beigeladene sie im Jahre 1965 nicht klar und eindeutig darauf hingewiesen habe, dass mit der Erstattung der Beiträge für die Zeit vom 01.02.1962 bis 31.01.1965 auch alle vorher geleisteten Beiträge für die Zeit von November 1946 bis Januar 1962 verfallen seien. Sie sei bis zum Jahre 1995 davon ausgegangen, dass sie aus den rentenrechtlichen Zeiten von Januar 1945 bis Januar 1962 und den nachfolgenden Beitragszeiten ab November 1984 einen entsprechend hohen Anspruch auf Altersrente habe. Mit Versorgungsausgleich sei ihr nur eine geringe monatliche Rentenanwartschaft von 69,90 DM übertragen worden. Zu dieser Zeit sei sie bereits 58 Jahre alt gewesen und habe nach Ende des Arbeitsverhältnisses bei ihrem geschiedenen Ehemann keinen neuen Arbeitsplatz mehr finden können. Sie habe damals trotzdem keine andere Vorsorge für die Absicherung ihres Lebensunterhalts für die Zeit des Alters getroffen, weil sie immer davon ausgegangen sei, aus den Versicherungsjahren von 1945 bis 1962 eine zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts ausreichende Rentenhöhe erlangt zu haben. Sie lebe seit 1988 von den Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes und sei daher aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, nunmehr für eine andere Altersversorgung sorgen zu können. Sie besitze keinerlei Vermögen; ihr fehlten die finanziellen Mittel, um in die gesetzliche Rentenversicherung für eine Zeit von insgesamt 15 Jahren freiwillige Mindestbeiträge in Höhe von insgesamt 19.418,00 DM nachzahlen zu können.

Während des Widerspruchsverfahrens erteilte die Beigeladene - zwischenzeitlich von der Beklagten über die Änderung des Versicherungsverlaufs informiert - den Rentenbescheid vom 14.10. 1996, mit dem eine Regelaltersrente in Höhe von monatlich 154,08 DM ab 01.08.1995 bewilligt wurde. In diesem Bescheid wurden die Vertreibungszeit (01.01.1945 bis 31.12.1946), Kindererziehungszeiten von November 1966 bis Oktober 1967, eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung von Oktober 1966 bis Oktober 1976 sowie Entgeltpunkte aufgrund des Versorgungsausgleichs berücksichtigt, jedoch nicht die umstrittene Beitragszeit von 15.11.1946 bis 31.01.1962 und auch nicht die von der Beklagten ehemals festgestellte Beitragszeit vom 15.11.1984 bis 30.09.1988 und die Zeit der Arbeitslosigkeit vom 01.01.1988 bis 30.07.1990.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.06.1995 mit Widerspruchsbescheid vom 07.11. 1995 zurück, weil die Klägerin unterschriftlich ihre Kenntnis bestätigt habe, dass die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließe, und somit um die Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 01.05.1993 und 07.04.1995 gewusst habe. Damit genieße sie keinen Vertrauensschutz. Bei dieser Entscheidung sei auch berücksichtigt worden, dass die sachgerechte Verwendung der Mittel der Versichertengemeinschaft den Vorrang vor den persönlichen Interessen der Klägerin habe, und dass diese, nachdem ein Rentenbezug bisher nicht vorgelegen habe, keine Vermögensdisposition getroffen haben könne.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.06.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1995 und gegen den Rentenbescheid der Beigeladenen vom 14.10.1996 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Landshut und beantragte zugleich bei der Beklagten vorsorglich die Nachzahlung von Beiträgen für die Zeit der Heiratserstattung gemäß § 282 des Sozialgesetzbuches Teil VI (SGB VI). Sie berief sich vor allem darauf, dass mangels Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 13.06.1995 die zweijährige "Schutzfrist" des § 45 Abs.3 Satz 1 SGB X, innerhalb derer der Feststellungsbescheid aufgehoben hätte werden können, verstrichen sei und die Beklagte erst danach einen Rücknahmebescheid erteilt habe. Abgesehen von diesem formalen Umstand sei eine Rücknahme auch aus anderen Gründen nicht möglich. Sie, die Klägerin, genieße Vertrauensschutz, weil ein höheres Maß an Vertrauen als die verbindliche Feststellung von Versicherungszeiten durch den zuständigen Sozialleistungsträger man sich in der Rechtspraxis nicht vorstellen könne. Auch das Argument, es werde keine laufende Rentenleistung entzogen, vermöge den Vertrauensschutz nicht zu entkräften. Aufgrund mehrerer Rentenauskünfte über die Jahre hinweg habe die Klägerin davon ausgehen dürfen, dass ihr ein Anspruch in Höhe von 1.158,44 DM Rente monatlich zustehe. Mit dem 65. Lebensjahr, als sie ihre Lebensplanung nicht mehr ändern habe können, habe sie erfahren müssen, dass ihr ein Rentenanspruch überhaupt nicht zustehe.

In der mündlichen Verhandlung am 08.06.2000 gab die Klägerin an, sie habe die Erklärung vom 13.04.1965 in dem Glauben unterschrieben, dass sämtliche Beiträge erstattet würden und nicht nur die ab Februar 1962 entrichteten.

Die Beklagte gab ein Teil-Anerkenntnis des Inhalts ab, die Zeit vom 01.01.1945 bis 14.11.1946 werde als Vertreibungszeit anerkannt; die Klägerin nahm das Teil-Anerkenntnis an.

Das Sozialgericht hob - nach Beiladung der Bundesversiche- rungsanstalt für Angestellte - antragsgemäß mit Urteil vom 08.06.2000 den Bescheid der Beklagten vom 13.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1995 auf und verurteilte die Beigeladene, bei der Berechnung der Rente sämtliche von der Beklagten mit Bescheid vom 11.05.1993 festgestellten Zeiten zu berücksichtigen; außerdem wurde die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das Sozialgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass der Klägerin bei Feststellung der Beitragszeiten durch die Beklagte im Jahre 1993 nicht bewusst gewesen sei, dass die Anerkennung dieser Zeiten fehlerhaft gewesen sei; auch sei ihre Unkenntnis hierüber nicht grob fahrlässig gewesen. Außerdem hielt die Kammer es bereits für wenig wahrscheinlich, dass sich die Klägerin bei Unterzeichnung des Erstattungsantrags der Tatsache bewusst gewesen sei, die Erstattung von Beiträgen für drei Jahre mit dem Verzicht auf Ansprüche aus Beiträgen für insgesamt über 18 Jahre zu erkaufen; es sei kaum vorstellbar, dass sich jemand, der seine eigenen finanziellen Belange nicht völlig aus dem Auge verloren habe, bewusst auf ein Geschäft mit einem derart auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung einlasse.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung macht die Beigeladene geltend, die infolge Heiratserstattung untergegangenen Beitragszeiten vom 15.11.1946 bis 31.01.1962 seien bei der Regelaltersrente nicht anzurechnen. Die Klägerin sei bei Heiraterstattung auf den Untergang der Beitragszeiten hingewiesen worden; nachdem sie im Wege des Versorgungsausgleichs lediglich 69,90 DM gutgeschrieben bekommen habe, hätte sie mit Bekanntgabe des Bescheids der Beklagten vom 11.05.1993 bereits über die Höhe der zu erwartenden Rente stutzig werden müssen. Sie habe bei Durchführung des Versorgungsausgleichs 1987/88 mit Sicherheit nicht eine Auskunft über ihre Rentenantwartschaften mit den heiratserstatteten Beiträgen erhalten.

Die Klägerin behauptet nach wie vor, sie habe nicht gewusst, dass der Bescheid vom 11.05.1993 rechtswidrig gewesen sei; im Übrigen befinde sich in den Rentenakten auf dem Original-Erstattungsantrag nicht der Hinweis, dass die Zeiten vor Durchführung des Heilverfahrens auch verfallen würden.

Der Senat hat die Versichertenakten der Beigeladenen und der Beklagten sowie die Scheidungsakte des Amtsgerichts Passau F 357/87 beigezogen. Aus letzterer geht hervor, dass die Klä- gerin damals bei der Beigeladenen nicht über ein Beitragskonto verfügt hatte, was dem Gericht und den damaligen Parteien bekannt war, und dass für die "Ehezeit" vom 01.08.1964 bis 31.05. 1987 ein Versorgungsausgleich durch Teilung allein der Rentenanwartschaften des Ehemannes von 139,80 DM mit Urteil vom 09.02.1988 durchgeführt worden ist.

Die Beigeladene und Beklagte beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.06.2000 abzuändern und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.06.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.11.1995 und gegen den Bescheid der Beigeladenen vom 14.10.1996 insoweit abzuweisen, als die Aufhebung der Bescheide vom 11.05.1993 und 07.04.1995 in Bezug auf die Beitragszeit vom 15.11.1946 bis 31.01.1962 bestehen bleibt und als die Beigeladene zur Zahlung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung dieser genannten Beitragszeit verurteilt worden ist.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene sichert zu, (sinngemäß) in Ausführung des Urteils vom 08.06.2000 und des Teil-Anerkenntnisses die Altersrente der Klägerin mit der Ersatzzeit und den Zeiten vom 15.11. 1984 bis 30.07.1990 neu zu berechnen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen - insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten - wird hierauf sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beigelade- nen ist zulässig (§§ 143 ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); die Anträge der Beigeladenen und der Beklagten, die sich zuletzt nur mehr auf die Zeit von 1946 bis 1962 bezogen, sind in der Hauptsache begründet.

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass die Beklagte die Bescheide vom 11.05.1993 und vom 07.04.1995 gemäß § 45 SGB X insoweit zurücknehmen konnte und durfte, als es um die Feststellung der durch Heiratserstattung untergegangenen Beitragszeiten ging. Soweit die Beklagte ihre Feststellungsbescheide in weitergehendem Umfang aufgehoben haben sollte (hier differieren der Bescheidtext der Aufhebungsbescheide und der beigefügte Versicherungsverlauf hinsichtlich der rentenrechtlichen Zeiten vom 15.11.1984 bis 30.07.1990), gilt das insoweit nicht (mehr) angefochtene Urteil und bestand in zweiter Instanz kein Rechtsstreit mehr. Letzteres gilt auch hinsichtlich der Verurteilung der Beigeladenen - sinngemäß - zur Zahlung einer höheren Altersrente unter Berücksichtigung der Zeiten vom 15.11.1984 bis 30.07.1990.

In Bezug auf die Beitragszeiten vom 15.11.1946 bis 31.01.1962 waren die Bescheide vom 11.05.1993 und 07.04.1995 bereits bei ihrer Bekanntgabe unrichtig. Gemäß § 83 AVG in der von 1957 bis 31.12.1967 geltenden Fassung, gleichlautend mit dem von der Widerspruchsstelle der Beklagten unrichtigerweise benannten § 1304 der Reichsversicherungsordnung (Fassung 1957 bis 1967), wurden bei Heirat auf Antrag die Arbeitnehmeranteile der Beiträge erstattet; nach § 83 AVG i.V.m. § 82 Abs.5 und Abs.6 AVG waren nur die später entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn einem Versicherten eine Regelleistung aus der Versichung gewährt worden ist; der Erstattungsantrag konnte nicht auf einen Teil der erstattungsfähigen Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung ist ein Anspruch auf Rente aus allen bisher zurückgelegten Beitragszeiten und sonstigen Versicherungszeiten er- loschen.

§ 45 Abs.1 SGB X erlaubt die Rücknahme (anfänglich) unrichtiger Verwaltungsakte mit Wirkung für die Zukunft und die Vergangenheit. Auch die sonstigen Tatbestände für eine Rücknahme sind vorliegend erfüllt. Gemäß § 45 Abs.2 Satz 1 SGB X darf eine Rücknahme nicht erfolgen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Vorweg ist hier zu sehen, dass für die Zukunft ein bedeutend geringerer Vertrauensschutz als für die Vergangenheit besteht. Im Verwaltungsrecht wird bei laufenden Leistungen aus öffentlich-rechtlichen Mitteln in der Regel ein Vertrauensschutz für die Zukunft verneint; auch im Sozialrecht muss der Grundsatz Gültigkeit haben, dass die rechtswidrige Dauerleistung in die Zukunft hinein die Allgemeinheit in der Regel mehr belastet als eine einmalige, zurückliegende Leistung (vgl. im Einzelnen Von Wulffen, SGB X, 4. Auflage, Rdz.17 zu § 45 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). Das öffentliche Interesse besteht im Interesse der Solidargemeinschaft an der Vermeidung jeglicher ungerechtfertigter Belastungen und nicht zu rechtfertigenden Aufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit. Sind aufgrund eines Bescheids weder Leistungen erbracht noch Vermögensdispositionen getroffen worden, überwiegt stets das öffentliche Interesse an der Herstellung der wahren Rechtslage (Von Wulffen, a.a.O.).

In Bezug auf Bescheide, die Versicherungszeiten bzw. rentenrechtliche Zeiten feststellen, ist zu beachten, dass diese Bescheide zwar der Klarstellung des Versicherungsverlaufs dienen, aber vor allem zukunftsbezogen wirken, eine schnelle Rentenfestsetzung bei Eintritt eines der möglichen Versicherungs- bzw. Leistungsfälle ermöglichen sollen. Rentenleistungen selbst werden mit Ergehen solcher Feststellungsbescheide nicht erbracht. Dies hat zur Folge, dass auch dann, wenn Feststellungsbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, kein besonderer Vertrauensschutz bestehen kann, wenn nicht aufgrund von Rentenbescheiden, die wiederum auf diesen Feststellungsbescheiden fußen, Leistungen bewilligt bzw. erbracht worden sind. Vorliegend ist es aber nicht bis zum Zeitpunkt der Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts zur Leistungsgewährung gekommen, vielmehr erst nach der Rücknahme zu einem Rentenbescheid, der die zu Unrecht festgestellten rentenrechtlichen Zeiten nicht berücksichtigt hat.

Ein maßgebendes Vertrauen in den Bestand der rechtswidrigen Bescheide der Beklagten konnte sich auch nicht aufgrund anderweitiger Umstände entwickeln. Vor Bekanntgabe der Feststellungsbescheide sind keine Tatbestände nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht, die die "Anerkennung" der streitigen Beitragszeiten in den Bescheiden vom 11.05.1993 und 07.04.1995 als selbstverständlich oder auch nur als bestätigend erscheinen lassen könnten. Wenn die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sie sei bei Stellung des Antrags auf Beitragserstattung im Glauben gewesen, dass sämtliche Beiträge erstattet würden und nicht nur die ab Februar 1962 entrichteten, so vermag hieraus nichts Wesentliches abgeleitet zu werden. Es kann durchaus sein, dass sie bei der damaligen Antragstellung hiervon ausging. Sie ist aber von der Beigeladenen darauf hingewiesen worden, dass für die Erstattung lediglich die Jahre 1962 bis 1965 in Frage kommen. Außerdem hat sie anderweitig angegeben, deswegen mit der Beigeladenen wiederholt telefoniert und sich informiert zu haben. Weiterhin hat die Klägerin dann ihren Erstattungsantrag aufrecht erhalten und auch nicht die Gelegenheit wahrgenommen, den Erstattungsantrag binnen eines Monats nach "Empfang" oder Zustellung des Erstattungsbescheides zurückzunehmen, obwohl sie damals von der Beklagten auch auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Alle Anhaltspunkte sprechen dafür, dass sich die Klägerin der rechtlichen Folgen ihres Antrags durchaus bewusst geworden ist und willentlich hiergegen nichts unternommen hat, und nichts vermag ihre jetzigen gegenteiligen Behauptungen zu stützen; vielmehr erscheinen diese in ihrer Gesamtheit wenig überzeugend und glaubwürdig.

Dies betrifft unter anderem die der vorausgehenden Behauptung widersprechende Einlassung, dass sie der Meinung gewesen sei, dass trotz Heiratserstattung die rentenrechtlichen Zeiten bis Januar 1962 bestehen blieben und sich hieraus ein späterer Rentenanspruch ableiten lasse. Dem steht entgegen, dass die Beigeladene sie ausdrücklich über den Verlust aller Anwartschaften aus den bisher zurückgelegten Beitragszeiten informiert hat und die Klägerin sich hierüber in der Folgezeit durchaus im klaren gewesen ist. Dies bestätigen die Angaben der Klägerin anlässlich der Durchführung des Versorgungsausgleichs mit der Scheidung. Aus der Akte des Amtsgerichts Passau ergibt sich, dass sie genau wusste, dass sie bei der Beigeladenen kein Beitragskonto mehr hatte. Laut Sitzungsprotokoll vom 07.07.1987 erklärte sie auf Befragen, dass für sie kein Versicherungskonto in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt werde, wobei sie auch angab, dass eine Beitragserstattung durchgeführt worden sei, ebenso dass sie nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen sei und/oder Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung und der berufsständischen Versorgung erworben habe.

Diese Aussage besitzt besonderes Gewicht, weil sie von der Klägerin persönlich und nicht von ihrem Rechtsanwalt stammte, zudem spontan erfolgte, das heißt, ohne dass vorher die Fragebögen zum Versorgungsausgleich gefertigt worden wären, so dass argumentiert werden könnte, es seien Angaben gewesen, die nicht aus dem Gedächtnis stammten, sondern die anhand von schriftlichen Unterlagen oder nach mühsamer Erinnerung erstellt oder kontruiert worden seien, wobei hier noch Fehler oder Irrtümer unterlaufen sein könnten. Laut Scheidungsakte wurden die Fragebögen zum Versorgungsausgleich vom Ehemann vor dem Termin am 07.07.1987 eingereicht, wohingegen die Klägerin sie erst nachträglich Ende Juli 1987 dem Familiengericht übersandte. Zudem ist in den darauf eingeholten Auskünften der Bundesver- sicherungsanstalt für Angestellte vom 16.10.1987, 11.12.1987 und 06.01.1988 nochmals klargestellt worden, dass lediglich der Ehemann und nicht die Ehefrau Anwartschaften aus der gesetz- lichen Rentenversicherung hatte. Zumindest die Auskünfte vom 16.10.1987 und 11.12.1987 sind auch an beide Beteiligten übersandt worden. Weiterhin ist aus dem Endurteil vom 09.02.1988 nochmals ersichtlich, dass lediglich die Hälfte der vom Ehemann erworbenen Rentenanwartschaften auf ein Versicherungskonto der Klägerin zu übertragen sei, mithin keinerlei von ihrer Seite auszugleichenden Anwartschaften vorgelegen haben.

Aus den gesamten Umständen ergibt sich, dass die Klägerin - und das noch nach mehr als 20 Jahren nach der im Jahre 1965 erfolgten Beitragserstattung - positiv wusste, dass sie aus den von ihr selbst von 1946 bis 1962 und von 1962 bis 1965 zurückgelegten Beitragszeiten keine Rentenansprüche ableiten konnte, diese Versicherungszeiten "untergegangen" waren.

Auch in anderen Angelegenheiten ihres Versicherungslebens wies sie ein erstaunlich aktuelles Wissen auf. So ist zum Beispiel in dem Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten vom 15.02.1991 und in dem Antrag auf Kontenklärung (Fragebogen) vom Januar 1992 festgehalten, dass sie von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten wegen Überschreitens der Einkommensgrenze befreit worden sei, und dies, obwohl in dem in Kopie vorliegenden Befreiungsbescheid nur der Paragraph genannt ist, aus dem sich der Grund für die Befreiung für einen Laien nicht ergibt; weiterhin finden sich detaillierte Angaben über Beschäftigungszeiten (mit Art der jeweiligen Tätigkeit, des Arbeitgebers und der jeweils zuständigen Krankenkasse) und Zeiten der Arbeitslosigkeit ab dem Jahre 1965, wohingegen die Klägerin die Beitragszeiten vom "15.11.1946 bis 1965" nur kurz den Daten nach erwähnte und auch angab, dass eine Beitragserstattung erfolgt sei. Die Klägerin verfügte zu jedem Abschnitt ihres Lebens über ein exaktes Wissen und zutreffende Informationen und war in Ange- legenheiten ihres Versicherungslebens genau, nahezu akribisch, so dass der Senat davon ausgeht, dass sie bei Erteilung der Bescheide vom 11.05.1993 und 07.04.1995 nicht nur wissen musste, sondern wusste, dass die in den Bescheiden der Beklagten angeführten und einer Rentenauskunft zugrunde gelegten Beitragszeiten nicht richtig waren.

Ein rechtserhebliches Vertrauen bis zum Jahre 1993 kann nicht bestanden haben, im Übrigen auch keines bis zum Ergehen der Anhörung im Mai 1995 und bis zur Bekanntgabe des Rücknahmebescheids vom 13.06.1995. Im Gegensatz zum klägerischen Vortrag kann kein Vertrauen in die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten bestehen, das heißt durch das Ergehen dieser rechtswidrigen Verwaltungsakte begründet werden, wenn gerade die Rechtswidrigkeit offen zu Tage trat. Hier kann es sich nur um eine nicht schützenswerte Hoffnung oder Erwartung handeln, der Rentenversicherungsträger werde künftig den Fehler nicht bemerken und korrigieren. Mithin konnte die Klägerin keinesfalls aufgrund zweier mit den Feststellungsbescheiden verbundenen Rentenauskünften davon ausgehen, dass ihr später ein Rentenanspruch von monatlich 1.158,44 DM und mehr zustehe. Mit dieser beim Sozialgericht vorgetragenen Argumentation setzte sich die Klägerin im Übrigen in Widerspruch zu ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren, nach dem es angeblich so gewesen sein soll, dass sie bereits ab dem Jahre 1965 guten Glaubens gewesen sei, dass die rentenrechtlichen Zeiten von Januar 1945 bis Januar 1962 nicht untergegangen seien. Richtigerweise aber wusste sie ab dem Jahre 1965 um den "Verfall" ihrer früheren Beitragszeiten und erfuhr erst im Jahre 1993, dass die Beklagte aus nicht genannten bzw. ersichtlich gemachten Gründen eine Beitragszeit von 1946 bis 1962 festgestellt hatte. Diese Hoffnung zerstörte die Beklagte im Jahre 1995 durch ihren Rücknahmebescheid. Es ist hier nicht ersichtlich, wie die Klägerin innerhalb der kurzen Frist ihrer Lebensplanung für eine Altersversorgung noch maßgeblich hätte ändern können, zumal sie seit 1986 arbeitslos gewesen ist, angeblich über kein Vermögen verfügte und verfügt und - so der Vortrag im Widerspruchsverfahren - seit 1988 nicht in der Lage gewesen sein soll, eine Versorgung für das Alter aufzubauen. Abgesehen davon wäre ihr dies auch innerhalb der kurzen Zeit zwischen dem angeblichen Vertrauenstatbestand (Bescheid vom 11.05.1993) und der Anhörung durch die Beklagte im Mai 1997 nicht mehr möglich gewesen. Bei erstmaliger rechtswidriger Zuerkennung der Beitragszeiten von 1946 bis 1962 war die Klägerin bereits 63 Jahre alt. Eine andere Altersversorgung als in der gesetzlichen Rentenversicherung wäre nicht mehr bei Einsatz zumutbarer Mittel aufzubauen gewesen, dies hätte einen enormen Kapitaleinsatz erfordert. Eine Möglichkeit sieht der Senat jedoch nach wie vor in der gesetzlichen Rentenversicherung durch Nachzahlung von insgesamt 15 Jahren freiwilliger Mindestbeiträge in Gesamthöhe von 19.418,00 DM. Hierbei handelt es sich um einen in Fällen der Heiratserstattung besonders günstigen Beitragssatz, der eine wesentliche Erhöhung der Altersrente bewirkt. Die Klägerin hat zwar angegeben, dass auch hierzu die Mittel fehlten, aber andererseits - dies macht ihren Gesamtvortrag auch nicht glaubwürdiger - vorsorglich Antrag auf Nachzahlung gestellt.

Besonders darauf hinzuweisen ist, dass die Nachzahlung der freiwilligen Beiträge wesentlich "lukrativer" ist als eine unterstellte frühe Vorsorge durch laufende Entrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge (zum Beispiel etwa ab dem Jahre 1988), zu der sich die Klägerin nach früherem Vortrag auch nicht in der Lage gesehen hat. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass ein angeblich im Jahre 1993 mit Bescheid vom 11.05.1993 gesetzter Vertrauenstatbestand keineswegs der Klägerin im Lauf der nachfolgenden Jahre die Möglichkeit genommen haben kann, in geeigneter Weise - im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung - für eine ausreichende Altersversorgung zu sorgen.

Der Vortrag der Klägerin im Widerspruchsverfahren und im anschließenden Rechtsstreit erscheint lediglich in manchen Punkten widersprüchlich und in mehreren Behauptungen einseitig und tendenziös, vermag daher die Überzeugung in einen guten Glauben an den Fortbestand der Beitragszeiten von 1946 bis 1962 nicht zu begründen. Dies gilt auch hinsichtlich ihrer im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Behauptung, sie habe nach 1962 keine Vorsorge für den Lebensunterhalt für die Zeit des Alters in Hinblick auf ihre (angeblichen) Rentenanwartschaften getroffen. Dem steht unter anderem auch entgegen, dass sie sich laut Akte des Amtsgerichts Passau (siehe dort den Vergleich für den Fall der Scheidung vom 09.02.1988) eine Unterhaltsrente von 3.500,00 bzw. 3.850,00 DM monatlich ausbedungen hat, weiterhin die Zahlung des Krankenkassenbeitrags (damals 368,00 DM) und zweier Lebensversicherungen (damals 450,00 DM und 130,00 DM), die als ehemalige Sicherheit für Schulden freigestellt werden sollten; weiterhin verpflichtete sich der damalige Ehemann, eine Lebensversicherung unwiderruflich zu Gunsten der Klägerin über 80.000,00 DM (bei Unfall 160.000,00 DM) beim Deutschen Herold abzuschließen. Dies zeigt auf, dass sie durchaus auf eine Versorge für ihr Alter bedacht war und ihre wirtschaftliche Lage nunmehr im Renten- und Gerichtsverfahren unvollständig in dem Sinne geschildert hat, dass sie zeitlebens nur auf eine zureichende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gebaut habe und sich nunmehr - falls kein Vertrauensschutz zugestanden werde - in unerwarteter, von ihr nicht zu vertretender Weise in eine Notlage geraten werde.

Ein maßgebender Vertrauenstatbestand im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 1 SGB X ist nicht ersichtlich, nachdem die Klägerin auch nicht vorgetraten hat, dass sie seit 1965 bis zur Erteilung des rechtswidrigen Bescheids vom 11.05.1993 oder von 1993 bis zum Zeitpunkt der Rücknahme (1995) Vermögensdispositionen getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen-

Im Übrigen gilt, dass sich auf Vertrauen der Begünstigte nicht berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs.2 Satz 3 SGB X). Wie bereits ausgeführt, sprechen alle Umstände im vorliegenden Einzelfall dafür, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit kannte, das heißt sich bewusst gewesen ist, dass "untergegangene" Versicherungszeiten von der Beklagten versehentlich wieder aufgegriffen worden sind. Die individuelle Einsichts- und Urteilsfähigkeit der Klägerin war durchaus vorhanden. Ihr beruflicher Weg, nach Besuch von sechs Klassen Gymnasium (1940 bis 1945, anschließend Flucht in die BRD) Tätigkeiten zuletzt als kaufmännische Abteilungsleiterin und Public Relation Manager (mit Verdiensten überhalb der Jahresarbeitsverdienstgrenze) sowie eine anschließende selbständige Tätigkeit sprechen auch für eine geistige Wendigkeit. Letzten Endes wird auch durch ihre persönlich verfassten Schreiben im Renten- und Klageverfahren bestätigt, dass sie sehr wohl schwierige (hier rechtliche) und für Laien oft schwer zugängliche Sachverhalte richtig erfassen kann und auch erfasst hat.

Soweit § 45 Abs.3 Satz 1 SGB X vorschreibt, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs.2 SGB X nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, betrifft es nur den Bescheid vom 11.05.1993 und nicht den Bescheid vom 07.04.1995. Die genannte Gesetzesvorschrift ist aber unter anderem dann nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Abs.2 Satz 3 Nr.2 oder Nr.3 (u.a. Kenntniss der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes oder grob fahrlässige Unkenntnis) vorliegen; es gilt dann eine zehnjährige Frist (§ 45 Abs.3 Satz 3 SGB X).

Die von der Beklagten ausgeübte Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Jene ist zwar knapp ausgefallen (Eingehen auf den Vertrauensschutz), wobei aber zu berücksichtigen ist, dass es nicht zu einer Gewährung und den Verbrauch von Sozialleistungen gekommen ist und die Klägerin auch keine nicht mehr oder nur schwer rückgängig zu machenden Vermögensdispositionen dargelegt hat; damit entfällt von vornherein ein großer Bereich, in dem Ermessensentscheidungen zu treffen gewesen wären. Im Übrigen bedarf es im Falle der Kenntnis der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Verwaltungsakts und sonstigem gröbsten "Verschulden" - wie das Bundessozialgericht im Falle der ohne weiteres ersichtlichen Doppelzahlung einer Rente entschieden hat (BSG vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92) keiner Ermessensausübung und Ermessensdarlegung zur ordnungsgemäßen Begründung einer Rücknahmeentscheidung.

Nachdem der Rechtsstreit lediglich teilweise - hinsichtlich der in erster Instanz nur nebenbei, allein mit dem im Klageantrag pauschal angesprochenen rentenrechtlichen Zeiten von November 1984 bis Juli 1990 - Erfolg für die Klägerin hatte (insoweit haben die Beklagte und Beigeladene ihre Berufungsanträge erst nachträglich eingeschränkt), erschien es angemessen, entsprechend dem Erfolg und Misserfolg des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz die Erstattung der außergerichtlichen Kosten nur zu einem Teil vorzusehen (§ 193 SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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