L 7 B 123/02 P ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 P 1/02 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 B 123/02 P ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 01.03.2002 wird zurückgewiesen. Die Anschlussbeschwerde der Beschwerdegegner/innen wird zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf.) wendet sich gegen die Wirtschaftlichkeitsprüfung durch den von den Beschwerdegegner/innen (Bg.) beauftragten Sachverständigen K ...

Die Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern (Arge) teilte mit Schreiben vom 10.08.2001 der Bf. ihre Absicht mit, die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der vollstationären Pflege in dem zur Bf. gehörenden Senioren-, Pflege- und Pfründestift zu prüfen und schlug als Sachverständigen den Diplom-Kaufmann K. vor. Die Prüfung finde in der Zeit zwischen September und Dezember 2001 statt. Die Prüfungskosten betrügen 22.000,00 DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer. Man bitte um Entscheidung innerhalb von 14 Kalendertagen hinsichtlich des vorgeschlagenen Sachverständigen.

Mit Schreiben vom 17.08.2001 bat die Bf. ihrerseits um Erläuterung von Umfang und Grund der vorgesehenen Prüfung. Die Arge gab daraufhin in ihrem Schreiben vom 18.10.2001 an, Gegenstand der Prüfungen seien die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der vollstationären Pflegeleistungen, wozu auch Unterkunft und Verpflegung zählten. Man hoffe, die "feste Absicht zur Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Gesetz und Rahmenvertrag verdeutlicht zu haben", der Bf. aber andererseits in Verfahrensfragen entgegen zu kommen. Der Sachverständige würde nun gebeten, sich unmittelbar zwecks Terminvereinbarung und Unterlagen mit der Bf. in Verbindung zu setzen.

Die Bf. bezog sich in ihrem Schreiben vom 23.10.2001 auf ein Schreiben des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste - bpa -, dem sie angehört, wonach der Sachverständige K. als Sachverständiger für die Mitgliedseinrichtungen abgelehnt werde. Dieser Ablehnung schließe man sich an. Von der Arge mit Schreiben vom 25.10.2001 zur Erläuterung des Ablehnungsantrages aufgefordert gab die Bf. im Schreiben vom 06.11.2001 an, die Ablehnung stütze sich auf eine Äußerung des Sachverständigen vom 12.10.2001 anläßlich einer Tagung, die sich in negativer Weise auf bpa-Mitgliedseinrichtungen beziehe, und die die Besorgnis der Befangenheit rechtfertige. Hierzu führte die Arge schließlich mit Schreiben vom 09.11.2001 aus, K. sehe jeden Zweifel an seiner Objektivität als unbegründet an, nach Abwägung aller Umstände sehe man keinen Grund für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. K. werde daher die Prüfung wie angekündigt durchführen.

Mit Schreiben vom 19.01.2002 legte die Bf. "Widerspruch" gegen die "Anordnung der Wirtschaftlichkeitsprüfung mit der Benennung des Sachverständigen K. ein. Dieser habe allgemein die Jahresabschlüsse von bpa-Einrichtungen als "Verschiebebahnhof" diffamiert. Auch entspreche die von ihm vorgelegte "Checkliste Wirtschaftlichkeitsprüfung Altenpflegeeinrichtungen" nicht der vom Gesetz vorgesehenen Begrenzung der Prüfung auf die stationären Pflegeleistungen, da er auch Angaben zu dem Entgelt für Unterkunft und Verpflegung sowie zu Investitionsfolgeaufwendungen fordere.

Mit Schreiben vom 15.01.2002 hat die Bf. beim Sozialgericht Würzburg (SG) beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Anordnung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung vom 10.08.2001 anzuordnen, hilfsweise der Bg. durch einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die Erfüllung von Anforderungen des Sachverständigen K. zu erzwingen. Zu dem Inhalt der Äußerung des Sachverständigen vom 12.10.2001 hat sie eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt und ausgeführt, es sei zu befürchten, dass der negativ voreingenommene Sachverständige einen Prüfbericht fertigen werde, der für sie ungerechtfertigt negativ sei. Da die Landesverbände der Pflegekassen aus einem negativen Prüfbericht Konsequenzen bis hin zur Kündigung des Versorgungsvertrages ziehen könnten, müsse es im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes möglich sein, die Begutachtung durch einen voreingenommenen Sachverständigen zu verhindern.

Die Bg. hat in ihrer Erwiderung darauf hingewiesen, dass die Arge keine Rechtsperson sei, als Antragsgegner kämen nur deren Mitglieder in Betracht. Ein nach § 84 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakte existiere nicht. Die Verfahrens- und Prüfungsgrundsätze ergäben sich aus dem seit 01.10.1998 in Kraft befindlichen Rahmenvertrag gemäß § 75 SGB XI. Die Anordnung der Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung sei ebensowenig wie der anschließend zu fertigende Prüfbericht ein Verwaltungsakt. Auseinandersetzungen um die Richtigkeit der Prüfungsfeststellungen könnten allenfalls im Rahmen der Pflegesatzverhandlungen bzw. einer darauf basierenden Kündigung des Versorgungsvertrages und in einem Rechtsstreit über die Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung ausgetragen werden. Der Sachverständige K. sei nicht befangen, er habe sich zu der fraglichen Äußerung lediglich durch Äußerungen von Angehörigen der bpa "hinreissen" lassen.

Mit Beschluss vom 01.03.2002 hat das SG die Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Eine Anwendung des § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG scheitere vorliegend daran, dass im Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Wirtschaftlichkeitsprüfung kein Verwaltungsakt erlassen worden sei. Die Benennung des Sachverständigen bzw. Einleitung der Wirtschaftlichkeitsprüfung seien nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren, da diesen Maßnahmen der unmittelbare Regelungscharakter fehle. Der Hilfsantrag sei bereits mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches unbegründet. Ein gerade auf Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse sei nicht gegeben, so lange der Betroffene auf den nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden könne. Sollte die Bf. ihre Mitwirkungspflicht bei der Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht nachkommen und die Bg. daraufhin etwa die Kündigung des Versorgungsvertrages erklären, so könnte gegen diese als Verwaltungsakt zu qualifizierende Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden. Im Rahmen dieser Rechtmäßigkeitsprüfung wäre so dann inzidenter zu klären, ob die Benennung des Sachverständigen und der Umfang der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu beanstanden seien.

Mit ihrer Beschwerde macht die Bf. weiterhin geltend, die Anordnung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung mit einseitiger Bestellung eines Sachverständigen sei ein Verwaltungsakt. Hilfsweise werde eine echte Leistungsklage in Form einer Unterlassungsklage erhoben, die mittlerweile auch beim SG eingereicht worden sei (S 12 P 26/02). Die Anordnung der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei insgesamt nicht zulässig. Es fehle an einer diese Einrichtung betreffenden individuellen Rechtfertigung und damit an einer einwandfreien Ermessensausübung. Eine dennoch in Aussicht gestellte Bereitschaft zur Mitwirkung setze einen objektiven, unbefangenen und fachkundigen Sachverständigen voraus. Die Fragestellung und Forderung von Unterlagen in Zusammenhang mit Leistungen für Unterkunft und Verpflegung und betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen seien nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 79 Abs.1 Satz 1 SGB XI getragen.

Die Beschwerdeführerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des SG die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15.01.2002 gegen die Anordnung einer Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Antragsgegner vom 10.08.2001 unter Einschaltung des Sachverständigen K. anzuordnen, hilfsweise, der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch Einschaltung des Sachverständigen K. durchzuführen, ganz hilfsweise, den Antragsgegnern durch einstweilige Anordnung bis zur Entscheiung in der Hauptsache zu untersagen, die Erfüllung von Anforderungen des von ihnen benannten Sachverständigen K. zu erzwingen.

Die Bg. beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen und den angefochtenen Beschluss des SG unter Ziffer II dahingehend abzuändern, dass die Antragstellerin neben den Gerichtskosten auch die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegner zu tragen hat.

Das SG gehe zu Recht davon aus, dass kein Verwaltungsakt erlassen worden sei. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass die Überprüfung des Prüfungsergebnisses durch die gegen eine Kündigung des Versorgungsvertrages mögliche Klage gewährleistet sei. Weder die vertraglich und gesetzlich vorgesehenen Sachverhaltsermittlungen noch das am Ende der Prüfung stehende Sachverständigengutachten stellten eine Regelung eines Einzelfalles mit Rechtswirkung nach außen dar. Bezüglich des Hilfsantrages sei ein Anordnungsanspruch nicht gegeben, da gemäß § 79 SGB XI die Landesverbände berechtigt seien, Wirtschaftlichkeitsprüfungen einzuleiten und Sachverständige zu bestellen. Daneben sei auch ein Anordnungsgrund nicht gegeben, da die bislang getroffenen Maßnahmen lediglich der Sachverhaltsermittlung dienten.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 172, 173 SGG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Die beantragte Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung kommt schon deshalb nicht in Betracht, da Widerspruch und Klage gegen die Maßnahmen der Bg. gemäß § 86a Abs.1 SGG ohnehin aufschiebende Wirkung hätten, falls es sich um Verwaltungsakte handeln sollte. Insoweit käme allenfalls die Feststellung in Betracht, dass Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung haben. Jedoch wäre auch dieser Antrag unbegründet, weil ein Verwaltungsakt nicht vorliegt.

Hierbei kann letzlich dahinstehen, ob die Bg. im Zuge der Wirtschaftlichkeitsprüfung ihr an die Bf. gerichtetes Verlangen, dem von ihr bestellten Sachverständigen Auskünfte zu erteilen, in die Form eines Verwaltungsaktes fassen kann; dies hat das BSG im Rahmen der Prüfung von Unternehmen, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung betreiben, gemäß Art.1 § 7 Abs.2 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AüG) bejaht (Urteil vom 12.07.1989, Az.: 7 RAr 46/88, SozR 7815 Art.1 § 7 Nr.1). Denn eine Aufforderung zur Auskunftserteilung stellt nur dann einen Verwaltungsakt dar, wenn diese Aufforderung selbst Regelungscharakter besitzt. Dies wiederum setzt voraus, dass das Auskunftsverlangen den Willen erkennen lässt, "abschließend und mit potenziell verbindlicher Wirkung die Auskunftsverpflichtung der Klägerin mit der Folge festzustellen, sie gegebenenfalls zwangsweise durchzusetzen" (BSG a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zum Einen ist bereits fraglich, ob die Arge einen solchen Verwaltungsakt erlassen könnte, nachdem sie selbst nicht rechtsfähig ist und allenfalls als die nach § 81 Abs.1 Satz 1 SGB XI erforderliche Gesamtheit der Landesverbände der Pflegekassen im Sinne des § 79 Abs.1 Satz 1 SGB III angesehen werden kann. Zum Anderen lassen die mehreren, vor Antragstellung auf einstweiligen Rechtsschutz von der ArG verfassten Schreiben den für einen Verwaltungsakt erforderlichen verbindlichen Regelungswillen und vor allem Durchsetzungswillen mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes nicht erkennen. Vielmehr zielten die Schreiben darauf ab, die Bf. zur Zustimmung zu der Ernennung des Sachverständigen K. und zur Mitwirkung durch Auskunftserteilung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu bewegen. Ein weiteres Indiz gegen die Annahme eines Verwaltungsaktes ist auch die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung, auch wenn dieser Schluss nicht zwingend ist (BSG a.a.O. m.w.N.), jedoch ist dieser Umstand zusammen mit den übrigen Gesichtspunkten bei der Auslegung des Erklärungsinhalts der Schreiben der Bg. bzw. Arge zu berücksichtigen.

Die Beschwerde ist auch nicht begründet, soweit hilfsweise beantragt wird, den Bg. zu untersagen, eine Wirtschaftlichkeitsprüfung durch Einschaltung des Sachverständigen K. durchzuführen. Denn es ist nicht erkennbar, worin die "Durchführung" der Wirtschaftlichkeitsprüfung bestehen soll, so lange die Bf. die von ihr verlangten Auskünfte nicht erteilt. Unbegründet ist weiterhin der weitere Hilfsantrag, den Bg. zu untersagen, die Erfüllung von Anforderungen des Sachverständigen K. "zu erzwingen". Denn zum einen ist nicht erkennbar, dass die Bf. die Erteilung der Auskünfte "erzwingen" will; wie bereits dargelegt, fehlt es insoweit an einem vollstreckbaren Verwaltungsakt, gegen den vorläufiger Rechtsschutz nach § 86a Abs.1 SGG gegeben wäre. Im Übrigen käme allenfalls eine Leistungsklage der Bg. gemäß § 54 Abs.5 SGG in Betracht; in diesem Fall würde die Verpflichtung der Bf. zur Auskunftserteilung erst mit der gerichtlichen Entscheidung verbindlich feststehen, so dass für einen vorbeugenden Rechtsschutz der Bf. kein Rechtsschutzinteresse besteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 193, 197a Abs.1 SGG in der ab 02.01.2002 geltenden Fassung. Eine Erstattung der außergerichten Kosten der Bg. kommt gemäß § 193 Abs.4 SGG nicht in Betracht. § 197a Abs.1 Satz 1 SGG bezieht sich lediglich auf die Gerichtskosten.

Dieser Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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