L 20 RJ 52/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Ar 729/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 52/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 30/03 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.11.1997 aufgehoben. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18.07.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.1994 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1961 geborene Kläger hat in der ehemaligen DDR von 1977 bis 1979 den Beruf eines Gleisbauers erlernt und anschließend als Staplerfahrer, Wächter, Gleisbauhelfer, Chauffeur und Fahrer gearbeitet. Nach eigenen Angaben kam er im Oktober 1989 über die Deutsche Botschaft in Prag in die alten Bundesländer. In der Folgezeit arbeitete er mehrmals kurzfristig als Kraftfahrer. Der letzte Pflichtbeitrag wurde am 31.03.1994 entrichtet.

Am 30.05.1994 beantragte der Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte nahm die Unterlagen des Ärztlichen Dienstes des Arbeitsamtes Schweinfurt sowie einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr.W. bei und ließ den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr.P. untersuchen, der im Gutachten vom 08.07.1994 eine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeit, sehr wahrscheinlich auf Grund einer frühkindlichen Hirnschädigung, feststellte und leichte Arbeiten und mittelschwere Arbeiten im Sitzen, Stehen oder Wechselrhythmus ohne Nachtschicht und ohne Akkordarbeit, nicht an laufenden Maschinen und ohne Absturzgefahr vollschichtig für zumutbar hielt. Im Anschluss an dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.07.1994 und Widerspruchsbescheid vom 02.11.1994 Rentenleistungen ab und verwies den Kläger auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat zunächst Befundberichte und Unterlagen des praktischen Arztes Bergel, des Neurologen und Psychiaters Dr.W. und des Allgemeinmediziners Dr.B. zum Verfahren beigezogen. Der Nervenarzt Dr.F. hat das Gutachten vom 30.09.1996 erstattet. Dieser hat eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ festgestellt und auch Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr für zumutbar gehalten. Es sei im Vergleich zu dem Rentengutachten eine Verschlechterung eingetreten. Die jetzt festgestellte Erwerbsunfänigkeit (EU) bestehe möglicherweise schon seit Jahren, aus Sicht des Sachverständigen sei es aber angemessen, den Beginn der EU anzunehmen mit der erstmalig festgestellten Fixierung der passiven Versorgungshaltung, die mit dem Zeitpunkt der Gutachtenserstellung (30.09.1996) gleichzusetzen sei.

Die Beklagte hat geltend gemacht, bei Eintritt des Leistungsfalles am 30.09.1996 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht erfüllt. Denn im maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 01.05.1989 bis 30.09.1996 seien nur 32 Pflichtmonate verzeichnet. Die AOK Schweinfurt konnte dem SG auf Anfrage keine weiteren AU-Zeiten ab 1994 mitteilen. Zu der Lücke im Jahre 1989 hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, er sei damals arbeitslos gewesen.

Mit Urteil vom 11.11.1997 hat das SG die Beklagte verurteilt, den Leistungsfall der EU auf Dauer ab 24.05.1996 anzuerkennen und ab 01.06.1996 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren. Zu diesem Leistungsfall ist das SG im Anschluss an den Untersuchungsbericht des behandelnden Arztes Dr.W. vom 24.05.1996 gelangt, der eine Verschlechterung des psychischen Zustandes des Klägers festgestellt habe. In der Zusammenschau mit den Erhebungen des Sachverständigen Dr.F. sei dies ein Beleg dafür, dass der Kläger bereits seit Mai 1996 nicht mehr vollschichtig einsatzfähig gewesen sei. Der Fünfjahreszeitraum verlängere sich - bezogen auf diesen Leistungsfall - rückwirkend bis 01.08.1988. In diesem Zeitraum lägen 37 Kalendermonate mit Beiträgen aus versicherungspflichtiger Tätigkeit. Über die von der Beklagten bereits anerkannten 28 Monate Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit hätten weitere fünf Monate Anrechnungszeiten vorgelegen, die die Beklagte als Überbrückungszeiten werte (Juni 1993; Juli, August, September 1991 und Dezember 1989). In dieser Zeit sei der Kläger arbeitsunfähig gewesen, darüberhinaus arbeitslos. Dass die ihm ansich zustehende öffentlich-rechtliche Leistung auf Grund der Verhängung einer Sperrfrist nicht gezahlt wurde, verhindere die Anerkennung dieser Zeiten als Anrechnungszeiten nicht. Dementsprechend seien diese fünf Monate als Anrechnungszeit zu berücksichtigen, was eine entsprechende Verlängerung des maßgeblichen Fünfjahreszeitraumes zur Folge habe. Da somit bereits die unmittelbaren Voraussetzungen des § 44 SGB VI erfüllt seien, komme es auf die Ausnahmevorschrift des § 241 SGB VI nicht mehr an.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie geht im Anschluss an die Ausführungen von Dr.F. von einem Leistungsfall der EU am 30.09.1996 aus. Damit ergebe sich ein Fünfjahreszeitraum vom 01.05.1989 bis 30.09.1996. In diesem Zeitraum seien aber nur 32 Monate Pflichtbeiträge vorhanden. Die fünf Monate Sperrzeiten könnten nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit seien nicht nachgewiesen. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass der Kläger bereits ab August 1989 über die Deutsche Botschaft in Prag aus der ehemaligen DDR geflohen sei. Weiter lägen keinerlei Unterlagen darüber vor, dass der Kläger im Jahre 1989 arbeitslos gewesen sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen EU seien deshalb nicht gegeben.

Mit Beschluss vom 03.08.1998 hat der Senat die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil ausgesetzt. Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren das Gutachten des TÜV Bayern/Sachsen vom 21.03.1994, die Unterlagen der Psychiatrischen Klinik U. (stationärer Aufenthalt des Klägers im Dezember 1984), einen elektroenzephalographischen Befund vom 02.01.1985 sowie die Unterlagen der Poliklinik T. aus den Jahren 1970 bis 1989 zum Verfahren beigezogen. Der Kläger hat seinen Sozialversicherungsausweis (ausgestellt am 06.10.1977) vorgelegt. Der Nervenarzt Dr.F. hat die ergänzende Stellungnahme vom 08.03.1999 erstellt, in der er einen früheren Leistungsfall als bisher von ihm angenommen (zum 30.09.1996) auch im Hinblick auf die vom Senat neu beigezogenen medizinischen Unterlagen ausschließt.

Die Beklagte beantragt: 1. Das Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1997 wird aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.07.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.1994 wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bewilligung von Rente wegen EU vorliegen. Auch sei es durchaus nicht auszuschließen, dass bereits vor dem von Dr.F. angenommenen Zeitpunkt Symptome vorgelegen haben, die zur EU geführt haben. Bezüglich der Bewertung der Sperrzeiten schließt sich der Kläger den Ausführungen im angefochtenen Urteil an.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die beigezogenen Unterlagen des Landratsamtes K. (Sozialhilfe-Verwaltung), die Leistungsakte des Arbeitsamtes K. , die Verwaltungsakten der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen. -

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu gegeben haben (§ 124 Abs 2 SGG).

Das Rechtsmittel der Beklagten ist auch begründet. Auf ihren Antrag war das angefochtene Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1997 aufzuheben. Denn der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen EU.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (§ 300 Abs 1, Abs 3 SGB VI). Rechtsgrundlage ist § 44 SGB VI aF. Danach erhalten Rente wegen EU Versicherte, die erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der EU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

Was die sogenannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des streitigen Anspruchs angeht, fordert das Gesetz sowohl für die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit als auch für den Nachweis von "drei Jahren Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren", dass die entsprechenden Versicherungszeiten vor Eintritt der EU zurückgelegt sind. Dies macht es notwendig, zunächst den Leistungsfall der EU zu bestimmen.

Insoweit ist der Senat im Anschluss an das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen, insbesondere im Anschluss an die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.F. in der ergänzenden Stellungnahme vom 08.03.1999 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Leistungsfall der EU im Falle des Klägers am 30.09.1996 eingetreten ist, also am Tag der Untersuchung durch Dr.F. im sozialgerichtlichen Verfahren. Überzeugend und in sich schlüssig hat Dr.F. darauf hingewiesen, dass sich eine zur EU führende Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers aus dem vom SG als relevant bezeichneten Bericht des Nervenarztes Dr.W. vom 28.05.1996 nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen lässt. Denn die Beschreibung von Dr.W. enthält zu wenig sozialmedizinisch relevante Auskünfte. Zwar besteht durchaus die Möglichkeit, dass bereits zu diesem Zeitpunkt (28.05.1996) eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers vorgelegen hat. Darauf hat der Sachverständige Dr.F. bereits in dem für das SG erstatteten Gutachten vom 30.09.1996 hingewiesen. Aber eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit ist durch den Bericht von Dr.W. für den Mai 1996 nicht nachgewiesen. Die zum Leistungsfall der EU führende Gesundheitsstörung des Klägers (instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ) hat sich im Laufe der Jahre entwickelt, erschwerend kam hinzu, dass der Kläger in den vergangenen Jahren ohne Arbeit war und eine ausschließlich auf Passivität und Versorgung ausgerichtete Lebenshaltung entwickelte. Diese Einstellung des Klägers hat sich in den letzten Jahren derart fixiert, dass jegliche Erwerbstätigkeit von vorneherein zum Scheitern verurteilt wäre. Auch ist die Leistungsfähigkeit des Klägers nach den Ausführungen von Dr.F. durch psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen nicht hinlänglich beeinflussbar.

Diese nicht mehr therapierbare Fixierung auf die Versorgungshaltung wurde in dem beschriebenen Maße aber erstmals von dem ärztlichen Sachverständigen Dr.F. anlässlich der Untersuchung am 30.09.1996 festgestellt. Dies hat zur Folge, dass der Leistungsfall der EU in diesem Zeitpunkt eingetreten ist. Die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.F. in der ergänzenden Stellungnahme vom 08.03.1999 sind insoweit schlüssig und für den Senat nachvollziehbar. Außerdem handelt es sich bei dem Sachverständigen um einen forensisch äußerst erfahrenen Gutachter, so dass der Senat keinen Anlass sieht, von einem früheren als von Dr.F. angenommenen Leistungsfall auszugehen.

Nach § 44 Abs 1 Nr 2, Abs 4 SGB VI setzt die Bewilligung einer Rente wegen EU voraus, dass die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um die in Abs 3 des § 43 SGB VI genannten Anwartschaftserhaltungszeiten verlängert.

Ausgehend von einem am 30.09.1996 eingetretenen Leistungsfall ergibt sich zunächst ein Fünfjahreszeitraum vom 01.09.1991 bis 30.09.1996. Der Zeitraum erweitert sich dann um die Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vom 01.05.1989 bis 30.09.1996. In diesem Zeitraum sind aber nur 32 Beitrags-Monate aus einer versicherungpflichtigen Tätigkeit oder Beschäftigung anstelle der erforderlichen 36 vorhanden, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen EU beim Kläger nicht erfüllt sind. Hierfür entscheidend ist der Umstand, dass in der Zeit von Januar bis September 1989 keine rentenrechtlich relevanten Zeiten vorhanden sind. Unstreitig ist auch, dass der Kläger seit März 1995 nicht mehr arbeitssuchend gemeldet war und auch keine anderen rentenrechtlich relevanten Sachverhalte vorliegen, woraus sich eine Lücke vom 01.03.1995 bis 24.05.1996 (14 Monate) ergibt.

Entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil kann der Fünfjahreszeitraum nicht bis 01.08.1988 verlängert werden (mit der Folge, dass somit 37 Monate an Pflichtbeitragszeiten vorhanden wären). Das SG wertet die Zeiten vom 15.11.1989 bis 03.01.1990 (ein Monat), vom 21.06.1991 bis 30.09.1991 (drei Monate) und vom 20.05.1993 bis 14.07.1993 (ein Monat) als Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit; dies hätte zur Folge, dass Verlängerungstatbestände im Sinne des § 43 Abs 3 SGB VI vorlägen. Vom 15.11.1989 bis 03.01.1990 war eine Sperrzeit des Arbeitsamtes gem § 119 AFG (schuldhafte Herbeiführung oder Aufrechterhaltung der Arbeitslosigkeit ohne wichtigen Grund) für die Dauer von acht Wochen verhängt worden. Für die Zeit vom 21.06. bis 30.09.1991 wurde die Bewilligung von Alhi vom Arbeitsamt gem § 119 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 AFG (Erlöschen des Anspruchs auf Alg bzw Alhi, wenn der Arbeitslose nach vorangegangener Sperrzeit von acht Wochen erneut Anlass für eine Sperrzeit von acht Wochen gibt) abgelehnt. Vom 20.05. bis 14.07.1993 wurde wiederum eine Sperrzeit verhängt.

Bezüglich dieser Zeiten hat das SG im angefochtenen Urteil einmal Arbeitsunfähigkeit angenommen. Dem kann aber zur Überzeugung des Senats nicht gefolgt werden, nachdem der Kläger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand und er grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem AFG hatte, was bei Annahme von Arbeitsunfähigkeit nicht der Fall gewesen wäre. Zum Anderen nimmt das SG für diese Zeiten mit Hinweis auf die Kommentierung im Kasseler Kommentar (Niesel § 58 RdNr 34) Zeiten der Arbeitslosigkeit und damit Anrechnungszeiten an. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Denn dies steht im Widerspruch zu allen gängigen Kommentaren und auch zur Rechtsprechung (zB BSG in SozR 1200 § 14 Nr 38 und SozR 2200 § 1259 Nr 106). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Denn sie entspricht dem klaren Wortlaut der Vorschrift, nach dem eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder "nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen" wurde. Die Verhängung von Sperrzeiten beruht aber auf dem Verhalten des Versicherten. Sie können deshalb wie nach bisherigem Recht keine Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit sein, sondern stellen nur Überbrückungstatbestände dar. Dies folgt auch daraus, dass das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung wegen des Begriffs der Arbeitslosigkeit auf das Recht der Arbeitslosenversicherung verweist und dass die Arbeitslosenversicherung nicht in vollem Umfang für einen Versicherungsfall (Arbeitslosigkeit) einsteht, den der Versicherte selbst herbeigeführt hat. Nach dem Sinn und Zweck soll die Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit den Versicherten vor Nachteilen schützen, die dadurch eintreten können, dass er durch bestimmte Umstände unverschuldet gehindert war, Pflichtbeiträge zu leisten. Bei einer anderen Betrachtungsweise wären die Voraussetzungen des Bezugs einer öffentlich-rechtlichen Leistung oder des Nichtbezugs einer öffentlich-rechtlichen Leistung "nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens" entbehrlich und damit sinnlos, denn dann läge in jedem Fall ein Leistungsbezug oder wegen des zu berücksichtigenden Einkommens/Vermögens kein Leistungsbezug vor. Die Sperrzeittatbestände stellen somit keine Anrechnungszeit iS des § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI dar. Im Fall des Klägers sind die streitigen fünf Monate daher lediglich ein Überbrückungstatbestand zur Anrechnung der sich anschließenden Zeiten.

Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch für die Zeit vor Oktober 1989 für das Jahr 1989 keine rentenrechtlich erhebliche Zeit. Beim Kläger, der im Oktober 1989 in die alten Bundesländer zugezogen ist, wurde dieser Monat als Vertreibungsmonat anerkannt. Dies konnte sich aber nicht auswirken, da in diesem Monat bereits eine Arbeitslosigkeitszeit anerkannt ist. Dass noch weitere Monate als Vertreibungszeit anzuerkennen wären, dafür liegen keine Nachweise vor. Der Kläger hat auch für seinen Vortrag, er sei in der Zeit von Januar bis Oktober 1989 in der DDR arbeitslos gewesen, keine Unterlagen vorgelegt, so dass auch insoweit eine subjektive und objektive Arbeitslosigkeit nicht nachgewiesen ist.

Damit muss es bei dem Ergebnis verbleiben, dass im maßgebenden Fünfjahreszeitraum vom 01.05.1989 bis 30.09.1996 nur 32 Monate Pflichtbeitragszeiten vorhanden sind. Dies hat zur Folge, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen wegen EU bei dem vom Senat angenommenen Leistungsfall vom 30.09.1996 nicht gegeben sind.

Der Senat weist noch darauf hin, dass auch dann, wenn der Ansicht von Niesel (aaO) gefolgt wird, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Die als Überbrückungszeiten gewerteten fünf Monate führen nämlich auch dann nicht zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, wenn sie als Anrechnungszeiten gewertet werden. In diesem Fall ergäbe sich ein "Fünfjahreszeitraum" vom 01.12.1988 bis 30.09.1996. An rentenrechtlich relevanten Zeiten ergibt sich dann nur ein weiterer Monate mit einem Pflichtbeitrag, nämlich der Monat Dezember 1988. Insgesamt ergäbe dies eine Beitragsdichte im Fünfjahreszeitraum von 33 Pflichtbeitragszeiten, so dass auch bei dieser Betrachtungsweise kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gegeben ist.

Nach den §§ 241 Abs 2, 240 Abs 2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der BU oder EU nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonate vor Eintritt der EU mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Dies ist beim Kläger eindeutig nicht der Fall, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Die Lücken können auch nicht durch eine nachträgliche Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 01.01.1984 geschlossen werden, da die Fristen des § 1418 Abs 1 Reichsversicherungsordnung - RVO - bzw § 197 Abs 2 SGB VI abgelaufen sind.

Auf den Antrag der Beklagten war das angefochtene Urteil des SG Würzburg vom 11.11.1997 daher aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 18.07.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.1994 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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