L 2 U 388/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 41 U 166/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 388/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.04.1999 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.10.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.1997 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1952 geborene Kläger meldete der Beklagten am 26.05.1995 einen Arbeitsunfall vom 12.04.1994.

Beim Schieben eines Roll-Containers habe sich die Metallschließe mit Hartgummizug gelöst und sei gegen seinen rechten Unterarm geprallt. Die entstandene Platzwunde sei versorgt worden, die Prellung sei nach ca. 8 bis 10 Tagen abgeklungen gewesen. Erst nach Monaten seien Folgeschäden aufgetreten.

Die erste ärztliche Behandlung wegen des Arbeitsunfalls vom 12.04.1994 fand am 08.07.1994 bei dem Internisten Dr.G. statt. Wie Dr.G. am 20.08.01 mitteilte, gab der Kläger an diesem Tag Sensibilitätsstörungen im 4. und 5. Finger der rechten Hand sowie Schmerzen im rechten Ellenbogenbereich, insbesondere am Ulnariskanal, an. Am 01.08.1994 wurde der Kläger von dem Nervenarzt Dr.S. untersucht, der die Diagnose eines Sulcus ulnaris-Syndroms stellte. Die Muskelatrophie und der EMG-Befund sprächen dafür, dass es sich um eine ältere Störung handele. Der Kläger habe angegeben, seit vier oder fünf Wochen werde die rechte Hand taub und am Ellenbogen träten bei bestimmten Bewegungen sehr intensive Schmerzen auf. Der Kläger müsse sehr viel heben und tragen. Am 16.08.1994 suchte der Kläger die Neurologische Universitätsklinik M. auf. Im Bericht vom 18.08.1994 führte Privatdozent Dr.H. aus, der Kläger habe seit sieben Wochen Schmerzen am rechten Ellenbogengelenk. Eine Verletzung des rechten Ellenbogens akut oder in früheren Jahren sei nicht bekannt. Im Bericht vom 02.11.1995 erklärte er, der Kläger habe angegeben, im April 1994 sei er beim Einräumen von Regalen aus etwa 2 m Höhe von einer herabfallenden Kiste am rechten Ellenbogen getroffen worden. Seit Anfang Juli 1994 habe er Schmerzen am rechten Ellenbogen, eine Hypästhesie ulnar rechts, schwache Fingerspreizung und Daumenadduktion an der rechten Hand. Elektroneurographisch sei eine Läsion des Nervus ulnaris rechts im Sulcus ulnaris festgestellt. In der Krankenakte der Neurologischen Klinik ist unter dem Datum 16.08.1994 eingetragen: seit sieben Wochen Schmerzen am rechten Ellenbogengelenk, Taubheit rechts ulnar Hand, Schwäche Fingerspreizen, Daumenadduktion, keine Ellenbogenfraktur.

Am 24.08.1994 wurde der Kläger in der Neurochirurgischen Klinik des Klinikums G. aufgenommen. Im Untersuchungsbogen vom gleichen Tag ist ausgeführt: seit fünf bis sechs Wochen progrediente Schmerzen im rechten Arm; frühere Erkrankungen sind für 1962, 1982, 1988 (Lipom), 1994 (Zunge und Wange), angegeben. Nach stationärer Behandlung vom 24.08.1994 bis 27.08.1994 führte Privatdozent Dr. O. , Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik, aus, es handele sich um ein Sulcus-ulnaris-Kompressionssyndrom rechts. Vor sechs Wochen seien zum ersten Mal Schmerzen im rechten Arm aufgetreten. Am 26.08.1994 sei eine Nervendekompression vorgenommen worden. Prof.Dr.S. , Leiter der Neurovasculären Chirurgie, berichtete nach stationärer Behandlung des Klägers vom 08.06.1995 bis 11.06.1995 über ein Rezidiv eines Sulcus ulnaris-Syndroms. Am 09.06.1995 sei die Freilegung und Ventralverlagerung des Nervus ulnaris durchgeführt worden. Intraoperativ habe sich kein sicherer Nachweis eines Engpasssyndroms gefunden.

Die Beklagte hat die Unterlagen der C.-Krankenversicherung AG beigezogen, aus denen sich eine Behandlung des Klägers am 01.09.1993 wegen peripherer Enthesiopathie und ähnlichen Syndromen ergibt.

Im Gutachten vom 25.09.1996 führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.J. aus, dem Kläger sei eine Containerschließe gegen den rechten Unterarm, ungefähr auf der Ellenbogenseite handbreit unter dem Ellenbogengelenk, geschlagen. Er habe eine Platzwunde gehabt. Nach drei Wochen sei sie verheilt gewesen, etwa vier bis sechs Wochen später seien Schmerzen im Arm aufgetreten. Bei der Untersuchung am 20.08.1996 waren Muskelatrophien nicht erkennbar. Im Hinblick darauf, dass eine direkte Verletzung des rechten Ellenbogengelenks nicht stattgefunden habe, hielt es Dr.J. für nicht wahrscheinlich, dass ein Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 12.04.1994 und den später durchgeführten Operationen bestehe.

Der Chirurg Dr.P. erklärte im Gutachten vom 20.08.1996, der Kläger habe angegeben, dass ein Metallteil gegen die Vorderseite in der Mitte des Unterarms geprallt sei. Er habe eine oberflächliche Hautabschürfung sowie Hämatombildung bemerkt, hätte aber weiter arbeiten können. Etwa nach 7 bis 10 Tagen sei alles wieder in Ordnung gewesen, die Wunde sei abgeheilt. Ungefähr nach sechs Wochen hätten sich Beschwerden im Bereich des rechten Ellenbogengelenks und rechten Unterarms eingestellt. Dann habe er sich zum Arzt begeben. Dr.P. erläuterte, von einer erheblichen Traumatisierung des rechten Ellenbogengelenks werde man nicht ausgehen können, da der mittlere Unterarm betroffen gewesen sei und nicht direkt das Ellenbogengelenk. In der Regel spielten bei einem Kompressionssyndrom des Nervus ulnaris schicksalhaft aufgetretene Verschleißerscheinungen und degenerative Veränderungen eine Rolle. Eine adäquate Traumatisierung sei im Fall des Klägers nicht gegeben gewesen. Daher stünden die Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Ellenbogengelenks mit Wahrscheinlichkeit nicht in kausalem Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 12.04.1994.

Mit Bescheid vom 17.10.1996 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab. Der Arbeitsunfall habe eine MdE in rentenberechtigendem Grad über die 13. Woche hinaus nicht hinterlassen.

Den Widerspruch vom 12.11.1996, den der Kläger nicht begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.1997 zurück.

Der Kläger hat zur Begründung der Klage darauf hingewiesen, die Metallschließe sei gegen den rechten Unterarm "geschossen". Zunächst hätten sich nur eine Platzwunde und Prellung gezeigt, des weiteren die Symptome einer Nervenquetschung. Im Laufe der Zeit habe sich ein Sulcus-ulnaris-Syndrom ausgeprägt, so dass die Gebrauchsfähigkeit der rechten Hand erheblich beeinträchtigt sei.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.F. hat im Gutachten vom 19.11.1997 ausgeführt, der Kläger habe angegeben, er sei an der Innenseite des rechten Ellenbogengelenks getroffen worden. Etwa acht bis zehn Tage habe ein stärkerer Bluterguss bestanden. Vier Wochen später sei es plötzlich zu heftigen stechenden Schmerzen im rechten Ellenbogengelenk gekommen. Zeichen einer älteren oder frischen Entzündung oder gar knöchernen Verletzung am Ellenbogengelenk seien nicht festzustellen. Das Gelenk sei unauffällig und gut beweglich. Erforderlich sei ein neurologisches Gutachten.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. hat im Gutachten vom 27.05.1998 erklärt, der Kläger habe angegeben, ihm sei die Metallschließe gegen seinen rechten Ellenbogen geprallt. Er habe dort eine kleine Platzwunde gehabt. In den nächsten 10 bis 12 Tagen sei alles grün und blau gewesen, danach habe er keinerlei Beschwerden mehr gehabt. Nach etwa vier Wochen habe er plötzlich heftige Schmerzen genau im Ellenbogenbereich verspürt. Beim Kläger bestehe eine mittelgradig ausgeprägte Ulnarisparese rechts sowie ein Schmerzsyndrom, lokalisiert exakt im Bereich der Ellenrinne. Die Frage des Zusammenhangs sei schwierig zu beantworten. Im Hinblick auf die Unfallschilderung sei eine Verletzung des Ellennerven möglich. Andererseits sei eine zeitnah zum Unfallhergang aufgetretene Symptomatik, die für eine Schädigung des Nervus ulnaris sprechen würde, nicht dokumentiert. Die Erstsymptomatik habe sich zu Beginn des Juli 1994 manifestiert. Bei fehlenden Brückensymptomen für die Zeit von April bis Anfang Juli 1994 sei es schwierig, einen Zusammenhang ausreichend wahrscheinlich zu machen; erforderlich wäre in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Ereignis eine entsprechende Symptomatik. Zudem seien Schmerzen, die der Kläger als hervorstechendes Symptom angegeben habe, atypisch für ein Sulcus ulnaris-Syndrom.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Neurologe Prof.Dr.A. hat im Gutachten vom 18.01.1999 ausgeführt, der Kläger gebe an, die Schließe sei gegen seinen rechten Unterarm geschleudert worden. Als Verletzungsstelle zeige er den Ellenbereich knapp unterhalb des Ellenbogengelenks. Er habe eine Platzwunde gehabt, aus der das Blut herausgeschossen sei. Nach 14 Tagen habe sich der Bluterguss verloren, die Wunde sei verheilt gewesen. Zu einem Zeitpunkt, den er nicht mehr genau angeben könne, seien Schmerzen aufgetreten. Prof.Dr.A. kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Unfall sei grundsätzlich geeignet gewesen, durch die Blutung im Gewebe und örtliche Gewebeschädigung zu einer Ellennervenschädigung zu führen. Die örtliche Übereinstimmung zwischen dem Bereich der Blutung und der vier Monate nach dem Unfall im Rahmen der Operation festgestellten gelblichen Verfärbung des Ellennerven spreche für die ursächliche Bedeutung des Unfalls. Weder das Fehlen von Krankheitserscheinungen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang noch der Zeitabstand zwischen dem Unfall und den ersten klinischen und neurophysiologischen Krankheitszeichen könnten den Zusammenhang ausschließen. Vielmehr sprächen die Entwicklung der Ellennervenschädigung und auch die frühestens vier Wochen, spätestens 2 1/2 Monate nach dem Unfall aufgetretenen belastungsabhängigen Schmerzen für eine wenigstens wesentliche ursächliche Bedeutung des Unfalls. Arbeitsunfähigkeit habe für die Zeit der jeweiligen stationären Aufenthalte und vermutlich für die nachfolgenden zwei bis vier Wochen bestanden. Während dieser Zeit sei von einer MdE von 10 v.H. auszugehen, für die Zeit dazwischen sei bei Berücksichtigung der Schmerzen eine MdE von 30 v.H. anzunehmen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.04.1999 hat der Kläger erklärt, die Schließe des Rollcontainers sei auf seinem rechten Unterarm fürchterlich aufgeschlagen. Der Unfall habe sich so ereignet, wie er es Prof.Dr.A. geschildert habe.

Das SG hat mit Urteil vom 08.04.1999 die Beklagte verurteilt, die mittelgradig ausgeprägte Ulnarisparese rechts und ein Schmerzsyndrom im Bereich der rechten Ellenrinne als Folgen des Arbeitsunfalls vom 12.04.1994 anzuerkennen und dem Kläger die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Zur Begründung der Berufung vom 08.10.1999 führt die Beklagte aus, das Gutachten von Prof.Dr.A. könne nicht überzeugen, da er selbst erklärt habe, er könne einen ursächlichen Zusammenhang nicht belegen. Im Übrigen habe der Kläger bereits am 01.09.1993 wegen peripherer Enthesiopathien in Behandlung gestanden. Hinzuweisen sei auch auf die verschiedenen Schilderungen des Klägers bzgl. der Verletzung.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 23.05.2000 erklärt Dr.K. , der Unfallhergang sei durchaus geeignet gewesen, eine Schädigung des Ellennerven hervorzurufen. Problematisch sei aber das lange symptomfreie Intervall. Im Übrigen seien mechanische Nervenschädigungen in aller Regel nicht von Schmerzen begleitet. Die nach mehr als zehn Wochen aufgetretenen Schmerzen könne man nicht mit Umbauvorgängen erklären, die nach diesem Zeitablauf abgeschlossen seien und auch nicht mehr mit solchen intensiven Schmerzen einhergingen, wie der Kläger sie angebe. Die von Prof.Dr.A. erwähnte Verfärbung des Nerven spreche in der Tat dafür, dass ein Bluterguss vorgelegen habe. Hierdurch sei aber ein ursächlicher Zusammenhang nicht zu belegen.

Im Hinblick darauf, dass der Kläger von Prof.Dr.O. untersucht und operiert worden sei, der ein sehr profunder Kenner der peripheren Neurotraumatologie sei, sei zu empfehlen, von ihm eine Stellungnahme nach Aktenlage einzuholen.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Prof. Dr.O. kommt im Gutachten vom 12.01.2001 zusammenfassend zu dem Ergebnis, ein Nachweis einer Verletzung könne den Unterlagen nicht entnommen werden. Weder bei der Vorstellung bei Dr.S. am 01.08.1994, noch bei PD Dr.H. am 16.08.1994 noch bei der Aufnahme in der Neurochirurgischen Klinik am 24.08.1994 habe der Kläger über eine Verletzung des Unterarms berichtet. Erst am 25.07.1995 habe Dr.H. eine traumatische Ursache in Erwägung gezogen. Der histologische Befund von fibrosiertem perineuralen Bindegewebe entspreche nicht eindeutig einem Zustand nach abgelaufenem Trauma; allerdings könne dieses unter Berücksichtigung der intraoperativ festgestellten Verfärbung des freigelegten Gewebes als mögliche Ursache für das später aufgetretene Engpasssyndrom angesehen werden. Das Trauma könne allerdings die sekundäre Nervus ulnaris-Schädigung im unteren Bereich des Sulcus ulnaris durchaus erklären. Zur weiteren Abklärung der Krankheitsursache wären die näheren Umstände, die zur Diagnose der Enthesiopathie geführt hätten, aufzuklären. Bei Enthesiopathie, auch Insertionspathie genannt, handele es sich um schmerzhafte Reizzustände im Bereich der Sehnenscheiden bzw. der Sehnenansatzstellen am Knochen, die im Zusammenhang mit Überbeanspruchung bei starker körperlicher Anstrengung auftreten könnten. Nach Kenntnis der Einzelheiten hinsichtlich dieser Diagnose könne man Stellung nehmen, ob die angegebene schwere körperliche Arbeit bei der Entstehung der sonst untypischen Schmerzbeschwerden eine Rolle gespielt habe. Wenn die traumatische Genese der Nervenläsion gerichtlich anerkannt werde, seien die von Prof.Dr.A. geschätzten Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie die MdE von ca. 30 v.H. als richtig anzusehen.

Nach Durchführung weiterer Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten ergab sich, dass der Kläger am 01.09.1993 in der Praxis Prof.Dr.K. , Dr.K. , Dr.N. untersucht wurde. Der Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr.K. erklärte im Befundbericht vom 08.11.2001, der Kläger habe über akute Schmerzen in der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den Oberarm und Kribbelparästhesie im rechten Arm geklagt. Es habe eine leichte Dysästhesie am Arm und der Hand im Bereich des Kleinfingers, rechts stärker als links, festgestellt werden können. Die Diagnose lautete: Impingementsyndrom rechte Schulter.

In den Stellungnahmen vom 08.04.2002 und 29.07.2002 äußerte Prof.Dr.O. , wenn über Sensibilitätsstörungen (Dysästhesie) im Bereich des Kleinfingers berichtet werde, müsse dieser Befund als Ausdruck einer beginnenden Funktionsstörung des Nervus ulnaris gedeutet werden, da der Kleinfinger sich im Hauptinnervationsgebiet des Nervus ulnaris befinde. Somit sei eine bereits seit September 1993 bestandene Störung der Nervus ulnaris-Funktion, z.B. im Rahmen eines Sulcus ulnaris-Syndroms, zu berücksichtigen.

Der Kläger erklärte im Schreiben vom 30.08.01, er habe an einer Beeinträchtigung im Bereich der Schulter gelitten, die nichts mit einer Läsion des Nervus ulnaris zu tun habe. Dass Schulterschmerzen ausstrahlen könnten, dürfe als bekannt vorausgesetzt werden. Rein vorsorglich werde die persönliche Anhörung der sachverständigen Zeugen Prof.Dr.K. und Dr.K. beantragt. Übersandt wird ein Attest des Dr.K. , in dem als Diagnose für den 01.09.1993 angegeben ist: Periarthritis humero-scapularis rechts mit subachromialem Impingementsyndrom rechts. Im April 1994 habe der Kläger einen Arbeitsunfall mit Läsion des Nervus ulnaris am rechten Unterarm erlitten. Diese Verletzung sei von Dr.K. nicht behandelt worden. Es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung von September 1993 und dem Unfall von April 1994.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 08.04.1999 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 17.10. 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01. 1997 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 08.04.1999 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Der Kläger hat unstreitig am 12.04.1994 einen Arbeitsunfall (§ 548 RVO) erlitten. Eine MdE von mindestens 20 v.H. der Vollrente die Voraussetzung für einen Anspruch auf Verletztenrente wäre (§§ 580 Abs.1, 581 Abs.1 RVO) hat aber nach Ablauf der akuten Erscheinungen nicht vorgelegen. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der schlüssigen Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr.K. und Prof. Dr.O ...

Nach übereinstimmender Auffassung sämtlicher hinzugezogener ärztlicher Sachverständiger war die Verletzung des rechten Unterarms, so wie sie der Kläger schildert, geeignet, ein Sulcus ulnaris-Syndrom auszulösen. Allerdings bleibt auffällig, dass der Kläger offenbar weder gegenüber Dr.S. am 01.08.1994, noch gegenüber PD Dr.H. am 16.08.1994, noch bei der stationären Aufnahme in der Neurochirurgischen Klinik am 24.08.1994 über eine Verletzung des Unterarms berichtet hat. Auch gegenüber Dr.G. hat er, wie sich aus dessen Bemerkung, der Kläger sei wegen eines Arbeitsunfalls nicht in seiner Behandlung gewesen, ergibt, nichts von einem Arbeitsunfall erwähnt. Die entsprechende Anmerkung auf der Karteikarte ist offenbar später eingetragen worden. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte bereits im Bescheid vom 17.10.1996 den Arbeitsunfall anerkannt hat, können diese Gesichtspunkte aber dahingestellt bleiben.

Jedenfalls ist, wie sowohl Prof.Dr.O. als auch Dr.K. betonen, Schmerz für ein Sulcus ulnaris-Syndrom atypisch. Problematisch ist auch das lange symptomfreie Intervall. Denn der Kläger hat selbst gegenüber den Ärzten angegeben, erst seit etwa Anfang Juli die Schmerzen verspürt zu haben. Wenn es also am 12.04.1994 zur Entwicklung eines Blutergusses gekommen wäre, der zu einer mechanischen Kompression des Nervus ulnaris geführt hätte, so ist es nicht erklärlich, dass erst mehr als 10 Wochen später die ersten Symptome, und zwar heftige Schmerzen auftraten. Gerade die erhebliche Schmerzsymptomatik ist für ein Sulcus ulnaris Syndrom so atypisch, dass eine andere Verursachung wahrscheinlich wird. Zwar hat der Kläger später angegeben, die Schmerzen hätten schon im Mai 1994 begonnen. Dagegen spricht aber, dass er erst am 08.07.1994 Dr.G. aufgesucht hat und gegenüber Privatdozent Dr.H. am 16.08.1994 ausdrücklich Schmerzen seit Juli 1994 angegeben hat.

Gegen einen Zusammenhang der Ulnarisschädigung mit dem Unfall vom 12.04.1994 spricht auch, dass der Kläger bereits am 01.09.1993 bei dem Orthopäden und Chirurgen Dr.K. über akute Schmerzen in der rechten Schulter mit Ausstrahlung in den Oberarm und Kribbelparästhesie am rechten Arm klagte und Dr.K. eine leichte Dysästhesie am Arm und der Hand im Bereich des Kleinfingers, rechts stärker als links, feststellte. Zwar hat Dr.K. die Diagnose eines Impingementsyndroms der rechten Schulter gestellt. Prof.Dr.O. hat aber in der Stellungnahme vom 08.04.2002 überzeugend darauf hingewiesen, dass der am 01.09.1993 erhobene Befund als Ausdruck einer beginnenden Funktionsstörung des Nervus ulnaris gewertet werden muss. Denn der Kleinfinger befindet sich im Hauptinnervationsgebiet des Nervus ulnaris. Damit bestand also eine Störung der Nervus ulnaris-Funktion bereits seit September 1993.

Nicht überzeugen kann daher die Auffassung von Prof.Dr. A. , es bestünde ein Kausalzusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall vom 12.04.1994 und dem Sulcus ulnaris-Syndrom. Sein Hauptargument, nämlich die bei der Operation festgestellte Xantochromie (Verfärbung) des Nerven spricht zwar dafür, dass ein älterer Bluterguss bestand. Hierdurch lässt sich aber, wie auch Prof.Dr.A. einräumt, ein ursächlicher Zusammenhang nicht belegen. Der histologische Befund entsprach, so Prof.Dr.O. , nicht eindeutig einem Zustand nach abgelaufenem Trauma. Unter Berücksichtigung der intraoperativ festgestellten Xantochromie des freigelegten Gewebes ist nur ein möglicher, nicht aber ein wahrscheinlicher Ursachenzusammenhang gegeben. Es spricht unter Berücksichtigung der von den ärztlichen Sachverständigen vorgetragenen Gesichtspunkte mehr gegen einen Ursachenzusammenhang als dafür.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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