L 10 AL 243/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 789/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 243/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.05.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 18.06.1999 bis 14.10.1999.

Der am 1962 geborene Kläger (ägyptischer Staatsangehöriger) arbeitete vom 13.05.1991 bis 31.03.1999 in Deutschland als Spinnereiarbeiter. Anschließend bezog er bis 02.05.1999 Alg. Ab 03.05.1999 studierte er an der Juristischen Fakultät der Universität E. (Magisterstudium).

Am 18.06.1999 beantragte er erneut Alg, wobei er darauf hinwies, dass er neben dem Magisterstudium nur an den Wochentagen Montag, Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag und zwar nur nachmittags von 16.00 bis 19.00 Uhr arbeiten könne und zwar 18 Stunden pro Woche. Mit Bescheid vom 29.06.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass sein Ausbildungsgang bei ordnungsgemäßer Erfüllung der vorgeschriebenen Anforderungen die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zulasse. Im anschließenden Widerspruchsverfahren legte der Kläger ein Belegblatt über die von ihm ab Mai 1999 besuchten Lehrveranstaltungen (Grundkurs mit Kolloquium im Zivilrecht und öffentlichen Recht, 14 Wochenstunden) vor. Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 12.08.1999 zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 29.06.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.1999 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 18.06.1999 bis 14.10.1999 Alg zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen: Da er über den Abschluss einer ägyptischen Juristischen Fakultät verfüge, könne er neben den zu besuchenden 12 wöchentlichen Vorlesungsstunden - die er von Montag bis Donnerstag, jeweils von 8.00 bis 12.00 Uhr einbringe - noch mindestens weitere 15 Wochenstunden arbeiten. Lernen könne er abends oder an den Wochenenden. Im Wintersemester reduziere sich die Zahl der einzubringenden Stunden nochmals. Ab 15.10.1999 war der Kläger neben dem Magisterstudium als studentische Hilfskraft an der Technischen Fakultät (Sonderforschungsbereich 396) für 15 Stunden/Woche tätig.

Mit Urteil vom 10.05.2001 hat das SG die Klage abgewiesen, denn der Kläger habe die Vermutung des § 120 Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) nicht widerlegt. Dem Studium sei jedenfalls für den hier streitigen Zeitraum maßgebliche Bedeutung zugekommen. Der Kläger weise das Erscheinungsbild eines Studenten und nicht das eines Arbeitnehmers auf.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Aufgrund der vorhandenen juristischen Vorkenntnisse aus einem juristischen Studium in Ägypten mit Rechtsberatungspraxis (1987 - 1989) sei für ihn die zeitliche Belastung durch das Magisterstudium/Magisterarbeit wesentlich geringer als üblich anzusetzen. Einer Vorlesungsstunde sei eine Vor- und Nachbereitungszeit von lediglich 30 Minuten gegenüberzustellen. Er hätte daneben ohne weiteres noch eine Beschäftigung von 25 Stunden/Woche ausüben können. Im Übrigen seien Hochschulstudenten sozialversicherungsrechtlich auch dann als Arbeitnehmer anzusehen, wenn ihre Arbeitszeit unter 20 Stunden/Woche liege.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 10.05.2001 sowie den Be scheid vom 29.06.1999 in der Fassung des Widerspruchsbe scheides vom 12.08.1999 aufzuheben und die Beklagte zu ver urteilen, ihm vom 18.06.1999 bis 14.10.1999 dem Grunde nach Alg zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass der Magisterstudiengang ein bereits abgeschlossenes juristisches Studium voraussetze und in 2 Semestern die Grundlagen des deutschen Rechts vermitteln solle. Vor diesem Hintergrund sei es nicht realistisch, von einer vom üblichen Rahmen abweichenden kürzeren Vor- und Nachbereitungszeit auszugehen, zumal der Kläger bereits seit 1991 berufsfremd als Spinnereiarbeiter tätig gewesen sei. Die Vermutung des § 120 Abs 2 Satz 1 SGB III, dass der Kläger nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben könne, sei daher nicht widerlegt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der Kläger hat vom 18.06.1999 bis 14.10.1999 wegen fehlender Verfügbarkeit keinen Anspruch auf Alg.

Ein Anspruch auf Alg setzt ua Beschäftigungslosigkeit sowie Beschäftigungssuche mit Verfügbarkeit voraus (§§ 117 Abs 1, 118 Abs 1, 119 Abs 1 SGB III). Ist der Arbeitslose Schüler oder Student einer Schule, Hochschule oder einer sonstigen Ausbildungsstätte, so wird vermutet, dass er nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben kann (§ 120 Abs 2 Satz 1 SGB III in der vom 01.01.1998 bis 31.12.2001 gültigen Fassung). Die Vermutung des § 120 Abs 2 Satz 1 SGB III konnte der Kläger jedoch nicht widerlegen. Er hat nämlich nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sein Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden/Woche umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (§ 120 Abs 1 Satz 2 SBG III).

Nach § 4 Abs 2 der Magisterordnung der Juristischen Fakultät der Universität E. vom 14.08.1992 (KWMBl II S. 542) hat der Student des Magisterstudiums an Lehrveranstaltungen im Umfang von insgesamt 24 Semesterwochenstunden teilzunehmen, die sich gleichmäßig auf die vorgeschriebenen 2 Semester (§ 4 Abs 1 Magisterordnung) verteilen sollen. Dies bedeutet, dass bei dem Kläger unter Berücksichtigung von Vor-/Nacharbeit - hierfür wird pro (Vorlesungs)Stunde jeweils noch einmal der Zeitaufwand einer Stunde geschätzt (BSG SozR 4100 § 103 Nr 6) - sowie unter Berücksichtigung notwendiger Wegezeiten von einem für das Studium zu erbringenden Aufwand von mehr als 48 Wochenstunden auszugehen ist. Besondere Eigenschaften des Studenten (zB besonders schnelle Auffassungsgabe) sind nicht mindernd zu berücksichtigen (Brand in Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 120 RdNr 14). Das ägyptische Rechtsstudium des Klägers hat ebenfalls unberücksichtigt zu bleiben, da es nicht wenigstens Teile des deutschen Magisterstudiums abdeckte. So basiert das Rechtssystem Ägyptens sowohl auf Elementen der islamischen Scharia als auch des englischen und französischen Rechts (Encarta Enzyklopädie 2002). Im Übrigen kann für die Zeit vom 13.05.1991 bis 31.03.1999, in der der Kläger nicht als Jurist, sondern als Spinnereiarbeiter tätig war, von einer gewissen beruflichen Entfremdung ausgegangen werden. Nach der Vorbemerkung der Juristischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität E. zur Magisterordnung soll jedoch der Student nach dem Ende des Studiums den Nachweis erbringen, dass er die Grundlagen des deutschen Rechts beherrscht und in der Lage ist, in diesem Rahmen ein ausgewähltes Rechtsproblem wissenschaftlich vertieft zu bearbeiten. Da eine versicherungspflichtige Beschäftigung die ordnungsgemäße Erfüllung der für den Ausbildungsgang vorgeschriebenen Anforderungen nicht verhindern durfte, wurden somit Zeit und Arbeitskraft des Klägers überwiegend durch das Studium in Anspruch genommen (BSG SozR 3-2500 § 5 Nr 15). Hinzu kommt, dass der Kläger auch die allgemeinen Voraussetzungen des § 119 SGB III (Beschäftigungssuche) nicht erfüllte, weil Lage und Verteilung der ihm möglichen Arbeitszeit (nur nachmittags von 16.00 bis 19.00 Uhr) nicht ohne Zweifel arbeitsmarktüblich waren (BSG SozR 2200 § 172 Nr 14; Brand aaO RdNr 13).

Nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen zeigte der Kläger mithin das Erscheinungsbild eines Studenten und nicht das eines abhängig Beschäftigten. Die Ausübung der von ihm ab 15.10.1999 verrichteten Tätigkeit einer studentischen Hilfskraft führt zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger nach der Arbeitsbescheinung der Universitätsverwaltung hierbei nicht als versicherungspflichtig, sondern lediglich als arbeitslosenversicherungsfrei geführt wurde.

Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 10.05.2001 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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