S 36 U 512/97

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 512/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die im Zusammenhang mit den Unfall der beigeladenen vom 02.02.1996 von der Klägerin getragenen Kosten im Umfang nach den für die Beklagten geltenden Vorschriften zu erstatten. Die Widerklage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen von Klage und Widerklage, ob es sich bei dem Unfall der Beigeladenen vom 02.02.1996 um einen Arbeitsunfall handelte und ob die Klägerin und die Beklagte der jeweils anderen Hauptbeteiligten von jener im Zusammenhang mit dem Unfall der Beigeladenen getragene Kosten zu erstatten haben.

Die Beigeladene befand sich am Unfalltag in stationärer Behandlung in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik H. wegen seit Jahren bestehender endogener Depression bei darüber hinaus bestehendem Morbus Parkinson, Diabetes mellitus sowie vasculärer Encephalopathie. Kostenträgerin war die Beklagte. Die Beigeladene stürzte und zog sich hierbei eine Oberschenkelhalsfraktur rechts zu. Wegen der Unfallfolgen wurden eine stationäre Heilbehandlung sowie eine anschließende stationäre Reha-Behandlung erforderlich.

Zum Unfallhergang gab Professor Dr. M. von der Abteilung Unfallchirurgie der Universitätsklinik in H. an, die Beigeladene sei auf der Station gefallen.

Im von der Beigeladenen am 10.03.1996 unterschriebenen Unfallfragebogen der Beklagten wurde als Unfallschilderung ein "Sturz im Krankenzimmer" angegeben. In dem anliegenden Begleitschreiben des Sohnes und Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 11.03.1996 hieß es:

Zum Unfallhergang wäre zu sagen, dass nach Aussage meiner Mutter ein Fremdverschulden nicht auszuschließen ist; da sich der Unfall auf der geschützten Station der Psychiatrie Uniklinik H. ereignete, wissen wir nicht, wie diese Aussage zu bewerten ist.

Einen Unfallzeugen seitens des Personals gibt es nicht.

Im von der Beigeladenen unter dem 29.03.1996 unterzeichneten Unfallfragebogen der Klägerin wurde der Unfallhergang wie folgt geschildert:

Ich war Patientin der geschlossenen psychiatrischen Abteilung der Uniklinik H ...

Ich wollte am Morgen des Unfalltages nachsehen, ob die Zimmerschränke schon wieder vom Stationspersonal geöffnet waren und ging deshalb in ein Nachbarzimmer, um mich zu vergewissern. Eine Mitpatientin stieß mich vom Schrank weg. Durch den Schlag fiel ich hin und brach mir das rechte Bein.

Unter dem 09.04.1996 erklärte der leitende Arzt der Psychiatrischen Abteilung der Uniklinik H., dass der Unfall sich "vermutlich beim Verlassen des Krankenzimmers" ereignet habe. Da es keine Unfallzeugen seitens der Ärzte oder des Pflegepersonals gebe, bleiben die Umstände unklar. Möglicherweise habe eine Gangunsicherheit im Rahmen des Morbus Parkinson an der Entstehung des Unfalls als Ursache mitgewirkt. Das Gehen auf dem Flur sei der Beigeladenen im Rahmen der stationären Behandlung zwar nicht verordnet, jedoch im Rahmen der Mobilisierung auf der Station zur Thromboseprophylaxe bei Verzicht auf eine Heparinisierung empfohlen worden.

Mit Schreiben vom 19. und 23.04.1996 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen von ihr getragener Kosten für Transport, Unterarmgehstützen, Fahrtkosten sowie stationäre Behandlung im Rahmen der Leistungspflicht der Beklagten geltend und fügte Rechnungen über insgesamt knapp DM 16.000,- bei. Zur Begründung hieß es, dass die Beigeladene keinen Arbeitsunfall erlitten habe, weil sie sich die Verletzungen bei einer privaten Interessen dienenden Tätigkeit zugezogen habe.

Die Beklagte wies den Erstattungsanspruch zurück und meinte, es habe sich um einen "Reha-Unfall" gehandelt. Ein solcher liege vor, wenn der Unfall durch besondere Umstände oder Gefahren herbeigeführt werde, die sich aus dem Krankenhaus- bzw. Heilbehandlungsstättenaufenthalt ergeben. Das Auf- und Zumachen von Schränken innerhalb der Zimmer bzw. die Kontrolle, ob diese Schränke zugesperrt seien oder nicht, falle unter die normalen Verrichtungen während einer stationären Krankenhausbehandlung. Weiter wird darauf hingewiesen, dass es sich nach Ansicht der Beklagten bei den Zimmerschränken um Betriebseinrichtungen/Arbeitsgeräte im Sinne der Rechtsprechung handele, sowie darauf, dass die Verletzung dadurch geschehen sei, dass eine andere Patientin mit der Beigeladenen zusammen gestoßen sei.

Daraufhin befragte die Klägerin erneut die Beigeladene. In dem von der Beigeladenen unterzeichneten Antwortschreiben wurde angegeben, dass sie nicht wisse, aus welchem Grund die Mitpatientin sie von den Zimmerschränken weggestoßen habe. Eine Meinungsverschiedenheit sei dieser Tätlichkeit nicht vorausgegangen. Weiter hieß es:

Ich wollte zu meinem eigenen Schrank gehen, um mir dort rauszuholen, da aber die Visite in meinem Zimmer war, ging ich ins Nachbarzimmer, um dort kurz zu überprüfen, ob er schon geöffnet war.

Der Sohn der Beigeladenen schrieb in der diesem Bogen beigefügten Anlage:

Meine Mutter war zur Zeit des Unfalls auf der geschlossenen Abteilung B. B der Psychiatrie der Uniklinik H ... Ich habe Ihnen den Vorfall so geschildert, wie ich ihn von meiner Mutter gehört habe. Bei dem Unfall war weder jemand aus unserer Familie noch nach Angaben meiner Mutter ein Arzt oder jemand vom Pflegepersonal anwesend. Meine Mutter ist geistig zeitweise sehr verwirrt und ob das, was sie oder die andere Patientin sagt, von der wir nicht den Namen wissen, wirklich der Wahrheit entspricht, wage ich zu bezweifeln. Ich möchte Sie daher dringend bitten, von Befragungen dieser Art Abstand zu nehmen. Herausfinden werden Sie dabei sicher nur wenig. Am ehesten kann Ihnen jemand vom Personal der Station weiterhelfen.

Daraufhin erneuerte die Klägerin ihr Erstattungsbegehren gegenüber der Beklagten, fügte weitere Rechnungen über von ihr getragene Kosten der stationären Behandlung über insgesamt gut DM 5.000,- bei und führte aus, dass sich der Unfall bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ereignet habe, die nur versichert sei, wenn eine besondere Betriebsgefahr des Krankenhauses den Unfall auslöse. Außerdem sei die Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt durch das Einweisungsleiden bedingt gewesen.

Die Beklagte blieb bei ihrer Ablehnung und meinte, dass das Wegstoßen durch die Mitpatientin der geschlossenen psychiatrischen Abteilung einen besonderen Umstand/eine besondere Gefahr aus dem Krankenhausaufenthalt darstelle, der/die sich realisiert habe.

Mit der daraufhin erhobenen Klage verbleibt die Klägerin bei ihrer Ansicht, dass rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall eine aus dem Einweisungsleiden entwickelte Tätigkeit gewesen sei, hier das Öffnen des fremden Schrankes. Die Reaktion der Mitpatientin sei nicht spezifisch für ein Krankenhaus, sondern überall im täglichen Leben wiederzufinden. Es habe sich keine besondere Betriebsgefahr des Krankenhauses realisiert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die im Zusammenhang mit dem Unfall der Beigeladenen vom 02.02.1996 getragenen Kosten im Umfang nach den für die Beklagte geltenden Vorschriften zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,
und im Wege der mit Schriftsatz vom 19.03.2002 unter Hinweis auf von ihr getragene Kosten der nachfolgenden Reha-Behandlung der Beigeladenen in Höhe von gut DM 9.000,- erhobenen Widerklage, die Klägerin zu verurteilen, ihr die im Zusammenhang mit dem Unfall der Beigeladenen vom 02.02.1996 getragenen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte verbleibt bei ihrer Auffassung, dass nicht ersichtlich sei, dass sich der Unfall aus dem Einweisungsleiden heraus entwickelt habe. Die aggressive Reaktion der Mitpatientin der Beigeladenen sei ein besonderes Risiko des Aufenthalts auf der psychiatrischen Station gewesen, das sich realisiert habe.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Gericht hat den Sohn und Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen erneut zum Unfallhergang befragt. Dieser wird wie folgt wiedergegeben:

Bedienstete der Station (Uniklinik H., S.) berichteten, meine Mutter sei bei der Rückkehr vom Gemeinschaftsbereich statt in ihr eigenes Zimmer irrtümlich in ein falsches geraten. Dort sei sie an den Schrank gegangen, von dem sie vermeintlich annahm, es sei ihrer. Sie wollte wohl nach ihrer Tasche sehen.

Die Patientin, der der Schrank tatsächlich gehörte, befand sich im Zimmer. Sie sah, dass sich jemand am Schrank zu schaffen machte und mutmaßte, meine Mutter wolle etwas stehlen.

Daraufhin muss jene (jüngere) Patientin meine Mutter vom Schrank weggestoßen haben. Dabei kam meine Mutter zu Fall mit dem Ergebnis des Oberschenkelhalsbruches.

Zu dieser Schilderung ist folgendes hinzuzufügen:

Der oben beschriebene Hergang beruht auf Hörensagen. Aus mehreren Aussagen (Bedienstete der Uniklinik, meiner Mutter) ergab sich die wohl stimmige Abfolge der Dinge. Wie wahrscheinlich in allen Krankenhäusern sind die Patientenzimmer der o.g. Abteilung sehr ähnlich, so dass eine Verwechslung durchaus möglich ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 01.07.2002 sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten der Klägerin und der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beigeladenen im Termin mündlich verhandeln und entscheiden, weil die ordnungsgemäß geladene Beigeladene und ihr ebenfalls ordnungsgemäß geladener Bevollmächtigter in ihrer Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (vgl. §§ 110 Abs. 1, 126 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG -; Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 126 Rz. 4 m.N.).

Klage und Widerklage sind statthaft (vgl. § 54 Abs. 5 und § 100 SGG). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen vor.

Die Klage ist begründet, wohingegen die Widerklage unbegründet ist. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der von ihr im Zusammenhang mit dem Unfall der Beigeladenen vom 02.02.1996 getragenen Kosten im Umfang nach den für die Beklagte geltenden Vorschriften gemäß § 105 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), die Beklagte hingegen keinen entsprechenden Anspruch gegen die Klägerin. Die Beklagte ist zuständiger Leistungsträger für die Erbringung der von der Klägerin und von ihr selbst tatsächlich gewährten Sozialleistungen im Zusammenhang mit dem Unfall der Beigeladenen. Es ist nicht feststellbar, dass die Beigeladene am 02.02.1996 einen Arbeitsunfall erlitt. Die Folgen der Nichterweislichkeit hat die Beklagte zu tragen. Die Widerklage ist auch schon deshalb unbegründet, weil die Beklagte ihren möglichen Erstattungsanspruch nicht innerhalb der Frist des § 111 SGB X angemeldet hat.

Nach § 105 Abs. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträger Kenntnis erlangt hat, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, wobei der Umfang des Erstattungsanspruchs sich nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften richtet (vgl. § 105 Abs. 2 SGB X).

Die Voraussetzungen des § 102 SGB X, wonach der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat, liegen nicht vor. Eine Vorleistung in diesem Sinne setzt voraus, dass in Kenntnis einer Vorleistung geleistet wird, nicht jedoch z.B. in vermeintlich originärer Zuständigkeit (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Loseblattkommentar, § 102 SGB X Rz. 2 m.N.). Sowohl die Klägerin als auch die Beklagte haben jedoch zum Zeitpunkt ihrer Leistung dies in vermeintlich originärer Zuständigkeit getan und nicht mit dem Willen, für einen anderen in Vorleistung zu treten.

Die Beklagte war allein zuständig für die Kosten, die im Zusammenhang mit der am 02.02.1996 erlittenen Oberschenkelhalsfraktur der Beigeladenen entstanden sind, weil nicht feststellbar ist, dass sie Folge eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Unfallversicherung, hier eines Arbeitsunfalls, sind (vgl. § 11 Abs. 4 des Fünftens Buches Sozialgesetzbuch –SGB V-).

Dies geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 103 Rz. 19 und § 118 Rz. 6 jeweils mit Nachweisen) zu Lasten der Beklagten als Krankenversicherungsträger (vgl. Bundessozialgericht –BSG-, Urteil vom 27.01.1976, Az.: 8 RU 64/75, veröffentlicht u.a. in: SozR 2200 § 1509a Nr 1; Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 105 SGB X Rz. 1b) aa m.N.; Behn in: BG 1992, 125, 128; a.A.: Hanna in: SGb 2002, 369, 371). Danach gilt, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen, so dass ein Beteiligter die Folgen tragen muss, wenn eine Ungewissheit wegen der für ihn günstigen Tatsachen verblieben ist (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O.). Auch bei Erstattungsstreitigkeiten eines Unfallversicherungsträgers gegen eine Krankenkasse – und nicht nur umgekehrt – trifft die Feststellungslast bei Nichterweislichkeit des Vorliegens eines Versicherungsfalls der gesetzlichen Unfallversicherung den Krankenversicherungsträger, denn dessen grundsätzliche Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen wegen Krankheits- bzw. Unfallfolgen bleibt nach § 11 Abs. 4 SGB V solange bestehen, bis das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit feststeht. Entsprechend ist solange der Unfallversicherungsträger unzuständig und zwar unabhängig von seiner Beteiligtenstellung. Eine andere Auffassung würde nicht nur dazu führen, dass für Klage und Widerklage verschiedene Feststellungslasten bestünden, sondern auch im Verhältnis Unfallversicherungsträger/Versicherter einerseits und Unfallversicherungsträger/Krankenkasse andererseits.

Bei der Prüfung, ob ein Arbeitsunfall vorlag, finden vorliegend noch die Vorschriften der bis zum 31.12.1996 geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung, weil das streitgegenständliche Ereignis vor dem 01.01.1997, dem Tag des Inkrafttretens des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) eintrat (vgl. §§ 212, 214 SGB VII).

Gemäß § 547 RVO gewährt der Träger der Unfallversicherung nach Eintritt eines Arbeitsunfalls näher bezeichnete Leistungen. Ein Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO sind in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall Personen versichert, denen von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung oder der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre Behandlung i.S.v. § 559 RVO gewährt wird. Stationäre Behandlung i.S.d. § 559 RVO ist eine Heilbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einem Krankenhaus oder einer Kur- oder Spezialeinrichtung.

Die Beigeladene befand sich zwar zum Zeitpunkt des Ereignisses vom 02.02.1996 in stationärer Behandlung, die von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährt wurde. Sie hat dennoch keinen Arbeitsunfall erlitten, weil ein innerer Zusammenhang der zum Unfall führenden Verrichtung mit dem stationären Aufenthalt nicht feststellbar ist.

§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO setzt voraus, dass sich ein Arbeitsunfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet. Dazu ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist (Wertung) und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat (haftungsbegründende Kausalität). Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.1994, Az.: 2 RU 22/93, veröffentlicht u.a. in: HVBG–INFO 1994, 1195 ff.).

Versichert ist nach § 539 Abs. 1 Nr. 17a RVO alles aktive Handeln und passive Erdulden der wesentlich durch die Unterkunft und Verpflegung in einem Krankenhaus geprägten Vorgänge.

Das BSG hat dazu seit seiner Entscheidung vom 27.06.1978 in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass in den Versichertenschutz alle Risiken einbezogen sind, denen der Versicherte bei dem stationären Aufenthalt ausgesetzt ist, aber in Abgrenzung dazu das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes ist (vgl. BSG a.a.O. m.N.).

Grund für die Einbeziehung aller Tätigkeiten, die im inneren Zusammenhang mit der stationären Heilbehandlung stehen, mit Ausnahme des Risikos der ärztlichen Behandlung selbst ist die Tatsache, dass die Mitwirkung in einem Krankenhaus oder in einer Kur- oder Spezialeinrichtung, d.h. in einer fremden Umgebung, mit besonderen Risiken verbunden ist, wobei die Regeln über die Arzthaftung durch die Vorschrift nicht abgelöst werden sollen und keine Besserstellung stationär behandelter Versicherter gegenüber ambulant behandelten Versicherten entstehen soll (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O., § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII Rz. 29.11f., der gegenüber § 539 Abs. 1 Nr. 17a RVO praktisch inhaltsgleichen Nachfolgevorschrift, m.N.).

Kein Versicherungsschutz besteht bei eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten, es sei denn, dass diese der Heilbehandlung dienen oder sich besondere mit dem Krankenhausaufenthalt verbundene Gefahren verwirklichen, denen man im Normalfall zu Hause nicht begegnet (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. § 2 SGB VII Rz. 29.16 und 29.17 m.N.); so besteht z.B. kein Versicherungsschutz bei der körperlichen Reinigung, beim Essen, Trinken oder Aufsuchen der Toilette oder einem Spaziergang, es sei denn, dass sich bei diesen Tätigkeiten mit dem Krankenhausaufenthalt verbundene besondere Gefahren verwirklichen oder dass die unfallbringende Tätigkeit im Rahmen ärztlich angeordneter oder wenigstens überwachter Veranstaltungen, die die Heilbehandlung ergänzen, verrichtet wird oder unabhängig von einer direkten Weisung im Einzelfall der stationären Behandlung zu dienen bestimmt ist, wobei es insoweit ausreicht, dass der Patient von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, die Betätigung sei nach den objektiven Gegebenheiten geeignet, dem Zweck der stationären Behandlung zu dienen, und diese subjektive Vorstellung auch den objektiven Gegebenheiten entspricht (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 2 SGB VII Rz. 29.15 bis 29.17 m.N.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann das Gericht angesichts der unterschiedlichen Unfallschilderungen nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen, dass die Beigeladene zum Unfallzeitpunkt bei versicherter Tätigkeit war.

Wenn man die Schilderung des Unfallhergangs durch den Sohn und Bevollmächtigten der Beigeladenen im Klageverfahren zugrunde legt, wonach sich der Unfall ereignete, als die Beigeladene auf dem Rückweg vom Gemeinschaftsbereich irrtümlich in ein falsches Zimmer geriet, einen fremden – vermeintlich ihren eigenen – Schrank öffnete und dabei von einer Mitpatientin weggestoßen wurde, spräche mehr dafür, einen Versicherungsschutz zu verneinen. Wesentliche Ursache für den Unfall wäre hier das Einweisungsleiden der Beigeladenen gewesen mit den damit verbundenen Verwirrtheitszuständen, die zur Verwechslung des Zimmers und des Schranks geführt hätten. Weiter wäre wesentliche Ursache das Wegstoßen durch eine Mitpatientin gewesen, die denken musste, dass jemand sie bestehlen will. Beides steht in keinem inneren Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt. Vertretbar wäre hingegen auch – je nach örtlichen Gegebenheiten – die Verwechslung des Zimmers und des Schranks auf die Ähnlichkeit der Zimmer und Schränke in den jeweiligen Patientenzimmern zurückzuführen - und nicht auf die Verwirrtheit der Beigeladenen – und das Wegstoßen auf die Verwirrtheit der Mitpatientin und die darauf begründete Überreaktion. Insoweit wäre es vertretbar, einen inneren Zusammenhang und damit einen Versicherungsschutz anzunehmen.

Dieser geschilderte Hergang kann jedoch einer Wertung nicht zugrunde gelegt werden, weil er nach den eigenen Ausführungen des Sohnes und Bevollmächtigten der Beigeladenen nicht sicher feststeht, sondern Mutmaßungen entspringt und den Schilderungen im Verwaltungs- und Vorverfahren widerspricht, die jedoch zeitnäher abgegeben wurden.

In den ersten Schilderungen des Durchgangsarztes und auch der Beigeladenen selbst war lediglich von einem Sturz auf der Station bzw. im Krankenzimmer die Rede.

Bei einem Sturz im Krankenzimmer wären keine Anhaltspunkte für die Annahme eines inneren Zusammenhangs mit dem stationären Aufenthalt gegeben.

Bei der Annahme eines Sturzes auf der Station wäre denkbar die Annahme eines Zusammenhangs dergestalt, dass sich dieser auf dem laut Auskunft des leitenden Arztes der psychiatrischen Abteilung ärztlich empfohlenen Gang zur Thromboseprophylaxe und Vermeidung einer Heparinisierung ereignete. Dieser wäre grundsätzlich versichert.

Insoweit wäre jedoch noch zu prüfen, ob wesentliche Sturzursache – wie auch der leitende Arzt der psychiatrischen Abteilung der Uniklinik H. mutmaßt – auf eine Gangunsicherheit im Rahmen des Morbus Parkinson zurückzuführen wäre, so dass wegen des Einweisungsleidens als wesentlicher Ursache dann wiederum ein Versicherungsschutz ausgeschlossen wäre.

Wenn die weitere Unfallschilderung durch die Beigeladene bzw. ihren Sohn und Bevollmächtigten im Vorverfahren richtig wäre, wonach sie wegen der Visite in ihrem Zimmer im Nachbarzimmer habe nachsehen wollen, ob die – offensichtlich über Nacht vom Personal verschlossenen – Schränke schon wieder geöffnet seien und sie dabei von der Mitpatientin weggestoßen wurde, wäre ein Versicherungsschutz eher abzulehnen. Denn in diesem Fall wäre auch das Einweisungsleiden als wesentliche Ursache zu betrachten. Anders als durch die krankheitsbedingte Verwirrtheit ist nicht zu erklären, warum die Beigeladene sich im Nachbarzimmer hätte vergewissern müssen, ob die Schränke bereits geöffnet waren. Wenn sie etwas aus ihrem Schrank benötigt hätte, wäre es im Ergebnis auf das gleiche hinausgelaufen, wenn sie gewartet hätte, bis die Visite in ihrem Zimmer beendet war, um zu prüfen, ob ihr Schrank geöffnet ist, und dann die ggf. benötigten Sachen herauszunehmen. Durch die Prüfung, ob im Nachbarzimmer die Schränke geöffnet sind, hätte sie nicht schneller an den Inhalt ihres eigenen Schrankes kommen können. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, warum die Beigeladene bei Durchführung einer Visite in ihrem Zimmer sich nicht dort hätte aufhalten sollen bzw. müssen.

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Schilderungen und den von Anfang an gegebenen Hinweisen des Sohnes und Bevollmächtigten der Beigeladenen darauf, dass es keine Unfallzeugen gegeben habe und dass die Angaben der Beigeladenen unter großem Vorbehalt angesichts ihrer Erkrankungen zu betrachten seien, und der Bestätigung des leitenden Arztes der psychiatrischen Abteilung der Uniklinik H., dass es keine Zeugen seitens des ärztlichen oder Pflegepersonals gegeben habe, kann jedoch keine dieser Unfallschilderungen mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit als wahr angenommen werden und erscheint eine weitere Sachaufklärung nicht erfolgversprechend, so dass auch nicht festgestellt werden kann, ob die zum Unfall führende Tätigkeit im inneren Zusammenhang mit dem stationären Aufenthalt stand, was allein geeignet wäre, Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu begründen.

Die Widerklage ist auch schon deshalb unbegründet, weil die Ausschlussfrist des § 111 SGB X zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht eingehalten wurde.

Danach ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Dabei ist in der Regel eine eindeutige und hinreichend bestimmte Erklärung erforderlich, welcher der angegangene Versicherungsträger die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgebend sind, und den Zeitraum, für den er in Anspruch genommen wird, entnehmen kann; eine nur vorsorgliche Anmeldung genügt nicht (vgl. Bereiter-Hahn/Mehrtens, a.a.O. § 111 SGB X Rz. 4.1 m.n.).

Die Beklagte macht einen Erstattungsanspruch hinsichtlich von ihr getragener Kosten für die stationäre Reha-Behandlung vom 21.02.1996 bis 19.03.1996 geltend. Dieser konkrete Anspruch wurde erstmals benannt mit Schriftsatz vom 19.03.2002 im laufenden Klageverfahren. Zu diesem Zeitpunkt war die Jahresfrist bereits abgelaufen.

Auf die Regelung in § 111 Satz 2 SGB X kommt es vorliegend nicht an, weil eine Entscheidung der Klägerin über ihre Leistungspflicht gar nicht ergangen ist, da eine solche eben nicht besteht. Danach kommt es auch nicht darauf an, ob die Neuregelung des § 111 Satz 2 nach § 120 Abs. 2 SGB X überhaupt Anwendung findet.

Vor diesem Zeitpunkt hat die Beklagte lediglich mit Schreiben vom 05.03.1996 an die Klägerin mit einem Formblatt Erstattungsansprüche gleichzeitig mit der Anzeige nach § 1503 RVO angemeldet und hierin ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass sich am 02.02.1996 ein Arbeitsunfall ereignet habe und seither laufend Arbeitsunfähigkeit bestehe bei einer Behandlung in der Uniklinik H ... Gleichzeitig wurde mit diesem Formschreiben um einen baldigen Zahlungsauftrag gebeten. Dieses Schreiben ist jedoch nicht hinreichend konkret genug i.S.d. § 111 Satz 1 SGB X und kann sich schon gar nicht auf die nunmehr geltend gemachten Kosten für die Reha-Behandlung in der Klinik Q. der S. H. GmbH beziehen, weil der Beklagten ausweislich ihres Formschreibens die Beendigung der Behandlung in der Uniklinik H. und der Beginn der Reha-Behandlung noch gar nicht bekannt waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung, weil die Klage vor diesem Zeitpunkt rechtshängig geworden ist; § 197a SGG i.d.F. des 6. SGG-Änderungsgesetzes vom 17.08.2001 ist nicht anzuwenden (vgl. Urteil des BSG vom 30.01.2002, Az.: B 6 KA 12/01 R).
Rechtskraft
Aus
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