L 15 VS 20/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 28 VS 127/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 20/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.08.1998 insoweit aufgehoben, als der Beklagte zur Zahlung von Versorgungsrente nach einer MdE von 30 v.H. ab 01.05. 1994 verpflichtet wurde. Die Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1995 wird entsprechend abgewiesen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten war die Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) und die Gewährung von Versorgungsrente nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) streitig. Zuletzt bestand nur noch Streit über die Höhe der schädigungsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und eine eventuelle besondere berufliche Betroffenheit.

Der am 1944 geborene Kläger war vom 07.01.1964 bis 30.09.1993 Berufssoldat im Bereich der Luftwaffe. Nach anfänglicher Tätigkeit bei der Flugsicherung in K. wurde er in F. zum Kampfbeobachter bzw. Waffensystemoffizier ausgebildet. Ab 1973/1974 bis 1980 gehörte er zur ständigen Besatzung eines Jagdflugzeugs vom Typ Phantom bei einem in N. an der Donau stationierten Jagdgeschwader. Anschließend bis zum Ausscheiden aus dem Dienst war er als Testflieger in M. auf Flugzeugen vom Typ Phantom und Tornado eingesetzt. Während der ca. 2500 Flugstunden auf Düsenkampfflugzeugen der Bundeswehr befand er sich jeweils als Kopilot in physiologisch ungünstiger Haltung auf dem hinteren Sitz und war dabei hohen Fliehkräften ausgesetzt.

Ab April 1974 litt er unter Schmerzen ausgehend von der Lendenwirbelsäule, die jedoch erst am 29.09.1993 zu einem Antrag auf Anerkennung als WDB und Erstellung eines WDB-Blatts führten. Ab April 1993 war der Kläger wirbelsäulenbedingt fluguntauglich. Er beendete am 30.09.1993 seinen aktiven Wehrdienst auf Grund einer Ruhestandsversetzung nach den Vorschriften des Soldatengesetzes (§§ 44 Abs.2, 45 Abs.2). Der Kläger hatte 1985 mit Vollendung des 41. Lebensjahres als Offizier, der in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen als Waffensystemoffizier verwendet wurde, bereits die (besondere) Altersgrenze erreicht.

Mit Bescheid vom 16.02.1994 lehnte die Beigeladene die Gewährung von Ausgleich nach § 85 SVG ab, da die Folgen des wiederholten Lendenwirbelsäulensyndroms die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht um mindestens 25 v.H. gemindert hätten. Ob es sich bei dieser Erkrankung um eine WDB im Sinne von § 81 SVG handle, müsse nicht entschieden werden.

Auf den im April 1994 beim Versorgungsamt München I gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Soldatenversorgung erging am 09.11.1994 ein Ablehnungsbescheid, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem fliegerischen Einsatz und der Gesundheitsstörung nicht festgestellt werden könne. Dem Bescheid lag ein versorgungsärztliches Gutachten des Chirurgen Dr.H. vom 10.10. 1994 nach Untersuchung des Klägers zugrunde, in dem ein GdB von 20 für das "wiederholte LWS-Syndrom bei degenerativen LWS-Veränderungen und geringer Fehlstatik, Bandscheibenvorfall L 3/4" angenommen wurde.

In dem gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 24.07.1995 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht München ist zunächst ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.F. eingeholt worden (vom 29.02.1996), der nach Untersuchung des Klägers die Entscheidung des Beklagten bestätigt hat.

Ein auf Antrag des Klägers eingeholtes Gutachten des Pathologen und Flugmediziners Privatdozent Dr.L. vom 11.04.1997 hat u.a. auf Grund von Aufzeichnungen eines Kollegen des Klägers, des Testpiloten D. , nach Aktenlage zu dem Ergebnis geführt, dass das wiederholte LWS-Syndrom des Klägers als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen und mit einer MdE in Höhe von 30 v.H. zu bewerten sei.

Nachdem der Beklagte durch die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Chirurgen Dr.P. vom 23.04. und 17.07.1997 eingewandt hatte, dass ohne Ganzkörperaufnahmen der Wirbelsäule und entsprechende klinische Befunde im Rahmen eines weiteren chirurgisch orthopädischen Gutachtens keine Aussage über die Kausalität der Wirbelsäulenerkrankung gemacht werden könne, hat das Gericht ein weiteres orthopädisches Gutachten von Dr.T. vom 08.02.1998 eingeholt. Dieser hat nach Untersuchungen des Klägers festgestellt, dass bei diesem ausschließlich die Lendenwirbelsäule mit Wahrscheinlichkeit durch den fliegerischen Einsatz geschädigt worden sei. Der MdE-Grad liege bei 30 v.H. einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Auf entsprechende Einwendungen des Beklagten (Dr.P.), hat Dr.T. am 17.06.1998 seine Aussage dahingehend korrigiert, dass zwar eine besondere berufliche Betroffenheit nicht vorliege, weil sich der Kläger in Ruhestand befinde, dass aber die MdE rein medizinisch mit 30 v.H. zu bewerten sei.

Daraufhin hat das Sozialgericht mit Urteil vom 19.08.1998 den Beklagten verpflichtet, die Behinderung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit rezidivierenden Wurzelreizerscheinungen" (wiederholtes Lendenwirbelsäulensyndrom bei degenerativen WS-Veränderungen und geringer Fehlstatik, Bandscheibenvorfall L3/L4) als Folge einer WDB anzuerkennen und ab 01.05.1994 Versorgung auf der Basis einer MdE von 30 v.H. zu gewähren. Zur Begründung hat es sich im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr.L. und Dr.T. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 30.09.1998 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Aufhebung des Sozialgerichtsurteils sowie Klageabweisung begehrt. Er hat eine erneute Begutachtungsuntersuchung in der BG-Unfallklinik M. angeregt. Im Februar 1999 hat die Beigeladene verschiedene Unterlagen des Oberfeldarztes Dipl.Med.P. vorgelegt, der ebenso wie der Versorgungsarzt Dr.P. (Stellungnahme vom 14.10.1999) die MdE des Klägers nach § 30 Abs.1 BVG mit 30 v.H. als zu hoch bewertet angesehen hat.

Der Senat hat am 16.05.2000 den Flugmediziner Dr.W. vom Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in K. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem Aktenlagegutachten vom 04.04.2001 hat Dr.W. einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Lendenwirbelsäulenerkrankung und der besonderen Belastung durch Beschleunigungskräfte im Erprobungsflugbetrieb bejaht, zumindest im Sinne einer Verschlimmerung des Wirbelsäulenschadens. Zur MdE-Höhe hat er keine Aussage gemacht.

Der Senat hat anschließend eine Reihe von Ermittlungen durchgeführt und hat, nachdem der Beklagte seine Auffassung wiederholt hatte, dass nach wie vor ein aussagekräftiges Untersuchungsgutachten fehle, den Unfallchirurgen Dr.F. vom Städtischen Krankenhaus M. mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. In einem ausführlichen Gutachten vom 18.04.2002 hat Dr.F. festgestellt, dass beim Kläger erhebliche dem Alter vorauseilende degenerative Veränderungen in den Bereichen der Hals- und vor allem der Lendenwirbelsäule, nicht aber der Brustwirbelsäule vorlägen. Diese seien mit Wahrscheinlichkeit zumindest annähernd gleichwertig auf die Beschleunigungskräfte zurückzuführen, denen der Kläger als Kopilot in Strahlflugzeugen in ergonomisch ungünstiger Körperhaltung ausgesetzt gewesen sei. Es bestehe ein belastungskonformes Schadensbild im Bereich der Lendenwirbelsäule von L 1/2 absteigend analog den Veränderungen, wie sie bei der Berufskrankheit Nr.2110 zu erwarten seien. Zwar zeige auch die Halswirbelsäule deutliche, die Altersnorm überschreitende degenerative Veränderungen im Bereich des unteren Abschnitts; dennoch bestehe hier klinisch kein entsprechendes Beschwerdebild. Ab April 1993 sei das bis dahin bereits langjährig bestehende Rückenleiden durch regelmäßige medizinische und physikalische Therapiemaßnahmen kompensierbar. Es handle sich um eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule mit deutlich reduzierter Beugebehinderung, chronischen durch Belastung verstärkten Rückenschmerzen als Folge der multisegmentalen Bandscheibendegeneration der Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenvorfall L 3/4. Hierfür sei eine MdE von 20 v.H. anzusetzen, da kein sensomotorisches bzw. neurologisches Defizit nachgewiesen sei.

Mit Schriftsatz vom 29.08.2002 hat der Kläger eingewandt, dass bei der Höhe der MdE die besondere berufliche Betroffenheit zu berücksichtigen sei, da er weder als Pilot noch als Fluglehrer auf Grund seiner Erkrankung tätig werden könne.

Mit Schriftsatz vom 30.08.2002 hat der Beklagte ein Anerkenntnis übersandt wonach er beim Kläger ab 07.04.1994 (Antrag) als WDB-Folge eine "Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen - Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung -" anerkenne. Eine Rente könne jedoch nicht gewährt werden, da lediglich eine MdE in Höhe von 20 v.H. bedingt werde. Eine Höherbewertung nach § 30 Abs.2 BVG sei nicht möglich, da der Kläger selbst bei seiner Untersuchung durch Dr.F. angegeben habe, dass er seinen Beruf im Jahre 1993 nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben habe.

Der Kläger hat dieses Anerkenntnis in Anbetracht der MdE-Höhe nicht angenommen.

Mit dem Hinweis, dass zur Einschätzung der schädigungsbedingten MdE die "Anhaltspunkte" 1983 und 1996 zu Grunde zu legen seien, ist Dr.F. zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert worden. Daraufhin hat der Sachverständige (Stellungnahme vom 21.01. 2003) nach einer Auseinandersetzung mit den Vorgaben zur MdE-Einschätzung im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung einerseits und denen der sozialen Entschädigung andererseits mitgeteilt, dass seines Erachtens eine MdE um 30 v.H. gerechtfertigt erscheine.

Diesem Ergebnis hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 03.04.2003 widersprochen, da auch nach den von Dr. F. erhobenen Befunden lediglich eine mittelgradige Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule vorliege. Gleichzeitig hat der Beklagte sein Vergleichsangebot vom 30.08.2002 dahingehend erweitert, dass die WDB-Folge entsprechend dem gerichtlichen Hinweis und der Bezugnahme auf § 83 Abs.2 Satz 3 SVG ab 01.10.1993 anerkannt werde.

In der mündlichen Verhandlung am 20.05.2003 hat der Beklagte seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.08.1998 hinsichtlich der dort entschiedenen Anerkennung von WDB-Folgen zurückgenommen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.08.1998 insoweit aufzuheben, als der Beklagte zur Gewährung von Versorgungsrente nach einer MdE von 30 v.H. ab 01.05.1994 verpflichtet wurde, und die Klage gegen den Bescheid vom 09.11.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.07.1995 insoweit abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.08.1998 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Akten der Beigeladenen und des Beklagten sowie die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist gemäß § 88 Abs.7 SVG, § 143 SGG statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG) und damit zulässig. Soweit der Rechtsstreit nicht durch die Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt ist, erweist sich die Berufung des Beklagten als begründet.

Zwischen den Beteiligten ist nicht mehr streitig, ob beim Kläger ab April 1994 eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule bei degenerativen Veränderungen als WDB-Folge im Sinne der Entstehung anzuerkennen ist. Nach § 156 Abs.1 Satz 1 SGG wurde durch die teilweise Berufungsrücknahme des Beklagten in der mündlichen Verhandlung das angefochtene Urteil hinsichtlich der darin getroffenen Entscheidung über die Anerkennung von WDB-Folgen rechtskräftig und der bis dahin anhängige Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt. Weiterhin streitig ist nur noch die Frage, ob der Beklagte vom Sozialgericht München zurecht verurteilt wurde, Versorgung und Rente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren.

Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Nach § 31 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente, wenn ihre MdE mindestens 30 v.H. beträgt. Die MdE ist gemäß § 30 Abs.1 BVG rein medizinisch nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben, d.h. ohne Berücksichtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Beschädigten zu beurteilen. Maßgebend sind hierfür die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) in der jeweiligen Fassung. Vom Bundessozialgericht wurde mehrfach entschieden, dass die AP als geschlossenes Beurteilungsgefüge nur eingeschränkter richterlicher Kontrolle unterliegen und trotz fehlender Ermächtigungsgrundlage im Hinblick auf die erforderliche Gleichbehandlung der Betroffenen normähnliche Wirkung entfalten (BSG-Urteil vom 23.06.1993 - SozR 3-3870 § 4 Nr.6). Diese Auffassung wurde vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.03.1995 (SozR 3-3870 § 3 Nr.6) bestätigt. Das Bundessozialgericht hat außerdem in seinem Urteil vom 11.10. 1994 (SozR 3-3870 § 3 Nr.5) Änderungen der Anhaltspunkte wie Änderungen der rechtlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X angesehen.

Nach den AP 1983, die bis Ende 1996 Geltung hatten, war unter Nr.26.18 (S.105) für Wirbelsäulenschäden auf Grund degenerativer Veränderungen mit geringer Funktionsbehinderung, zeitweise auftretenden leichten bis mittelschweren Nerven- und Muskel- reizerscheinungen (z.B. Lumbalsyndrom, Ischialgie) eine MdE von nur bis 10 v.H. vorgesehen. Eine MdE von 20 bis 30 v.H. war für anhaltende Funktionsbehinderungen und häufig rezidivierende stärkere, lang anhaltende Nerven- und Muskelreizerscheinungen bestimmt. Auf S.106 war bei anderen Wirbelsäulenschäden mit mittelgradiger Funktionsbehinderung (z.B. in mehreren Bewegungssegmenten ausgeprägte Einschränkung bis Versteifung) eine MdE von 20 bis 40 angesetzt.

Demgegenüber enthalten die ab 01.01.1997 geltenden AP 1996 auf S.140 f. folgende Voraussetzungen für eine MdE von 20 v.H.: "Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (u.a. häufige rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome)."

Eine MdE um 30 v.H. setzt demgegenüber voraus: "Wirbelsäulenschäden mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (u.a. häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome).

Auf Grund der insoweit übereinstimmenden Gutachten nach Untersuchung des Klägers von Dr.T. vom 08.02.1998 und Dr.F. vom 18.04.2002 steht fest, dass beim Kläger ein Beschwerden verursachender Wirbelsäulenschaden seit den 80iger Jahren ausschließlich im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegt. Auch das Bundeswehrkrankenhaus Ulm hatte durch CT vom 03.05.1993 einen Diskusprolaps L 3/4 mediolateral li. nachgewiesen. Es ist ferner davon auszugehen, dass beim Kläger niemals neurologische Defizite, insbesondere Lähmungen, aufgetreten sind. Er hat dies auch nicht bei seinen Untersuchungen durch ärztliche Sachverständige angegeben, d.h. insbesondere nicht bei Dr.H. am 10.10.1994, Dr.F. am 26.02.1996, Dr.T. am 11.12.1997 oder bei Dr.F. am 18.04.2002. Der Kläger hat lediglich Schmerzen im LWS-Bereich, die zeitweise in die Beine ausstrahlen und dort zu Parästhesien führen, angegeben. Diese bestünden vor allem morgens nach dem Aufstehen, würden sich dann bessern, aber im Laufe des Tages bei körperlicher Belastung wieder stärker in Erscheinung treten.

Dieses Beschwerdebild entspricht nach den Vorgaben der AP einem mittelgradigen Lendenwirbelsäulensyndrom, das eine MdE von nur 20 v.H. bedingt. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Klägers können nicht als schwere funktionelle Auswirkungen einer Schädigung in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem MdE-Grad in Höhe von 30 v.H. angesehen werden. Zwar hat sich Dr.F. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.01.2003 mit den unterschiedlichen Voraussetzungen für die MdE-Einschätzung in den Bereichen der gesetzlichen Unfallversicherung und des sozialen Entschädigungsrechts auseinandergesetzt und insbesondere eine kritische Stellungnahme von Dr.L. vom September 1994 zitiert, wonach bandscheibengeschädigten Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung über 30 % des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen sei. Da der Kläger an einer mehrsegmentalen bandscheibenbedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung mit anhaltender Bewegungseinschränkung (Finger-Boden-Abstand 40 cm) und ständiger LWS-Schmerzsymptomatik leide, sei eine MdE in Höhe von 30 v.H. angemessen.

Dieser Argumentation, die eine Bezugnahme auf die allein maßgeblichen AP vermissen lässt, kann der Senat mit Rücksicht auf diese nicht folgen. Die festgestellten Messdaten (z.B. Ottzeichen: 30/32 cm, Schoberzeichen: 17/13 cm) entsprechen, wie in der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr.P. vom 24.02.2003 zutreffend dargelegt ist, nur einer mittelgradigen Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule (vgl. Bruns, medizinischer Sachverständiger 1999, S.75). Zu berücksichtigen war auch, dass - wie Dr.F. in seinem Gutachten ausgeführt hat - seit Aufgabe der fliegerischen Tätigkeit des Klägers ein Stillstand der degenerativen Abnützungserscheinungen im LWS-Bereich eingetreten ist.

Nach § 30 Abs.2 BVG ist die MdE höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen ist. Das ist besonders der Fall, wenn er

a) infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, be gonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann,

b) zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten Beruf weiter aus übt, in diesem Beruf aber durch die Art der Schädigungsfol gen in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Er werbsleben erwerbsgemindert ist, oder

c) infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Im vorliegenden Fall liegt keine der genannten Voraussetzungen vor. Der am 1944 geborene Kläger, der als Waffensystemoffizier in strahlgetriebenen Kampfflugzeugen Dienst tat, hatte eigentlich nach § 45 Abs.2 Nr.3 Soldatengesetz mit Vollendung des 41. Lebensjahres, d.h. bereits 1985 die besondere Altersgrenze erreicht. Wie der Kläger selbst eingeräumt hat (vgl. Gutachten von Dr.F. , S.9), wurde seine Dienstzeit jedoch auf seinen Antrag bis 1993 verlängert (§ 44 Abs.2 Satz 2 Soldatengesetz). Er sei erst im letzten Jahr seiner fliegerischen Tätigkeit wegen seiner Rückenbeschwerden dienstunfähig gewesen. Somit hat er seinen Beruf nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Sowohl im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 25.02.2002 als auch in der Stellungnahme des Beigeladenen vom 08.03.2002 wurde ausgeführt, dass der Kläger laufbahnbezogen auf Grund Überschreitung der besonderen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wurde.

Auch der Vortrag des Klägers mit Schriftsatz vom 29.08.2002, dass eine besondere berufliche Betroffenheit deshalb vorliege, weil er weder als Pilot noch als Fluglehrer auf Grund seiner Erkrankung tätig werden könne, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 30 Abs.2 BVG. Diese Vorschrift bezieht sich grundsätzlich nur auf den vom Kläger ausgeübten Hauptberuf als Berufssoldat und nicht auf einen eventuell nach Ausscheiden aus dem Wehrdienstverhältnis in Betracht kommenden Nebenberuf.

Aus diesen Gründen hatte die Berufung des Beklagten, soweit sie nicht zurückgenommen wurde, Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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