L 2 RJ 126/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 208/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 RJ 126/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. April 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Weitergewährung der von ihr bis Ende 1995 bezogenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die am ... 1966 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Eine Ausbildung zur Bürofachkraft brach sie nach ca. einem Jahr ab, in der Folge war sie als Kunststoffspritzerin und zuletzt von November 1988 bis August 1994 bei der Firma U. P.l S. D. C. - UPS - in ... H. als Paketzustellerin tätig. Das Bruttoarbeitsentgelt betrug ca. 3500 DM monatlich.

Am 30. August 1992 erlitt die Klägerin einen schweren Motorradunfall, der zu multiplen Brüchen sowie Quetschungen an den Armen und Beinen führte. Es waren mehrere Operationen und zwei Anschlussheilbehandlungen notwendig. In den Jahren 1993 und 1994 wurde das nach dem Unfall implantierte Osteosynthese-Material entfernt. Seit dem Unfall geht die Klägerin keiner Berufstätigkeit mehr nach und das Arbeitsverhältnis wurde dann im Jahre 1994 beendet.

Bereits am 12. Januar 1994 hatte die Klägerin, die bis dahin Krankengeld bezog, bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt, die ihr als Zeitrente bis zum 31. Dezember 1995 gewährt wurde.

Auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin vom 20. September 1995 hin ließ die Beklagte diese durch die Orthopädin Dr. H. untersuchen. Die Beklagte gelangte daraufhin zu der Auffassung, die Klägerin könne nach Wegfall der Zeitrente wieder leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichten, stellte die Entscheidung jedoch bis zur Durchführung der von Dr. H. empfohlenen Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation zurück und gewährte der Klägerin Übergangsgeld vom 01. Januar 1996 bis zum 05. März 1997.

Vom 12. Februar 1997 bis 05. März 1997 wurde das Heilverfahren im Rehabilitationsklinikum H. F. in B. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 19. März 1997 wurden die Diagnosen Funktionsdefizite der linken unteren Extremität bei Muskelatrophie, Peroneusparese, Zustand nach Polytrauma, Gonarthropathie links mit Bandinstabilität bei 1995 diagnostizierter Teilruptur des vorderen Kreuzbandes und Cervikokranialsyndrom gestellt. Insgesamt sei mit verbesserter Kondition, partieller Dekontraktion unter Berücksichtigung einer psychischen Stabilisierung ein recht befriedigendes Reha-Ergebnis erzielt worden. Die Klägerin selbst könne nach eigener Einschätzung höchstens zwei Stunden täglich arbeiten und strebe daher eine Rente an. Seitens der behandelnden Ärzte in der Reha-Maßnahme jedoch werde sie für vollschichtig leistungsfähig für leichte Tätigkeiten erachtet. Gestützt hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Dezember 1997 den Weitergewährungsantrag ab.

Hiergegen richtete sich der Widerspruch der Klägerin vom 07. Januar 1998. Die Beklagte zog einen Bericht der behandelnden Physiotherapeutin Sch. aus Neuruppin und der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. W. bei. Bei der Klägerin, die bei ihr seit September 1997 in monatlicher bis quartalsweiser Behandlung sei, bestünden die Folgen des Motorradunfalls, die als Funktionseinschränkung eine Hypästhesie links lateral mit einer deutlichen Atrophie der Wadenmuskulatur links auch am Oberschenkel bewirkt hätten. Die Klägerin sei daher zeitlich nur kurzfristig belastbar. Der behandelnde Orthopäde und Chirotherapeut Dr. K. berichtete mit dem Datum vom 06. Mai 1998 ebenfalls über den Zustand nach Polytrauma. Als Funktionseinschränkung seien erhebliche Beschwerden am linken Bein - sie trage dort eine Schiene - eine Instabilität des linken Ganggelenks und eine muskuläre Insuffizienz des gesamten linken Beines verblieben. Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch den Oberarzt der Orthopädischen Klinik des O. P, Dr. K. begutachten. Dieser diagnostizierte am 06. Oktober 1998:

1. Komplette Fußheberlähmung, partielle Einsteifung des linken Sprunggelenkes, Funktionsstörung und Instabilität des linken Kniegelenkes mit beginnenden Aufbraucherscheinungen nach Polytrauma.
2. Funktionelles Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule.
3. Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C 5/C 6.
4. Chronisches Exanthem beider Hohlhände bei bekannter Nickelallergie.

Im Vordergrund stünden die Funktionseinschränkungen im Bereich der linken unteren Extremität, die zu Einschränkungen der Belastbarkeit und der Geh- und Stehfähigkeit führe. Durch das unharmonische Gangbild sei es bereits zu funktionellen Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich gekommen. Daneben bestehe, unter Umständen unfallunabhängig, eine geringgradige Bandscheibenerkrankung im Halswirbelsäulenbereich. Dies führe dazu, dass die Klägerin nur noch Tätigkeiten im überwiegenden Sitzen unter Vermeidung von Schwerarbeiten durchführen könne. Eine Tätigkeit in Zwangshaltungen sei ebenso zu vermeiden wie Überkopfarbeiten. Insgesamt jedoch könnten leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung dieser Einschränkungen vollschichtig verrichtet werden. Als Paketzustellerin könne sie nicht mehr arbeiten. Ein üblicher Arbeitsweg sei ebenso wie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel möglich. Die Klägerin selbst habe eine beschwerdefreie Gehstrecke von etwa 20 Minuten angegeben, so dass der normale Arbeitsweg bewältigt werden könne. Die mögliche Gehstrecke würde mit 400 m angegeben. Die Klägerin teilte auf eine Anfrage der Beklagten mit, sie besitze einen Führerschein und es sei ein Auto auf ihren Namen zugelassen, das allerdings von ihrem (damaligen) Freund (dem jetzigen Ehemann) verwendet werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin könne nach den medizinischen Feststellungen noch vollschichtig leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die für sie zumutbar seien, verrichten, so dass sie weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Sie könne entsprechende Arbeitsstätten auch aufsuchen, da sie im Besitz einer Fahrerlaubnis sei und Arbeitsstätten mit dem auf sie zugelassenen Pkw aufsuchen könne.

Hiergegen hat sich die am 30. April 1999 beim Sozialgericht Neuruppin erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin vorgetragen hat, ihr Gesundheitszustand lasse eine regelmäßige Vollzeitbeschäftigung nicht mehr zu.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem Ende der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid berufen.

Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte der behandelnden Allgemeinmedizinerin Dr. W. und des behandelnden Orthopäden Dr. K. beigezogen und sodann mit Beweisanordnung vom 19. April 2000 den Orthopäden Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt.

In dem am 30. November 2000 erstatteten Gutachten hat Dr. R. folgende Diagnosen gestellt:

1. Degeneratives HWS- und LWS-Syndrom bei statisch muskulärer Fehlhaltung und wiederkehrenden Blockierungen.
2. Inkomplette Ischiadicuslähmung li. mit Fußheber- und -senkerlähmung li.
3. Kniegelenksabnutzung li. mit Einschränkung der Bewegungsfunktion bei vorderer Instabilität.
4. Wackelsteifigkeit li. oberes und unteres Sprunggelenk.
5. Beinverkürzung li. 1 cm mit statischer Beckenfehlhaltung und wiederkehrendem Hüftgelenksschmerz bei Muskelschwäche li. Gesäßmuskulatur und Oberschenkelmuskulatur.
6. Durchblutungsstörung/Regulierungsstörung li. untere Extremität bei Zustand nach Kompartementsyndrom.
7. Zustand nach vollständig ausgeheiltem Schlüsselbeinbruch li., kompletten Unterarmbruch li., Speichenbruch re., Nagelbettverletzung 4. Finger re., Handgelenksausrenkung re., Unterschenkelbruch re., Oberschenkelbruch li.,Unterschenkelbruch li.

Die festgestellte Minderung der Leistungsfähigkeit sei Folge des privat erlittenen Motorradunfalls vom August 1992, wobei nunmehr seit etwa März 1997 ein kontinuierlicher Gesundheitszustand vorläge, der sich nicht mehr wesentlich verändert habe. Durch weitere intensive Maßnahmen könne eine weitere Stabilisierung sowie eine geringfügige Besserung erzielt werden. Die feststellbaren Einschränkungen der Leistungsfähigkeit jedoch seien seit März 1997 unverändert vorhanden gewesen und werden dies auch auf absehbare Zeit sein, ohne dass mit einer wesentlichen Besserung gerechnet werden könne. Die Klägerin könne keine Lasten von mehr als 5 kg mehr heben und tragen, keine Arbeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Arbeiten mit starker Rumpfbeugung, häufige Überkopfarbeiten, Armvorhaltetätigkeit mit mehr als 2 kg, Arbeiten im Gehen und Stehen, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten im Knien und Hocken sowie auf unebenem Gelände, Arbeiten im Einbeinstand, Arbeiten mit häufigem Benutzen von Treppen, Arbeiten von mehr als 5 Minuten Stehen oder Gehen hintereinander sowie von mehr als einer Gehstrecke von 750 m ununterbrochen verrichten. Auch Arbeiten mit Bedienung von Pedalen des linken Beines sowie Führen von Fahrzeugen mit Fußschaltung des linken Beines seien nicht mehr möglich. Leichte körperliche Tätigkeiten wie Büroarbeiten, Verwaltungsaufgaben, kaufmännische Tätigkeiten, Pförtnerin oder allgemeine leichte Frauenarbeiten seien noch vollschichtig möglich. Bei Aufnahme einer solchen Tätigkeit sei nicht damit zu rechnen, dass aus medizinisch objektivierbaren Gründen eine häufige oder längere Arbeitsunfähigkeit resultiere. Die Klägerin sei in der Lage, Wegstrecken von mehr als 500 m bis 1000 m viermal täglich in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Dies stelle keine unzumutbare körperliche Anstrengung oder erhebliche Schmerzen produzierende Belastung dar. Eine wesentliche Gefährdung der Gesundheit resultiere daraus nicht. Sie sei in der Lage, ein privates Verkehrsmittel - Pkw - selbständig zu führen, wobei aufgrund der Lähmungen im linken Bein ein Automatikgetriebe gefahren werden sollte. Öffentliche Verkehrsmittel könnten ebenfalls zweimal täglich zugemutet werden.

Mit Urteil vom 12. April 2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme sei die Klägerin nicht erwerbsunfähig, da sie leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig verrichten und einen Arbeitsplatz erreichen könne.

Gegen dieses, der Klägerin nach ihren Angaben am 11. Mai 2001 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 11. Juni 2001 (Eingang).

Eine Prüfung des Anspruchs der Klägerin auf Rente wegen Berufsunfähigkeit sei nicht vorgenommen worden, die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei verneint worden, ohne dass dargelegt worden sei, wie die Klägerin Einkünfte erzielen könne.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 12. April 2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. April 1999 zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 06. März 1997, hilfsweise, Rente wegen Erwerbsminderung ab 01. Januar 2001 zu gewähren und die höchste Leistung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat erneut Befundberichte der behandelnden Ärzte, des Orthopäden Dr. K. und der Allgemeinmedizinerin Dr. W. beigezogen. Dr. K. gegenüber hat die Klägerin geäußert, sie könne maximal 1 km ohne Stock laufen und habe Belastungsschmerzen im linken Kniegelenk, rezidivierende Kopfschmerzen sowie Schulter-Arm-Schmerzen links. Er habe weder Arbeitsunfähigkeit noch eine wesentliche Verschlechterung festgestellt. Dr. W. berichtete über einen relativ stationären Befund, was den Zustand nach Polytrauma anginge, allerdings sei eine Cholecystolithiasis hinzugetreten, die zu einer Gewichtsabnahme geführt habe. Entsprechende Untersuchungsbefunde hat sie beigefügt.

Diese Unterlagen hat der Senat dem Orthopäden Dr. R. unter Ernennung zum Sachverständigen auch für die zweite Instanz zur Stellungnahme zugeleitet. Unter dem Datum vom 06. Mai 2002 hat dieser die Auffassung vertreten, die eingeholten neuen Befunde führten nicht zu einer Veränderung des festgestellten Leistungsvermögens. Eine erneute Untersuchung sei nicht notwendig. Die Klägerin, der mit Schriftsatz vom 24. Mai 2002 mitgeteilt worden war, dass derzeit nicht beabsichtigt sei, von Amts wegen weiteren medizinischen Beweis zu erheben und die mit einer Fristsetzung zum 15. Juni 2002 auf § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - hingewiesen worden war, hat mit Schreiben vom 06. Juni 2002 mitgeteilt, es werde weder ein Sachverständiger benannt noch eine Stellungnahme zum Bericht des Sachverständigen Dr. R. abgegeben.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit nach altem noch wegen Erwerbsminderung nach neuem Recht.

Nach § 43 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - in der Fassung vor dem 01. Januar 2001 (SGB VI a. F.), haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind und weitere - beitragsbezogene - Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs. 2 SGB VI a. F.). Die Klägerin ist hiernach nicht berufsunfähig. Sie kann Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, die ihr sozial und medizinisch zumutbar sind, noch vollschichtig ausüben.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (Bundessozialgericht - BSG - SozR 2200 § 1246 Nrn. 53, 94, 130). Maßgeblicher Beruf der Klägerin ist hiernach derjenige der Paketzustellerin bei der UPS.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. können Versicherten grundsätzlich solche Tätigkeiten zugemutet werden, die in ihrer Wertigkeit dem bisherigen Beruf nicht zu fern stehen (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50 m.w.N.).

Nach dem vom BSG zur Bestimmung dieser Wertigkeit entwickelten Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe in vier Gruppen eingeteilt, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des "angelernten" Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des "ungelernten" Arbeiters (Einarbeitung bzw. Einweisung von weniger als drei Monaten). Im Rahmen dieses Mehrstufenschemas dürfen Versicherte, ausgehend von einer hiernach erfolgten Einstufung des bisherigen Berufs nur auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden.

Die Tätigkeit der Klägerin als Paketzustellerin bei UPS ist der Gruppe der Anlerntätigkeiten mit einer Einarbeitung von unter drei Monaten zuzuordnen. Abgesehen vom Besitz des Führerscheins der Klasse III sind hierzu keine spezifischen Kenntnisse erforderlich. Die Streckeneinweisung, die zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist, stellt keine spezifische Berufsqualifikation dar, sondern muss von jedem nicht vollständig Ortskundigen durchlaufen werden. Dies hat die Klägerin auch selbst so dargelegt. Es handelt sich auch nicht um die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers. Die Klägerin hat eine entsprechende Prüfung nicht abgelegt und es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass sie über die Einweisung hinaus eine Ausbildung durchlaufen hat.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu Paketzustellern bei der ehemaligen Deutschen Bundespost (BSG vom 25. Oktober 1995, 5 RJ 30/95), wonach bei Paketzustellern der Post, die eine Prüfung für den einfachen Postdienst bestanden haben, eine Eingruppierung als Facharbeiter in Betracht komme, ist hier nicht einschlägig. Die Klägerin hat eine derartige Prüfung, auf die es nach der Rechtsprechung des BSG für die Eingruppierung als Facharbeiter wesentlich ankommt, nicht absolviert.

Dementsprechend ist die von der Beklagten vorgenommene Verweisung der Klägerin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu beanstanden. Da angelernte Arbeiter des unteren Bereichs nach der Rechtsprechung des BSG auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden können, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz SGB VI a. F.), ist die Klägerin nicht berufsunfähig. Denn sie kann, ausgehend von dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch vollschichtig verrichten. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. R., die durch alle anderen beigezogenen medizinischen Unterlagen im Ergebnis bestätigt werden. Die Klägerin kann beispielsweise in leichten Bürotätigkeiten noch vollschichtig arbeiten.

Sie kann derartige Arbeitsstellen auch sowohl mit öffentlichen Verkehrsmitteln als auch mit einem eigenen mit Automatikgetriebe ausgestatteten Pkw erreichen.

Dementsprechend ist die Klägerin auch nicht erwerbsunfähig gemäß § 44 SGB VI a. F. Dafür wären noch weitergehende Beeinträchtigungen als für die Rente wegen Berufsunfähigkeit erforderlich.

Der Klägerin kann auch keine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SBB VI in der seit dem 01. Januar 2001 geltenden Fassung gewährt werden, denn sie ist noch nicht einmal teilweise erwerbsgemindert.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind Versicherte teilweise erwerbsgemindert, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Voraussetzung kann notwendigerweise bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen nicht vorliegen.

Berufung und Klage mussten daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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