L 1 RA 118/93 W 01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 12 RA 462/93
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 RA 118/93 W 01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rentenhöhe.

Der 1922 geborene Kläger ist Bestandsrentner des Beitrittsgebietes. Er war bis März 1983 versicherungspflichtig beschäftigt, seit 1963 in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz einbezogen und seit 1972 in der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) versichert. Seit April 1983 bezog er eine Rente, zunächst wegen Invalidität. Sie betrug zuletzt im Juni 1990 1.349,00 Mark der DDR (M). Die zum 1. Juli 1990 auf DM umgestellte Rente wurde nach dem Beitritt der DDR unter teilweiser Abschmelzung der Zusatzversorgung nach der 1. und 2. Rentenanpassungsverordnung angepasst. Zum 1. Januar 1992 wertete die nunmehr zuständige Beklagte die aus dem Zusatzversorgungssystem überführte Leistung einschließlich der Rente aus der Sozialversicherung nach dem neuen Rentenrecht (Sozialgesetzbuch [SGB] VI) um, und zwar - dem Gesetz entsprechend - zunächst nach einem pauschalierten Berechnungsverfahren.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin (SG) verlangte der Kläger insbesondere die endgültige individuelle Rentenneuberechnung ab 1. Juli 1990 nach dem SGB VI und verfolgte sein Begehren nach Abweisung der Klage durch Urteil vom 12. August 1993 mit der Berufung weiter.

Im Laufe des Berufungsverfahrens führte die Beklagte die individuelle Neuberechnung der Rente nach § 307 b SGB VI entsprechend den verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 307 c SGB VI durch und erteilte einen neuen Rentenbescheid für die Zeit ab 1. Juli 1990, den sie - unter Berücksichtigung insbesondere unbeachtet gebliebener Beiträge von 1951 bis 1963 - durch einen weiteren Neufeststellungsbescheid ersetzte (Rentennachzahlung von Januar 1991 bis Mai 1995 in Höhe von 27.378,45 DM).

Schließlich berechnete die Beklagte die Rente des Klägers nach Maßgabe des durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 geänderten § 307 b SGB VI neu. Diese Neuberechnung ersetzte sie auf Einwendungen des Klägers hin durch den Bescheid vom 14. Februar 2002, der aufgrund einer höheren so genannten Vergleichsrente für die Zeit ab Juli 1992 zu einer Nachzahlung von 6.803,34 Euro bei einer laufenden Regelaltersrente ab 1. April 2002 in Höhe von 1.538,30 Euro - statt bis dahin 1.467,81 Euro - führte.

Gegen den Bescheid vom 14. Februar 2002 wendet sich der Kläger noch insoweit, als die Beklagte den für Juli 1990 bestandsgeschützten Zahlbetrag aus Sozialversicherungs- und Zusatzversorgungsrente entsprechend den Anpassungsvorschriften für den aktuellen Rentenwert dynamisiert sowie bei der Berechnung der Vergleichsrente auf der Grundlage der letzten 20 Kalenderjahre vor dem Ende der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung (1963 bis 1982) für die Zeit bis 28. Februar 1971 nur das in der Sozialversicherung (bis zur Höhe von 600,00 M monatlich) versicherte Arbeitsentgelt berücksichtigt hat. Beide Berechnungsweisen entsprächen zwar dem Gesetz. Er halte sie jedoch für verfassungswidrig. Auch der bestandsgeschützte Zahlbetrag seiner Rente müsse - ebenso wie seine (nach allgemeinen Vorschriften berechnete) SGB VI-Rente - entsprechend dem aktuellen Rentenwert (Ost) angepasst werden. Durch die Regelung des § 307 b SGB VI neuer Fassung (n.F.) zur Vergleichsrente werde in Verletzung des § 2 Abs. 2 AAÜG die Überführung der in Versorgungssystemen erworbenen Ansprüche und Anwartschaften für die Zeit bis zum 28. Februar 1971 aufgehoben.

Der Kläger beantragt,

die Regelaltersrente neu festzustellen und unter Abänderung des Bescheides vom 14. Februar 2002 die Beklagte zu verurteilen, die Anpassung des besitzgeschützten Zahlbetrages ab 1. Januar 1992 nach den Anpassungssätzen für die neuen Bundesländer (Rentenanpassung nach Ost-Modus) vorzunehmen sowie bei der Berechnung der Vergleichsrente für Zeiten vor dem 1. März 1971 auch das nicht in der Sozialversicherung versicherte Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (einschließlich der Akte des SG - S 12 RA 462/93 -) und der Beklagtenakten ( verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2002, der alle vorangegangenen Rentenbescheide für die Zeit ab 1. Juli 1990 ersetzt hat. Dieser Bescheid ist gemäß §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über ihn ist kraft Klage zu entscheiden.

Die Klage ist unbegründet.

1. Die Regelung des § 307 b Abs. 5 SGB VI in der Fassung des 2. AAÜG-ÄndG, wonach der (nach dem Einigungsvertrag) besitzgeschützte Zahlbetrag zum 1. Juli eines jeden Jahres (beginnend mit dem Jahr 1992, vgl. § 307 b Abs. 7 SGB VI n.F.) mit dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs. 7, 68 SGB VI) - d.h. entsprechend den allgemeinen Vorschriften, also nicht mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) gemäß § 255 a SGB VI - anzupassen ist, ist nicht verfassungswidrig. Sie beruht auf den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Entscheidung vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95 - 1 BvR 2105/95 - (= SozR 3-8570 § 10 Nr. 3) und der verfassungskonformen Auslegung durch das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 3. August 1999 - B 4 RA 24/98 R - (= SozR 3-2600 § 307 b Nr. 8).

Der Kläger verkennt, dass es bei der Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrages - anders als bei der Dynamisierung der nach der Rentenformel berechneten SGB VI-Rente (vgl. § 254 b SGB VI als Sonderregelung zur allgemeinen Rentenformel gemäß § 64 SGB VI) - nicht darum geht, vermittels eines besonderen aktuellen Rentenwerts (Ost) durch vergleichsweise höhere Anpassungsschritte (Prozentsätze) die Renteneinkommen im Beitrittsgebiet - entsprechend der allgemeinen Angleichung der Einkommen in den alten und neuen Bundesländern - den Renteneinkommen in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet anzugleichen. (Verfassungsgemäßer) Zweck der Dynamisierung des bestandsgeschützten Zahlbetrages ist es vielmehr allein, inflationsbedingte Währungs(wert)verluste (Kaufkraftverluste) seines Nominalwertes auszugleichen. Das hat das BSG in seiner jüngsten Entscheidung hierzu im Einzelnen eingehend und überzeugend dargelegt (BSG-Urteil vom 30. Juli 2002 - B 4 RA 27/01 R -). Der Senat macht sich dies zu eigen und verweist darauf.

2. Nicht zu beanstanden ist auch die Berechnung der Vergleichsrente nach § 307 b SGB VI durch die Beklagte.

Nach § 307 b SGB VI in der für Personen, für die - wie den Kläger - am 28. April 1999 ein Rentenbescheid noch nicht bindend war, rückwirkend ab 1. Januar 1992 geltenden Fassung des 2. AAÜG-ÄndG (vgl. Art. 13 Abs. 5 2. AAÜG-ÄndG) ist für Bestandsrentner aus überführten Renten des Beitrittsgebiets neben der nach den Vorschriften des SGB VI neu berechneten Rente für die Zeit vom 1. Januar 1992 an auf der Grundlage der Arbeitsentgelte der letzten 20 Kalenderjahre vor dem Ende der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zusätzlich eine Vergleichsrente zu ermitteln; die höhere der beiden Renten ist zu leisten (§ 307 b Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 SGB VI n.F.). Dabei sind Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen für Zeiten vor dem 1. März 1971 bis zu höchstens 600,00 M für jeden belegten Kalendermonat zu berücksichtigen (Abs. 3 Nr. 3 Satz 2). Die Beklagte hat die Rente des Klägers den Vorschriften des § 307 b SGB VI n.F. entsprechend zutreffend berechnet und zahlt seine Regelaltersrente demnach als Vergleichsrente, weil diese auch höher ist als der "weiterzuzahlende Betrag" sowie der nach dem Einigungsvertrag besitzgeschützte Zahlbetrag (§ 307 b Abs. 4 SGB VI n.F.).

Eine höhere (Vergleichs-) Rente steht dem Kläger demnach nicht zu, auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen. Die von ihm beanstandete Bestimmung, dass - bei der Vergleichsrente - Arbeitsentgelte für Zeiten vor dem 1. März 1971 bis zu höchstens 600,00 M für jeden belegten Kalendermonat zu berücksichtigen seien, ist nicht verfassungswidrig.

Die Regelungen zur Ermittlung einer Vergleichsrente für Bestandsrentner aus überführten Renten des Beitrittsgebiets, die erst durch das 2. AAÜG-ÄndG vom 27. Juli 2001 in § 307 b SGB VI eingefügt worden sind, erfolgten in Umsetzung des Urteils des BVerfG vom 28. April 1999 - 1 BvR 1926/96 - 1 BvR 485/97 - (= SozR 3-2600 § 307 b Nr. 6). Das BVerfG erklärte es als mit dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz [GG]) unvereinbar, dass bei der Neuberechnung von Bestandsrenten aus Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der DDR für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte (Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt würden, während für die sonstigen Bestandsrentner im Beitrittsgebiet nach § 307 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI ein 20-Jahres-Zeitraum maßgeblich sei, nämlich (entsprechend dem Rentenrecht der DDR) die - regelmäßig verdienstgünstigeren - letzten 20 Jahre des Arbeitslebens. Danach galt es, für Bestandsrenten aus überführten Renten des Beitrittsgebiets eine dem § 307 a SGB VI entsprechende Vergleichsrente zu schaffen.

Das hat der Gesetzgeber insbesondere auch mit der Regelung des § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI n.F. getan. Denn die Regelung, dass Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen für Zeiten vor dem 1. März 1971 bis zu höchstens 600,00 M für jeden belegten Kalendermonat zu berücksichtigen seien, entspricht der Vorschrift des § 307 a SGB VI über die sonstigen Bestandsrenten. Bis zur Einführung der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung am 1. März 1971 betrug die Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung der DDR 600,00 M monatlich, so dass diesen Betrag übersteigende Entgelte bei der Rentenberechnung nicht berücksichtigt werden konnten. Das galt folglich auch bei der Umwertung der sonstigen Bestandsrenten ("reine" Sozialversicherungsrenten einschließlich der Zusatzrenten aus der FZR) auf der Grundlage des § 307 a SGB VI. Von daher bestand keine Veranlassung, bei der Vergleichsrente für Bestandsrenten aus überführten Renten des Beitrittsgebiets insoweit eine günstigere Regelung zu treffen. Vielmehr gewährleistete gerade eine Gleichbehandlung auch insoweit die verfassungsrechtlich gebotene Vergleichbarkeit mit der Berechnung von Entgeltpunkten aus Bestandsrenten im Beitrittsgebiet ohne Sonder- und Zusatzversorgungszeiten (vgl. Bundestags-Drucksache 14/5640 S. 17; Kreikebohm in GK-SGB VI § 307 b Rz 47).

Dabei kann nicht außer Betracht bleiben, dass ehemals Zusatzversorgte gegenüber allein in der Sozialversicherung versichert Gewesenen ohnehin insofern im Vorteil sind, als bei jenen zur Ermittlung der Entgeltpunkte grundsätzlich auf das gesamte erzielte Arbeitsentgelt bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze ohne Rücksicht auf individuelle Beitragszahlung in der DDR, bei diesen aber nur auf den Verdienst abgestellt wird, für den Beiträge gezahlt wurden (vgl. BSG-Urteil vom 3. August 1999 - B 4 RA 50/97 R - = SozR 3-2600 § 307 b Nr. 7 S. 57, 70). Dann ist es aber im Rahmen der Regelung einer Vergleichsrente für Bestandsrenten ehemals Zusatzversorgter angemessen, diesen den genannten Vorteil nur für jene Zeiten zu belassen, in denen auch ehemals Sozialversicherte (durch Einführung der FZR) die Möglichkeit hatten, 600,00 M übersteigende Arbeitsentgelte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte berücksichtigt zu bekommen.

Die Regelung des § 307 b Abs. 3 Nr. 3 Satz 2 SGB VI n.F. greift schließlich auch nicht in verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrechte (Art. 14 GG) des Klägers ein. Wenn der Kläger in dieser Regelung eine "Aufhebung" nach § 2 Abs. 2 AAÜG überführter Ansprüche erblickt, verkennt er, dass ihm die (höhere) Vergleichsrente allein aus Gründen der Gleichbehandlung zusteht, nicht aber aufgrund verletzter Eigentumsrechte. Sein Renteneigentum ist hinreichend durch den "besitzgeschützten Zahlbetrag" bzw. die bereits ab Januar 1991 höhere (auch den "weiterzuzahlenden Betrag" übersteigende) monatliche Rente nach den (Regel-) Vorschriften des SGB VI gewahrt, deren Berechnung sein gesamtes (gemäß Anlage 10 zum SGB VI hochgerechnetes [vgl. § 256 a in Verbindung mit § 259 b SGB VI sowie §§ 5 Abs. 1 und 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG]) Arbeitsentgelt bis zur bundesdeutschen Beitragsbemessungsgrenze zugrunde liegt.

Die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG berücksichtigt die im Laufe des Verfahrens erfolgten Rentenerhöhungen auf Einwendungen des Klägers hin.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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