L 5 RJ 71/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 21 J 1325/95
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 RJ 71/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte dem Kläger nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist nur noch die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der am ... 1944 geborene Kläger, der nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, hat seit 1958 im Beitrittsgebiet als Schlosser und Schweißer gearbeitet, zuletzt seit 1976 bei der Firma E. Seit dem 3. Mai 1994 ist er durchgehend arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung zum 30. Juli 1994 beendet.

Am 9. Juni 1994 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und machte geltend, wegen eines seit März 1993 bestehenden Blasenleidens, das zur Feststellung seiner Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von 60 geführt habe, zu keiner Erwerbstätigkeit mehr in der Lage zu sein. Die Beklagte ermittelte in seinem Versicherungskonto 416 Beitragsmonate, davon 49 in der Zeit vom 9. Juni 1989 bis 8. Juni 1994, und ließ den Kläger nach Beiziehung medizinischer Unterlagen über seine wiederholten stationären Behandlungen von Dr. A. untersuchen. Dieser gab in seinem am 20. September 1994 abgeschlossenen Gutachten als Diagnosen ein rezidivierendes Harnblasen-Karzinom bei Zustand nach Transurethaler Resektion - TUR - im März 1993 sowie März und Juli 1994, eine Magenschleimhautentzündung sowie einen Zustand nach Knietrauma rechts infolge eines Fahrradunfalles an und führte zum Leistungsvermögen aus, zwar würden die Harnblasenpapillome in verschiedenen Abständen weiter auftreten, der Kläger sei aus urologischer Sicht jedoch in der Lage, leichte Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Knien und Hocken sowie Gefährdung durch Kälte vollschichtig zu verrichten.

Vom 24. Januar bis 21. Februar 1995 führte der Kläger in der F.-Klinik in Bad S. ein von der Beklagten bewilligtes stationäres Heilverfahren durch, aus dem er mit der Annahme eines nach noch einwöchiger Arbeitsunfähigkeit vollschichtigen Leistungsvermögens für mittelschwere Arbeiten ohne Knien und Hocken entlassen wurde. Daraufhin lehnte die Beklagte seinen Rentenantrag mit Bescheid vom 26. Mai 1995 ab. Seinen hiergegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er sich nach nunmehr viermaliger Blasenoperation körperlich so geschwächt fühle, dass er nicht mehr leistungsfähig sei. Nach Beiziehung eines Berichtes des S.-Krankenhauses über eine erneute TUR am 26. Mai 1995 führte die Urologin L. aus, dass weiterhin kein bösartiger Blasentumor vorliege, sondern lediglich ein Papillom, das nicht zu einer Minderung des Leistungsvermögens führe. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 1995 mit der Begründung zurück, mit dem festgestellten Leistungsvermögen sei der auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbare Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch - SGB - VI, noch invalide im Sinne von Art. 2 § 7 Abs. 3 des Rentenreformgesetzes - RRG - 1992 in der Fassung des Renten-Überleitungsgesetzes - RÜG -.

Mit der am 22. September 1995 erhobenen Klage hat der Kläger sein Rentenbegehren weiterverfolgt und geltend gemacht, dass es bei ihm aufgrund der häufigen Operationen und nachfolgenden medikamentösen Behandlungen, die er nicht vertrage, zu langanhaltenden Ausfallzeiten komme. Er genieße als Schlosser Facharbeiterschutz, so dass jedenfalls Berufsunfähigkeit gegeben sei.

Das Sozialgericht hat die Schwerbehindertenakte des Klägers und ein nach Aktenlage erstelltes Gutachten des Arbeitsamtes B. beigezogen und Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt, und zwar von der Allgemeinmedizinerin Dr. W., dem Chirurgen Dr. E. und den Urologen Dr. G. und Dr. W. Ferner hat das Gericht die Firma E. um eine Arbeitgeberauskunft gebeten. Auf Anforderung der Kammer hat der Oberarzt der Urologischen Klinik des U.-Klinikums B. F. Dr. K. ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet. In seinem Gutachten vom 27. Juni 1996, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat der Sachverständige beim Kläger ein rezidivierendes, oberflächliches multilokuläres Harnblasenkarzinom sowie eine chronische Gastritis diagnostiziert. Im Februar 1996 sei erneut eine TUR durchgeführt worden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei mit weiteren Rezidiven zu rechnen, die im Rahmen einer operativen Entfernung zu wiederholter kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit führen würden. Bleibende Schäden infolge dieser Erkrankung seien bislang nicht erkennbar. Der Kläger könne noch täglich regelmäßig vollschichtig mittelschwere Arbeiten im Freien sowie in geschlossenen Räumen mit häufigem Wechsel der Haltungen verrichten, wobei einseitige körperliche Belastungen sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten wegen der Knieschädigung rechts zu vermeiden seien. Keine Einschränkungen bestünden für Arbeiten unter Zeitdruck, an laufenden Maschinen sowie in Wechsel- oder Nachtschicht. Die geistigen Fähigkeiten des Klägers seien nicht beeinträchtigt. Besonderheiten für den Weg zur Arbeit seien nicht zu berücksichtigen, die üblichen Pausen reichten aus. Nach Einwendungen des Klägers hat Dr. K. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 11. Oktober 1996 dargelegt, dass eine prophylaktische Chemotherapie bei einem oberflächlichen Harnblasentumor, wie er beim Kläger nachgewiesen sei, üblicherweise als wöchentliche, zweiwöchentliche oder monatliche Einmalgabe ambulant ausgeführt werde, wobei in der Regel keine ausgeprägte Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens eintrete, so dass eine solche Tumorprophylaxe allein nicht zu Arbeitsunfähigkeit führe.

Mit Rücksicht auf vom Kläger mitgeteilte weitere TUR im November 1996 und Februar 1997 hat das Gericht nochmals einen Befundbericht von Dr. W. eingeholt, den dieser unter dem 6. April 1997 erstattet und einen Bericht über eine eintägige stationäre Harnblaseninstillation mit dem Medikament BCG beigefügt hat.

Schließlich hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - der Arzt für Allgemeinmedizin und Urologie Dr. V. ein schriftliches Sachverständigengutachten vom 18. Juli 1996 erstattet, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. An Diagnosen hat der Gutachter genannt:

1. Blasentumorleiden (Krebs bisher ohne Tiefenwachstum)

2. Rezidivierende Magen-Schleimhautentzündung

3. Abnutzungserscheinung an der Lendenwirbelsäule und an den Kniegelenken mit Schädigung des Lendennervengeflechtes

4. Depressive Stimmungslage

5. Neigung zu Kreislaufstörungen mit Schwindelanfällen

6. Leichte Schwerhörigkeit links

Das Leistungsvermögen des Klägers hat der Gutachter dahingehend eingeschätzt, dass er nur noch körperlich leichte Tätigkeiten ohne Lärmbelästigung in geschlossenen Räumen unter Ausschluss von Hitze, Kälte, Feuchtigkeit und Zugluft überwiegend im Sitzen mit Wechsel zum Gehen und Stehen, ohne Zeitdruck, festgelegten Arbeitsrhythmus und Nachtschicht verrichten könne. Lasten könne er nur bis 5 kg bewältigen. Durch die depressive Stimmungslage seien seine geistigen Fähigkeiten eingeschränkt. Die tägliche Arbeitszeit müsse auf drei Stunden täglich eingeschränkt werden. Begründet wird dies mit der ausgeprägten Rezidivneigung des Blasenkarzinoms, den jeweils erforderlichen, mit Komplikationen verbundenen Chemotherapien, der Verschlechterung des Malignitätsgrades von G 1 auf G 2 sowie der seelischen Belastung der Klägers. Außerdem habe sich die Blasenkapazität verringert. Die häufigen stationären Behandlungen und Nachbehandlungen sowie die Folgen einer lokalen Chemotherapie führten zu sechs- bis neunmonatiger Arbeitsunfähigkeit pro Jahr. Die Prognose der Erkrankung sei aufgrund des Verlaufes nicht günstig zu beurteilen. Eine auf zwei oder drei Jahre befristete Berentung sei zu empfehlen, da sich dann auch gezeigt haben werde, ob eine wesentliche Besserung des Tumorleidens eingetreten sei.

Anschließend ist ein Bericht des S.-Krankenhauses über eine weitere TUR am 7. August 1997 zu den Akten gelangt.

Die Beklagte hat das Gutachten des Dr. V. unter Hinweis auf eine Stellungnahme der Urologin L. nicht für überzeugend gehalten, insbesondere weil ein invasives Wachstum der Tumorrezidive bisher nicht nachgewiesen sei.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 22. Mai 1998 die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 26. Mai 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 1995 verurteilt, dem Kläger aufgrund eines am 3. Mai 1994 eingetretenen Leistungsfalles vom 1. Juni 1994 bis zum 23. Januar 1995 Übergangsgeld sowie ab dem 22. Februar 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren und die Klage im Übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Gericht im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, die zulässige Klage sei zum Teil begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, das die Beurteilungen des Verwaltungsgutachtens weitgehend bestätigt habe, stehe fest, dass der Kläger gegenwärtig noch vollschichtig leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten könne, so dass bei ihm Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 SGB VI nicht vorliege. Diese Beurteilung stütze sich vor allem auf das umfassende und schlüssig erstellte Gutachten des Sachverständigen Dr. K. Die demgegenüber von Dr. V. vertretene Auffassung, dass die tägliche Arbeitszeit auf drei Stunden zu reduzieren sei, könne nicht überzeugen. Bislang sei eine maligne Tumorerkrankung nicht nachgewiesen. Es werde lediglich eine lokale Instillationstherapie durchgeführt, eine Chemotherapie mit hochtoxischen Zytostatika wie bei einem bösartigen Karzinom erfolge bisher nicht. Die TUR, die der Kläger jeweils gut vertragen habe, führten zu kurzfristigen Arbeitsunfähigkeitszeiten, die sich bei Unverträglichkeitsreaktionen der anschließenden Präventivtherapien zwar verlängern könnten, aber nicht zu einer dauerhaften Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens führten. Die von Dr. V. angestellten Prognosen über den weiteren Verlauf der Erkrankung müssten bei der Leistungsbeurteilung außer Betracht bleiben. Die zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen rechtfertigten nicht die Annahme, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr zu betriebsüblichen Arbeitsbedingungen einsetzbar sei.

Allerdings liege beim Kläger Berufsunfähigkeit vor. Der Kläger sei aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit einem gelernten Schlosser gleichzusetzen und genieße Berufsschutz als Facharbeiter. Da er seit dem Eintritt der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit am 3. Mai 1994 nicht mehr als Schlosser arbeiten könne und auch keine ihm zumutbare Verweisungstätigkeit ersichtlich sei, stehe ihm für die Zeit ab 22. Februar 1995 Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie vom 1. Juni 1994 bis zum 23. Januar 1995 vorstationäres Übergangsgeld zu.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 19. August 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. August 1998 Berufung eingelegt und geltend gemacht, das Sozialgericht sei rechtsfehlerhaft dem Gutachten des Dr. K. gefolgt, das gravierende Fehler aufweise. Insbesondere habe Dr. K. die Auswirkungen seiner Erkrankung verkannt. Die Operationen führten keineswegs nur zu kurzfristigen Arbeitsunfähigkeitszeiten, weil er auch während der nachfolgenden Chemotherapien, die er nicht gut vertragen könne, arbeitsunfähig sei, und zwar mindestes drei Monate pro Jahr. Damit sei er für keinen Arbeitgeber haltbar, was nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Annahme eines verschlossenen Arbeitsmarktes führe, so dass ihm eine Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Aber auch zwischen den akuten Behandlungsphasen sei er nicht vollschichtig leistungsfähig, weil er spätestens alle zwei Stunden die Blasen entleeren müsse und dadurch keinen geregelten Schlaf bekomme. Zu der ständigen Müdigkeit und Abgespanntheit komme die Sorge um die rezidivierende Tumorkrankheit, was zu depressiven Stimmungen, Magenschleimhautentzündungen und Schwindelanfällen führe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 22. Mai 1998 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Mai 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. September 1995 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 22. Februar 1995 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat dem Kläger mit Bescheid vom 1. Dezember 1998 Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 22. Februar 1995 bewilligt.

Der Senat hat Befundberichte von den behandelnden Ärzten des Klägers eingeholt, und zwar von der Internistin Dr. W., dem Arzt für Innere Medizin und Sportmedizin Dr. W., dem Urologen Dr. W. und der Chirurgin Dr. S., die im November 1999 sowie Mai und August 2000 dupuytrensche Kontrakturen und einen "schnellenden” Finger an der rechten Hand des Klägers operiert hat. Ferner hat der Senat Fotokopien aus der Schwerbehinderten-"Notakte” in Zusammenhang mit dem Bescheid vom 11. April 2000 zu den Akten genommen und den Beteiligten übersandt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen. Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht nur insoweit abgeändert, als damit auch die vom Kläger hilfsweise begehrten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit versagt worden sind. Darüber hinausgehende Ansprüche wegen Erwerbsunfähigkeit hat der Kläger gegen die Beklagte nicht.

Erwerbsunfähig sind nach § 44 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.

Das Blasenleiden, das nach Einschätzung aller behandelnden Ärzte und Gutachter beim Kläger im Vordergrund steht, hat sein Leistungsvermögen nicht im Sinne von so definierter Erwerbsunfähigkeit eingeschränkt.

Der Gutachter Dr. K. ist aufgrund der eingehenden Untersuchung des Klägers am 11. Juni 1996 zu der Einschätzung gelangt, dass er trotz der bei ihm außergewöhnlich hohen und ausgeprägten Rezidivneigung des seit 1993 auftretenden Urothelkarzinoms noch vollschichtig mittelschwere Arbeiten mit näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen verrichten könne. Diese Einschätzung hat der Sachverständige schlüssig damit begründet, dass die feingewebliche Untersuchung des bei den - damals - fünf operativen Eingriffen entfernten Gewebes in allen Fällen nur ein oberflächliches Harnblasenkarzinom der Tumorklassifikation pTa und maximals G II ergeben habe, zuletzt im Februar 1996 sei der feingewebliche Befund im Stadium pTa Grad I gewesen. Bleibende Schäden infolge dieser Erkrankung seien bisher nicht erkennbar. Die Ultraschalluntersuchung der Nieren und der Harnblase habe einen unauffälligen Befund ergeben, ebenso die Laboruntersuchungen. Die voraussichtlich zu erwartenden weiteren Rezidive würden im Rahmen einer operativen Entfernung - wie zuvor - zu zwar wiederholter, aber nur kurzfristiger Arbeitsunfähigkeit führen. Die vorgesehene weitere Chemotherapie war nach seinen Angaben ambulant möglich und führt regelmäßig nicht zu gravierenden Arbeitsunfähigkeitszeiten. Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung eines invasiven und damit in der Prognose ungünstigen Tumorrezidivs schätzte der Gutachter mit nur ca. 5 bis 10 % ein.

Gravierende Mängel, die diesem Gutachten anhaften sollen, vermag der erkennende Senat wie auch die Vorinstanz nicht festzustellen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem weiteren Gutachten des Dr. V., dessen abweichende Einschätzung, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht zu überzeugen vermag.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Dr. V. die von ihm angenommenen nicht nur qualitativen, sondern auch quantitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens ausdrücklich erst ab dem Zeitpunkt seiner Untersuchung des Klägers im Juli 1997 angenommen hat, mithin für die Zeit davor keine von Dr. K. abweichende Einschätzung vorgenommen hat. Eine wesentliche Verschlechterung des Befundes, die im Vergleich zur ca. ein Jahr zurückliegenden Untersuchung durch Dr. K. ein Herabsinken des Leistungsvermögens von zuvor vollschichtig auf nun unterhalbschichtig hervorgerufen haben sollte, ist nicht ersichtlich. Zwar gab es - erwartungsgemäß - nochmals Rezidive, und zwar im Dezember 1996 und - nach im März 1997 durch den histologischen Befund nicht bestätigtem bloßen Verdacht - erneut im August 1997. Auch hierbei handelte es sich aber wiederum um nicht invasive Karzinome, die im Rahmen von knapp zweiwöchigen stationären Aufenthalten komplikationslos entfernt werden konnten. Auch wurde die im Januar 1997 aufgenommene Chemotherapie vom Kläger zunächst nicht unproblematisch vertragen, sondern führte zu einer Reizblase und gehäufter Miktion. Eine quantitative Leistungseinschränkung ist daraus aber nicht abzuleiten, auch ist es nicht zu der von Dr. V. angenommenen sechs- bis neunmonatigen Arbeitsunfähigkeit gekommen. Mit der von ihm befürchteten ungünstigen Prognose des künftigen Krankheitsgeschehens ließ sich eine Minderung des damaligen Leistungsvermögens ohnehin nicht begründen, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat.

Der weitere Verlauf bestätigt im Übrigen die Prognose des Dr. K. und nicht die des Dr. V. Ein invasives Tumorrezidiv hat sich bis heute nicht entwickelt. Die Chemotherapie hatte vielmehr den erwünschten Erfolg im Sinne einer Rezidivprophylaxe, denn seit August 1997 - d.h. seit nunmehr drei Jahren - ist kein Rezidivtumor mehr festgestellt worden, wie sich aus den Befundberichten des Dr. W. im Berufungsverfahren und zuletzt für das Versorgungsamt ergibt. Von dieser Möglichkeit der Stabilisierung war im Übrigen auch Dr. V. durchaus ausgegangen. Der von ihm empfohlene Zeitraum für die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente zwecks Überprüfung des Verlaufes ist inzwischen abgelaufen mit dem Ergebnis, dass nicht nur keine Verschlechterung, sondern sogar eine nachhaltige Verbesserung des Blasenleidens eingetreten ist, die auch zu einer zumindest teilweisen Besserung der seinerzeit festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen geführt haben dürfte.

Die weiteren Leiden des Klägers auf anderen Gebieten sind nicht gravierend und für den hier noch geltend gemachten Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit nicht relevant. Diese Feststellung kann vom Senat aufgrund der eingeholten Befundberichte und der vom Versorgungsamt zuletzt im Januar 2000 erhobenen Befunde ohne weitere Beweisaufnahme getroffen werden. Gravierende Leiden auf orthopädischem Gebiet bestehen beim Kläger nicht. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit rezidivierenden Wurzelreizerscheinungen wurden vom Versorgungsamt im Gutachten vom 24. Januar 2000 lediglich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet, ebenso die Auswirkungen einer Gonarthrose des rechten Kniegelenkes. Die gleiche geringe Bewertung erfuhr die beim Kläger seit Jahren bekannte chronische Magenschleimhautentzündung. Hieraus ergeben sich aus der Sicht der Ärztlichen Abteilung der Beklagten nur Einschränkungen hinsichtlich Tätigkeiten mit Zeitdruck, Nachtschicht und Lärm. Auch die behandelnde Ärztin des Klägers Dr. W. hält trotz des Magenleidens eine vollschichtige leichte Arbeit für zumutbar.

Es besteht auch keine erhebliche Einschränkung des Leistungsvermögens durch psychische Leiden. Eine gewisse reaktive Depression mag vorliegen, denn eine Besorgnis des Klägers um seine Gesundheit und seine infolge des länger anhängigen Rentenstreits unsichere soziale Lage ist durchaus nachvollziehbar. Eine fachärztliche Behandlung ist jedoch insoweit nicht erforderlich, was damit in Einklang steht, dass vom Versorgungsamt psychische Störungen nur mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet worden sind.

Mit dem nach alledem nur qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögen steht dem Kläger die begehrte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht zu, ohne dass es darauf ankommt, ob er einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz finden kann. Dieses Risiko ist nicht der Rentenversicherung, sondern der Arbeitslosenversicherung zugewiesen. Diese Risikoverteilung ist in § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI ausdrücklich normiert, wonach nicht erwerbsunfähig ist, wer - ohne Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsmarktlage - eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann. Diese durch das 2. Änderungsgesetz zum SGB VI vom 2. Mai 1996 (BGBl. I. S. 659) eingefügte Vorschrift dient der Klarstellung und bezieht sich auf alle noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Rentenverfahren, also auch auf den hier vom Kläger geltend gemachten Rentenanspruch (vgl. Urteile des BSG vom 18. Juli 1996 - 4 RA 33/94 - in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 52 und vom 12. Juni 1996 - 5 RJ 2/96 - in SozR 3-2600 § 43 Nr. 11).

Mit den oben bezeichneten qualitativen Einschränkungen - die sich außerdem eher gebessert haben dürften - kann der Kläger auch durchaus zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingesetzt werden. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbaren Versicherten erforderlich macht (vgl. Urteil des BSG vom 14. September 1995 - 5 RJ 50/94 - in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50 und Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) liegen im Falle des Klägers nicht vor. Die von Dr. V. angeführte Notwendigkeit, wegen des verstärkten Harndranges alle zwei Stunden die Toilette aufsuchen zu können, führt nicht zur Annahme eines betriebsunüblichen Pausenregimes, weil in weiten Bereichen des Arbeitslebens kurze persönliche Verteilzeiten pro Arbeitsstunde sogar tarifvertraglich eingeräumt werden.

Die nach den Operationen an der rechten Hand noch bestehenden geringfügigen Funktionseinschränkungen der Finger stellen ebenfalls keine schwere spezifische Leistungseinschränkung dar. Ständige feinmotorische Fähigkeiten werden dem Kläger nicht abverlangt. Auch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist hier nicht gegeben. Selbst nach der sehr weitgehenden Rechtsprechung des 13. Senats des BSG ist bei einem Versicherten, der wie der Kläger noch vollschichtig leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als 5 kg, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit sowie Arbeit ohne Belastungen durch negative klimatische Einwirkungen verrichten kann, die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht erforderlich, da diese Leistungsbeschränkungen in ihrer Mehrzahl nicht geeignet erscheinen, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen (vgl. Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 87/96 -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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