S 18 RA 5761/00

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 RA 5761/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.792,63 nebst 4 Prozent Zinsen
auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2000, auf 22,87 EUR seit dem 01.12.2000,
auf 42,87 EUR seit dem 01.01.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.03.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.04.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.05.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.06.2001, auf 42,87 EUR seit dem 01.07.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.08.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.09.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.10.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.12.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.01.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.02.2002, auf 1.180,88 EUR seit dem 01.03.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.04.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.05.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.06.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.07.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.08.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.09.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.10.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.12.2002 sowie auf 22,87 EUR seit dem 01.01.2003 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Rente des Klägers diesem kostenfrei zu überweisen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, Rückbuchungen vom Konto des Klägers ohne die Rückbuchung verfügenden Verwaltungsakt oder ohne Einverständnis des Klägers vorzunehmen oder vornehmen zu lassen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Auszahlung der Altersrente des Klägers.

Der im Mai 1935 geborene Kläger bezieht auf seinen Antrag vom 22. September 1999 (der Beklagten am 24. September 1999 zugegangen) seit 1. September 1999 von der Beklagten Altersrente (Bescheid der Beklagten vom 4. Januar 2000). Die Beklagte lässt die Rente über die Deutsche Postbank auf das Konto des Klägers an seinem Wohnsitz bei der Banca Mora, Escaldes-Engordany, Andorra überweisen. Dabei wurden weitere ausländische Kreditinstitute in Anspruch genommen. In den Monaten Oktober und November 2000, Februar bis Mai, Juli bis Dezember 2001, Januar und März bis Dezember 2002 erfolgten Abzüge durch an den Transaktionen beteiligte Banken in Höhe von jeweils 22,87 EUR sowie im Dezember 2000 und Juni 2001 in Höhe von 42,87 EUR. Die zum 31. Januar 2002 in Höhe von 1.180,88 EUR fällige Rente für Februar 2002 wurde dem Kläger nicht überwiesen. In einigen Monaten, z.B. April, Juni, August und September 2000 wurde die Rente in richtiger Höhe dem Konto des Klägers gut geschrieben. Für die Monate Mai und Juli 2000 erstattete die Postbank dem Kläger die Fehlbeträge.

Vom Konto des Klägers wurden in den Monaten September 2000 und März 2002 bereits überwiesene Beträge zurück gebucht, ohne zuvor vom Kläger dafür das Einverständnis eingeholt zu haben oder eine Verfügung nach § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) gegenüber dem Kläger (bestandskräftig) getroffen zu haben.

Der Kläger forderte mit Schreiben vom 29. Oktober 2000 von der Beklagten die Nachzahlung der Differenzen hinsichtlich der bisher reduziert gut geschriebenen Rentenzahlungen, die Sicherstellung, dass auch in Zukunft keine Abzüge bei der Rentenzahlung erfolgen sollten, und die Zusicherung, dass künftig keine Rückbuchungen ohne vorherigen Verwaltungsakt nach § 50 SGB X erfolgen würden.

Mit seiner am 11. Dezember 2000 erhobenen Klage vom 7. Dezember 2000 verfolgt der Kläger seine Begehren weiter. Er hat die Klage mehrfach wegen ausbleibender Rententeile und der ausgebliebenen Rentenzahlung für Februar 2002 erweitert.

Der Kläger beantragt nunmehr sinngemäß,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 1.792,63 nebst 4 Prozent Zinsen
auf 22,87 EUR seit dem 01.10.2000, auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2000,
auf 42,87 EUR seit dem 01.12.2000, auf 22,87 EUR seit dem 01.02.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.03.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.04.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.05.2001, auf 42,87 EUR seit dem 01.06.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.07.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.08.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.09.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.10.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2001, auf 22,87 EUR seit dem 01.12.2001,
auf 22,87 EUR seit dem 01.01.2002, auf 1.180,88 EUR seit dem 01.02.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.03.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.04.2002
sowie auf 22,87 EUR seit dem 01.05.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.06.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.07.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.08.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.09.2002,
auf 22,87 EUR seit dem 01.10.2002, auf 22,87 EUR seit dem 01.11.2002
sowie auf 22,87 EUR seit dem 01.12.2002 zu zahlen,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Rente des Klägers diesem kostenfrei zu überweisen.

2. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines angemessenen Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, Rückbuchungen vom Konto des Klägers ohne die Rückbuchung verfügenden Verwaltungsakt vorzunehmen oder vornehmen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Klage für unbegründet, weil sich § 47 SGB I nur auf Rentenzahlungen im Inland beziehen würde. Die Beklagte könne aus Gründen der Kosteneffizienz nur im standardisierten Überweisungsverfahren unter Einschaltung von Partnerbanken die Überweisungen der Rentenzahlungen ins Ausland vornehmen lassen. Dabei im Einzelfall anfallende Bankspesen seien vom Empfänger zu übernehmen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Dem Gericht haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht hat die Begehren des Klägers im Sinne der oben vermerkten Anträge ausgelegt. Die derart formulierten Anträge stellen zulässige Leistungsklagen dar.

Der Kläger hat unstreitig Anspruch auf Zahlung der Rente für Februar 2002. Die Beklagte war insofern antragsgemäß zu verurteilen, weil sie bislang nicht belegt hat, dass der Kläger die Rentenzahlung erhalten hat. Die Beweislast trifft die Beklagte. Der Kläger hat hinreichend belegt, die Rentenzahlung nicht erhalten zu haben.

Der Kläger hat gemäß § 47 SGB I Anspruch auf kostenfreie Überweisung seiner monatlichen Rente auf sein Konto in Andorra.

Gemäß § 47 SGB I sollen Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen werden oder, wenn der Empfänger es verlangt, kostenfrei an seinen Wohnsitz übermittelt werden, soweit die besonderen Teile des SGB keine abweichende Regelung enthalten. Eine § 47 SGB I verdrängende Sonderregelung besteht für die Zahlung der Rente nicht.

Als Sollvorschrift folgt aus § 47 SGB I, dass Rentenzahlungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers zu zahlen sind. Nur im Ausnahmefall hat die Sozialverwaltung Ermessen, einen anderen Zahlungsweg zu nutzen. Auch bei Rentenüberweisung ins Ausland ist § 47 SGB I ohne Einschränkung anzuwenden. Dies entspricht der zutreffenden ganz herrschenden Meinung (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, SGB I § 47 Rn 4, 6; Mrozynski: SGB I, 2. Aufl. 1995, § 47 Rn. 3; Hauck in Hauck: SGB I, § 47 Rn. 3b, 5; Heinze in Bochumer Kommentar, 1979; § 47 Rn. 1f.; Klose in Jahn: SGB I, § 47 Rn. 13; VerbKom, 1994, § 47 SGB I Rn. 4f.; Anderes ergibt sich auch nicht bei Schellhorn in GK-SGB I, 3. Aufl. § 47 Rn. 1d, 3). Dabei wird hinsichtlich der Kostenfreiheit auf das Gebot des § 270 BGB im allgemeinen Geschäftsverkehr abgestellt, dass die Zahlungsschuld eine Bringschuld ist und dieses Gebot durch § 47 SGB I seine sozialrechtliche Bestätigung und Ausprägung findet.

Zahlungen ins Ausland sind bei Wohnsitz des Empfängers im Ausland daher grundsätzlich kostenfrei vorzunehmen.

Nur im Ausnahmefall hat die Sozialverwaltung Ermessen, einen anderen Zahlungsweg zu nutzen. Mögliche durch § 47 SGB I erlaubte Abweichungen sollen nicht die Kostenfreiheit sondern die Zahlungswege betreffen (so ausdrücklich: Heinze a.a.O. Rn. 1). Dabei gilt, dass bei der Überweisung auf ein Konto am Wohnsitz des im Ausland lebenden Berechtigten, dem auch für das Ausland geltenden Regelfall des § 47 SGB I, Kostenfreiheit besteht.

Lediglich aus dem Gedanken von Treu und Glauben im Rahmen des Sozialversicherungsverhältnisses kann sich ergeben, dass die Unterhaltung eines Kontos bei einer Bank, die unverhältnismäßig hohe Überweisungskosten verursacht, zu einer Ausnahmesituation im Sinne des § 47 SGB I führt und ein anderer Zahlungsweg anzudenken ist. Unter diesem Gesichtspunkt wird ein im Inland lebender Berechtigter regelmäßig nicht die Überweisung auf ein ausländisches Konto verlangen können.

Will der Leistungsträger vom Regelverfahren des § 47 SGB I abweichen, muss er nach Anhörung des Berechtigten durch Verwaltungsakt eine Ermessensentscheidung treffen. Zwar ist die Überweisung selbst ein Realakt, der keines Verwaltungsaktes bedarf, jedoch bedeutet eine Abweichung vom Grundsatz der kostenfreien Überweisung auf ein Konto des Berechtigten einen Eingriff in die sich aus dem Sozialversicherungsverhältnis ergebenden Nebenpflichten des Leistungsträgers, der über diese Änderung deshalb förmlich entscheiden muss. Angemessenen Wünschen des Berechtigten ist zu entsprechen (§ 33 Satz 2 SGB I). Im Vorfeld einer solchen Ermessensentscheidung sind dem Berechtigten günstigere Zahlungswege aufzuzeigen. Unter Einhaltung dieses Prozedere hält es die Kammer nur in sehr ungewöhnlichen Fallgestaltungen und fehlender Kooperationsbereitschaft des Berechtigten für denkbar, dass auch Abweichungen vom Grundsatz der Kostenfreiheit erfolgen können.

Eine dem Kläger gegenüber getroffene Ermessensentscheidung mittels Verwaltungsakts über einen vom Sollweg abweichende Zahlungsweise liegt nicht vor.

Allein deshalb hat die Beklagte zu gewährleisten, dass die Rentenzahlungen kostenfrei dem Kläger zugeleitet werden.

Darüber hinaus sind auch keinerlei Gesichtspunkte zu erkennen, die im Falle des Klägers eine Abweichung erlauben. Es erfolgt der vom Gesetz vorgesehene Standardweg der Zahlung auf ein Konto des Klägers an seinem Wohnsitz. Überdies erhebt die vom Kläger gewählte Hausbank keine Überweisungsgebühren. Dass bei der Überweisung an die Hausbank des Klägers regelmäßig unverhältnismäßig hohe Überweisungskosten bei den eingeschalteten weiteren Banken anfallen, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr gibt es offensichtlich sogar Zahlungswege, wo derartige Kosten nicht anfallen, was sich bei den Überweisungen in den Monaten April, Juni, August und September 2000 ergibt.

Daher hat die Beklagte die Differenzen nach zu zahlen, die sich aus der Verringerung der Auszahlungsbeträge bei den Überweisungen auf das klägerische Konto ergaben. Darüber hinaus hat die Beklagte sicher zu stellen, dass der monatliche Rentenbetrag in ungekürzter Höhe auf dem Konto des Klägers eintrifft und dem Kläger zur Verfügung steht.

Der Kläger hat nach den wiederholt erfolgten Rückbuchungen Anspruch auf die Anordnung eines Gebots an die Beklagte, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, Rückbuchungen vom Konto des Klägers ohne die Rückbuchung verfügenden Verwaltungsakt oder ohne Einverständnis des Klägers vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Wie sich aus der Wiederholung ergibt, handelt es sich doch nicht nur um einmalige Versehen. Im Falle der Rückbuchung im März 2002 hatte die Beklagte etwa keinen Anspruch auf die Rückbuchung, weil mindestens in gleicher Höhe Anspruch des Klägers auf Zahlung der Februarrente bestand. Da die Rückbuchungen auch erfolgen können, wenn der Kläger sein Einverständnis erteilt hat, war dem Antrag insofern nur eingeschränkt statt zu geben.

Ein Ordnungsgeld in der Höhe von 250 Euro erscheint der Kammer im Hinblick auf die Rückbuchungsbeträge als angemessen.

Die Zinsansprüche des Klägers ergeben sich aus § 44 SGB I. Insoweit war den Anträgen des Klägers nicht voll statt zu geben, weil ein Zinsanspruch erst nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit der Forderung entstehen kann (§ 44 Abs. 1 SGB I). Bei der Abrechnung der Zinsen haben die Beteiligten § 44 Abs. 3 SGB I zu berücksichtigen, wobei die monatlich zu verzinsenden Beträge zusammen zu rechnen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Erfolg der Rechtsverfolgung. Der Kläger unterlag mit seinem Begehren nur unwesentlich.
Rechtskraft
Aus
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