L 3 AL 166/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 11 AL 508/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 166/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Leipzig vom 14. August 2000 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Verfahrensinstanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In der Hauptsache wendet sich der Kläger gegen Bescheide der Beklagten zur Festsetzung der Höhe von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 07.08.1991 bis zum 16.11.1991. Sinngemäß trägt er vor, die Beklagte sei weder berechtigt gewesen, im Wege des Erstattungsanspruchs das ihm zu gewährende Alg zu Gunsten der Stadt O ...-Sch ... zu kürzen noch die Leistung mit dem 16.11.1991 einzustellen. Weiter wendet er sich gegen die Bescheide der Beklagten zur Festsetzung von Unterhaltsgeld (Uhg) für die Zeit vom 02.03.1992 bis zum 27.07.1992. Sinngemäß führt er hierzu aus, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, im Wege des Erstattungsanspruchs das ihm zu gewährende Uhg zu Gunsten der Stadt O ...-Sch ... zu kürzen, noch die Leistung mit dem 16.11.1991 einzustellen.

Durch Bescheid vom 16.12.1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit ab dem 07.08.1991 Alg in Höhe von wöchentlich 526,20 DM (Bemessungsentgelt i. H. v. 1.140,00 DM, Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz). Dieser Anspruch bestehe bis zum 16.11.1991 in Höhe von insgesamt 7.717,60 DM, da anschließend - ab dem 17.11.1991 - eine berufliche Bildungsmaßnahme begonnen habe. Durch weiteren Bescheid vom 16.12.1996 bewilligte die Beklagte Alg erst wieder ab dem 18.02.1991. Hiergegen legte der Kläger am 10.10.1997 Widerspruch ein. Es fehle eine nachvollziehbare und gerichtsverwertbare Aufstellung von Erstattungsbeträgen. Mangels entsprechender Nachweise schulde ihm die Beklagte auch die erstatteten Leistungen. Im Übrigen sei Alg über den 16.11.1991 hinaus fortzuzahlen, da er dem Arbeitsamt weiter zur Verfügung gestanden habe.

Durch Bescheide vom 07.05. und 16.12.1996 stellte die Beklagte fest, der Kläger habe für die Zeit vom 02.03. bis zum 26.07.1992 einen Anspruch auf Uhg in Höhe von insgesamt 7.129,20 DM bzw. 7.285,20 DM. Im Wege der Erstattung seien an die Beigeladene 4.363,42 DM zu leisten, weswegen sich sein Uhg-Anspruch auf die Zahlung von 2.765,78 DM und 156,00 DM beschränke. Hiergegen hat der Kläger am 29.05.1996 Widerspruch eingelegt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 10.04.1997 (bzw. 12.05.1997) (Az: W 764/97) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Höhe der Leistung sowie zur Regelung des Erstattungsanspruches verwies die Beklagte auf die Begründung eines entsprechenden, vorausgegangenen Widerspruchsbescheides.

Über den 16.11.1991 hinaus bestehe kein Anspruch auf Alg mehr, weil der Kläger unter Anwendung von § 103 Abs. 1 Nr. 1 AFG wegen Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme nicht mehr für eine Vermittlung durch das Arbeitsamt zur Verfügung gestanden habe.

In dem weiteren Widerspruchsbescheid vom 10.04.1997 (bzw. 12.05.1997) (Az: W 2632/96, W 766/97) half die Beklagte den Widersprüchen teilweise ab. Für den Zeitraum vom 02.03. bis zum 26.07.1992 ergäben sich folgende Erstattungsbeträge: 02.03. - 31.03.2000 1.017,58 DM, April 1992 1.051,50 DM, Mai 1992 1.051,50 DM, Juni 1992 524,00 DM, Juli 1992 18,03 DM, Bekleidungshilfe I. Quart.1992 250,00 DM, und vom 02.07.1992 - 26.07.1992 450,81 DM. Dieser Erstattungsbetrag in Höhe von 4.363,62 DM sei vom Gesamtanspruch auf Uhg von 9.713,16 DM in Abzug zu bringen. Der Auszahlungsbetrag beliefe sich mithin insgesamt auf 5.350,18 DM.

Gegen beide Widerspruchsbescheide vom 12.05.1997 hat der Kläger entsprechend der unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung am 06.06.1997 Klage zum Sozialgericht Altenburg erhoben.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Altenburg durch Beschlüsse vom 30.07.1997 die Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Sozialgericht Leipzig verwiesen. Diese sind dort eingegangen und werden unter den Az: S 11 AL 629/97 und S 11 AL 630/97 geführt.

Am 02.07.1997 hat der Kläger erneut ebenfalls gegen den Widerspruchsbescheide vom 12.05.1997 (Az: ... und ..., ...) des Arbeitsamtes Bremen Klagen zum Sozialgericht Leipzig erhoben (Az: S 11 AL 509/97 und S 11 AL 508/97).

Mit Schreiben vom 11.03.1998 hat das SG den Kläger auf die Unzulässigkeit dieser Klage wegen bereits anderweitiger Rechtshängigkeit hingewiesen. Soweit diese nicht zurückgenommen würden, sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.

Auch die Beklagte wies mit Schreiben vom 19.03.1998 auf die Unzulässigkeit wegen anderweitiger Rechtshängigkeit hin.

Mit Schreiben vom 08.09.1999 hat der Kläger Akteneinsicht beantragt; zu diesem Zwecke hat er um Zusendung der Akten an das Amtsgericht Osterholz-Schambeck gebeten.

Mit Begleitschreiben vom 04.01.2000 hat das Sozialgericht Leipzig die Akten bis zum 20.02.2000 an das Amtsgericht Osterholz-Schambeck gesandt. Mit Schreiben vom selben Tag hat das Sozialgericht den Kläger über diese Aktenversendung informiert.

Hierauf hat der Kläger durch Schreiben vom 21.02.2000 mitgeteilt, wegen Krankheit und Ortsabwesenheit könne die Akteneinsicht in dem angegebenen Zeitraum nicht durchgeführt werden, es werde daher eine erneute Akteneinsicht zu einem anderen Zeitraum beantragt.

Mit Schreiben vom 03.07.2000 hat das SG den Kläger erneut darauf hingewiesen, dass in denselben Rechtsstreitigkeiten bereits vom Sozialgericht Altenburg zum Sozialgericht Leipzig verwiesene Verfahren anhängig seien. Die weiteren Verfahren seien daher wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Hierzu könne er bis zum 20.07.2000 Stellung nehmen. Anderenfalls werde erwogen, durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG zu entscheiden.

Durch weiteres Schreiben vom 16.07.2000 hat der Kläger erneut Akteneinsicht beantragt. Hierauf ist das SG nicht mehr eingegangen.

Durch Gerichtsbescheide vom 14. August 2000 hat das SG die Klagen als unzulässig abgewiesen. Gemäß § 94 Abs. 1 SGG werde eine Streitsache durch Erhebung der Klage rechtshängig. Wenn in derselben Sache bereits Rechtshängigkeit gegeben sei, liege ein Prozesshindernis vor. Soweit trotz dieser Rechtshängigkeit erneut Klage erhoben werde, sei diese durch Prozessurteil abzuweisen. Dieser Fall sei hier gegeben, da die Verfahren bereits durch die Klageerhebungen beim Sozialgericht Altenburg rechtshängig geworden seien.

Gegen die am 07. September 2000 abgesandten Gerichtsbescheide hat der Kläger am 14.09.2000 jeweils Berufung eingelegt. Das SG habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, da es der beantragten Akteneinsicht nicht nachgekommen sei. Damit sei das Grundrecht aus Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt.

Mit Schreiben vom 26.06.2000 hat das LSG den Kläger nochmals darauf hingewiesen, dass Verfahren mit identischen Streitgegenständen unter den Az. S 11 AL 629/97 und S 11 AL 630/97 weiterhin beim Sozialgericht Leipzig anhängig seien und daher durch die angefochtenen Gerichtsbescheide die weiteren Klagen lediglich aus prozessualen Gründen - wegen doppelter Rechtshängigkeit - abgewiesen worden seien. Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 14. August 2000 (S 11 AL 509/97) aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 16.12.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.1997 (bzw. 12.05.1997) dergestalt abzuändern, dass ihm für die Zeit ab dem 07. August 1991 höheres Arbeitslosengeld gewährt wird und die Zahlung dieser Leistung auf für die Zeit vom 17. November 1991 bis 17. Februar 1992 erfolgt und

2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leizig vom 14. August 2000 (S 11 AL 508/97) aufzuheben und die Bescheide der Beklagten vom 07.05 und 16.12.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.04.1997 (bzw.12.05.1997) dergestalt abzuändern, dass ihm Unterhaltsgeld in voller Höhe, zuzüglich der an die Stadt O ...-Sch ... erstattenden Beträge, ausgezahlt wird.

Mit Schreiben vom 09. Juli 2001 hat der Kläger nochmals Akteneinsicht, Anordnung des persönlichen Erscheinens und Verlegung des bereits anberaumten Verhandlungstermins beantragt. Hierauf hat ihm das Gericht mit Schreiben vom 12. Juli 2001 und 23. Juli 2001 die beigzogenen (Gerichts)akten in Ablichtung zugesandt sowie den Antrag auf Vertagung und Anordnung des persönlichen Erscheinens abgelehnt.

Durch Beschluss vom 25. Juli 2001 hat das Gericht die eingelegten Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Endscheidung verbunden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Beiakten (Auszüge aus S 11 AL 630/97 und S 11 AL 629/97 des SG Leipzig) sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthaften (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegten Berufungen sind zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klagen zu Recht - wegen doppelter Rechtshängigkeit - als unzulässig abgewiesen. Zu dieser Problematik wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides des SG verwiesen.

Das SG hat auch nicht durch eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht gemäß § 120 Abs. 1 SGG das Recht auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Inhalt des Rechts auf rechtliches Gehör ist u.a. das Recht auf Information über den Verfahrensstoff, hinsichtlich der Erklärungen der Gegenseite, einschließlich etwaiger Anlagen zu den Schriftsätzen, von Amts wegen eingeführter Tatsachen und Beweismittel, beigezogene Akten, gutachtlicher Stellungnahmen etc. (Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Rdnr. 7 und 8 zu Art. 103). Der Verwirklichung dieses Informationsrechts bzw. der diesem korrespondierenden Informationspflicht des Gerichts dient das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 120 Abs. 1 SGG, zumal nach gestützt werden darf, welche den Beteiligten bekannt waren und zu denen sie sich äußern konnten (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., Rdnr. 1 zu § 120). Hier ist zwar möglicherweise davon auszugehen, dass der Kläger sein Recht auf Akteneinsicht wegen Ortsabwesenheit bzw. Krankheit in der Zeit vom 04.01. bis zum 20.02.2000 nicht wahrnehmen konnte und dieser Umstand auch dem Gericht bekannt war. Auch wenn das SG anschließend die Akten nicht nochmals zur Einsichtnahme durch den Kläger versandt hat, liegt dennoch keine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 103 Abs. 1 GG vor. Denn das Gericht hat für seine Entscheidung keinerlei Unterlagen beigezogen und Tatsachen verwertet, die dem Kläger nicht ohnehin bereits bekannt waren. Seine Klageerhebungen (sowohl am SG Altenburg als auch am SG Leipzig), seine sonstigen, weiteren Schriftsätze sowie die ihm bereits zugegangenen Bescheide der Beklagten waren dem Kläger ohnehin bekannt. Die Erklärungen der Beklagten im Rahmen des Klageverfahrens hat das SG dem Kläger jeweils umgehend zugesandt. Das Gericht hat daher weder Tatsachen verwertet, noch Vorgänge herangezogen, die dem Kläger unbekannt sein konnten. Die Verwaltungsakten hat das SG für diese Entscheidung nicht beigezogen. Insoweit besteht auch kein Recht auf eine Erweiterung des Aktenbestandes (BVerfGE 18, 399/405 f.; 63, 45/60 f.). Der Kläger war daher bereits vollständig über die vom Gericht als entscheidungserheblich beurteilten Umstände informiert. Er ist im Übrigen auch mehrfach schriftlich auf die Rechtslage (Unzulässigkeit wegen doppelter Rechtshängigkeit) hingewiesen worden und es ist ihm mitgeteilt worden, dass der Erlass von Gerichtsbescheiden beabsichtigt ist. Hierzu ist dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Nach alledem liegt ein Verfahrensfehler durch eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör nach Artikel 103 Abs. 1 GG nicht vor.

Selbst wenn man jedoch - entgegen den obigen Ausführungen - eine Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht annehmen wollte, hätte diese keinen Einfluss auf das Ergebnis der Gerichtsbescheide gehabt, denn bezüglich der Rechtslage bestanden keinerlei tatsächliche oder rechtliche Probleme, die durch eine Erklärung des Klägers noch hätten beeinflusst werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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