L 3 AL 42/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 4 AL 757/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 42/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind der Klägerin auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) auf Grund einer Säumniszeit von sechs Wochen ab dem 07. Januar 1997.

Die am ... geborene, geschiedene Klägerin war von 1979 bis 1990 als Sachbearbeiterin für Lager und Versand beschäftigt und bezieht seit 1991 Leistungen des Arbeitsamtes. Die Beklagte bewilligte ihr zuletzt mit Bescheid vom 02. Dezember 1996, abgeändert durch Bescheid vom 02. Januar 1997 Alhi in Höhe von 190,80 DM nach einem Bemessungsentgelt von 510,00 DM und der Leistungsgruppe A/0.

Am 19. Dezember 1996 lud die Beklagte die Klägerin zur Besprechung ihres Bewerberangebotes/ihrer beruflichen Situation zum 06. Januar 1997 (8.00 Uhr) in das Arbeitsamt Leipzig ein und wies dabei auf die Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses hin.

Die Klägerin erschien zu dem Termin nicht.

Die Beklagte lud die Klägerin daraufhin am 08. Januar 1997 zu einer erneuten Besprechung am 13. Januar 1997 (8.00 Uhr) in das Arbeitsamt Leipzig ein. Sie wies schriftlich auf die Rechtsfolgen bei Nichterscheinen ohne wichtigen Grund hin.

Die Klägerin erschien auch zu diesem zweiten Termin nicht.

Mit Säumniszeit- und Aufhebungsbescheid vom 17. Januar 1997 hob die Beklagte die Bewilligung der Alhi ab 07. Januar 1997 auf. Die Klägerin sei den Aufforderungen des Arbeitsamtes, sich gemäß § 132 AFG am 06. Januar 1997 und an einem zweiten, innerhalb von zwei Wochen danach liegenden Termin zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachgekommen und habe dafür keine wichtigen Gründe mitgeteilt.

Die Klägerin legte dagegen am 04. Februar 1997 Widerspruch ein.

Sie habe die Meldungen aus wichtigen Gründen versäumt. Vom 23. Dezember 1996 bis 06. Januar 1997 sei sie im Urlaub gewesen. Darüber habe sie den Arbeitsvermittler Schumann informiert. Der Arbeitsberaterin Lehmann habe sie am 06. Januar 1996 per Fax (Unterschrift 07. Januar 1997) den Grund für ihr Fernbleiben mitgeteilt. Die zweite Einladung habe sie erst am 13. Januar 1997, 11.30 Uhr, und damit nach dem vorgeschlagenen Meldetermin von der Post abgeholt.

Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass eine Anzeige der Ortsabwesenheit der Klägerin vom 23. Dezember 1996 bis 06. Januar 1997 weder in den Beratungsvermerken festgestellt noch ein entsprechendes Fax registriert worden war.

Am 25. August 1997 holte die Beklagte eine Anhörung nach und gab der Klägerin Gelegenheit, zu den Meldeversäumnissen und der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 07. Januar 1997 Stellung zu nehmen.

Die Klägerin trug daraufhin ergänzend vor, die Beklagte habe ihr die Leistungen für den Zeitraum vom 23. Dezember 1996 bis 06. Januar 1997 nachträglich wegen der Ortsabwesenheit ohne Genehmigung entzogen (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30. Mai 1997). Sie ist deshalb der Ansicht, die Einladung zum Meldetermin am 06. Januar 1997 sei unwirksam. Für den Urlaub habe sie aus Zeitgründen keine Genehmigung einholen können. Sie habe die Benachrichtigung der Post über die Einladung zum 13. Januar 1997 erst am Samstag, den 11. Januar 1997, erhalten, weil sie am Tag zuvor auf einer Geburtstagsfeier gewesen war. Deshalb habe sie das Einschreiben erst am Montag, den 13. Januar 1997, von der Post abholen können.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09. Oktober 1997 zurück. Die Klägerin sei zu den Einladungsterminen am 06. Januar 1997 und 13. Januar 1997 nicht erschienen, ohne wichtige Gründe im Sinne des § 120 Abs. 2 AFG anzugeben. Sie sei bereits mehrfach über die Verfügbarkeit belehrt worden, habe Merkblätter für Arbeitslose mit Erläuterungen zum Verfahren bei einer beabsichtigten Urlaubsreise erhalten und sei mit den Meldeaufforderungen über die Rechtsfolgen des Meldeversäumnisses informiert worden. Die Einladung zum 13. Januar 1997 sei ihr am 10. Januar 1997 durch Niederlegung und damit auch rechtzeitig zugestellt worden. Die nachträgliche Aufhebung der Leistungsbewilligung wegen fehlender Verfügbarkeit in der Zeit der nicht erlaubten Ortsabwesenheit beseitige die von der Erhebung des Anspruchs abhängigen Pflichten nach § 132 Abs. 1 AFG nicht. Damit seien die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Alhi gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 120 AFG erfüllt.

Die Klägerin hat am 14. Oktober 1997 Klage beim Sozialgericht Leipzig erhoben. Sie trägt ergänzend vor, die Einladung zu dem Meldetermin am 13. Januar 1997 sei zu kurzfristig erfolgt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 09. Februar 1999 abgewiesen. Nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 02. Dezember 1996 sei mit Eintritt der Säumniszeit von sechs Wochen eine wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse eingetreten. Die Klägerin habe die Meldung am 06. Januar 1997 ohne wichtigen Grund versäumt. Nach Ansicht des Gerichts habe die Klägerin die Urlaubsreise nicht angezeigt. Unabhängig davon habe die Beklagte den Urlaub nicht genehmigt. Darüber hinaus habe die Klägerin auch den weiteren Meldetermin am 13. Januar 1997 ohne wichtigen Grund versäumt. Die Einladung sei nicht zu kurzfristig erfolgt. Die Teilnahme an der Geburtstagsfeier ändere daran nichts. Nach § 1 der Aufenthaltsanordnung müsse der Arbeitslose während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten Anschrift erreichbar sein. Die Klägerin hätte das Benachrichtigungsschreiben der Post am 10. Januar 1997 vorfinden und die Sendung unverzüglich abholen können. Sie habe den Eintritt des Ruhens der Alhi infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt. Entsprechende Hinweise habe sie in den Merkblättern und mit den Einladungsschreiben Rechtsfolgenbelehrungen erhalten.

Gegen das mit Einschreiben am 06. März 1999 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09. März 1999 Berufung beim Sächsischen Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, mit dem Besuch der Geburtstagsfeier habe sie eine dringende, persönliche und unaufschiebbare Angelegenheit erledigt. Ihrer Meldepflicht sei sie mit Fax vom 13. Januar 1997 nachgekommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. Februar 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Säumniszeit- und Aufhebungsbescheides vom 17. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 1997 zu verpflichten, ihr ab 07. Januar 1997 Alhi nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. Februar 1999 (Az.: S 4 AL 757/97) zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und trägt ergänzend vor, die Klägerin habe gewusst, dass die Mitteilung der Ortsabwesenheit den Anforderungen der Aufenthalts-Anordnung (§ 3) nicht genüge. Denn sie habe selbst vorgetragen, sie habe die Reise sofort antreten müssen Säumniszeit bedeute für die Klägerin auch keine besondere Härte. Nach der Intention des Gesetzgebers könne das nur der Fall sein, wenn es sich um ein erstmaliges Meldeversäumnis handele und der Arbeitslose aus Unerfahrenheit oder Unverständnis für Verwaltungsvorgänge den Termin nicht wahrgenommen habe. Die Klägerin beziehe seit Jahren Leistungen des Arbeitsamtes und sei mit den Verwaltungsvorgängen im Arbeitsamt gut vertraut. Sie habe bereits früher mehrere Meldungen versäumt.

Auf Anforderung des Gerichts hat die Beklagte die Einladungen vom 19. Dezember 1996 und vom 08. Januar 1997 mit Postzustellungsurkunde (PZU) im Original vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: ..., Band III - VI) und die Gerichtsakten beider Verfahrenszüge haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Die Statthaftigkeit folgt aus §§ 144, 143 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,00 DM. Die Klägerin wendet sich gegen die Festsetzung einer Säumniszeit von sechs Wochen und begehrt für diesen Zeitraum Alhi in Höhe von 190,80 DM wöchentlich (insgesamt: 1.144,80 DM).

Die Berufung ist aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Säumnis- und Aufhebungsbescheid vom 17. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Oktober 1997 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat im Zeitraum der Säumniszeit keinen Anspruch auf Alhi.

Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Bewilligung von Alhi liegen ab 07. Januar 1997 vor.

Die Klägerin wurde zwar vor Erlass des Säumnis- und Aufhebungsbescheides und damit eines belastenden Verwaltungsaktes nicht gem. § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angehört. Eine Anhörung ist aber im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 25. August 1997 nachgeholt worden. Der Fehler ist damit gem. § 41 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGB X geheilt.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Alhi ist § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 152 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Soweit in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt außer acht gelassen hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Liegen die in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, § 152 Abs. 3 AFG.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 16. August 1996 Alhi ab 10. August 1996 und damit für ein auf Dauer Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Eine Änderung der wesentlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X ist mit Eintritt der Säumniszeit vom 26. Oktober 1996 bis 06. Dezember 1996 eingetreten. Der Anspruch auf Alhi ruht in diesem Zeitraum kraft Gesetzes (§ 120 AFG).

Die Voraussetzungen für eine verlängerte Säumniszeit von 6 Wochen liegen hier vor.

§ 120 Abs. 1, 2 AFG, der nach § 134 Abs. 4 S. 1 AFG auch bei Bezug von Alhi Anwendung findet, regelt die Regelsäumniszeit und die Verlängerung der Säumniszeit wie folgt: Kommt der Arbeitslose einer Aufforderung des Arbeitsamtes, sich zu melden, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund nicht nach, so ruht der Anspruch auf Alhi während einer Säumniszeit von 2 Wochen, die mit dem Tage nach dem Meldeversäumnis beginnt (§ 120 Abs. 1 S. 1 AFG). Versäumt der Arbeitslose innerhalb einer Säumniszeit nach Absatz 1 von zwei Wochen einen weiteren Meldetermin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen und ohne wichtigen Grund, so verlängert sich die Säumniszeit nach Absatz 1 bis zur persönlichen Meldung, mindestens um vier Wochen (§ 120 Abs. 2 AFG).

Hier sind zunächst am 06. Januar 1997 die Voraussetzungen einer Regelsäumniszeit eingetreten.

Es liegt eine wirksame Meldeaufforderung gem. § 132 AFG vor. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 19. Dezember 1996 aufgefordert, zur Besprechung ihres Bewerberangebotes bzw. ihrer beruflichen Situation am 06. Januar 1997, (8.00 Uhr) in das Arbeitsamt Leipzig, Große Fleischergasse 12, Zimmer 243 zu kommen. Die Beklagte hat das Schreiben im Original vorgelegt. Die Zustellung erfolgte mit PZU, Übergabe unter der Zustellanschrift am 21. Dezember 1996.

Sie hat mit der Meldeaufforderung eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erhalten. Dort heißt es: " Falls Sie ohne wichtigen Grund dieser Aufforderung, beim AA vorzusprechen, nicht nachkommen (Meldeversäumnis), wird ihnen Alhi vom Tage nach dem Meldetermin an für die Dauer von zwei Wochen nicht gezahlt (Säumiszeit nach § 120 Abs. 1 AFG). Würde diese Dauer nach den für den Eintritt der Säumniszeit maßgebenden Tatsachen für Sie eine besondere Härte bedeuten, so umfasst sie eine Woche (§ 120 Abs.3 AFG) ..." Die Klägerin wurde damit über die Folgen eines Meldeversäumnisses sachgerecht und umfassend informiert. Die Belehrung enthält alle wesentlichen Informationen und ist verständlich gefasst.

Ein wichtiger Grund steht der Klägerin nicht zu Seite. Ein solcher ist anzunehmen, wenn durch diesen die Meldung, das Erscheinen oder die Teilnahme unmöglich oder erschwert wurde, so dass ein anderes Verhalten unter Abwägung der Interessen des Arbeitslosen und des Arbeitsamtes nicht zugemutet werden konnte (vgl. Niesel, AFG, 2. Auflage, § 120 Rn. 8). Das ist z.B. bei berechtigtem Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes anzunehmen. In diesem Fall ist den privaten Interessen der Vorrang einzuräumen. Das gilt aber nicht bei ungenehmigten Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs des Arbeitsamtes. Denn eine derartige Ortsabwesenheit schließt die Verfügbarkeit des Arbeitslosen aus.

Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin hat den Meldetermin versäumt, weil sie vom 23. Dezember 1996 bis 06. Januar 1997 im Urlaub war. Eine ausdrückliche Genehmigung des Urlaubs erfolgte nach Sachlage nicht. Die Klägerin trägt lediglich vor, sie habe den Arbeitsvermittler Schumann schriftlich über die Reise informiert. Aus den Leistungsakten ergibt sich das nicht. Unabhängig davon ist mit der Mitteilung noch keine Genehmigung er- festzustellen, dass durch die Abwesenheit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung nicht beeinträchtigt wurden. Die bloße Anzeige des beabsichtigten Urlaubs reicht hierzu nicht (vgl. Gagel, SGB III, § 119 Rn. 174). Erforderlich ist vielmehr, dass vor Antritt des Urlaubs die nach § 3 Abs. 1 Aufenthalts-Anordnung vorgeschriebenen Feststellungen vom Arbeitsamt getroffen werden. Diese Feststellungen fehlen hier.

Auch die Voraussetzungen für eine besondere Härte liegen nicht vor. Die Regeldauer (zwei Wochen) ist beim ersten Meldeversäumnis angemessen. Die Säumniszeit beginnt mit dem Tag nach dem Meldeversäumnis und damit am 07. Januar 1997.

Mit Versäumnis des weiteren Meldetermines vom 13. Januar 1997 hat sich die Säumniszeit gem. § 120 Abs. AFG verlängert.

Die Klägerin wurde mit Schreiben vom 08. Januar 1997, zugestellt durch Niederlegung am 10. Januar 1997, zum 13. Januar 1997 (8.00 Uhr) erneut in das Arbeitsamt Leipzig, Große Fleischergasse 12, Zimmer 243, eingeladen. Es sollte wieder über ihr Bewerberangebot bzw. ihre berufliche Situation gesprochen werden.

Die Klägerin erschien auch zu diesem Termin nicht.

Mit der Meldeaufforderung ist eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung erfolgt. Diese lautet: " Falls Sie auch zu diesem Termin nicht vorsprechen und mir bis dahin auch keinen wichtigen Grund für ihr Fernbleiben mitteilen, wird ihnen Alhi bis zu Ihrer erneuten persönlichen Meldung beim Arbeitsamt nicht gezahlt, mindestens aber für weitere vier Wochen (Verlängerung der Säumniszeit nach § 120 Abs. 2 AFG). Der Zeitraum umfasst lediglich zwei weitere Wochen, wenn die Dauer nach den für die Verlängerung der Säumniszeit maßgebenden Tatsachen für Sie eine besondere Härte bedeuten würde (§ 120 Abs. 3 AFG)." Daraus konnte die Klägerin die Folgen des Nichterscheinens erkennen.

Ein wichtiger Grund lag auch dieses Mal nicht vor. Die Klägerin trägt lediglich vor, sie habe die Einladung zu spät erhalten. Sie habe die Post erst am Montag, den 13. Januar 1997, um die Mittagszeit abgeholt. Die Meldeaufforderung wurde jedoch schon am 10. Januar 1997 niedergelegt. An diesem Tag wurde auch der Benachrichtigungsschein im Hausbriefkasten der Klägerin hinterlegt. Sie hätte die Meldeaufforderung somit bereits am 10. Januar 1997 (Freitag) oder noch am folgenden Tag rechtzeitig abholen können. Das hat sie nicht getan. Soweit sie vorträgt, sie habe den Benachrichtigungsschein erst am 11. Januar 1997 vorgefunden, weil sie zuvor auf einer Geburtstagsfeier gewesen sei, sind das Gründe, die in den Verantwortungsbereich der Klägerin fallen. Denn sie muss als Leistungsempfängerin grundsätzlich verfügbar sein (§ 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG i.V.m. § 1 Aufenthalts-AO). Die Klägerin musste somit zur üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihr mitgeteilten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichbar sein. Daraus ergibt sich auch, dass die Klägerin sich zu dieser Zeit unter der Anschrift aufhalten muss (vgl. BSG, SozR 4100 § 103 Nr. 9). Die Beklagte durfte daher auch davon ausgehen, dass die Meldeaufforderung die Klägerin rechtzeitig erreicht. Die der Beklagten nicht bekannte Geburtstagsfeier ändert daran nichts.

Entgegen der Ansicht der Klägerin war der Meldetermin auch nicht zu kurzzeitig gesetzt. Die Verfügbarkeit muss täglich gegeben sein. Deshalb sind auch Meldungen innerhalb kurzer Zeit (hier: drei Tage) zumutbar.

Auch eine besondere Härte ist beim vorliegenden Sachverhalt nicht anzunehmen. Die Klägerin hat ihre Meldepflichten wiederholt verletzt. Eine Herabsetzung der Säumniszeit ist in diesem Fall nicht angezeigt.

Damit verlängert sich die Säumniszeit um vier Wochen auf insgesamt sechs Wochen.

Die Aufhebung gem. § 48 Abs.1 Nr. 4 SGB X setzt ferner voraus, dass die Klägerin grob fahrlässig nicht wusste, dass der Anspruch auf Alhi zum Ruhen gekommen ist.

Der Prüfung der groben Fahrlässigkeit ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab zu Grunde zu legen. Der Betroffene muss unter Berücksichtigung seiner individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit, die Sorgfaltspflichten in einem das gewöhnliche Maß übersteigendem Ausmaß verletzt haben (BSGE 5, 267, 269). Die erforderliche Sorgfalt hat im besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muß (BSGE 42, 184, 187).

Die Klägerin wurde mit der Meldeaufforderung auf die Rechtsfolgen gem. § 120 AFG hingewiesen. Darüberhinaus bezieht die Klägerin schon seit 1992 Alhi. Ihr Leistungsanspruch hat bereits mehrfach, auch wegen Säumniszeiten geruht. Die Beklagte hat zuletzt mit Bescheid vom 08. November 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 1996 eine Säumniszeit verhängt. Der Klägerin kannte somit die Folgen ihres Verhaltens. Darüberhinaus enthält das Merkblatt für Arbeitslose (Stand: April 1996) entsprechende Hinweise unter dem Punkt "Meldepflicht". Dort wird die Rechtslage bei Meldeversäumnissen zusammengefasst dargestellt.

Die Beklagte hat die Alhi-Bewilligung innerhalb der Ein-Jahres-Frist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X aufgehoben. Sie erhielt am 13. Januar 1997 Kenntnis von den entscheidungserheblichen Tatsachen. Auch die Frist des § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45 Abs. 3 S. 3 SGB X ist eingehalten. Denn die Aufhebung des Bewilligungsbescheides erfolgte nur wenige Monate nach Bekanntgabe und damit innerhalb der Frist von zehn Jahren.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs. 1 Nr. 1, 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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