L 3 AL 80/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 2 AL 1042/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 80/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 1999 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Notwendige außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten bezüglich des Zeitraumes vom 23.06.1997 bis zum 18.06.1998 über die Gewährung von Leistungen zur Förderung von Arbeitsaufnahme, speziell über Trennungsbeihilfe sowie die Bezuschussung von Familienheimfahrten.

Der am ... geborene, verheiratete Kläger ist Vater zweier minderjähriger Kinder und hatte im Jahre 1997 seinen ersten Wohnsitz in ... W ...-A ... Seit dem 28.04.1997 war er arbeitslos.

Am 27.06.1997 beantragte der Kläger Leistungen zur Förderungen der Arbeitsaufnahme (Trennungsbeihilfe und Familienheimfahrten). Am 23.06.1997 trete er im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit der B ... (B ...-G ...-T ...)-Personalservice GmbH M ..., Niederlassung Chemnitz, eine Arbeitnehmerüberlassungsfirma, eine auswärtige Arbeit bei B ... in ... D ... (Großraum M ...) an. Sein Bruttolohn werde voraussichtlich 1.400,00 DM monatlich betragen. Er habe keine kurzfristig verwertbaren Ersparnisse und monatliche Belastungen von 1.200,00 DM. Zudem verneinte er bei Antragstellung, entsprechende Leistungen durch den Arbeitgeber zu erhalten. Hierzu legte der Kläger seinen Vertrag vom 20.06.1997 mit der B ...Personalservice GmbH M ... vor. Danach sollten die Einsätze in Chemnitz, bei Bedarf im Bundesgebiet, erfolgen. Die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit betrage 25,0 Stunden und der Stundenlohn 10,00 DM. Weiter enthält der Vertrag folgende Passage: "Erhält der Mitarbeiter zusätzlich zu der vereinbarten Stundenvergütung Zulagen wie Prämien, Fahrgeld, Verpflegungsmehraufwand oder Übernachtungskosten erstattet, wird dies für jeden Einsatz auf einer gesonderten Einsatzmeldung festgehalten."

Durch Bescheid vom 20.08.1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme ab. Diese Entscheidung beruhe auf § 53 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i. V. m. §§ 12 und 13 der Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme (A-FdA). Die Gewährung der angegebenen Leistung stünde im Ermessen der Beklagten. Voraussetzung für die Zahlung von Trennungsbeihilfe sei, dass ein tägliches Pendeln nicht zumutbar und daher die Führung eines getrennten Haushaltes erforderlich sei. Als Arbeitsort gelte der Ort der Einstellung bzw. der Sitz des Arbeitgebers. Entsprechend dem vorliegenden Arbeitsvertrag sei die Einstellung in Chemnitz erfolgt, so dass tägliches Pendeln zumutbar sei. Daher sei auch die Bezuschussung von Familienheimfahrten abzulehnen gewesen, denn hierfür sei es gemäß § 13 Abs. 1 A-FdA erforderlich, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Trennungsbeihilfe erfüllt seien. Dies sei jedoch - wie dargestellt - nicht gegeben.

Dem widersprach der Kläger mit Schreiben vom 27.08.1997. Auf Grund der Arbeitsbescheinigung der Firma B ...-Personalservice GmbH vom 22.08.1997 werde die Ablehnung der Beklagten nicht akzeptiert.

Die in Ablichtung vorgelegte Bescheinigung enthielt folgende Angaben: "Der Kläger war vom 23.06.1997 bis zum 14.08.1997 als Leiharbeitnehmer der Firma B ... GmbH bei B ... in D ... beschäftigt."

Durch Widerspruchsbescheid vom 11.11.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Als Rechtsgrundlagen für die begehrten Leistungen kämen nur § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 6a AFG in Betracht. Die Lage der auswärtigen Arbeitsstelle bestimme sich regelmäßig nach dem Sitz des Arbeitgebers. Sofern demgegenüber der Arbeitnehmer betriebsbedingt seine Tätigkeit an anderen Einsatzorten verrichte, berühre dies den Tatbestand des § 12 A-FdA nicht. Hier liege der Sitz des Arbeitsgebers bzw. dessen Niederlassung in Chemnitz. Entsprechend sei auch die Gewährung von Zuschüssen für Familienheimfahrten ausgeschlossen.

Hiergegen hat sich der Kläger am 08.12.1997 an das Sozialgericht Chemnitz gewandt. Die Beklagte verkenne, dass der Beschäftigungsort D ... im Großraum M ... sei. Die Zeitarbeitsfirma B ...-Personalservice GmbH verleihe ihre Arbeitnehmer regelmäßig landesweit; in der Regel werde nicht am Einstellungsort gearbeitet.

Hierauf hat die Beklagte entgegnet, eine Förderung käme nur auf der Grundlage von § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Nr. 6a AFG in Betracht. Hierzu sei die Anordnung zur Förderung der Arbeitsaufnahme -A-FdA-. erlassen worden. In § 2 A-FdA werde der förderungsfähige Personenkreis definiert: Danach könne zwar die Arbeitsaufnahme bei einem Verleiher grundsätzlich gefördert werden, nicht jedoch die Aufnahme der Tätigkeit bei dem Entleiher. Hierzu reichte die Beklagte Ablichtungen ihrer Durchführungsanweisungen ein. Die dargestellten Ausführungen zu Leiharbeitsfirmen fänden sich unter Punkt 2.16 der DA.

Mit Urteil vom 28.03.1999 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zu einer erneuten Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Der Kläger gehöre zu dem förderungsfähigen Personenkreis gemäß § 2 A-FdA. Die Auslegung des Begriffes "auswärtige Arbeit" nach dem Sitz oder der Niederlassung des Arbeitgebers fände weder in § 53 AFG noch in § 12 A-FdA eine Stütze. Trennungsbeihilfe solle einen Anreiz bieten, auch entfernter gelegene Arbeitsplätze aufzunehmen. Die Erforderlichkeit einer getrennten Haushaltsführung hinge von der Wegstrecke zwischen Arbeitsstelle und Wohnung ab. Daher knüpfe der Begriff "auswärtige Arbeit" auch an den konkreten Beschäftigungsort an. Soweit sich die Beklagte erstmals im Klageverfahren darauf berufen habe, nach der DA sei die Aufnahme der Tätigkeit einem Entleiher nicht förderungsfähig handele es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen. Zudem müssten ermessenslenkende Richtlinien mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes übereinstimmen; dies sei jedoch hinsichtlich des Ausschlusses einer Aufnahme der Tätigkeit bei einem Entleiher nicht der Fall.

Gegen dieses, ihr am 28.05.1999 zugegangene Urteil hat die Beklagte am 16.06.1999 Berufung eingelegt. Mit dieser hat sie im Wesentlichen beanstandet, dass auch zu prüfen sei, ob der Arbeitgeber nicht bereits gleichartige Leistungen erbringe. Hierfür sei noch eine Prüfung der Ergänzungen zum Arbeitsvertrag erforderlich.

Aus diesen Ergänzungen ergab sich folgende Vereinbarung: "Der Aufwand - Ersatz für Auslösung bzw. Verpflegung und Fahrgeld beträgt für diese Zeit arbeitstäglich insgesamt 10,00/20,00 DM."

Auf nochmalige gerichtliche Anfragen teilte die Firma B ...-Personalservice GmbH zur näheren Erläuterung mit, dass die Kosten für die Unterbringung in Höhe von 750,00 DM monatlich von der Firma B ...-Personalservice GmbH getragen wurden, der Kläger für jeden Arbeitstag einen Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 10,00 DM erhalten habe und zudem ein arbeitstäglicher Tagesgeldzuschuss von 20,00 DM gezahlt worden sei. Letzterer sei als Zuschuss für jeweils eine wöchentliche Familienheimfahrt gedacht gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. März 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) sowie form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig.

Die Berufung ist auch begründet. Denn das SG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten vom 20.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.1997 aufgehoben und die Beklagte zu einer Neuverbescheidung verurteilt.

Die Voraussetzungen für eine Ermessensausübung waren nicht gegeben, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen zur Förderung der Arbeitsaufnahme gemäß § 53 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), hier speziell der beantragten Trennungsbeihilfe (Nr. 4) und Familienheimfahrten (Nr. 6a). Gemäß § 53 Abs. 4 AFG kann die Bundesanstalt durch Anordnung Vorschriften zur Durchführung der Absätze 1 und 2 erlassen. Dies ist hier durch die Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Arbeitsaufnahme vom 19. Mai 1998 (A-FdA), zuletzt geändert durch die 4. Änderungsanordnung vom 25.11.1994, erfolgt. Diese enthält u.a. weitere Regelungen zu den Voraussetzungen für Trennungsbeihilfe (§ 12) und Familienheimfahrten (§ 13).

Entgegen der Auffassung des SG findet sich allerdings sowohl in § 53 Abs. 1 AFG als auch in § 12 Abs. 1 A-FdA durchaus ein Anhaltspunkt für die Auffassung der Beklagten betreffend des Ausschlusses einer Förderung für die Aufnahme einer Tätigkeit bei einem Entleiher. Beide Vorschriften sprechen von der "Arbeitsaufnahme"; § 12 Abs. 1 A-FdA konkret von der "Aufnahme einer auswärtigen Arbeit". "Aufnahme der Arbeit" meint hier den Beginn eines Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisses. Dieses Arbeitsverhältnis wird jedoch zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer abgeschlossen. Der weitere Arbeitseinsatz beim Entleiher erfolgt lediglich im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses. Dabei kann der konkrete Einsatzort betriebsbedingt durchaus wechseln, eine jeweils neue und - gegebenenfalls - förderungsfähige Arbeitsaufnahme kann hierin jedoch nicht gesehen werden. Vergleichbar ist diese Situation z.B. mit der Tätigkeit für eine Baufirma, die ihre Arbeitnehmer auf wechselnden, auch auswärtigen Baustellen einsetzt. Die "Aufnahme der Arbeit" erfolgt dann lediglich bei Beginn der Beschäftigung bei der Baufirma. Entsprechend wäre auch hier die Tätigkeit in Dingolfing, als der konkrete, betriebsbedingte Arbeitseinsatz - nach Aufnahme der Beschäftigung - anzusehen, auch wenn in diesem Fall die Aufnahme der Beschäftigung bei der Firma B ...-Personalservice GmbH und der Beginn der konkreten Arbeit in D ... zusammenfielen.

Letztlich konnte diese Frage jedoch offen bleiben, da der Kläger bereits deshalb keinen Anspruch auf die begehrten Leistungen hat, weil der Arbeitgeber gleichartige Leistungen gewährte, § 4 Abs. 2 A-FdA. Vergleichbar mit der Trennungsbeihilfe nach ausgeglichen werden sollen, sind sowohl die Kosten für die Unterkunft in Höhe von 750,00 DM monatlich, die vom Arbeitgeber übernommen werden, als auch der arbeitstägliche Zuschuss zur Verpflegung in Höhe von jeweils 10,00 DM. Wöchentlich ergab dies einen Betrag in Höhe von ca. 222,92 DM (750,00 DM + 210,00 DM [monatlich für Verpflegung] x 3: 13). Dies übersteigt bereits die nach § 12 Abs. 2 A-FdA i. V. m. der Tabelle 1 (ausgehend von einer Arbeitsaufnahme in Dingolfing) maßgebenden Beträge. Schließlich gewährte der Arbeitgeber dem Kläger auch einen arbeitstäglichen Betrag in Höhe von 20,00 DM für Familienheimfahrten. Daher kommt auch ein Anspruch gemäß § 13 der A-FdA nicht mehr in Betracht. Damit waren für eine Ermessensentscheidung der Beklagten bereits die gesetzlichen Grundvoraussetzungen nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved