L 6 KN 33/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KN 241/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 6 KN 33/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. September 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am ... geborene Kläger begann am 15.7.1963 seine Tätigkeit im Erzbergbau als Aufbereiter, die er auch nach der Armeezeit von 1965 bis 1967 wieder aufnahm. Ab dem 1.1.1969 arbeitete er als Konditionierer, ab März 1973 als Mühlenfahrer, ab Oktober 1978 als Schmierer der Aufbereitungsanlage, ab Juli 1984 als Anlagenfahrer, ab April 1991 als Handwerker, ab Januar 1992 als Verwahrer und ab Januar 1993 als Arbeiter in der Demontage. Seit Januar 1993 war er auch in die Lohngruppe 8 eingestuft, zum 1.1.1994 wurde er jedoch wieder in die Lohngruppe 5 eingestuft, nach der er seit 1969 bezahlt worden war. Grundlage für die Einstufung war zum Schluss der Firmentarifvertrag für die Arbeitnehmer der Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von stillgelegten Bergwerksbetrieben. Seit dem 22.7.1995 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg) bzw. ab dem 17.9.1997 Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Am 16.7.1997 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte zog ein Arbeitsamtsgutachten vom 29.1.1996 bei, wonach der Kläger für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht mehr geeignet sei. Er sei aber für überwiegend körperlich leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von Zwangshaltungen und hautbelastenden Stoffen einsatzfähig. Dabei sollten eintönige, das Schulter-Arm-System belastende Tätigkeiten vermieden werden. Der Kläger wurde daraufhin am 17.9.1997 beim Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten untersucht. In dem Gutachten vom 30.9.1997 des Dr. L ... werden folgende Diagnosen gestellt:

1. Verdacht auf koronare Herzkrankheit
2. Arthralgien der Schulter- und Handgelenke ohne feststellbare Funktionseinschränkungen
3. Kontaktekzem bzw. Irritationsdermatose der Hände, zur Zeit völlig erscheinungsfrei
4. Geringe Belastbarkeitseinschränkung des linken Fußes nach Fersenbeinfraktur 1991 - Arbeitsunfallfolge
5. Hypercholesterolämie
6. Hohl-Spreizfuß
7. Refraktionsfehler, durch Lesebrille korrigiert
8. Geringer Strabismus convergens

Nachdem der Kläger zu einer kardiologischen Untersuchung nicht erschienen war, wurde von Seiten des Sozialmedizinischen Dienstes eingeschätzt, dass im Rentenverfahren ein hinreichend fundiertes Leistungsbild auch ohne Hinzuziehung der kardiologischen Diagnostik möglich sei. Dem Kläger sei die hauptberufliche Tätigkeit als Flottierer weiterhin zumutbar, ebenso eine Tätigkeit als Aufbereiter oder als Anlagenfahrer Wasseraufbereitung.

Mit Bescheid vom 3.12.1997 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab und stellte darüber hinaus fest, dass beim Kläger auch nicht Berufsunfähigkeit bzw. verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau vorliege. Er sei nach ärztlicher Einschätzung noch fähig, Arbeiten als Flottierer und Verwahrer, Aufbereiter, Anlagenfahrer Wasseraufbereitung, Musterprüfer im Wareneingang in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie (Lohngruppe 7), Apparatewärter, Schalttafelwärter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie (Lohngruppe 6), Lager- und Materialverwalter für Elektromaterial, Prüf- und Messwerkzeuge in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie (Lohngruppe 5/6) zu verrichten, er sei somit noch in der Lage, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder aber ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteige. Da er noch in seiner letzten Tätigkeit als Flottierer/Verwahrer (Lohngruppe 5) einsetzbar sei, liege weder Berufsunfähigkeit noch verminderte Berufsfähigkeit im Bergbau vor.

Auf den Widerspruch des Klägers wurde ein kardiologischer Facharztbefund aus dem Ambulanten Herzzentrum D ... vom 30.1.1998 beigezogen. Dort wurde mitgeteilt, dass bei der klinischen Untersuchung von Seiten des kardiopulmonalen Systems kein pathologischer Befund habe festgestellt werden können. Daraufhin wurde der Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 11.5.1998 als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die Klage zum SG Chemnitz hat dieses Befundberichte von Dr. E ..., Dr. St ..., Dr. L ... und Dr. R ... eingeholt. Dr. E ... äußerte den Verdacht auf degenerative Wirbelsäulenveränderungen, Dr. St ... reichte einen Befundbericht des Kardiologen Dr. Dörr ein, wonach sich kein Anhalt für eine hämodynamisch bedeutsame koronare Herzkrankheit ergeben habe. Dr. L ... berichtete von einer posttraumatischen Arthrose nach Fraktur des rechten Handgelenks in den 60er Jahren und von einer Calcaneusfraktur am 9.8.1991. Letztere war am 14.11.1991 ausgeheilt, Laufen war gut möglich. Frau Dr. R ... berichtete über ein "vulgäres Ekzem", welches sie aber nur an 3 Behandlungstagen (6.9.1993, 13.9.1993, 5.5.1995) habe beobachten können. Ein daraufhin eingeholtes Fachgutachten bei Prof. Dr. G. R ... (Leiter der Abt. Allergologie, Berufs- und Umweltdermatologie der TU D ...) belegte ein Hautekzem am Rücken und ein geringfügiges Erythem am 2. Fingerzwischenraum rechts. Bei einem Arbeitseinsatz seien daher stärkere Hautirritationen durch intensive Kontakte mit Stäuben (Bauschutt, organische Materialien), Kühlschmiermitteln, Lösungsmitteln, Farben und Schmiermitteln sowie durch längere Hautdurchfeuchtung und aggressive Hautreinigungsmaßnahmen zu vermeiden. Hierbei sei allerdings zu beachten, dass dadurch nur solche Tätigkeiten zu unterlassen seien, bei denen ein hinreichender Hautschutz bzw. hautkontaktfreie Technologien nicht zu realisieren seien.

Ein orthopädisches Gutachten von Dr. D ... bestätigte, dass der Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig ausüben könne. Dabei sollten die zu tragenden Gewichte allerdings 15 kg nicht überschreiten. Der Kläger hatte angegeben, dass er bei sehr schwerem Heben Schmerzen im rechten Handgelenk verspüre, allerdings sei es ihm ohne Weiteres möglich, einhändig rechts einen Bierkasten zu tragen. Aufgrund der Fußdeformität solle der Kläger nicht ganztägig gehen oder stehen müssen, mehrstündiges Gehen oder Stehen sei aber ohne Weiteres möglich, er sei auch in der Lage, seinen Arbeitsplatz zu Fuß zu erreichen, er könne mehrfach täglich über 1 km zu Fuß zurücklegen. Der Kläger könne sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien arbeiten; hinsichtlich des Bückens seien keine Einschränkungen gegeben, er könne auch an Maschinen oder am Fließband eingesetzt werden, wenn hier die Möglichkeit bestehe, dass gelegentliches Sitzen möglich sei.

Das SG hat daraufhin mit Urteil vom 18.9.2000 die Klage abgewiesen: Der Kläger könne aufgrund seines Gesundheitszustandes noch in seinem letzten Beruf als Flottierer/Verwahrer eingesetzt werden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Er beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 18.09.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.5.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau, hilfsweise ab dem 1.1.2001 wegen Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des SG Chemnitz vom 18.09.2000 zurückzuweisen.

Dem Senat liegen neben den Gerichtsakten beider Instanzen die Verwaltungsakten der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung ist nicht zu beanstanden, der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau und auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Rechtslage beurteilt sich gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch nach den §§ 43, 44 SGB VI in der vom 1.1.1992 bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a. F.), da ein Leistungsbeginn vor dem 1.1.2001 im Streit steht; eine Änderung zu Gunsten des Klägers in dem Sinn, dass ab 1.1.2001 ein Rentenanspruch bestehen könnte, ist durch die zum 1.1.2001 erfolgte Rechtsänderung (insbesondere §§ 43, 240, 241 SGB VI in der ab dem 1.1.2001 geltenden neuen Fassung [n. F.]) nicht eingetreten.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a. F. Ebenso wenig hat er ab dem 1.1.2001 einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43, 240 SGB VI n. F.

Nach den §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VI a. F. haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - 1. berufs- bzw. erwerbsunfähig sind und 2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Das unter Nr. 2 genannte Tatbestandsmerkmal erfüllt der Kläger unstreitig. Er ist aber weder berufs- noch erwerbsunfähig. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die beim Kläger festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen bestehen alle schon seit längerer Zeit und sind nicht erheblich. Er hat mit diesen Einschränkungen seinen Beruf als Flottierer/Verwahrer langjährig ausüben können. So besteht die leicht eingeschränkte Belastbarkeit des rechten Handgelenks seit der Fraktur im Jahre 1964. Zu keinem Zeitpunkt hat der Kläger angegeben, dass ihm seine bisherige Arbeit irgendwann einmal zu schwer geworden sei oder jetzt zu schwer sei. Die von ihm gegenüber den Gutachtern geäußerten Beschwerden lassen Aggravationstendenzen nicht erkennen und verdeutlichen auch, dass ihm sein letzter Beruf gesundheitsbedingt keineswegs verschlossen ist. Die von Prof. Dr. D ... erstmals festgestellte Einschränkung der Rotationsbeweglichkeit des Unterarms rechts verbietet Teilkörpervibrationen und mehrstündig repetierende Rotationsbewegungen, also Belastungen, die bei der Tätigkeit eines Flottierers/Verwahrers nicht auftreten. Nach der Einschätzung von Prof. Dr. D ... war der Kläger zum Untersuchungszeitpunkt (Januar 1999) auch noch als Gabelstaplerfahrer einsetzbar.

Das vollschichtige Leistungsvermögen des Klägers in seiner zuletzt ausgeübten knappschaftlichen Beschäftigung steht einer Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau gem. § 45 SGB VI a. F., wegen Berufsunfähigkeit gem. § 43 SGB VI a. F. und wegen Erwerbsunfähigkeit gem. § 44 SGB VI a. F. entgegen. Aus demselben Grund besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gem. § 43 SGB VI n. F.

Eine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes wurde vom Kläger im Berufungsverfahren nicht geltend gemacht; Anhaltspunkte dafür finden sich auch nicht in den Akten. Der Umstand, dass der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen ist, rechtfertigt nicht die Bewilligung einer Rente.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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