L 4 RA 140/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 13 RA 794/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 140/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11.05.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.

Die am ... geborene Klägerin war von 1953 bis 1961 ohne abgeschlossene Berufsausbildung als Technische Zeichnerin, anschließend als Verkäuferin sowie in der Zeit von November 1966 bis Februar 1995 als Verkäuferin für Radio und Fernsehen mit Facharbeiterqualifikation im Geschäft des Ehemannes tätig. Im Zeitraum 01.05.1981 bis 01.05.1982 hatte sich die Klägerin zur Fachverkäuferin Industriewaren qualifiziert. Die Fachhandelsorganisation Industriewaren erkannte ihr daraufhin mit Urkunde vom 01.05.1982 die Facharbeiterqualifikation im Ausbildungsberuf Fachverkäuferin zu. Vom 03.03.1993 bis 21.10.1994 bezog sie von der IKK Leipzig Krankengeld und bis 16.06.1997 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Bis zum 01.06.1999 war sie ohne Einkommen und bezieht seit dem auf Grund der Vollendung des 60. Lebensjahres Rente.

Am 21.02.1994 beantragte sie bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da sie sich auf Grund multipler Polyarthrose seit Mitte 1992 für berufs- bzw. erwerbsunfähig hielt. Die Beklagte holte daraufhin ein chirurgisches Gutachten des Dr. med. W ... vom 22.12.1994 ein, welcher in seiner Beurteilung feststellte, dass die Klägerin an einer generellen Polyarthrose mit Beteiligung der kleinen Gelenke, vornehmlich des ersten Strahles der linken Hand und im Bereich des Handwurzelknochens links sowie im Bereich des rechten Fußes und an degenerativen Prozessen im Bereich der linken Hohlhand sowie spondylarthrotischen Veränderungen der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule leide. Eine Tätigkeit als Verkäuferin in einem Radio- und Fernsehgeschäft könne sie nicht mehr verrichten. Vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe für Tätigkeiten in geschlossenen Räumen mit ständigem Wechsel zwischen Gehen und Sitzen ohne Tragen von Lasten im Sinne von Aufsichtsführung.

Mit Bescheid vom 23.02.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag auf Grund vollschichtigen Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Mit den ärztlicherseits festgestellten Verschleißerscheinungen der Hand- und Fingergelenke, prothetischer Ersatz des linken Daumengrundgelenkes könne sie noch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Heben und Tragen von Lasten über 6 kg im Wechsel von Gehen und Stehen vollschichtig verrichten.

Hiergegen legte die Klägerin am 17.03.1995 Widerspruch ein, da die Begutachtung unzureichend gewesen sei. Das dazu vorgelegte Gutachten des Arbeitsamtes vom 27.02.1995 beurteilte das Leistungsvermögen mit unter halbschichtig. Der leitende Chefarzt der Klinik H ... Dr. W ... schätzte am 12.12.1994 ein, dass wegen der generell bestehenden Polyarthrose i.S. des Gesetzgebers eine Erwerbsunfähigkeit gegeben sei. Das Arbeitsamt Leipzig verneinte am 27.03.1995 die Verfügbarkeit der Klägerin gem. § 103 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Das beigezogene Gutachten des Sozialmedizinischen Dienstes der Bundesknappschaft vom 16.01.1995 nach Untersuchung am 27.06.1994 schätzte ein, dass die Klägerin einer leichten körperlichen Tätigkeit vollschichtig nachgehen könne. Den Hauptberuf als Verkäuferin könne sie nicht weiter verrichten. Im knappschaftlichen Bereich könne sie als Lichtpauser, Pförtner oder Bürohilfe eingesetzt werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie vollschichtig als Pförtnerin, Telefonistin oder Bürohilfe tätig sein. Die Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenkassen Dr. med. F ... beurteilte im Gutachten vom 15.01.1996, dass eine Tätigkeit als Verkäuferin für Rundfunk/Fernsehen nicht mehr zumutbar sei und nunmehr von einer erheblichen Gefährdung und Minderung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben insgesamt ausgegangen werden müsse.

Nach Vorlage dieser Gutachen und Krankenunterlagen beauftragte die Beklagte die Fachärztin für Orthopädie, Dr. C ... mit der Erstattung eines Gutachtens. Die Sachverständige stellte im Gutachten vom 15.04.1996 multiple Beschwerden bzw. Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet fest und gelangte zu der Einschätzung, dass die Klägerin als Fachverkäuferin nicht mehr einsetzbar sei, jedoch vollschichtig leichte körperliche Tätigkeit ohne Zwangshaltung, ohne Bewältigung von Lasten, Steigen, im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Belastung der linken Hand sowie unter Vermeidung von Nässe, Kälte und Zugluft ausführen könne.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 22.11.1996 zurück, da das orthopädische Gutachten vom 15.04.1996 die Leiden schlüssig und ausführlich beurteilt hätte. Danach könnten leichte Tätigkeiten, die nicht die grobe Kraft erfordern würden, wie z.B. leichte Sortierarbeit, Betätigung von Telefonwählscheiben und Tastaturen weiterhin vollschichtig ausgeübt werden. Das Greifvermögen sei nicht beeinträchtigt. Zu einer Verschlechterung sei es im letzten Jahr nicht gekommen.

Hiergegen hat sich die am 12.12.1996 erhobene Klage gerichtet. Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der Orthopäden Dr. M .../Dr. P ... und der Hausärztin Dipl.-Med. H ... sowie eine Arbeitgeberauskunft eingeholt. Da nach Mitteilung der Orthopäden ständige Tendenz zur Verschlechterung bestehe, veranlasste das SG ein fachärztliches Gutachten, welches die Fachärztin für Orthopädie Dr. Sch ... vom Bundeswehrkrankenhaus Leipzig am 22.01.1999 erstattet hat. In der zusammenfassenden Beurteilung führte die Sachverständige aus, dass als für das Leistungsvermögen bedeutsame Gesundheitsstörungen Verschleißerkrankungen der Lendenwirbelsäule bei Fehlform mit Funktionsstörung, Funkionsstörungen des linken Daumensattelgelenks bei gelockerter Endoprothese, leichte Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule mit geringer Funktionsstörung, Verschleißerscheinungen der Finger- und Zehengelenke und Fußfehlform festgestellt werden könnten. Die zahlreichen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet führten zu einer deutlichen Einschränkung des körperlichen Leistungsvermögens. Im Bereich der linken Hand zeige sich eine Einschränkung der Greiffunktion. Zumutbar seien seit Rentenantragstellung ausschließlich noch leichte körperliche Arbeiten, die in wechselnder Körperhaltung vollschichtig ausgeübt werden könnten. Die Klägerin könne keine Arbeiten verrichten, die eine manuelle Geschicklichkeit erforderten. In Folge der Verschleißerscheinungen im Bereich der Halswirbelsäule sollten keine Über-Kopf-Arbeiten und keine Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten ausgeführt werden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Eine wesentliche Veränderung des Gesundheitszustandes sei seit der Begutachtung Dr. C ... vom 15.04.1996 nicht eingetreten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.05.1999 abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe. Sie könne auf Tätigkeiten der Anlernebene sowie auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Zuletzt sei sie als Fachverkäuferin im Radio- und Fernseheinzelhandelsgeschäft des Ehemannes beschäftigt gewesen. Im Mai 1982 sei ihr auf Grund der Tätigkeit die Facharbeiterqualifikation als Fachverkäuferin zuerkannt worden. Die DDR-Ausbildung zur Fachverkäuferin sei dem Beruf der Verkäuferin mit einer Ausbildungszeit von 2 Jahren gleichzustellen und damit dem oberen Bereich der Anlernebene des Mehr-Stufen-Schemas des Bundessozialgerichts (BSG) zuzuordnen. Entsprechend dieser Eingruppierung sei sie danach sozial zumutbar auf die Tätigkeit als Rezeptionistin/Pförtnerin in einer Behörde verweisbar. Dabei handele es sich um eine Tätigkeit, die eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht erfordere. Sie werde im öffentlichen Dienst, bei großen kommunalen Verwaltungen und Betrieben mit der Vergütungsgruppe IX BAT vergütet und sei dem gehobenen allgemeinen Arbeitsfeld bzw. z.T. bereits dem Anlernbereich zuzuordnen. Diese Tätigkeit umfasse das Empfangen der Besucher, das Erteilen von Auskünften, ggf. das Prüfen von Legitimationen, das Ausstellen von Besucherscheinen, ggf. das Bedienen von Telefonanlagen. Es handele sich um eine leichte körperliche Arbeit, die in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden könne. Nach der von der Beklagten eingereichten Sachverständigenaussage des Verwaltungsbeamten Langhoff vom 10.04.1997 sei diese Tätigkeit auch ohne volle Gebrauchsfähigkeit der Hände ausführbar, da die Notwendigkeit in nennenswertem Umfang Schreibarbeiten oder das Bedienen von EDV-Anlagen auszuführen, nicht gegeben sei.

Derartige Tätigkeiten könnten auch Berufsfremde nach einer Einarbeitungszeit von maximal 3 Monaten vollwertig ausüben. Der Klägerin komme zugute, dass die bisherige Tätigkeit als Verkäuferin kommmunikationsorientiert gewesen sei. Arbeitsplätze im Bereich der Rezeptionistinnentätigkeit gebe es nicht nur vereinzelt, sondern nach der Aussage des Sachverständigen Langhoff in nennenwerter Anzahl. Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechses Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei bei dem vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen nicht gegeben. Diese ergebe sich aus den Gutachten Dr. Sch ..., Dr. C ..., Dr. Med. M ... und Dr. W ... auf orthopädischem Fachgebiet. Die auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen führten in Bezug auf die Verweisungstätigkeit zu keinen weiteren qualitativen oder quantitativen Einschränkungen. Somit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach der strengeren Vorschrift des § 44 SGB VI. Aus gleichen Gründen scheide ein Anspruch auf Invalidenrente nach Artikel 2 § 7 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) aus.

Gegen das am 28.06.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.07.1999 eingelegte Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Beim Vergleich der Befunde aus dem Jahre 1994 und der orthopädischen Gutachten 1996 sowie 1999 werde ersichtlich, dass es zu einer deutlichen Verschlechterung gekommen sei. Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei nicht nur Dr. W ... von der Klinik H ... zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Erwerbsfähigkeit gegeben sei, sondern auch die Gutachterin des Arbeitsamtes am 27.02.1995. Das MDK habe am 15.01.1996 eine Arbeitsunfähigkeit auf Dauer festgestellt und eine erhebliche Minderung der Leistungsfähigkeit für das gesamte Erwerbsleben angenommen. DM H ... habe am 07.07.1998 eine Verschlechterung der Blutdrucksituation diagnostiziert und verneinte ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Diese Einschätzungen seien im Urteil unberücksichtigt geblieben. Der DDR-Beruf Fachverkäuferin sei der Kauffrau im Einzelhandel zuzuordnen. Für diese Tätigkeit werde eine Ausbildungszeit von 3 Jahren vorausgesetzt, so dass im Mehr-Stufen-Schema eine Zuordnung zum Bereich der Angestellten mit 3-jähriger Ausbildung erfolgen müsse. Dies sei auch gerechtfertigt, da das Tätigkeitsprofil der Kauffrau mit den Arbeiten übereinstimme, welche die Klägerin ausgeübt hätte. Die Verweisungstätigkeit sei demnach nicht zumutbar. Die Tätigkeit des Pförtners/Rezeptionisten werde in der Berufsinformationskartei - BO 793 - als überwiegend sitzend beschrieben, was den vielfachen Forderungen nach einem Wechselrhythmus nicht entspräche. Darüber hinaus würden handwerkliche Kenntnisse und technisches Verständnis vorausgesetzt, worüber die Klägerin nicht verfüge. Erforderliche Kontrollgänge und Schichtdienst seien nicht zumutbar.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11.05.1999 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.1996 zu verurteilen, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Rentenantragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungsgründe des SG für zutreffend. Den Ausführungen der Klinik H ... und dem Arbeitsamtsgutachten hätte seinerzeit nicht gefolgt werden können, weil Erstere den Zustand ca. 1 Jahr vor Erstellen des chirurgischen Rentengutachtens beschreibe und das Arbeitsamtsgutachten keine Beeinträchtigung der Greiffunktion der rechten Hand beschreibe, die Klägerin aber Rechtshänderin sei und diese Hand noch einsetzen könne. Blutdruck und durch Diät eingestellte Diabetes seien nicht leistungsmindernd. Die Klägerin könne als Fachverkäuferin den Berufsschutz der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren und nicht den der Einzelhandelskauffrau beanspruchen. Ausgehend von diesem Leitberuf sei eine objektiv und subjektiv zumutbare Verweisungstätigkeit benannt, und zwar die der Mitarbeiterin an einem Empfang oder in Informationsstellen (Rezeptionistin). Tätigkeitsmerkmale und Belastungsprofile einer Pförtnerin und Sekretärin zur Begründung der Unzulässigkeit der Verweisung könnten nicht eingebracht werden.

Der Senat hat wie folgt ermittelt: Die Fachärztin für Innere Medizin Dipl.-Med. H ... teilte im Befundbericht vom 19.06.2000 mit, dass das berufliche Leistungsvermögen durch die auf internistischem Fachgebiet vorliegenden Beschwerden nicht beeinträchtigt sei. Die Fachärzte für Orthopädie, Dr. M ... und Dr. P ... gaben im Befundbericht vom 22.05.2000 an, dass eine wesentliche Befundänderung nicht eingetreten sei und dass ihrer Ansicht nach Berufsunfähigkeit vorliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen des SG und der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist weder berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI noch erwerbsunfähig gem. § 44 Abs. 2 SGB VI.

Das SG hat mit Recht die Klage abgewiesen. Der Rentenbescheid vom 23.02.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.11.1996 war rechtmäßig ergangen.

Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihre Erwerbsfähigkeit noch nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen mit körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er aus einer Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Berufswerdegang und seinem Gesundheitszustand zumutbar verwiesen werden kann (Bundessozialgericht (BSG - Urteil vom 28.02.1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO). Zur Frage, welche Tätigkeiten einem Versicherten zugemutet werden können, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt, nach welchem in Anlehnung an das für die Arbeiterrentenversicherung, die Angestelltentätigkeiten in ungelernte Angestelltentätigkeiten, Tätigkeit mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren und Tätigkeit mit einer längeren Ausbildung (durchschnittlich 3 Jahre) eingeteilt sind (vgl. BSGE 58, 203 f; 55, 45 f; BSG SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Jeder Angestellte kann, wenn es um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit beruflicher Ausbildung kann demnach auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden usw.

Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es daher auf den bisherigen Beruf an (BSG SozR-2200 § 1246 RVO Nr. 107, 169). Dies ist im Allgemeinen die Tätigkeit, die ein Versicherter zuletzt nachhaltig und vollwertig versicherungspflichtig ausgeübt hat. Vorliegend hat das SG zutreffend festgestellt, das als Hauptberuf die Tätigkeit einer Fachverkäuferin heranzuziehen ist. Die Klägerin hat bis 1995 als Fachverkäuferin im Einzelhandelsbetrieb des Ehemannes gearbeitet. In der Zeit vom 01.05.1981 bis 01.05.1982 hat sie sich berufsbegleitend bzw. im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung zur Fachverkäuferin für Industriewaren qualifiziert, so dass ihr daraufhin durch die Fachhandelsorganisation Industriewaren der Stadt Leipzig mit Urkunde vom 01.05.1982 die Facharbeiterqualifikation im Ausbildungsberuf Fachverkäuferin zuerkannt worden war. Somit hat sie diese Berufsbezeichnung im Rahmen einer einjährigen Qualifikation erworben und kann demnach auf Grund ihrer Ausbildung in der DDR dem Beruf der Fachverkäuferin mit einer Ausbildungszeit von 2 Jahren gleichgestellt und damit dem oberen Bereich der Anlernebene des Mehr-Stufen-Schemas des BSG zugeordnet werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist eine Zuordnung zum Bereich der Angestellten mit 3-jähriger Ausbildung entsprechend einer Ausbildungszeit von 3 Jahren für die Qualifikation Kauffrau im Einzelhandel demnach nicht möglich. Eine solche Ausbildung hat sie nicht durchlaufen.

Nach der Ansicht des Senats ist sie unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des BSG und des Mehr-Stufen-Schemas der Berufsgruppe der angelernten Angestellten (Tätigkeit mit einer Ausbildung bis zu 2 Jahren) zuzuordnen, so dass sie sich auf andere angelernte oder auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen muss (Sächs. LSG, Beschluss vom 19.09.2000 - L 4 RA 204/99).

Dem SG ist dahin zu folgen, dass die Klägerin in der Lage wäre, ganztägig die benannte Verweisungstätigkeit einer Rezeptionistin in einer Behörde auszuüben. Hierfür besteht auch nach der Auffassung des Senats ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Nach der vom SG in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen Langhoff zum LSG Schleswig-Holstein (L 3 An 58/96) ist die Klägerin mit dem ermittelten Leistungsvermögen sowohl objektiv als auch subjektiv zumutbar auf die genannte Tätigkeit verweisbar. Nach der Aussage des berufskundlichen Sachverständigen ist unter der Voraussetzung, nur noch leichte Arbeiten vollschichtig, ohne volle Gebrauchsfähigkeit der Hände, ohne Heben oder Tragen von Lasten, ohne Nacht- oder Wechselschicht, nicht an gefährlichen Arbeitsplätzen verrichten zu können, das genannte Berufsfeld nicht verschlossen. Die genannte Verweisungstätigkeit wird im öffentlichen Dienst, bei großen kommunalen Verwaltungen und Betrieben mit Vergütungsgruppe IX BAT vergütet und ist dem gehobenen allgemeinen Arbeitsfeld zuzuordnen. Sie umfasst das Empfangen der Besucher, das Erteilen von Auskünften, ggf. das Prüfen von Legitimationen, das Ausstellen von Besucherscheinen und das Bedienen von Telefonanlagen. Es handelt sich um eine leichte körperliche Arbeit, die in geschlossenen Räumen in wechselnder Körperhaltung ausgeführt werden kann und nach einer Einarbeitungszeit von max. 3 Monaten ausübbar ist. Die Tätigkeit am Empfang bzw. an einer Pförtnerloge in einer öffentlichen Verwaltung oder in größeren Betrieben, Institutionen oder Unternehmen umfasst nicht die Notwendigkeit, in nennenswertem Umfang Schreibmaschinen oder EDV-Anlagen bedienen zu müssen, da diese Tätigkeiten auch ohne volle Gebrauchsfähigkeit der Hände ausführbar sind. Dem SG folgend kommt der Klägerin zugute, das die bisherige Tätigkeit als Verkäuferin eine kommunikationsorientierte Tätigkeit war und insoweit Anpassungs- bzw. Umstellungsprobleme nicht bestehen. Arbeitsplätze gibt es nicht nur vereinzelt, sondern in nennenwerter Anzahl, wie der Aussage des berufskundlichen Sachverständigen zu entnehmen ist. Darüber hinaus sind sie in Tarifverträgen erfaßt. Insoweit kommt es nach der Rechtsprechung des BSG nicht auf freie Arbeitsplätze, sondern nur darauf an, dass solche Arbeitsplätze, seien sie frei oder besetzt, in genügender Anzahl vorhanden sind. Die Lage des Arbeitsmarktes ist gemäß § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI unbeachtlich.

Als weitere Verweise kommen beispielsweise Angestelltentätigkeiten nach VG IX BAT für den öffentlichen Dienst in Betracht. Hierunter fallen Angestellte im Büro-, Registratur-, Buchhalterei-, Kanzlei- oder sonstigen Innendienst mit einfacheren Arbeiten, z.B. Postabfertigung, Materialverwaltung etc. (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.05.1996 - L 6 A 80/95 zu Verweisungstätigkeiten bei einem Hauptberuf als Verkäuferin).

Nach der Überzeugung des Senats besteht kein Rentenanspruch, da sowohl die im sozialgerichtlichen Vorverfahren als auch die vom SG eingeholten Sachverständigengutachten zu übereinstimmenden Einschätzungen und Beurteilungen gelangten, dass die Klägerin noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in wechselnder Körperhaltung bei verminderter grober Kraft in beiden Händen unter weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen verrichten kann. Mit den vorliegenden Gesundheitsstörungen kann die Klägerin nach Einschätzung der Sachverständigen leichte Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltung, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Heben und Tragen mittelschwerer und schwerer Lasten sowie ohne hohe Anforderungen an manuelle Geschicklichkeit vollschichtig ausüben. Dies schließt somit die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in geschlossenen Räumen und insbesondere für die benannte Verweisungstätigkeit nicht aus.

Die vom Senat ergänzend beigezogenen Befundberichte und Krankenunterlagen ergaben, dass sich auf internistischem Fachgebiet die Befunde nicht geändert haben und das berufliche Leistungsvermögen nicht beeinträchtigt ist. Die Fachärzte für Orthopädie teilten ebenso mit, dass eine wesentliche Befundänderung nicht festzustellen ist und das Berufsunfähigkeit vorliege. Diese Schlussfolgerung der Fachärzte ergibt sich offenbar aus der Annahme, dass die Klägerin im Hauptberuf als Fachverkäuferin nicht mehr tätig sein kann. Dies ist zwischen den Beteiligten ohnehin unstreitig.

Da die Klägerin nach den beigezogenen Sachverständigengutachten vollschichtig einsetzbar ist und sonstige Einschränkungen, die den Arbeitsmarkt verschlossen erscheinen ließen, nicht gegeben sind, liegt BU im Sinne des § 43 SGB VI nicht vor.

Da die Klägerin nicht berufsunfähig ist, ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig. Eine Rente wegen EU wird nur unter den strengen Rentenvoraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB VI gewährt. Die Klägerin ist trotz der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, mit dem vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und hierbei mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Invalidität im Sinne von Artikel 2 § 7 RÜG ist nicht gegeben.

Ebenso besteht kein Rentenanspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827), denn die Klägerin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Feststellungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Im Übrigen schließt sich der Senat den Ausführungen und den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung an und sieht daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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