S 9 KR 28/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 9 KR 28/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 verurteilt, die Kosten der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege vom 01.08.2001 bis 31.12.2001 entsprechend der am 17.07.2001 bei der Beklagten eingegangenen Verordnung von Dr. P zu übernehmen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenübernahme ambulanter psychiatrischer Krankenpflege.

Die am 00.00.1936 geborene Klägerin leidet unter einer schizoaffektiven Psychose. Sie ist allein lebend und werktäglich in einer Behindertenwerkstatt, den M-werkstätten in L tätig. Sie ist seit Jahren in ständiger ambulanter ärztlicher Behandlung in der Abteilung für klinische Psychiatrie und Psychotherapie des N-Hospitals F. Seit 1996 gewährte die Beklagte nach Vorlage entsprechender Verordnungen der behandelnden Psychiater Dr. L1 und Dr. P des N-Hospitals F ambulante psychiatrische Pflege nach § 37 Abs. 2 SGB V. Die Krankenpflege wurde seitdem im Wesentlichen von der Zeugin T, einer Fachpflegekraft für Psychiatrie vom Sozialpsychiatrischen Zentrum F durchgeführt. Bis zur Gewährung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege befand sich die Klägerin immer wieder längere Zeiträume in stationärer Behandlung. Seit der Durchführung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege, insbesondere seitdem die Zeugin T die Pflege seit 1997 durchgeführt hat, ist die Anzahl der stationären Aufenthalte der Klägerin erheblich zurückgegangen.

Unter dem 27.06.2001 wurde der Klägerin häusliche Krankenpflege in Form von einmal wöchentlichem Medikamentenstellen, Wochenende und Feiertage zweimal wöchentlich, zweimal täglich für den Zeitraum vom 01.07. bis 30.09.2001 verordnet. Unter dem 28.06.2001 verordnete Dr. P für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2001 wegen der Chronifizierung der Erkrankung fünfmal wöchentlich ambulante psychiatrische Pflege. Während die Medikamentengabe von der Caritas-Pflegestation durchgeführt wurde, erfolgte die ambulante psychiatrische Pflege durch die Zeugin T vom Sozialpsychiatrischen Zentrum F. Die Beklagte bewilligte die Medikamentengabe, lehnte aber die Erbringung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege mit Bescheid vom 17.07.2001 über den 31.07.2001 hinaus ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine Kostenübernahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung immer dann erfolgen könne, wenn die ambulante Pflege Teil eines aktuellen Behandlungsplanes zur Behandlung eines akuten Krankheitszustandes darstelle. Bei langfristigen Behandlungen könne nicht mehr von einem akuten Krankheitszustand ausgegangen werden, sondern vielmehr von einer andauernden pflegerischen Maßnahme nach den §§ 39, 40 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Der Klägerin wurde empfohlen, sich für die weitere Kostenübernahme an den zuständigen Sozialhilfeträger zu wenden. Dagegen legte die Klägerin über ihren Betreuer Widerspruch ein und trug vor, dass es bei Abzug des Einsatzes der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege kurzfristig zu einer Dekompensierung kommen könne. Zur weiteren Begründung legte er eine ärztliche Bescheinigung von Dr. L1 vom N-Hospital F vom 20.07.2001 vor, wonach nur unter der kontinuierlichen Einnahme von Clozapin bei der Klägerin eine gewisse Stabilisierung habe erzielt werden können, so dass stationäre Behandlungen in der letzten Zeit hätten verhindert werden können. Andererseits liege es in der Natur der Erkrankung der Klägerin, dass sie krankheitsuneinsichtig sei, so dass die Einnahme des Medikamentes Clozapin unter kontrollierten Bedingungen erfolgen müsse. Erst nachdem diese kontrollierte Einnahme des Clozapin mit Hilfe der ambulanten psychiatrischen Pflege sichergestellt worden sei, hätten weitere Rückfälle und Krankenhausbehandlungen verhindert werden können. Bei der kontrollierten Einnahme des Clozapins handele es sich nicht um eine pflegerische Maßnahme, sondern um eine typisch ambulante psychiatrische Behandlung, die nur durch die ambulante psychiatrische Pflege sichergestellt werden könnte. Sollte diese kontrollierte ambulante Behandlung beendet werden müssen, so müsse mit einem sofortigen Rückfall der Erkrankung der Klägerin und Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit gerechnet werden. Daraufhin beauftragte die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. O kam in dem sozialmedizinischen Gutachten vom 07.09.2001 zu dem Ergebnis, dass ein klares Behandlungskonzept nicht ersichtlich sei. Nach 5 1/2 Jahren gewährter ambulanter psychiatrischer Krankenpflege gehe es nur noch um einen Aufbau der Beziehung zum Patienten. Die Hilfe bei der Freizeitstrukturierung und die Beratung von Familienangehörigen etc. stehe im Vordergrund. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2002 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 31.01.2002 Klage erhoben, mit der sie die Weitergewährung ambulanter psychiatrischer Krankenpflege über den 31.07.2001 hinaus begehrt. Sie ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Leistung weiterhin gegeben seien.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.07.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2002 zu verurteilen, die Kosten der ambulanten psychiatrischen Krankenpflege vom 01.08.2001 bis 31.12.2001 entsprechend der am 17.07.2001 bei der Beklagten eingegangenen Verordnung von Dr. P zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist darauf, dass sie die Kosten der Medikamentengabe - Verabreichung und Überwachung - für die Klägerin im Rahmen der häuslichen Krankenpflege übernehme, so dass es darüber hinaus keiner ambulanten psychiatrischen Pflege bedürfe. Es sei nicht nachvollziehbar, dass es sich bei einer seit 21 Jahren bestehenden Erkrankung mit den bekannten Folgen nicht um einen nicht mehr zu beeinflussenden Dauerzustand handeln solle. Die einzig zielgerechte Behandlung bzw. pflegerische Maßnahme bestehe aus der Medikamenteneinnahme und -überwachung. Genau dies entspreche dem Leistungsangebot der Beklagten. Es bestehe kein strukturierter ärztlicher Behandlungsplan als Grundlage einer qualifizierten psychiatrischen Krankenpflege; aus diesem Grund könnten auch keine Maßnahmen von den Pflegekräften eigenverantwortlich geplant werden. Psychiatrische Krankenpflege im originären Sinn werde daher nicht erbracht.

Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts einen Behandlungs- und Befundbericht von Dr. L1, Leitender Abteilungsarzt der psychiatrischen Abteilung des N-Hospital F eingeholt und die Fachkrankenschwester für Psychiatrie Frau T, als Zeugin vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den eingeholten Bericht vom 03.09.2002 und die Sitzungsniederschrift vom 13.12.2002 nebst Anlage verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erteilt haben.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide der Beklagten beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn die Bescheide sind rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf die Erstattung der in dem streitigen Zeitraum vom 01.08. bis 31.12.2001 entstandenen Kosten der durchgeführten ambulanten psychiatrischen Pflege entsprechend der Verordnung von Dr. P.

Gemäß § 13 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch vorsieht. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 SGB V). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat Anspruch auf die Erstattung bzw. Freistellung der Kosten der durchgeführten ambulanten psychiatrischen Krankenpflege für den geltend gemachten Zeitraum, da die Ablehnung dieser Leistung durch die Beklagte zu Unrecht erfolgt ist.

Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Die häusliche Krankenpflege muss notwendig sein, um das Ziel der ärztlichen Behandlung, d. h. die Heilung, Besserung, Linderung oder Verhütung der Verschlimmerung der Krankheit zu sichern. Die von der Beklagten vertretene Auffassung, wonach außerstationäre psychiatrische Krankenpflege nur bei Vorliegen eines akuten Krankheitsbildes Kassenleistung sei, während bei einer chronischen Behinderung oder bei einem nicht zu beeinflussenden Dauerzustand diese Maßnahme als Eingliederungshilfe zu Lasten des Sozialhilfeträgers nach den §§ 39, 40 BSHG zu erbringen sei, findet im Gesetz keine Grundlage. Insbesondere findet sich in § 37 Abs. 2 SGB V keine zeitliche Begrenzung zur Erbringung häuslicher Krankenpflege. Entscheidend ist, dass die Behandlungspflege weiterhin zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Daraus folgt, dass häusliche Krankenpflege auch bei der Behandlung eines chronischen Krankheitsbildes zu erfolgen hat, wenn eine zielgerichtete Krankenbehandlung mit den Mitteln der fachpsychiatrischen häuslichen Krankenpflege erfolgt. Wie die ärztliche Behandlung selbst, muss aber auch die Erbringung häuslicher Krankenpflege zielgerichtet sein und auch als Behandlung stattfinden. Handelt es sich hingegen lediglich um eine soziale Betreuung ohne ärztliche Behandlung, so fällt diese nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern ist vielmehr als Eingliederungshilfe durch den zuständigen Sozialhilfeträger im Sinne der §§ 39, 40 BSHG - sofern die dort geregelten Voraussetzungen vorliegen - zu erbringen. Vorliegend hat die Beweisaufnahme ergeben, dass die häusliche Krankenpflege weiterhin zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Der Leitende Abteilungsarzt Dr. L1 der Abteilung für klinische Psychiatrie und Psychotherapie des N-Hospitals F hat in seinem für das Gericht erstellten Befundbericht vom 30.07.2002 ausgeführt, dass die Klägerin seit 1981 in seiner Behandlung ist und sie unter einer schizoaffektiven Psychose leidet. Nach seinen Angaben ist das Grundleiden einer Besserung zugänglich, wenn die Medikation mit Chlozapin regelmäßig durchgeführt wird. Er ist auch nicht der vom MDK geäußerten Auffassung, dass es sich um einen nicht mehr zu beeinflussenden Dauerzustand handelt. Es findet eine zielgerichtete ärztliche Behandlung statt mit dem Ziel der Besserung des Grundleidens und der Verbesserung der Symptomatik oder der Verhütung ihrer Verschlimmerung. Insbesondere können durch die kontrollierte Einnahme des Chlozapins akute Rückfälle, d. h. Verschlimmerungen verhindert werden. Nach seinen Angaben besteht ein Behandlungsplan, der bei krankheitsbedingter Krankheitsuneinsichtigkeit die Einnahme der erforderlichen Medikation beinhaltet sowie die Notwendigkeit der Überwachung der Medikation, zumal Chlozapin nur unter kontrollierten Bedingungen zur Behandlung zugelassen ist. Insoweit werden die Pflegemaßnahmen von den Pflegekräften nicht eigenverantwortlich und selbst geplant erbracht. Der Behandlungsplan umfasst die kontrollierte zweimalige Einnahme von Clozapin (Leponex), die Beobachtung der Patientin wegen eventuell zu erwartender Nebenwirkungen, regelmäßige Blutbildkontrollen und die kontinuierliche Beobachtung des psychopathologischen Zustandes der Patientin.

Diese Angaben werden bestätigt durch die Bekundungen der Zeugin T, die als Fachkrankenschwester für Psychiatrie die ambulante psychiatrische Pflege täglich seit 1997 durchführt. Die Zeugin hat in ihrer Vernehmung in der Sitzung vom 13.12.2002 folgendes bekundet:

"Ich kenne die Klägerin seit 1991/1992. Bereits damals habe ich ambulante psychiatrische Pflege für sie durchgeführt, allerdings nur sporadisch. Kontinuierlich, d. h. täglich führe ich die Pflege seit 1997 durch. Wir sind zu zweit, d.h. einer steht immer für die Pflege zur Verfügung. Meistens bin ich das aber, weil ich für die Klägerin zuständig bin. Ich führe werktäglich in der Regel einen Einsatz durch. Am Wochenende wird das zweimal täglich durch die Pflegestation durchgeführt. Die verabreichen dann morgens und abends die Medikamente. In der Woche kommt die Pflegestation nur einmal täglich und zwar abends zur Medikamentengabe. Diese Pflegekräfte warten zwar, bis die Klägerin die Medikamente eingenommen hat. Es ist dann aber nicht sicher gestellt, ob sie die Medikamente wirklich bei sich behält. Zur Zeit führe ich die Pflege auch noch durch, obwohl ich dafür nicht bezahlt werde. Ich fühle mich dazu aber moralisch verpflichtet, weil die Klägerin ansonsten in stationäre Behandlung müsste. Seit 1997 besucht die Klägerin die M-werkstätten in L. Sie fährt da morgens alleine mit dem Zug hin. Dort besuche ich sie dann werktäglich zwischen etwa 9.00 und 9.30 Uhr. Wir gehen dann in einen gesonderten Raum. Dort nimmt sie dann die Medikamente gemörsert ein. Das wird deswegen gemacht, weil sie sie ansonsten vergisst oder verlegt oder halt nicht einnimmt. Ich bleibe dann dort und unterhalte mich mit ihr in der Regel etwa 20 Minuten auch um sicher zu stellen, dass die Tabletten drin bleiben. Sie hat keine Krankheitseinsicht und meint, dass sie nicht krank sei und diese Tabletten nicht nehmen müsse. Ich spreche deswegen ständig mit ihr und versuche, ihr die Notwendigkeit der Einnahme klar zu machen. Wie gesagt muss sie zweimal täglich diese Tabletten nehmen, und zwar morgens 200 mg und abends 250 mg. Es erfolgt ferner morgens ein sogenanntes Entlastungsgespräch. Das heißt wir sprechen darüber, wie der Tag abgelaufen ist bzw. wenn sie Probleme hat, sprechen wir über dieses Problem. Das darüber Reden ist für sie sehr wichtig. Wie gesagt dauert dieser Einsatz in der Regel 20 bis 30 Minuten. Wenn sie eine Krise hat, kann das auch schon mal 1 Stunde bis 1 1/2 Stunden sein. Es kann auch sein, dass ich dann mit ihr zum Arzt fahren muss. Jedenfalls haben wir es durch diese kontinuierlichen Besuche geschafft, dass sie einigermaßen am Leben teilnehmen kann. Alle 4 Wochen muss sie zur ärztlichen Blutuntersuchung. Diese ist notwendig, um evtl. Blutbildveränderungen durch die Medikamenteneinnahme des Medikamentes Clozapin feststellen zu können. Diese Untersuchungen würde sie alleine nicht machen lassen. Wenn ich gesagt habe, es handle sich nur um einen Einsatz pro Tag, so ist das nur dann, wenn es normal verläuft. Wenn die Klägerin eine Krise hat, fahre ich natürlich auch nachmittags hin. Die zweite Medikamenteneingabe wird abends gemacht. Allerdings erfolgt sie wie gesagt durch die Pflegestation und es ist dadurch nicht sicher gestellt, dass sie die Medikamente tatsächlich in sich drin behält. Wenn das mal nicht geschehen ist, merke ich meistens 1 bis 2 Tage später, dass sie die Medikamente nicht eingenommen hat. Das merke ich an ihrem Verhalten, insbesondere weil die Krankheitseinsicht dann noch weniger vorhanden ist. Ich stehe in ständiger Verbindung mit dem behandelnden Arzt Dr. L1. Einmal monatlich fahre ich sowieso mit der Klägerin dort zusammen zu einem Termin hin. Ich verbinde diesen Termin meistens mit dem Termin zur Blutuntersuchung. Es handelt sich dabei um einen reinen Gesprächstermin. Aber auch ansonsten ist Dr. L1 immer erreichbar, wenn die Klägerin eine Krise hat und ich sofort mit ihr zu ihm hinfahren muss. Auch werde ich von der Werkstatt informiert, wenn irgend etwas an ihr auffällig gewesen ist. Zur Werkstatt fährt sie alleine mit dem Zug und kommt von dort auch alleine wieder zurück. Vorgaben, die ich von Dr. L1 habe sind, dass es wichtig ist darauf zu achten, dass sie die Medikamente einnimmt und insbesondere auch bei sich behält. Dann sollen entlastende Gespräche durchgeführt werden und insbesondere ist ein regelmäßiger Kontakt zur Patientin nach ärztlicher Meinung erforderlich. Einkaufen und Essen zubereiten kann sie alleine bewerkstelligen. Sie macht sich morgens auch alleine fertig, um zur Werkstatt zu fahren. Die regelmäßige Essenseinnahme ist durch den Aufenthalt in der Werkstatt werktäglich einigermaßen gesichert. Wenn es ihr nicht gut geht, muss ich allerdings darauf achten, dass sie auch regelmäßig Mahlzeiten zu sich nimmt. Am Wochenende kümmert sich der Untermieter darum, indem er darauf achtet. Vor dem Wochenende führe ich mit der Klägerin immer ein Gespräch darüber, was sie am Wochenende vor hat und wie der Ablauf des Wochenendes vor sich gehen soll. Ich bin froh, dass mittlerweile zu mir eine Vertrauensbasis da ist, und dass sie mit ihren Sorgen und Nöten zu mir kommt. Wie gesagt konnten die stationären Behandlungen nach meiner Auffassung durch diese kontinuierliche Pflege erheblich reduziert werden. So waren es im Jahre 2002 nur zwei kurze Aufenthalte, weil ich das früh genug abfangen konnte. Sie war nur jeweils 2 bis 3 Wochen in stationärer Behandlung. Wenn mir vorgehalten wird, dass die Beklagte mitgeteilt hat, in dem Zeitraum von 1995 bis 2001 sei die Klägerin zehnmal mit insgesamt 519 Tagen in stationärer Behandlung gewesen, so mag das richtig sein. Ich kann dazu nur sagen, dass die stationären Aufenthalte wesentlich häufiger und umfangreicher gewesen wären, wenn ich die Pflege nicht hätte durchführen können. In der M-werkstatt L befinden sich nur psychisch Kranke. Die Medikamentengabe kann von den dortigen Kollegen nicht durchgeführt werden, weil die das gar nicht dürfen. Ich fahre immer in die M-werkstätten zur Klägerin es sei denn, sie hat Urlaub. Dann fahre ich zu ihr nach Hause auch um zu sehen, wie es ihr zu Hause geht. Natürlich können die Kollegen der Sozialstation die Tabletten geben. Es kommt aber darauf an, dass mit der Klägerin Gespräche geführt werden, um die Einsicht in die Notwendigkeit der Tabletteneinnahme zu fördern. Früher kam es oft vor, dass sie sich der Medikamenteneinnahme entzog und nicht da war, wenn ich oder der Pflegedienst zur Medikamentengabe kamen. Durch meine kontinuierliche Tätigkeit habe ich es aber geschafft, dass sie die Medikamente mittlerweile wenn auch widerwillig regelmäßig einnimmt."

Aus den Angaben von Dr. L1 und den Bekundungen der Zeugin wird deutlich, dass durch die Gewährung der Medikamentengabe alleine die Sicherstellung der ärztlichen Behandlung nicht gewährleistet ist. Wegen der bei der Klägerin vorliegenden Krankheitsuneinsicht ist vielmehr darüber hinaus die ambulante psychiatrische Pflege erforderlich, um die tatsächliche Einnahme der lebensnotwendigen und die ärztliche Behandlung sichernden Medikamente zu gewährleisten. Insofern ist für die Kammer nachgewiesen, dass die ambulante psychiatrische Krankenpflege auch weiterhin erheblich über den Bereich der sozialen Betreuung hinausgeht, vielmehr zur Sicherstellung der ärztlichen Behandlung weiterhin unerlässlich ist, sollen auch künftig längerfristige stationäre Aufenthalte der Klägerin, die dann unvermeidlich wären, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte zu verpflichten, über den 31.07.2001 hinaus weiterhin ambulante psychiatrische Krankenpflege zu erbringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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