L 4 RA 183/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 17 RA 77/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 183/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ... geborene Kläger absolvierte von 1966 bis 1968 eine Lehre als Schlosser. In diesem Beruf war er mit Unterbrechungen bis zum 30.04.1978 tätig. Nach Abschluss eines Fachschul-Abendstudiums legt der Kläger am 26.07.1974 die Prüfung in der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie ab und war berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Er übte sodann verschiedene versicherungspflichtige Tätigkeiten aus, u.a. Gastwirt, Gebäudewirtschaftler, stellvertretender Kaufhallenleiter, Instandhaltungsmechaniker, und war zuletzt vom 01.05.1992 bis 31.03.1995 als Versicherungsagent/Außendienstmitarbeiter bei der D ... Versicherungen beschäftigt. Seitdem ist der Kläger ohne Arbeit. Nach Auskunft der K ... H ... war der Kläger ab 01.11.1993 arbeitsunfähig und bezog vom 01.01.1994 bis 15.08.1994, vom 13.12.1994 bis 31.12.1994 sowie vom 01.04.1995 bis 31.12.1995 Krankengeld. Vom 23.10.1996 bis 26.07.1998 stand er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und bezog Arbeitslosensgeld. Seit 27.07.1998 erhielt er erneut Krankengeld und Arbeitslosengeld. Seit 24.01.2000 bezieht er Arbeitslosenhilfe.

Am 04.12.1995 beantragte der Kläger bei der Beklagten wegen Lendenwirbelsäulenbeschwerden und chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Während des Rentenverfahrens unterzog er sich in der Zeit vom 10.09.1996 bis 22.10.1996 einer Behandlung in der Psychosomatischen Fachklinik der F ...-Klinik M ..., aus der er als sofort arbeitsfähig entlassen wurde. Dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 06.11.1996 sind folgende Diagnosen zu entnehmen: - psychovegetatives Syndrom mit abdominellen Beschwerden, - Lumboischialgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, - chronische Pankreatitis mit Pankreasinsuffizienz. Der Kläger sei physisch und psychisch vollschichtig leistungsfähig mit qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der physischen Belastbarkeit aufgrund der Pankreasinsuffizienz und der daraus folgenden Symptomatik. Er könne mittelschwere körperliche Arbeiten, ohne Ersteigen von Treppen, Gerüsten und Leitern mit Lasten, ohne Bücken, Hocken und Knien sowie ohne Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 15 kg vollschichtig verrichten.

In Auswertung des Entlassungsberichts lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 17.04.1997 ab. Der Kläger könne im bisherigen Berufsbereich weiterhin vollschichtig tätig sein. Er sei daher weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Auf den Widerspruch des Klägers zog die Beklagte zunächst einen Befundbericht des Hausarztes Dr. O ...vom 10.07.1997 bei, der eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes seit Januar 1997 angab. Ferner holte die Beklagte ein internistisches, ein orthopädisches sowie ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten ein.

Der Internist Dr. L ... stellte in seinem Gutachten vom 01.09.1997 beim Kläger ein psychovegetatives Syndrom mit abdominellen Beschwerden, chronische Pankreatitis sowie ein Struma parenchymatosa et nodosa fest. Aus internistischer Sicht sei der Kläger bei Alkoholabstinenz und fettarmer Diät vollschichtig einsatzfähig, auch in seiner letzten Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter bei einer Versicherung.

Die Orthopädin Dipl.- Med. M ...l diagnostizierte im Gutachten vom 04.09.1997 - eine statische Insuffizienz der Wirbelsäule, - degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit rezidi vierenden Parästhesien, - Zustand nach Sprunggelenks- und Tibiafraktur rechts, z.Zt. ohne subjektive Beeinträchtigung. Als nichtorthopädische Diagnose gab die Sachverständige einen Zustand nach Pankreatitis an. Als Grundkrankheiten bestünden beim Kläger eine angeborenen Asymmetrie des Lumbo-Sacralen-Übergangs sowie ein Zustand nach Morbus Scheuermann der Brustwirbelsäule. Diese Krankheitsbilder bestünden bereits seit vielen Jahren, so dass gewisse Kompensationsmechanismen herausgebildet worden seien. Die internistische Krankheit habe die orthopädischen Leiden sicherlich noch zusätzlich verstärkt. Ein muskuläres Training oder prophylaktische Maßnahmen seien vom Kläger nicht durchgeführt worden. Arbeiten in Zwangshaltung bzw. Überkopfarbeiten sowie eine reine Schreibtischarbeit seien vom Kläger nicht zu bewältigen. Er sei nur noch für leichte Tätigkeiten halb- bis unter vollschichtig einsatzfähig.

Prof. Dr. G ... vertrat in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 07.10.1997 die Auffassung, der Kläger könne noch leichte bis mittelschwere körperliche und geistige Arbeiten entsprechend seiner Ausbildung ohne Außendienst und ohne Überstunden vollschichtig ausüben. Eine Tätigkeit als Versicherungsvertreter sei nicht ratsam, da die Spezifik dieser Tätigkeit den Kläger in seiner Belastbarkeit und Bewältigungsfähigkeit überfordere. Bei der ambulanten Untersuchung diagnostizierte der Sachverständige eine neurotische Entwicklung mit psychosomatischen Beschwerden sowie einen Verdacht auf sensible Polyneuropathie geringer Ausprägung.

In Auswertung der Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1998 zurück. Zwar könne der Kläger den Beruf als Außendienstmitarbeiter eines Versicherungsunternehmens nicht mehr ausüben. Unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes und der während des Erwerbslebens erlangten und verwertbaren Kenntnisse und Fähigkeiten komme aber noch eine vollschichtige Beschäftigung als Mitarbeiter im Innendienst in Betracht.

Mit der am 10.02.1998 erhobenen Klage begehrte der Kläger weiterhin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sein Gesundheitszustand habe sich seit Rentenantragstellung verschlechtert. Er fühle sich subjektiv nicht in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. In den letzten drei Jahren sei er wiederholt arbeitsunfähig gewesen, so dass er keine regelmäßige Tätigkeit mehr ausüben könne.

Zur Sachaufklärung zog das Sozialgericht Befundberichte des Orthopäden G ..., des Allgemeinmediziners Dr. O ..., Auszüge aus dem MDK-Gutachten vom 18.09.1995 sowie eine Auskunft der D ... Versicherungen vom 26.06.1998 bei.

Nach Auskunft der Debeka war der Kläger seit 01.05.1992 als Bezirksbeauftragter im Außendienst angestellt. Es habe sich um eine körperlich leichte Arbeit mit PKW-Benutzung gehandelt, für die eine halb- bis einjährige Einarbeitung in Form von Seminaren, Schulungen und Betreuung durch übergeordnete Mitarbeiter notwendig war. Eine regelmäßige Arbeitszeit sei nicht vereinbart gewesen. Das Beschäftigungsverhältnis habe aus gesundheitlichen Gründen zum 31.03.1995 geendet.

Ferner zog das Sozialgericht ein orthopädisches Fachgutachten, erstattet am 20.04.1999 von Dr. L ..., Chefarzt der Klinik für Orthopädie des H ... Klinikums A ..., bei. Danach bestehe beim Kläger auf orthopädischem Fachgebiet - ein chronisches lumbales Pseudoradikulärsyndrom rechts mehr als links bei degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, - ein chronisches cervicales Lokalsyndrom bei degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule sowie - eine posttraumatische Arthrose des rechten oberen Sprunggelenkes. Als fachfremde Diagnosen verwies der Sachverständige auf die bereits bekannte chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung mit Pankreasinsuffizienz, eine dezente sensible Polyneuropathie beider Beine, rechts mehr als links, und eine neurotische Entwicklung mit psychosomatischen Beschwerden. Bei dem bestehenden leichten Ausmaß der Funktionseinschränkungen sei der Kläger in der Lage, eine leichte und kurzfristig auch mittelschwere körperliche Tätigkeit im Wechsel zwischen Stehen, Sitzen und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen des Rumpfes und des Schultergürtels, ohne Überkopfarbeit sowie ohne überdurchschnittliche psychische Belastungen und ohne unregelmäßige Arbeitszeit vollschichtig auszuüben. Das geschilderte Leistungsbild bestehe seit Januar 1996 in unveränderter Ausprägung.

Das Sozialgericht wies die Klage nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 29.06.1999 ab. Der Kläger sei schon nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 des Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Bei Prüfung der Berufsunfähigkeit (BU) ging das Sozialgericht von dem bisherigen Beruf des Klägers als angelernter Versicherungskaufmann aus. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen könne er diese Tätigkeit nicht mehr vollschichtig ausüben. Unter Berücksichtigung des medizinisch ermittelten Leistungsbildes für eine vollschichtige, körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen sei der Kläger aber zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners oder eines Mitarbeiters in einer Poststelle verweisbar. Daran ist er auch nicht unter Berücksichtigung der Einschränkungen aufgrund der chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung mit Pankreasinsuffizienz gehindert, denn sein Allgemeinzustand sei in sämtlichen Gutachten als gut eingeschätzt worden und die Pankreasinsuffizienz bedinge nur eine strenge Diät. Da der Kläger nicht berufsunfähig sei , seien auch die strengeren gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 44 Abs. 2 SGB VI) nicht erfüllt.

Gegen das dem Kläger mit Einschreiben vom 29.07.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.08.1999 eingelegte Berufung. Der Kläger geht davon aus, dass aufgrund seiner mehrfachen Arbeitsunfähigkeiten und der langen Dauer der Arbeitslosigkeit ohne die Vermittlung eines Arbeitsplatzes ihm ein Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitsrente zustehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 29.06.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Rentenantragstellung eine Rente wegen Erwerbunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Auch die vom Berufungsgericht beigezogenen Befunde hätten eine Leidensverschlimmerung nicht nachgewiesen.

Das Berufungsgericht hat zum Gesundheitszustand des Klägers aktuelle Befundberichte eingeholt.

Der Chirurg Dr. R ... geht in seinem Bericht vom 26.03.2001 davon aus, dass der Kläger in der Lage sei, eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig, d.h. acht Stunden täglich auszuüben, soweit gewährleistet sei, dass er die diätischen Maßnahmen zur Behandlung der chronischen Pankreatitis einhalten könne. Der Orthopäde G ... weist am 29.03.2001 darauf hin, dass in den letzten zwei Jahren eine Befundänderung nicht eingetreten sei. Seit 1998 sei Arbeitsunfähigkeit von ihm nicht mehr bescheinigt worden. Aus seiner Sicht sei dem Kläger leichte Büroarbeit und Telefondienst für täglich maximal sechs Stunden möglich. Der HNO-Arzt SR Dr. H ... beschreibt am 30.03.2001 einen unveränderten Gesundheitszustand seit August 1999. Arbeitsunfähigkeit sei von seinem Fachgebiet aus nicht bescheinigt worden. Aus seiner Sicht sei der Kläger für körperlich leichte Tätigkeiten ohne Stress und ohne Absturzrisiko einsatzfähig. Der den Kläger bis zum Juni 2000 behandelnde Hausarzt Dr. O ... schätzte am 16.04.2001 ein, dass der Kläger für eine vollschichtige Tätigkeit mit einer Dauer von acht Stunden nicht einsetzbar gewesen sei. Aufgrund der Dauerbeschwerden im Bauchbereich und der zusätzlich bestehenden Rückenbeschwerden sei auch eine leichte Arbeit nicht möglich. Eine weitere Einschränkung der Leistungsfähigkeit bestehe aufgrund der persistierenden depressiven Störung, die zu erheblichen Konzentrationsstörungen führe. Der Leistungsrest lasse nur noch eine körperlich leichte Tätigkeit zwischen drei bis unter sechs Stunden täglich zu. Die Urologin Dipl.-Med. A ... gibt am 20.04.2001, auf ihrem Gebiet sei eine Änderung der Befunde nicht eingetreten. Der Kläger sei von urologischer Seite nicht arbeitsunfähig. Das Beschwerdebild sei eher von orthopädischer Seite bedingt. Der Internist Dipl.-Med. R ... teilt im Bericht vom 01.05.2001 mit, dass der Kläger an alkoholbedingter chronischer Pankreatits, alkoholischer Fettleber ohne portale Hypertension, Interkostalneuralgie und exokriner Pankreasinsuffiziens leide. Die Befunde seien unverändert. Lediglich vom 26.01. bis 07.02.2000 habe er den Kläger arbeitsunfähig geschrieben. Sonst sei keine Arbeitsunfähigkeit erkennbar gewesen. Die Allgemeinmedizinerin SR Dr. A ... gibt am 17.05.2001 eine Zunahme der depressiven Symptomatik und schnelle Erschöpfbarkeit an. Neu sei ein latenter Diabetes mellitus hinzugekommen. Nach ihrer Einschätzung sei der Kläger täglich drei bis sechs Stunden einsetzbar im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen. Der Einsatz sei durch Konzentrationsstörungen, Dauerbeschwerden im Abdominalbereich und Rückenbeschwerden eingeschränkt.

Der Senat holte daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, erstattet am 15.09.2001 von Prof. Dr. R ..., ein. Der Sachverständige stellte beim Kläger geringgradige Somatisierungsstörungen und einen Zustand nach exotoxischer symmetrischer Polyneuropathie fest. Den gering ausgeprägten Zeichen einer abgelaufenen Polyneuropathie sei kein nennenswerter Einfluss auf die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beizumessen. Die beschriebenen Somatisierungsstörungen seien im Rahmen neurotischer Störungen einzuordnen, wobei die psychopathologischen Erscheinungen beim Kläger nicht in bedeutsamer Ausprägung vorliegen. Nach zuverlässiger ärztlicher Prognose sei der Kläger in der Lage, durch Willensanstrengung seine Leistungsfähigkeit zu verbessern. Er könne - bei primär durchschnittlicher intellektueller Ausstattung - seine Interessen durchsetzen und sei vom Antrieb und von der Stimmung her nicht beeinträchtigt. Darüber hinaus sei der Gesamtbeschwerdekomplex weitgehend bewusstseinsnahe, durch ihn steuerbar. Der Kläger besitze ein bedeutsames Kompensationspotential. Allerdings sei nicht sicher beurteilbar, ob bei einer Ablehnung der Rente die Erscheinungen verschwinden würden. Eine solche Entscheidung würde aber zur Motivation zur Arbeitsaufnahme beitragen. Aus neurologisch- psychiatrischer Sicht könne der Kläger Tätigkeiten leichter und mittelschwerer Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt oder Tätigkeiten als Mitarbeiter einer Poststelle oder Pförtner vollschichtig (d.h. täglich acht Stunden) verrichten. Für seine bisherige Tätigkeiten als Versicherungsagent sei er nicht geeignet. Er könne die festgestellten Gesundheitsstörungen bei zumutbarer Willensanstrengung mit oder ohne ärztliche Hilfe innerhalb eines halben Jahres überwinden. Die Beeinträchtigungen seien hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit nur von geringer Bedeutung. Weitere Einsatzbeschränkungen ergäben sich aus orthopädischen Befunden, wie in früheren Gutachten aufgeführt. Es gebe keine Einschränkungen hinsichtlich des Fußweges, der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines Privat-PKW. Zur Erhaltung der Erwerbsfähigkeit und Besserung des Befinden sei eine ambulante psychotherapeutische Behandlung angezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen, auf die beigezogene Verwaltungsakte und die Akte des Sozialgerichts Chemnitz zum Az. S 13 KR 109/99, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch nach den im Berufungsverfahren vorgenommenen medizinischen Ermittlungen ist der Bescheid der Beklagten vom 17.07.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1998 nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht weder eine Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung noch auf Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs. 2 SGB VI zu.

Zutreffend hat das Sozialgericht die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften benannt und ausgehend von der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erläutert. Der Senat nimmt darauf gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Unter Anwendung dieser rechtlichen Maßstäbe ist der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI (a.F.). Auch nach dem im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch- psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. R ... hat sich kein anderes als das bereits vom Sozialgericht festgestellte vollschichtige Leistungsbild ergeben. Ein weiteres Herabsinken der Leistungsfähigkeit ist medizinisch nicht nachgewiesen. Dem schlüssigen und im Ganzen überzeugenden Gutachten vom 15.09.2001 sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die beim Kläger vorliegende neurologisch-psychiatrische Erkrankung, die zwar einer Behandlung bedarf, eine derartige sozialmedizinisch relevante Ausprägung aufweist, dass im Zusammenhang mit den auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet nachgewiesenen Gesundheitsstörungen eine Rentengewährung angezeigt wäre.

Zutreffend ist das Sozialgericht beim Kläger als bisherigem Beruf von der Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter einer Versicherung ausgegangen. Diese Tätigkeit ist, da ein kaufmännischer Abschluss nicht vorliegt, nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema der Gruppe der angelernten Angestellten mit einer Ausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren zuzurechnen. Folglich kann der Kläger, der seine bisherige Tätigkeit gesundheitsbedingt nicht mehr ausüben kann, ausgehend von seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten auf alle angelernten und ungelernten Tätigkeiten von nicht zu geringer Qualität verwiesen werden. Insoweit hat das Sozialgericht den Kläger zumutbar auf die Tätigkeit eines Pförtners oder eines Mitarbeiters in einer Poststelle verweisen. Diese Tätigkeiten kann der Kläger auch nach Überzeugung des Senates unter Zugrundelegung seines Restleistungsvermögens vollschichtig ausüben.

Im bisherigen Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren ist die Leistungsfähigkeit des Klägers umfassend begutachtet worden. Aus diesen ärztlichen Gutachten geht hervor, dass der Kläger leichte und kurzfristig auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie ohne überdurchschnittliche psychische Belastungen und unregelmäßiger Arbeitszeit vollschichtig verrichten kann. Dieses Leistungsbild hat sich auch nach den vom Senat vorgenommenen medizinischen Ermittlungen bestätigt.

Zwar gibt der Allgemeinmediziner Dr. O ... in seinem Befundbericht vom 16.04.2001 an, der Kläger sei aufgrund der Dauerbeschwerden im Bauchbereich und der zusätzlich bestehenden Rückenbeschwerden nicht in der Lage einer vollschichtigen auch nur körperlich leichten Tätigkeit mit einer Dauer von acht Stunden nachzugehen. Diese Leistungseinschätzung wurde aber sowohl durch das internistische Gutachten von Dr. L ... vom 28.08.1997 als auch durch das orthopädische Gutachten von Chefarzt Dr. L ... vom 20.04.1999 nicht bestätigt. Dr. O ... gibt keine wesentliche Befundänderung bezüglich der Leiden des Klägers auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet an. Deshalb sind die Bewertungen der vorgenannten Gutachten, wonach der Kläger trotz qualitativer Einschränkungen eine leichte körperliche Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, auch weiterhin zutreffend. Nichts anderes bestätigt der Orthopäde G ... in seinem Befundbericht vom 29.03.2001, in dem dieser mitteilt, dass in den letzten zwei Jahren eine Befundänderung nicht eingetreten ist und seit Juni 1998 von ihm eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr bescheinigt wurde. Aus welchen Gründen Dr. O ... den Kläger nur für maximal sechs Stunden täglich für leichte Bürotätigkeit oder Telefondienst für leistungsfähig hält, erschließt sich danach nicht. Schließlich geht auch der Chirurg Dr. Riedel davon aus, dass der Kläger im Stande ist, eine leichte körperliche Tätigkeit für acht Stunden auszuführen.

Soweit Dr. O ... in seinem Befundbericht vom 16.04.2001 vom Bestehen einer anhaltenden depressiven Erkrankung und SR Dr. A ... am 17.05.2001 von der Zunahme der depressiven Symptomatik und schneller Erschöpfbarkeit ausgehen, haben sich diese Einschätzungen durch das vom Senat beigezogene neurologisch-psychiatrische Gutachten vom 15.09.2001 nicht bestätigt. Der Sachverständige Prof. Dr. R ... stellte lediglich geringgradige Somatisierungsstörungen sowie einen Zustand nach exotoxischer symmetrischer Polyneuropatie fest, wobei die psychopathologischen Erscheinungen beim Kläger nicht in bedeutsamer Ausprägung vorliegen. Nach ärztlicher Prognose ist der Kläger bei zumutbarer Willensanstrengung in der Lage, die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen innerhalb eines halben Jahres zu überwinden. Der Kläger ist nach überzeugender Einschätzung des Sachverständigen in der Lage, eine Tätigkeit leichter und mittelschwerer Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Mitarbeiter einer Poststelle oder als Pförtner vollschichtig auszuüben. Dem stehen, wie bereits dargestellt, auch die Einschränkungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet nicht entgegen. So gab der Internist Dipl.-Med. R ... am 01.05.2001 an, dass der Kläger im Januar/Februar 2000 wegen einer Interkostalneuralgie arbeitsunfähig gewesen sei, er sonst aber keine Arbeitsunfähigkeit habe feststellen können. Auf seinem Fachgebiet war auch eine wesentliche Befundänderung nicht eingetreten.

Nach Überzeugung des Senates ist der Kläger ausgehend von den erhobenen medizinischen Befunden in der Lage, die vom Sozialgericht ins Auge gefassten Verweisungstätigkeiten (Mitarbeiters in einer Poststelle oder als Pförtner) vollschichtig ausüben. Diese Verweisungstätigkeiten sind ausgehend vom letzten Beruf des Klägers und unter Beachtung seines Restleistungsvermögen zumutbar. Sie zeichnen sich - wie vom Sozialgericht zutreffend dargelegt - durch eine erforderliche Einarbeitungszeit aus und gehören daher nicht zu den Tätigkeiten mit ganz geringem qualitativen Wert. Zutreffend hat das Sozialgericht das berufliche Anforderungsprofil beider Verweisungstätigkeiten dargestellt. Der Senat nimmt darauf Bezug und sieht von einer erneuten Darstellung ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Diese Tätigkeiten sind generell als körperlich leicht zu bezeichnen, sie werden im Wechsel der Körperhaltung zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeübt, so dass Zwangshaltungen vermieden werden können. Die Arbeiten werden in geschlossenen Räumen ausgeführt und bedingen kein schweres Heben und Tragen von Lasten. Zu transportierendes Schriftgut wird nötigenfalls mittels fahrbarer Wagen befördert. Der Kläger wird bei diesen Tätigkeiten auch nicht in besonderer Weise psychisch belastet.

Die beim Kläger festgestellte chronische Pankreatitis mit Pankreasinsuffizienz bedingt eine Tätigkeit, bei der er regelmäßige Arbeitszeitpausen einlegen und eine konsequente Diät einhalten kann. Diese Voraussetzung ist typischerweise bei den genannten Verweisungstätigkeiten gegeben, so dass die bestehende chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung mit Pankreasinsuffizienz einer vollschichtigen Tätigkeit nicht entgegensteht. Diese Ansicht wird auch in der sozialmedizinischen Literatur vertreten. Solange der Allgemeinzustand gut ist, können auch bei chronischen und chronisch-rezidivierenden Formen der Pankreatitis alle leichten und mittelschweren Arbeiten vollschichtig ausgeübt werden. (vgl. insbesondere Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung , herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Aufl., 1995, S. 311, 312). Der Allgemein- und der Ernährungszustand des Klägers werden in allen vorliegenden Gutachten als gut eingeschätzt. Die Pankreasinsuffizienz bedingt derzeit nur eine strenge Diät.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen, die es dem Kläger trotz vollschichtiger Einsatzmöglichkeit unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen (so genannte "Katalogfälle" - BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137) liegt bei ihm nicht vor. Insbesondere ist er nicht gehindert, die üblichen Verkehrswege zum Erreichen eines Arbeitsplatzes zurückzulegen (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Betriebsunübliche Pausen braucht der Kläger während der Arbeitszeit nicht einzulegen (BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 43).

Soweit der Kläger aber vollschichtig leistungsfähig ist, kommt es - entgegen seiner Ansicht - auf die Situation am Arbeitsmarkt nicht an. Bei vollschichtig erwerbsfähigen Versicherten ist davon auszugehen, dass Arbeitsplätze - offen oder besetzt - in einer die Verweisung rechtfertigenden Anzahl zur Verfügung stehen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 19, 80). Die Vermittlung eines geeigneten Arbeitsplatzes fällt in den Risikobereich der Arbeitsverwaltung, nicht des Rentenversicherungsträgers.

Mit einer Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Poststelle oder als Pförtner kann der Kläger das volle tarifliche Entgelt erzielen. Er ist damit nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F.

Nachdem somit beim Kläger Berufsunfähigkeit nicht vorliegt, hat er erst recht keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den weit strengeren Vorschriften des § 44 SGB VI.

Aus den genannten Gründen blieb die Berufung ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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