L 4 RA 228/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 8 RA 71/99
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 228/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.09.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltend.

Die am ... geborene Klägerin erlernte in der Zeit vom 01.09.1969 bis 25.02.1971 den Beruf einer Fernschreiberin und war bis 31.12.1983 als Sekretärin und Sachbearbeiterin beschäftigt. Von 1981 bis 1986 qualifizierte sie sich im Fernstudium zum Ingenieur-Ökonom und war bis 30.04.1992 als Gruppenleiter und stellvertretender Abteilungsleiter beschäftigt. Anschließend arbeitete sie bis 31.12.1994 als Ingenieur-Ökonom und Verwaltungsangestellte in einem Autohaus bzw. einer Kfz-Lackiererei.

Durch Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Chemnitz vom 30.06.1998 ist ihr wegen seelischer Störung, Bluthochdruck, Migräne sowie Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Wurzelreizerscheinungen ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt.

Am 03.01.1995 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, worauf die Beklagte am 04.04.1995 einen ablehnenden Bescheid erließ. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 07.08.1995 zurückgewiesen. Daraufhin hatte die Klägerin am Sozialgericht (SG) Chemnitz am 22.08.1995 Klage erhoben. Das arbeitsmedizinische Gutachten Dr. med. F ..., Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde/Allergologie und Arbeitsmedizin vom 24.05.1996 teilte als Diagnosen essentieller Bluthochdruck Stadium II nach WHO sowie orthopädischerseits degenerative Erkrankung des Gelenkknorpels der Kniescheiben und ein lokales Lumbalsyndrom mit. Das Leistungsvermögen sei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht um mindestens 2/3 gemindert. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten und die Tätigkeiten kaufmännische Angestellte bzw. sonstige Bürotätigkeiten ohne ständige Arbeiten am PC vollschichtig ausüben. Die mehrfach empfohlene stationäre Behandlung des Bluthochdrucks sei dringend. Die Oberärztin der orthopädischen Klinik des Heinrich-Braun-Krankenhauses Zwickau, Dr. B ..., gab im Gutachten vom 21.08.1996 an, dass Tätigkeiten als kaufmännische Angestellte sowie Bürotätigkeiten ohne Einschränkungen vollschichtig ausgeübt werden könnten. Orthopädischerseits bestünden keine Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Der Chefarzt der neurologischen Abteilung der Paracelsus-Klinik Zwickau, Prof. Dr. med. R ..., diagnostizierte im neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 29.10.1996 eine protrahierte depressive Reaktion auf einschneidendes Lebensereignis. Das Leistungsvermögen sei auf Grund der depressiven Verstimmung mit all ihren Auswirkungen auf das Alltagsleben und -verhalten zur Zeit um mindestens 2/3 gemindert. Die vorliegende Minderung des Leistungsvermögens könne in absehbarer Zeit durch Heilbehandlung behoben werden und zwar durch eine psycho- und psychopharmakotherapeutische Behandlung etwa innerhalb eines halben Jahres. Die Klägerin könne nach Behandlung dieser Gesundheitsstörung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten. Auch Tätigkeiten als kaufmännische Angestellte bzw. sonstige Bürotätigkeiten ohne ständige Arbeiten am PC könnten vollschichtig verrichtet werden. Sie sei nicht in der Lage, ohne ärztliche Hilfe bei zumutbarer Willensanspannung ihre auf Grund der seelisch bedingten Störung verminderte Erwerbsfähigkeit zu verbessern. Der medizinische Dienst des Arbeitsamtes war im Gutachten vom 26.09.1996 von einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel ausgegangen. Arbeitsweg und Gehstrecke seien nicht eingeschränkt. Bürotätigkeiten seien weiterhin möglich.

Mit Urteil vom 06.08.1997 hob das SG die Bescheide der Beklagten auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.08.1995 befristet bis 31.07.1998 zu gewähren und wies die Klage im Übrigen ab. Auf Grund dieses Urteils gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 27.10.1997 eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Am 17.02.1998 beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Rente über den 31.07.1998 hinaus. Die Beklagte holte daraufhin ein ärztliches Gutachten bei Prof. Dr. L ..., Chefarzt der Klinik für Neurologie und Psychiatrie des Heinrich-Braun Krankenhauses in Zwickau ein. In seinem Gutachten vom 13.06.1998 diagnostizierte der Sachverständige eine soziale Regression bei Zustand nach Partnerverlust mit prolongierter Anpassungsstörung im Sinne einer neurotischen Situationsbewältigung. Neurologisch-psychiatrisch ließe sich die Erwerbsunfähigkeit nicht mit krankheitswertigen Befunden begründen und es liege Erwerbsfähigkeit vor. Als Mitarbeiter im Verkauf könne die Klägerin bei Berücksichtigung nicht schwerer körperlicher Belastbarkeit und psychischer Instabilität mit Verwaltungstätigkeiten und ohne wesentlichen Zeitdruck vollschichtig eingesetzt werden.

Des Weiteren beauftragte die Beklagte Dr. R ..., Chefarzt der Klinik für Innere Medizin der HELIOS Klinikum Aue GmbH, mit der Erstattung eines internistischen Gutachtens. Der Sachverständige benannte im Gutachten vom 31.07.1998 als Diagnose essentielle Hypertonie II nach WHO. Die Klägerin könne Bürotätigkeit und leichte körperliche Arbeiten ohne Heben und Tragen vollschichtig durchführen und sei für alle geistigen Arbeiten ohne ausgesprochene psychische Dauerbelastung geeignet. Im orthopädischen Gutachten vom 03.08.1998 diagnostizierte die Oberärztin der orthopädischen Klinik Zwickau, Dr. med. B ..., Pseudoradikulärsyndrom rechts bei Bandscheibenprotrusion L 5/S 1, Hypertonie bei chronisch-ischämischer Herzerkrankung sowie Depression bzw. soziale Regression. Als Ingenieur-Ökonom könne die Klägerin ohne Einschränkungen vollschichtig eingesetzt werden.

Mit Bescheid vom 27.08.1998 lehnte die Beklagte den Weitergewährungsantrag ab, worauf die Klägerin am 21.09.1998 Widerspruch einlegte. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert und andere Erkrankungen seien hinzugekommen.

Nach Beiziehung weiterer ärztlicher Unterlagen und Befundberichte stellte der beratende Arzt der Beklagten Dr. Schnabel unter dem 17.12.1998 fest, dass nach Ende der Zeitrente die geklagten Leiden in Fachgutachten der drei großen Fachrichtungen hinreichend untersucht und schlüssig sozialmedizinisch beurteilt worden seien. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 08.02.1999 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 18.02.1999 von der Klägerin beim SG Chemnitz erhobene Klage, da die Beurteilung ihres Gesundheitszustandes den Tatsachen nicht gerecht werde. Sie befinde sich in ständiger fachärztlicher Behandlung und hätte keine Besserung des Gesundheitszustandes erzielen können. Den Anforderungen des Arbeitslebens sei sie nicht mehr gewachsen. Das SG hat Krankenunterlagen der Barmer Ersatzkasse und des Arbeitsamtes beigezogen sowie Befundberichte Dr. W ..., Dr. B ..., Dr. E ..., Dipl.-Med. P ... und Dipl.-Psychologe B ... eingeholt. Das Gutachten des Arbeitsamtes vom 01.12.1998 hatte erneut vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten im Wechsel eingeschätzt und die Möglichkeit der Ausübung von Bürotätigkeit bejaht. Das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen vom 17.03.1999 stellte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme fest, dass leichte körperliche Arbeit im Wechsel vollschichtig möglich sei.

Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 13.09.1999 abgewiesen, da die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit habe. Ihren zuletzt ausgeübten Beruf als Ingenieur-Ökonom bzw. Büroangestellte könne sie auf Grund ihres bestehenden Restleistungsvermögens noch ausüben. Verwaltungstätigkeiten stellten sich aus berufskundlicher und arbeitsmedizinischer Sicht als die Tätigkeiten dar, an die die geringsten körperlichen Anforderungen in der Arbeitswelt gestellt würden. Dabei handele es sich um leichte Tätigkeiten, die durchaus einen Wechsel der Körperhaltung ermöglichten. Diese Einschätzung stimme insoweit mit den Beurteilungen der fünf Gutachter, von denen die Klägerin seit 10.06.1998 begutachtet worden sei, überein. Anderes ergebe sich auch nicht aus den vom Gericht eingeholten Befundberichten. Für das Gericht sei nicht ersichtlich, warum die aufgezeigten Beschwerden keiner Behandlung zugänglich sein sollten.

Gegen das am 27.09.1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 15.10.1999 eingelegte Berufung der Klägerin zum Sächsischen Landessozialgericht (LSG). Aus ihrer Sicht habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert und sie sei mit der Bewertung der Gutachten nicht einverstanden. Um zu Diagnosen zu kommen, hätten Untersuchungen vorausgehen müssen.

Auch nach Beiziehung weiterer Gutachten durch das LSG halte sie an der Berufung fest. Insbesondere die Feststellungen des Gutachters Dr. G ... seien für sie nur teilweise richtig und nachvollziehbar. Richtigerweise habe dieser Sachverständige auf Seite 18 des Gutachtens unter 5. zumindest dargelegt, warum die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Des Weiteren seien in den nächsten Wochen und Monaten eine Magen-OP, eine orthopädische OP wegen Wurzelreizerscheinungen sowie eine Brust-OP wegen Kalkablagerungen vorgesehen. Die sich daraus ergebende Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes erfordere weitere Ermittlungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 13.09.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 27.08.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.08.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungsgründe des SG für zutreffend. Die ergänzend eingeholten Gutachten des Nervenarztes und des Orthopäden beurteilten die Klägerin als vollschichtig leistungsfähig für ihre bisherigen Tätigkeiten unter Beachtung geringer qualitativer Leistungseinschränkungen. Der Empfehlung des neurologisch-psychiatrischen Gutachters folgend sei die Beklagte bereit, nach Beendigung des Verfahrens ein psychosomatisches Heilverfahren anzubieten, soweit die Klägerin dazu bereit sei. Gegenwärtig sei die Motivation zur aktiven Mitgestaltung einer Psycho-Maßnahme blockiert durch das Rentenbegehren.

Der Senat hat ergänzend Befundberichte des Facharztes für Neurologie- und Psychiatrie Dr. D ..., der Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. M ... sowie der Diplom-Psychologin Brodkorb eingeholt. Weiterhin wurden die Krankenunterlagen der Klinik für Orthopädie der Friedrich-Schiller Universität Jena/Waldkrankenhaus E ... nach stationärer Behandlung der Klägerin vom 19.01. bis 09.02.2000 beigezogen.

Der Senat hat zur weiteren Klärung des Leistungsvermögens Prof. Dr. med. R ... mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige diagnostizierte im Gutachten vom 13.09.2000 eine subdepressive Verstimmung bei Zustand nach protrahierter depressiver Reaktion auf ein einschneidendes Lebensereignis und auf fachfremden Gebiet lokales Lumbalsyndrom bei orthopädischem Leiden, arterielle Hypertonie Stadium II und kleine zystische Ovarialtumoren. Die Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichen Fachgebiet bedingten keine bedeutsame Einschränkung der Erwerbsfähigkeit. Es lägen zwar noch seelische Störungen vor, die nicht mehr die sozialmedizinischen Auswirkungen wie 1996 hätten und die bei zumutbarer Willensanspannung zu überwinden seien. Die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten verrichten und sie könne mit den genannten Gesundheitsstörungen Tätigkeiten als Ingenieur-Ökonom oder Büroangestellte und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig ausüben. Einschränkungen hinsichtlich der körperlichen Belastung ergeben sich aus orthopädischer Sicht. Die festgestellten psychischen Gesundheitsstörungen seien bei zumutbarer Willensanstrengung mit oder ohne ärztliche Hilfe innerhalb eines halben Jahres überwindbar. Die Wegefähigkeit sei nicht beeinträchtigt und das festgestellte Leistungsbild bestehe seit etwa Mitte 1998.

Ferner hat der Senat ein fachorthopädisches Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. med. G ... vom 15.11.2000 beigezogen. Der Sachverständige diagnostizierte Gefügeinstabilität L4/5 mit wechselnden funktionellen Störungen ohne radikuläre Zeichen sowie Cervicocephales Schmerzsyndrom mit migräneartigen Kopfschmerzen. Aus orthopädischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, eine körperlich leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Auch die Tätigkeit als Ingenieur-Ökonome und als Büroangestellte sei vollschichtig acht Stunden durchführbar, wenn wiederkehrende gehende und stehende Anteile möglich sind. Die genannten Funktionsstörungen und Gesundheitsstörungen führten zu dem negativen Leistungsbild keine rein sitzende Tätigkeit, keine mittelschweren/schweren Tätigkeiten, kein permanentes Aussetzen von Nässe und Kälte, keine Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten und keine Arbeiten in Zwangshaltungen. Sie sei in der Lage, viermal täglich eine Gehstrecke von über fünfhundert Metern zurückzulegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§ 143 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), erweist sich jedoch auch nach weiterer medizinischer Sachaufklärung durch den Senat als unbegründet. Die angefochtenen Entscheidungen des Sozialgerichts und der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist weder berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) noch nach § 44 Abs. 2 SGB VI erwerbsunfähig.

Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Ablehnungsbescheid vom 27.08.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.02.1999 ist rechtmäßig; ein Anspruch auf Gewährung einer Rente besteht nicht.

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihre Erwerbsfähigkeit noch nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fertigkeiten gesunken ist. Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er aus einer Erwerbstätigkeit erzielen kann, auf die er nach seiem Berufswerdegang und nach seinem Gesundheitszustand zumutbar verwiesen werden kann (BSG SozR Nr. 24 § 1246 RVO). Zur Frage, welche Tätigkeiten einem Versicherten zugemutet werden können, hat das BSG ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt, nach welchem, in Anlehnung an das für die Arbeiterrentenversicherung, die Angestelltentätigkeiten in ungelernte Angestelltentätigkeiten, Tätigkeiten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren und Tätigkeiten mit einer längeren Ausbildung (durchschnittlich drei Jahre) eingeteilt sind (vgl. BSGE 58, 203 ff; 55, 45 ff.; BSG SozR Nr. 103 § 1246 RVO). Jeder Angestellte kann, wenn es um zumutbare Verweisungstätigkeiten geht, jeweils auf Tätigkeiten verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Angestellter mit beruflicher Ausbildung kann demnach auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Angestellter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es daher auf den bisherigen Beruf an (BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107, 169). Dies ist im allgemeinen die Tätigkeit, die ein Versicherter zuletzt nachhaltig und vollwertig versicherungspflichtig ausgeübt hat.

Bei der Klägerin ist die Tätigkeit als Ingenieur-Ökonom und Büroangestellte als Hauptberuf anzusehen. Diese Tätigkeit hat sie von Mai 1992 bis Ende Dezember 1994 bis zum Beginn der Arbeitslosigkeit bzw. Erkrankung dauerhaft ausgeübt. Da sie für diese Tätigkeit eine einschlägige Ausbildung besitzt, ist dieser Beruf der Gruppe der Angestellten mit einer Ausbildung bis zu drei Jahren zuzuordnen. Soweit sie diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auszuüben vermag, wäre sie unter Beachtung des bestehenden Restleistungsvermögens auf angelernte Tätigkeiten zumutbar verweisbar.

Die Frage der Verweisbarkeit stellt sich hingegen nicht, weil sie nach den medizinischen Feststellungen mit dem bei ihr bestehenden Leistungsbild in der Lage ist, ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit als Ingenieur-Ökonom und als Büro- bzw. Verwaltungsangestellte weiterhin vollschichtig auszuüben, da es sich bei dieser Tätigkeit um eine körperlich leichte, überwiegend im Sitzen zu verrichtende Arbeit mit der Möglichkeit eines individuellen Wechsels der Körperhaltung zum Gehen und Stehen handelt. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest.

Der Senat stützt sich zur Beurteilung des Leistungsvermögens auf die im Verwaltungsverfahren auf den Weitergewährungsantrag der Klägerin hin beigezogenen Gutachten auf orthopädischem, internistischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sowie auf die im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen und orthopädischen Gutachten von Prof. Dr. R ... und Dr. G ... Diesen zeitnahen Gutachten liegen die ambulanten Untersuchungen vom 05.09.2000 sowie vom 15.11.2000 zu Grunde. Bereits die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten eingeholten Gutachten sowie die nunmehr vorliegenden aktuellen Gutachten belegen, dass die Klägerin an diversen Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem, internistischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet leidet, wobei festzustellen ist, dass die Diagnosen im Wesentlichen auch zu den bereits 1996 eingeholten Sachverständigengutachten in Übereinstimmung stehen. Den Gutachten ist weiter übereinstimmend zu entnehmen, dass die Klägerin durchaus in der Lage ist, leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen unter Vermeidung von Heben und Tragen von Lasten, Nässe und Kälte, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und Arbeiten in Zwangshaltungen vollschichtig zu verrichten.

Bei den gestellten Diagnosen und den weiteren sachverständigerseits getroffenen Feststellungen ist es für den Senat nachvollziehbar, wenn die Sachverständigen zu der Feststellung gelangen, dass die Klägerin unter Berücksichtigung aller bestehenden Gesundheitsstörungen sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten kann und ebenso in der Lage ist, ihre bisherigen Tätigkeiten unter Beachtung geringer qualitativer Leistungseinschränkungen auszuüben. In sämtlichen ärztlichen Gutachten ist festgehalten, dass die Klägerin vollschichtig leichte körperliche Tätigkeiten möglichst im Wechsel zwischen Sitzen und Gehen auszuüben in der Lage ist und dass eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht vorliegt. Dem SG ist dahin zu folgen, dass es sich bei derartigen Bürotätigkeiten überwiegend um Tätigkeiten handelt, welche die geringsten körperlichen Anforderungen in der Arbeitswelt stellen. Danach ergeben sich je nach Zuständigkeitsbereich des Arbeitgebers solche Aufgabenschwerpunkte wie Mitarbeiter in der fachbezogenen Sachbearbeitung und bei der Beratung, Bearbeitung von Anfragen, Anträgen, Berechnen und Gewährung von finanziellen Hilfen, Schriftverkehr, Durchführung des Zahlungsverkehrs sowie Erledigung allgemeiner Büroarbeiten und Beachten und Anwenden gesetzlicher Bestimmungen, Verordnungen und interne Dienstanweisungen. Als Arbeitsbedingungen, wie von der Klägerin zuletzt ausgeführt, ist körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen, im Sitzen und Stehen angeführt. Insoweit folgt der Senat den Einschätzungen der Sachverständigen. Folglich ist nicht nachvollziehbar, weshalb nach Ansicht der Klägerin der Sachverständige Dr. G ... im Gutachten vom 15.11.2000 dargelegt haben soll, weshalb die Klägerin nicht mehr in der Lage sei, Arbeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, wenn der Gutachter qualitative Leistungseinschränkungen aufführt, welche jedoch körperlich leichte Tätigkeit zulassen.

Keine anderen Beurteilungen lassen die eingeholten Berichte und Stellungnahmen zu. In Übereinstimmung dieser Befundlage besteht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin vollschichtig arbeiten kann. Die von dem Sachverständigen zusätzlich aufgeführten Einschränkungen, in dem der Klägerin zumutbaren Anforderungs- und Belastungsprofil, schließen einen Einsatz im Rahmen der bisherigen Tätigkeit und sonstiger Bürotätigkeit nicht aus.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind weitere Ermittlungen nicht notwendig. Der Sachverhalt, auch in medizinischer Hinsicht, ist geklärt. Sofern nach dem Vortrag der Klägerin demnächst mehrere Operationen anstehen sind dazu weder entsprechende Krankenunterlagen noch aktuelle Befundberichte vorgelegt worden. Die Vorlage von Hinweisschreiben des Waldkrankenhauses Eisenberg vom Januar/Februar 2000 belegte stattdessen, dass diese Schreiben der Klägerin anlässlich der stationären Behandlung in dieser Einrichtung Anfang 2000 ausgehändigt worden sind. Das darin beschriebene Krankheitsbild ist im orthopädischen Gutachten vom 15.11.2000 beschrieben und in die Beurteilung des Sachverständigen eingeflossen. Magen-OP und Brust-OP wegen Kalkablagerung wirken sich nicht erwerbsmindernd aus, sind behandlungsbedürftig und führen zu keiner Leistungseinschränkung. Die von der Klägerin nicht auszuschließende negative Prognose kann im Rentenverfahren wegen verminderter Erwerbsfähigkeit keine Beachtung finden, da lediglich auf festgestellte Leistungseinschränkungen abzustellen ist.

Die Klägerin ist mithin vollschichtig in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf einsetzbar. Ihre Leistungsfähigkeit wird dabei in erster Linie durch orthopädische Beeinträchtigungen berührt. Zweifel an der Wegefähigkeit bestehen nach den gutachterlichen Äußerungen nicht und sonstige Einschränkungen, die den Arbeitsmarkt verschlossen erscheinen ließen, sind nicht gegeben (BSG Urteil vom 17.12.1991 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10), sodass Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI nicht vorliegt. Dem SG und der Beklagten ist damit zu folgen, dass nach dem Ergebnis der übereinstimmenden Beurteilungen der im gesamten Verfahren gehörten Sachverständigen eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin nicht festzustellen ist. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder sonstige schwerwiegende Behinderungen, welche es ihr auch bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sogenannte "Katalogfälle" (BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 137) liegen nicht vor.

Da sie nicht berufsunfähig ist, ist sie erst recht nicht erwerbsunfähig. Eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB VI gewährt. Die Klägerin ist trotz der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage, mit dem vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögen eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und hierbei mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen.

Ebenso besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 oder 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827), denn die Klägerin ist nach den übereinstimmenden ärztlichen Feststellungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Aus den genannten Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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