L 4 RA 98/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 8 RA 823/96
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 4 RA 98/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. März 1998 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang angewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Die am ...1943 geborene Klägerin absolvierte eine zweijährige Ausbildung zur Säuglingspflegerin und war in diesem Beruf bis Februar 1965 tätig. Seit Juni 1965 war sie als Verkäuferin bei der Konsumgenossenschaft tätig. Im Juli 1974 schloss die Klägerin eine Ausbildung zur Fachverkäuferin/Waren täglicher Bedarf ab. Nach den Eintragungen im Sozialversicherungsausweis war sie ab 01.01.1972 als Verkäuferin und Verkaufsstellenleiterin und ab 1992 wieder als Fachverkäuferin eingesetzt. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 31.12.1994 aus betriebsbedingten Gründen (Betriebsstilllegung).

Nach der Arbeitgeberauskunft vom 18.04.1997 erwarb die Klägerin im Juli 1977 den Befähigungsnachweis zur Leitung einer Verkaufsstelle. Als Verkaufsstellenleiterin musste sie die bestellte Ware annehmen, vergleichen, auspacken und präsentieren. Ferner oblag ihr die Warenpflege, die Kassierung, die Reinigung der Verkaufsstelle, die Belegabrechnung und die Verantwortung für die Inventurergebnisse. Die Klägerin war ab 1991 in die Gehaltsgruppe IV des Gehalts- und Lohntarifvertrages für die Konsumgenossenschaften in Sachsen eingruppiert. Ab 1992 erfolgte eine Eingruppierung als Fachverkäuferin in die Gehaltsgruppe III/5.

Die Klägerin war im August 1993 Opfer eines bewaffneten Raubüberfalles während sie eine Kassierertätigkeit wahrnahm. Danach sei sie von den Kassierertätigkeiten freigestellt gewesen und habe nur noch in äußerst dringenden Fällen kassieren müssen.

Vom 20.12.1994 bis 07.06.1996 bezog die Klägerin Krankengeld. Seit dem 08.06.1996 bezieht sie Leistungen vom Arbeitsamt.

Auf ihren Antrag vom 31.07.1995 hielt sich die Klägerin vom 21.11.1995 bis 19.12.1995 zu einer stationären Heilbehandlung in der Rheumaklinik Sonnengarten auf. Für diesen Zeitraum bezog sie Übergangsgeld. Nach dem Entlassungsbericht vom 11.01.1996 sei die Klägerin aus orthopädischer Sicht bei fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen nicht mehr als Verkäuferin einsetzbar. Vollschichtig zumutbar seien ihr jedoch sämtliche leichten körperlichen Arbeiten in wechselnder Körperhaltung.

Am 01.02.1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten wegen zunehmender Beschwerden am Stütz- und Bewegungsapparat die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die Beklagte holte ein orthopädisches Fachgutachten, erstattet am 02.05.1996 von Dr. P ..., ein. Danach leide die Klägerin überwiegend unter Beschwerden der Hals- und Lendenwirbelsäule, die psychosomatisch verstärkt seien. Der Gutachter schätzte ein, dass die Klägerin als Verkäuferin nur zwei Stunden bis unter halbschichtig, jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen und ohne längere Zwangshaltungen vollschichtig tätig sein könne.

Die Beklagte lehnte nach Auswertung der medizinischen Unterlagen mit Bescheid vom 03.06.1996 die Gewährung einer Rente ab. Zwar seien ärztlicherseits Rücken- und Gelenkbeschwerden bei degenerativen Veränderungen ohne Einschränkungen des Leistungsvermögens für leichte Tätigkeiten festgestellt. Die Klägerin sei jedoch noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und in der ihr zumutbaren Beschäftigung als Angestellte für Bürohilfstätigkeiten (z.B. Mitarbeiter in einer Registratur oder Poststelle, einfache Arbeiten in der Rechnungsführung), die dem gehobenen allgemeinen Arbeitsfeld zuzurechnen seien, vollschichtig tätig zu sein.

Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sie auf eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes verwiesen hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.1996 zurück.

Mit der am 24.10.1996 vor dem Sozialgericht Dresden erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren zum Erhalt einer Rentenleistung weiter. Sie fühle sich nicht in der Lage, vollschichtig zu arbeiten. Insbesondere sei ihr die Tätigkeit als Kassiererin an einer Sammelkasse nicht zumutbar, da sie seit dem bewaffneten Raubüberfall im August 1993 Depressionen habe und sie das Erlebnis noch nicht verarbeitet habe.

Nach Kenntnis der Arbeitgeberauskunft ging die Beklagte zunächst davon aus, dass die Klägerin rentenrechtlich als Fachverkäuferin zu beurteilen sei mit der Folge der Zubilligung eines Berufsschutzes der Gruppe der gelernten Angestellten mit einer Ausbildungszeit von regelmäßig über zwei Jahren. Zwar sei ihr nach dem festgestellten Leistungsvermögen eine berufliche Tätigkeit als Verkäuferin nicht mehr zumutbar. Sie könne jedoch als Kassiererin an einer Sammelkasse vollschichtig tätig werden. Darüber hinaus sei die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer früheren beruflichen Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin geeignet für eine Tätigkeit der Gehaltsgruppe K 2 des Tarifvertrages für den Einzelhandel. Es handele sich dabei um berufstypische Aufgaben, zum Beispiel in der Buchhaltung, der Rechnungsprüfung und der Lohnbuchhaltung. Da die Klägerin eine kaufmännische Berufsqualifikation besitze, sei eine Einarbeitung in diese Bürotätigkeiten innerhalb von drei Monaten möglich.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bezog sich die Beklagtenvertreterin auf eine berufskundliche Stellungnahme vom 26.02.1998. Nach den Einlassungen der Klägerin bestünden Zweifel an der Einstufung in die Gruppe der Gelernten. Wenn die Klägerin tatsächlich nicht über das kaufmännische Grundwissen verfüge, wie es von einer dreijährig gelernten Fachverkäuferin üblicherweise anzunehmen sei, weil der Berufsabschluss in der Erwachsenenqualifizierung erworben und insoweit nur wenig Fachunterweisung erfolgt sei, sei die bisherige berufliche Tätigkeit der Klägerin schlüssigerweise nur noch in die Gruppe der Angelernten mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren einzuordnen. Danach sei die Klägerin zumutbar auf Tätigkeiten als kaufmännische Angestellte in der Gehaltsgruppe K 1 des Tarifvertrages für den Einzelhandel oder als Verwaltungsangestellte in der Verg.-Gruppe BAT IX verweisbar.

Das Sozialgericht hat ferner eine berufskundliche Auskunft des Landesarbeitsamtes S ... vom 22.01.1998 eingeholt. Danach sei die 55-jährige Klägerin, die über ihr gesamtes Berufsleben bis 1995 als Verkäuferin, Fachverkäuferin und Verkaufsstellenleiterin tätig gewesen sei, typischerweise nicht in der Lage, die Tätigkeiten einer Rechnungsprüferin, Buchhalterin oder Lohnbuchhalterin innerhalb von drei Monaten zu erlernen. Zu beachten sei außerdem, dass Verwaltung, Organisation und betriebswirtschaftliche Prozesse in allen Branchen durch professionelle Computeranwendungen und zunehmende Vernetzung von Computern rationell gestaltet wurden und werden. Selbst kleine Unternehmen würden deshalb meist sog. "Generalisten", die über die Spanne vieler Aufgaben und Tätigkeiten qualifiziert seien, beschäftigen. Für einfache Büroarbeiten seien keine vollwertigen Arbeitsplätze vorhanden. Selbst wenn sie im Einzelfall noch anfielen, würden diese neben der Haupttätigkeit von anderen Fachkräften mit erledigt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte zur Klärung des Leistungsvermögens der Klägerin ein orthopädisches Gutachten, erstattet am 14.02.1997 von Prof. Dr. F ..., eingeholt. Der Sachverständige diagnostizierte:

- lokales zervikales vertebragenes Schmerzsyndrom bei Osteo- chondrose C 5/6 und C 6/7,

- lumbales vertebragenes pseudoradikuläres Schmerzsyndrom bei Osteochrondrose L 4/5 und L 5/S 1,

- beginnende Protusionskoxarthrose beidseits,

- beginnende Varusgonarthrose beidseits.

Mit diesen Einschränkungen sei die Klägerin noch in der Lage körperlich leichte Arbeiten bei wechselnder Körperhaltung vollschichtig auszuüben. Arbeiten an (Büro-)Maschinen und am Bildschirm seien prinzipiell möglich, soweit damit nicht eine ausschließliche Sitzhaltung verbunden sei.

Das Sozialgericht gab der Klage mit Urteil vom 12.03.1998 teilweise statt und verurteilte die Beklagte, der Klägerin ab 01.07.1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Im Übrigen - bezüglich einer Rentenleistung wegen Erwerbsunfähigkeit - wies es die Klage ab.

Die Klägerin sei berufsunfähig im Sinne von § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Sie könne weder die zuletzt ausgeübte Tätigkeit der Fachverkäuferin noch eine zumutbare Verweisungstätigkeit vollschichtig ausüben. Nach den Feststellungen des Gutachters Prof. Dr. F ... könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht nur noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung verrichten. Diese Einschätzung des Leistungsvermögens werde im wesentlichen durch das Gutachten von Dr. med. P ... und die sozialmedizinische Beurteilung im Entlassungsbericht vom 11.01.1996 bestätigt. Die Klägerin könne danach nicht mehr in ihrem bisherigen Beruf der Fachverkäuferin tätig sein. Es ließen sich auch keine geeigneten Verweisungstätigkeiten für die Klägerin benennen. Sie sei - entgegen der Ansicht der Beklagten - nach dem vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema in die Gruppe der Gelernten einzustufen, denn sie verfüge über ein Facharbeiterzeugnis als Fachverkäuferin Waren täglicher Bedarf und über einen Befähigungsnachweis für die Leitung einer Verkaufsstelle. Dass sie beide Qualifikationen im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung erworben habe, sei ohne Belang, denn nach Auskunft des ehemaligen Arbeitgebers habe sie über alle praktischen und theoretischen Kenntnisse eines voll ausgebildeten Facharbeiters verfügt. Als vergleichbarer Beruf in der Bundesrepublik komme der dreijährige Ausbildungsberuf einer Kauffrau im Einzelhandel Fachbereich Lebensmittel in Betracht. Die Klägerin habe nicht nur reine Verkaufstätigkeiten ausgeübt, als Leiterin einer kleinen Verkaufsstelle sei sie vielmehr für das gesamte Spektrum der Tätigkeiten einer Einzelhandelskauffrau zuständig gewesen. Ausgehend von dem Berufsschutz einer gelernten Fachverkäuferin lassen sich keine zumutbaren Verweisungstätigkeiten für die Klägerin benennen. Die von dem Gericht zunächst in Erwägung gezogene Veweisungstätigkeit der Kassiererin an Sammelkassen im Textilbereich eines Kaufhauses sei für die Klägerin nach dem 1993 erlebten bewaffneten Raubüberfall nicht zumutbar. Auch die von der Beklagten benannten Tätigkeiten der Gehaltsgruppe K 2 des Tarifvertrages für den Einzelhandel kämen nicht in Betracht, da die Klägerin diese Tätigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten erlernen könne. Schließlich sei eine Verweisung auf die von der Beklagten weiter genannten Bürohilfstätigkeiten der Vergütungsgruppe BAT IX für die Klägerin als Facharbeiterin sozial nicht zumutbar, denn es handele sich um ungelernte Tätigkeiten mit einer Einarbeitungszeit bis zu drei Monaten. Eine andere dem Leistungsvermögen entsprechende sozial zumutbare Verweisungstätigkeit sei dem Sozialgericht nicht ersichtlich. Da die Klägerin seit dem 10.01.1995 wegen ihrer orthopädischen Beschwerden krankgeschrieben gewesen sei (zuvor erfolgte Krankschreibung wegen einer Grippe), sei die die Berufsunfähigkeit begründende Leistungsminderung im Januar 1995 eingetreten. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation zum 31.07.1995 gelte nach § 116 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI als Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, so dass die Rente wegen Berufsunfähigkeit gem. § 99 Abs. 1 Satz 2 ab dem 01.07.1995 zu leisten sei, allerdings unter Berücksichtigung bereits gezahlten Übergangsgeldes.

Im Übrigen sei die Klage abzuweisen, weil die Klägerin nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB VI sei. Nach den übereinstimmenden Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. med. F ..., des im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachtens von Dr. med. P ... und der sozialmedizinischen Stellungnahme im Kur- Entlassungsbericht bestehe bei der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Angesichts des vollschichtigen Leistungsvermögens liege auch keine Invalidität im Sinne von § 7 Art. 2 RÜG vor.

Gegen das der Beklagten am 22.06.1998 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.07.1998 eingelegte Berufung.

Die Beklagte hat vorgetragen, das angefochtene Urteil sei mit der vom SG gegebenen Begründung nicht haltbar, weil die Frage der zumutbaren Verweisbarkeit der Klägerin nicht hinreichend aufgeklärt und insofern unzutreffend entschieden worden sei.

Nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten kann die Klägerin ihre langjährig ausgeübte Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin aus medizinischer Sicht nicht mehr ausüben. Sie könne aber noch vollschichtig leichte Arbeiten überwiegend in sitzender Haltung mit der Möglichkeit, die Arbeitshaltung zu verändern, ausüben. Der Leistungsbeurteilung seitens des Gerichts stimme die Beklagte im Ergebnis zu.

Auch die Beurteilung der Qualität der von der Klägerin ausgeübten Beschäftigung sei nicht mehr streitig. Unter Berücksichtigung der von ihr absolvierten Ausbildungen und der langjährig ausgeübten Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin sei der Klägerin der Berufsschutz einer Fachverkäuferin mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung zuzubilligen. Streitig sei daher lediglich die Frage der Verweisbarkeit.

Nach Ansicht der Beklagten seien auch unter Berücksichtigung des Berufsschutzes einer gelernten Verkäuferin zumutbare Verweisungstätigkeiten für die Klägerin gegeben. Aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer früheren beruflichen Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für eine Tätigkeit der Gehaltsgruppe K 2 des Tarifvertrages für den Einzelhandel. Die dort beschriebenen Tätigkeitsmerkmale gelten für Angestellte mit Tätigkeiten, für die in der Regel eine abgeschlossene zwei- oder dreijährige Ausbildung im Beruf erforderlich sei. Es handele sich um berufstypische Aufgaben, z.B. in der Buchhaltung, der Rechnungsprüfung und der Lohnbuchhaltung wie: Rechnungen prüfen, Buchungen vornehmen, Statistiken führen, formularmäßigen Schriftverkehr erledigen, Bestellungen aufgeben, Kartei- und Terminkalender führen. Im Gegensatz zur Anfrage an das Landesarbeitsamt Sachsen sei von der Klägerin nicht erwartet worden, dass sie die Tätigkeiten der Rechnungsprüferin, der Buchhalterin und der Lohnbuchhalterin innerhalb von drei Monaten erlernen könne, sondern dass es sich bei den Verweisungstätigkeiten der Lohngruppe K 2 um berufstypische Aufgaben, z.B. in der Buchhaltung, der Rechnungsprüfung und der Lohnbuchhaltung unter Aufführung der in diesen Berufsfeldern regelmäßig zu erbringenden Arbeiten handele. Die typischerweise anfallenden Arbeiten in der Buchhaltung, der Rechnungsprüfung und der Lohnbuchhaltung könnten aber in maximal drei Monaten Einarbeitungszeit von der Klägerin erlernt werden. Dies ergebe sich sowohl aus den Feststellungen des SG, der Arbeitgeberauskunft und den eigenen Einlassungen der Klägerin, denn neben der Verkaufstätigkeit gehörten schließlich Arbeiten in der Buchhaltung sowie Tätigkeiten in der Warenannahme und Reklamation zu den regelmäßigen und typischen Tätigkeiten in ihrer Funktion als Verkaufsstellenleiterin.

Ferner sei auf Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (LSG) vom 11.08.95 - L 6 A 66/94 und vom LSG Mecklenburg- Vorpommern vom 10.02.98 - L 4 An 45/97 und die in diesem Zusammenhang erhobenen berufskundlichen Auskünfte hinzuweisen. Diese bestätigten die von der Beklagten vertretene Auffassung zur Verweisbarkeit der Klägerin aus berufskundlicher Sicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.03.1998 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie geht davon aus, dass sie die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten einer Sachbearbeiterin oder kaufmännischen Angestellten im Bereich der Rechnungsprüfung, Buchhaltung oder Lohnbuchhaltung nicht innerhalb von drei Monaten erlernen und dann vollwertig ausüben könne. Sie habe Verkäuferin gelernt und nie in ihrem Leben eine entsprechende Büroausbildung erhalten oder je in einer solchen Tätigkeit gearbeitet. Sie könne nicht einmal Maschine schreiben, geschweige denn mit moderner EDV umgehen.

Der Senat hat zur ergänzenden Sachaufklärung im Jahr 1999 Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt und die Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens letztlich durch den Neurologen Dr. G ... in Dresden angeordnet. Dieser stellte in seinem am 28.06.2000 erstatteten Gutachten bei der Klägerin eine neurasthenische Neurose und somatoforme Störungen auf der Grundlage einer sozialen Belastungssituation bei abhängiger Persönlichkeitsstörung fest. Daneben bestehen Einschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet, die bereits der Gutachter Prof. Dr. F ... dargestellt hat. Der Sachverständige gelangte zu der Einschätzung, die Klägerin könne auch unter medizinischer Würdigung der im Zusammenhang mit dem Raubüberfall geschilderten Ereignisse vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und damit auch die Tätigkeiten einer Reklamationssachbearbeiterin, als Empfangspersonal oder auch als Kassiererin an einer Sammelkasse, jedoch ohne massiven Zeitdruck ausüben. Dem Sachverständigen sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen sofort nach der Beendigung der Berufstätigkeit im Dezember 1994 eine fast durchgängige 1 1/2 jährige Krankschreibung der Klägerin durch Hausarzt, Orthopäden und Neurologen erfolgt sei.

Die Klägerin geht davon aus, dass dem gerichtlich bestellten Gutachter Dr. G ... in seinen Einschätzungen nicht zu folgen sei. Soweit der Gutachter verneine, dass die Klägerin aus seelischen Gründen nicht mehr in der Lage sei, die Tätigkeit einer Kassiererin auszuüben, mutmaße dieser nur, ohne seine Einschätzung durch wissenschaftlich anerkannte Testmethoden zu belegen. Vielmehr habe sie nach dem Überfall sofort ihre Kassierertätigkeit aufgegeben und sei ausschließlich im Bäckerei- oder Wurststand eingesetzt worden. Ferner monierte die Klägerin, der Gutachter Dr. G ... habe das auf Veranlassung der Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel von Chefarzt Dr. Sch ..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, für Psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse, erstellte Gutachten vom 20.04.1999, welches die Klägerin aber weder dem Gutachter noch dem Senat vorgelegt hatte, nicht mit berücksichtigt. Dieses Gutachten belege, dass entscheidender Auslöser des bestehenden seelischen Störungsbildes das traumatische Ereignis 1994 gewesen sei. Die leichte Persönlichkeitsakzentuierung sowie die leichte Hirnleistungsschwäche, die im Rahmen der Untersuchung festgestellt worden seien, stellten nicht die Ursache des bestehenden Krankheitsbildes dar, sondern erschwerten lediglich die Bewältigung des Ereignisses. Nach diesem Gutachten sei mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen. Das von Chefarzt Dr. Sch ... am 20.04.1999 erstattete Gutachten hat die Klägerin dem Senat mit Schreiben vom 28.08.2000 vorgelegt.

Die Klägerin hat sich vom 21.03.2001 bis 11.04.2001 zu einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der Klinik D ... H ... in Sch ... aufgehalten. Nach dem Entlassungsbericht vom 26.04.2001 stand im Vordergrund der Therapie eine funktionelle physiotherapeutische Übungsbehandlung zur Kräftigung der rumpfaufrichtenden Muskulatur und zur Erzielung eines physiologischen Wirbelsäulenhaltungs- und bewegungsmusters. Aus orthopädischer Sicht sei die Klägerin in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin vollschichtig auszuüben. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei sie für mittelschwere Arbeiten vollschichtig einsatzfähig. Eingeschränkt seien lediglich Tätigkeiten, die mit ständigem Heben und Tragen schwerer Lasten verbunden seien. Die Klägerin sei zwar wegen einer am 09.04.2001 geklagten Schmerzzunahme in der HWS mit Ausstrahlung in die linke Schulter arbeitsunfähig entlassen worden. Erfahrungsgemäß sei aber mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in etwa drei Wochen zu rechnen. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei auch eine psychologische Mitbetreuung erfolgt. Da eine Progredienz der Symptomatik erkennbar erscheine, sei eine psychotherapeutische Behandlung mit dem Ziel der schrittweisen Aufarbeitung und Bewältigung des Traumas dringend indiziert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und auf die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144, 151, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig und begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 01.07.1995 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, denn die Klägerin ist nach Überzeugung des Senates nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI.

Der streitige Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich noch nach § 43 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden alten Fassung (a.F.), da der Rentenantrag bereits im Jahres 1996 gestellt worden ist und er sich somit auf die Zeit vor dem 01.01.2001 bezieht. Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach §§ 43 Abs. 1 oder 2, 240 SGB VI in der ab 01.01.20001 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. S. 1827) besteht nicht.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 107 und 169; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Ausgehend von dem in § 43 Abs. 2 SGB VI verankerten Gedanken des Berufsschutzes soll demjenigen Versicherten, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der bisherigen Weise arbeiten kann, ein zu starkes Absinken im Beruf erspart bleiben (vgl. BSG, Urteil vom 30.07.1997 - B 5 R 88/96 - oder BSG, Urteil vom 24.11.1998 B 13 RJ 95/97 R). Unter Berücksichtigung dieses Gedankens beurteilt sich die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs.

Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Entsprechend diesem sog. Mehrstufenschema werden die Arbeiterberufe durch Gruppen mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 140 m.w.N.; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 15). In Anlehnung an das für Arbeiterberufe entwickelte Mehrstufenschema gilt ausgehend von der erforderlichen Ausbildung auch für Angestellte folgende Gruppenbildung: ungelernte Angestellte; Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte); Angestellte mit einer längeren Ausbildung; regelmäßig von drei Jahren (Ausgebildete) und Angestellte hoher beruflicher Qualität.

Die nach diesem Schema vorzunehmende Einordnung erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Ausbildung. Entscheidend ist vielmehr die Wertigkeit der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG SozR 3- 2600 § 43 Nr. 5, Nr. 17 m.w.N.). Davon ausgehend darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächstniedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5 m.w.N.; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Was die Suche nach Verweisungstätigkeiten anbelangt, die den Kräften und Fähigkeiten eines Versicherten entsprechen, so ist nach der vom Großen Senat des BSG (vgl. BSG 80, 24 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) bestätigten Rechtsprechung davon auszugehen, dass einem Versicherten zumindest eine Tätigkeit konkret zu benennen ist, die er noch ausüben kann. Eine derartige Bezeichnung einer Verweisungstätigkeit ist hingegen grundsätzlich nicht erforderlich, wenn der Versicherte zwar nicht mehr zu körperlich schweren, aber doch vollschichtig zu mittelschweren oder leichten Arbeiten in der Lage und auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ungelernter Tätigkeiten verweisbar ist.

Nach diesen Kriterien hatte das Sozialgericht zunächst zutreffend den bisherigen Beruf der Klägerin und dessen Einordnung in das vom BSG entwickelte Mehrstufenschema festzustellen. Zutreffend ist das Sozialgericht dabei aufgrund der erworbenen beruflichen Qualifikation und der Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Fachverkäuferin und Verkaufsstellenleiterin davon ausgegangen, dass der Klägerin ein qualifizierter Berufsschutz in der Gruppe der Ausgebildeten mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung zuzubilligen ist. Dem folgt die Beklagte nunmehr mit der Berufung auch. Streitig ist allein die Frage, ob für die Klägerin ausgehend von dem vorhandenen Restleistungsvermögen Verweisungstätigkeiten der nächst niedrigeren Gruppe im Mehrstufenschema (angelernte Angestellte) vorhanden sind.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin aus medizinischer Sicht nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten ihre langjährig ausgeübte Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin und Fachverkäuferin nicht mehr ausüben kann. Dem stehen bereits die durch das orthopädische Fachgutachten von Prof. Dr. F ... vom 14.02.1997 nachgewiesenen Funktionseinschränkungen im Stütz- und Bewegungsapparat entgegen. Dies veranlasst aber noch nicht die Annahme einer Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI (a.F.), denn die Klägerin kann nach Überzeugung des Senates unter Berücksichtigung der medizinisch festgestellten gesundheitlichen Leistungseinschränkungen auf die berufliche Tätigkeit einer kaufmännischen Angestellten in der Gehaltsgruppe K 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für den Einzelhandel im Freistaat Sachsen im kaufmännisch-verwaltenden Bereich von Handelsunternehmen verwiesen werden.

Nach dem von der Beklagten in das Verfahren eingeführten, in einem anderen Verfahren im Auftrag des Sozialgerichts Rostock erstellten berufskundlichen Gutachten des Mitarbeiters des Arbeitsamtes R ..., Herrn P ..., vom 02.01.1997, auf das sich auch der Senat stützt, ist die vollwertig ausgeübte Tätigkeit einer Verkaufsstellenleiterin der Gruppe K 3 des Tarifvertrages für den Einzelhandel zuzuordnen. Diese Gruppe umfasst nach den aufgeführten Tätigkeitsmerkmalen Angestellte, die qualifizierte Arbeiten selbständig erledigen, für die besondere Fachkenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind. Beispielhaft sind benannt: Erste Verkäuferinnen, Verkäuferinnen im Außendienst, Verwalterinnen von Verkaufsstellen und Filialen mit bis zu 200 qm Verkaufsfläche, selbständige Fachkräfte im Wareneingang, im Lager, in der Expedition und in der Verwaltung. In die Gruppe K 2 sind nach den Tätigkeitsmerkmalen tariflich eingestufte Angestellte mit Tätigkeiten, für die in der Regel eine abgeschlossenen 2 bis 3 jährige Ausbildung im Beruf erforderlich ist; beispielsweise benannt: Verkäuferinnen, Empfangspersonal, Kassiererinnen, Angestellte am Packtisch, die Waren- und Preiskontrolle vorzunehmen haben, Fachkräfte im Wareneingang, im Lager, in der Expedition und in der Verwaltung aber auch Telefonistinnen. Bei der Zuordnung ist zu beachten, dass der Abschluss zur Verkäuferin (zweijährige Stufenausbildung) und entsprechende Berufserfahrung in Verbindung mit absolvierten Qualifizierungsmaßnahmen, insbesondere mit kaufmännisch/verwaltenden Inhalten verlangt wird oder der Abschluss der dreijährigen Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau und entsprechende Berufserfahrung nachzuweisen ist. Gleichzusetzen ist eine nachgewiesene langjährige Berufstätigkeit in der genannten Position.

Unter Zugrundelegung der letzten beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Verkaufsstellenleiterin in der Gehaltsgruppe K 3 des maßgeblichen Tarifvertrages ist eine sozial zumutbare Verweisung auf Tätigkeiten der gleichen Gehaltsgruppe oder der Gruppe K 2 möglich. Insoweit kommen - entgegen der Ansicht des Sozialgerichts und der Klägerin - unter Zugrundelegung des berufskundlichen Gutachtens vom 02.01.1997 als Verweisung die Tätigkeiten einer Einkaufssachbearbeiterin/Disponentin oder einer Reklamationssachbearbeiterin jeweils mit der tariflichen Einstufung in die Gehaltsgruppe K 2 in Betracht. Nach der Beurteilung des Sachverständigen Herrn P ... ist eine Verkaufsstellenleiterin in der Lage, diese beruflichen Tätigkeiten nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit zu verrichten. Die berufskundlichen Darstellungen des Herrn P ... stützen inhaltlich die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit. Dem schließt sich der Senat nach eigener Wertung an.

Die verwertbaren beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten der Klägerin resultieren aus ihrer Ausbildung und langjährigen Tätigkeit als Verkaufsstellenleiterin und bilden sich in den vom Arbeitgeber benannten Tätigkeiten ab. So hatte die Klägerin nach der Arbeitgeberauskunft Waren anzunehmen, zu vergleichen und auszupacken (dazu gehört, dass Lieferscheine geprüft, Lieferungen mit der Bestellung abgeglichen werden, mögliche Mängel, Beanstandungen festgestellt werden und die daraus folgende Reklamationsbearbeitung vorgenommen wird), sie hatte Waren zu präsentieren (d.h. die Preisauszeichnung, Anordnung und Dekoration im Verkaufsraum vorzunehmen), die Kassierung vorzunehmen (Einzelabrechnung, Tagesabrechnung), die Warenpflege vorzunehmen (Sortieren, Auffüllen der Waren, Prüfung von Verfallsdaten, daraus resultierend den Bestand disponieren und Bestellungen auslösen) und schließlich hatte sie verantwortlich für die Inventurergebnisse zu zeichnen (d.h. die Inventurergebnisse zu erstellen und auf Richtigkeit zu prüfen). Diese Darstellung der Aufgaben der Verkaufsstellenleiterin decken sich mit der Schilderung der Klägerin, wonach sie u.a. die gesamte Buchhaltung und Warenbestellung für ein breites Sortiment zu bewältigen hatte und für die gesamte Kalkulation des Ladens verantwortlich war. Da sie die Arbeit als Verkaufsstellenleiterin - wie nach der Arbeitgeberauskunft vom 18.04.1997 bestätigt - vollwertig ausführte, ist auch von dem Vorhandensein der für diese Arbeitserledigungen erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten auszugehen.

In Anbetracht dieser Angaben erscheint das Vorbringen der Klägerin im Schreiben vom 02.03.2001, sie wäre im höchsten Fall im Umgang mit einer Registrierkasse und mit der Zählung von Waren einmal im Jahr nebst Eintragung in eine Liste vertraut, und ansonsten habe sie geputzt, Preiskleber geklebt und Waren ins Regal gestellt nicht schlüssig, zumal die Klägerin bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht einen qualifizierten Berufsschutz angemahnt hat.

Infolgedessen kann der Klägerin - wie zutreffend von der Beklagten dargestellt - eine berufliche Tätigkeit als kaufmännische Angestellte in der Gehaltsgruppe K 2 mit Tätigkeiten wie: Rechnungen prüfen, Buchungen vornehmen, Statistiken führen, formularmäßigen Schriftverkehr erledigen, Bestellungen aufgeben, Kartei- und Terminkalender führen ect., z.B. in Bereichen bzw. Abteilungen der Buchhaltung und Rechnungsprüfung bzw. im Bereich Einkauf und/oder Disposition als Einkaufssachbearbeiterin (vgl. Sachverständigengutachten P ...) mit den genannten Tätigkeiten, wie Warenbestellung, Kostenvergleich, Angebotsvergleich, Überwachung der Liefertermine und Lieferbedingungen etc. und auch die Bearbeitung von Reklamationsvorgängen, sei es in diesem Bereich oder in einer eigenen Reklamationsabteilung zugemutet werden.

Arbeitsplätze für diese beruflichen Tätigkeiten sind, wie auch vom Sachverständigen P ... bestätigt, am Arbeitsmarkt in nennenswertem Umfang vorhanden. Es sind keine Schonarbeitsplätze, die vom Betrieb nur leistungsgeminderten Mitarbeitern vorbehalten werden. Ebenfalls belegt die Tatsache, dass die benannten Verweisungstätigkeiten in einem Tarifvertrag aufgeführt sind, dass es entsprechende Arbeitsplätze in nennenswerter Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt. Der Arbeitsmarkt ist daher der Klägerin hinsichtlich dieser Verweisungstätigkeit nicht verschlossen.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass die tatsächlichen Verhältnisse des Arbeitsmarktes Berücksichtigung finden müssten und in ihrem Wohnbereich in Ostsachsen derartige Arbeitsplätze nicht zur Verfügung stünden, verkennt sie, dass die Verhältnisse des Arbeitsmarktes nach der Rechtsprechung des BSG regelmäßig nur zu berücksichtigen sind, wenn der Versicherte nach seinem medizinisch festgestellten Leistungsvermögen nur noch unter vollschichtig einsatzfähig ist. Für die Klägerin, die nach den medizinischen Feststellungen noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten verfügt, ist diese Rechtsprechung somit nicht anwendbar.

Dem festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen steht auch nicht das von der Klägerin vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch ... vom 20.04.1999 entgegen, welches im Ergebnis feststellt, dass wegen der im Zusammenhang mit dem Überfall 1994 bestehenden posttraumatischen Belastungsreaktion mit einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei. Die Frage der Arbeitsunfähigkeit bezieht sich ausschließlich auf die letzte ausgeübte Berufstätigkeit als Verkäuferin/Kassiererin. Derartige in der Öffentlichkeit stehende Tätigkeiten werden von der Klägerin im Wege der Verweisung nicht erwartet. Die Beklagte ist vielmehr, selbst wenn der Sachverständige Dr. G ... dies für möglich hält, nicht von einer Verweisung der Klägerin auf eine Kassierertätigkeit ausgegangen.

Aber auch die Ergebnisse der letzten stationären Rehabilitationsmaßnahme sprechen nicht für eine nur untervollschichtige Leistungsfähigkeit der Klägerin. Vielmehr wird im Entlassungsbericht vom 26.04.2001 bestätigt, dass aus orthopädischer Sicht eine vollschichtige Einsatzfähigkeit besteht und dass während des stationären Aufenthaltes wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung eine psychologische Mitbetreuung stattfand. Dem psychologischen Bericht vom 10.04.2001 ist zu entnehmen, dass eine psychotherapeutische Behandlung dringend indiziert ist. Aus dieser bestätigten Behandlungsnotwendigkeit lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen - wie die Klägerin meint -, das ihr deshalb eine berufliche Tätigkeit nicht mehr zugemutet werden könnte. Bestätigt ist allein eine Behandlungsbedürftigkeit.

Es liegt auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die auch bei vollschichtigem Leistungsvermögen ausnahmsweise auf eine praktische Verschlossenheit des Arbeitsmarktes schließen lassen.

Da, wie vorstehend ausgeführt, entgegen der Ansicht des Sozialgerichts der vollschichtig erwerbsfähigen Klägerin eine gesundheitlich wie auch sozial zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden kann, liegt Berufsunfähigkeit gem. § 43 Abs. 2 SGB VI nicht vor.

Aus den genannten Gründen war auf die Berufung das Urteil des Sozialgerichts Dresden aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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