L 5 RJ 120/00

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 12 RJ 58/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 120/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Invalidität.

Die am ... 1944 geborene Klägerin arbeitete von September 1958 bis zum 30. April 1968 als Dreherin (Erwerb des Facharbeiterzeugnisses am 01. November 1963), bis zum 24. Mai 1969 als Verkäuferin sowie bis zum 28. Februar 1974 als Mitarbeiterin (Sachbearbeiterin). Hierbei absolvierte sie in der Zeit von September 1970 bis Juli 1972 eine Ausbildung zur Handelskauffrau und erwarb am 03. Juli 1972 das entsprechende Facharbeiterzeugnis. Von März 1974 bis Dezember 1979 war sie als Einkäuferin, bis Januar 1980 im Bundesvorstand der FDG, bis Dezember 1981 als kaufmännische Angestellte, bis März 1984 als Gruppenleiterin, bis 1989 als Kommissionshändlerin für Schuhe und Lederwaren und seitdem als private Einzelhändlerin tätig. Die selbständige Tätigkeit ist zum 31. März 1997 aufgegeben worden.

Den am 17. Oktober 1995 gestellten Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit begründete sie mit einem Bandscheibenschaden seit 1995.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten vor:

- der Bericht der Fachklinik Bad H ... vom 24. August 1995 über eine stationäre Rehabilitation vom 12. Juli bis zum 09. August 1995, aus welcher die Klägerin bei Zustand nach Diskusprolaps L4/5 links für ca. drei Wochen arbeitsunfähig mit einer zu erwartenden vollschichtigen Arbeitsfähigkeit im Beruf der Einzelhandelskauffrau, entlassen wurde, - der Befundbericht des Dr. T ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 05. Februar 1996 sowie - das Gutachten des Dr. S ... (Sozialmedizinischer Dienst) vom 28. März 1996, welcher der Klägerin ein zweistündiges bis unter halbschichtiges Leistungsvermögen als selbständige Einzelhändlerin und ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten, in überwiegend sitzender Körperhaltung, attestierte.

Mit Bescheid vom 25. April 1996 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Handelskauffrau ab. Den Widerspruch vom 20. Mai 1996 wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. Dezember 1996 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne die Klägerin nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nur noch zweistündig bis unter halbschichtig als selbständige Einzelhändlerin tätig sein. Sie sei jedoch in der Lage, vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung, überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen sowie unter Vermeidung von Gefährdungen durch Zugluft, starke Temperaturunterschiede und Nässe, zu verrichten. Als Facharbeiterin sei sie sozial zumutbar auf die Tätigkeiten einer Disponentin oder einer Einkäuferin/Handelskauffrau (nicht im Einzelhandel) verweisbar.

Auf die am 29. Januar 1997 erhobene Klage, in welcher die Klägerin auf ihre erneute Antragstellung auf Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit von September 1996 wegen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hinwies, hat das Sozialgericht Leipzig medizinische Unterlagen aus der Akte des Amtes für Familie und Soziales L ..., Befundberichte des Dr. T ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 11. Oktober 1997 und vom 09. Dezember 1998, der Dipl.-Med. T ..., Fachärztin für Orthopädie, vom 25. Juni 1998, des Dr. S ..., Facharzt für Orthopädie, vom 20. November 1998 und vom 15. Februar 2000 und die Gutachten des Arbeitsamtes L ... vom 04. März 1999 (Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für leichte Arbeit mit weiteren Einschränkungen) und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 29. November 1999 eingeholt sowie den Bericht der Kirnitzschtal-Klinik Bad S ... vom 22. September 1999, aus welcher die Klägerin nach stationärer Rehabilitation vom 24. August bis zum 14. September 1999 arbeitsunfähig als Einzelhändlerin mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen aus rein orthopädischer Sicht für leichte körperliche Tätigkeiten mit wechselndem Belastungsprofil, z. B. Bürotätigkeit, entlassen wurde, beigezogen. Die Klägerin hat ein Gutachten des Dr. Z ..., Facharzt für Neurologie/Psychiatrie, vom 01. Juni 1999 eingereicht, welcher eine "ganz erhebliche Minderung des allgemeinen Leistungsvermögens" bescheinigte. Des Weiteren hat das Sozialgericht Dr. S ... mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens beauftragt. Dieser erhob, nach ambulanter Untersuchung am 27. Oktober 1999 in seinem Gutachten vom 10. November 1999 folgende Feststellungen/Diagnosen:

- Postlaminektomiesyndrom L 5, teilweise L 4, ohne nachgewiesene neurologische Ausfallerscheinungen,
- Somatisierungstendenzen leichten Grades,
- mehrfach aufgetretene rezidivierende dysthyme bzw. subdepressive Zustände ohne Anhalt für eine endogene Komponente oder eindeutige Hinweise auf eine Involutionsdepression,
- Zustand nach gynäkologischer Totaloperation mit relativer Harninkontinenz, d. h, die Begutachtete muss bei Harndrang relativ schnell eine Toilette aufsuchen,
- angeborene Sehminderung links erheblichen Grades mit daraus resultierendem eingeschränktem räumlichen Sehvermögen bei mit Brille ausreichender Korrektur des gesunden Auges.

Die Beschwerdesymptomatik von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates entspreche den Einschätzungen der vorangegangenen orthopädischen Beurteilungen, einschließlich des Heilbehandlungs- Entlassungsberichtes vom Herbst 1999. Bezüglich der psychopathologischen Symptomatik erscheine auch aktuell aus der Sicht des nervenärztlichen Gutachters ein erheblicher Widerspruch in der Beurteilung durch den behandelnden Nervenarzt (auch unter Berücksichtigung verschiedener Ausführungen zu unterschiedlichen Zeiten und seiner gutachterlichen Einschätzung vom 01. Juni 1999). Unter Berücksichtigung der genannten Gesundheitsstörungen sei die Klägerin in der Lage, Tätigkeiten leichter, gelegentlich auch mittelschwerer Natur auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Auf Grund der durchgeführten Operation an der Lendenwirbelsäule und der dadurch noch bestehenden Restsymptomatik sollten körperlich leichte, gelegentlich auch mittelschwere Tätigkeiten mit wechselndem Belastungsprofil, das heisst, auch Tätigkeiten in wechselnden Positionen, nicht nur im Sitzen oder Stehen bzw. Gehen, durchgeführt werden. Tätigkeiten mit häufigem Bücken, in Zwangshaltungen oder mit Heben und Tragen schwerer und mittelschwerer Lasten, an laufenden Maschinen oder am Fließband sowie auf Leitern und Gerüsten sollten gemieden werden. Eine Tätigkeit unter erheblichem Zeitdruck mit entsprechendem psychischen Stress sei nicht zu empfehlen. Einschränkungen der Wegstrecke bis 1000 Meter bestünden nicht. Die festgestellten Einschränkungen bestünden seit der Rentenantragstellung.

Die Beklagte hat einen am 16. September 1996 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Invalidität, nach Einholung eines Befundberichtes des Dr. T ... vom 17. September 1996 und eines Gutachtens des Dr. W ..., Facharzt für Orthopädie, vom 20. Mai 1997, in welchem der Klägerin ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten, im Sitzen, Stehen und Gehen, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken sowie ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten bescheinigt wurde, mit Bescheid vom 17. September 1997 abgelehnt und nach am 20. Oktober 1997 eingegangenem Widerspruch mit Bescheid vom 17. Juni 1998 bestätigt.

Mit Urteil vom 17. Februar 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat, insbesondere unter Berücksichtigung des Rehabilitationsentlassungsberichtes von September 1999 und des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. S ... vom 10. November 1999, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten festgestellt. Die Klägerin sei als selbständige Einzelhändlerin in die Gruppe der Facharbeiter einzuordnen und als solche zumutbar auf die Tätigkeit einer Groß- und Einzelhandelskauffrau oder einer Bürofachkraft verweisbar. Mit dem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liege zudem weder Erwerbsunfähigkeit noch Invalidität vor.

Die Klägerin bekundet mit der am 26. April 2000 bei dem Sächsischen Landessozialgericht fristgemäß eingelegten Berufung, ihr Gesundheitszustand habe sich nicht gebessert, hinzugekommen sei eine Augenentzündung und sie befinde sich gegenwärtig wegen einer chronischen Blasenentzündung in Behandlung.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Februar 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25. April 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1996 sowie des Bescheides vom 17. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 1998 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit oder Invalidität zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil.

Der Senat hat Befundberichte des Dr. S ... von September 2000 und April 2001, des Dr. Z ... vom 05. September 2000, der Dr. S ..., Fachärztin für Augenheilkunde, vom 02. Oktober 2000 und des Dipl.-Med. S ..., Facharzt für Urologie, vom 25. November 2000, eingeholt.

Auf den gerichtlichen Hinweis vom 23. Februar 2001 hat die Klägerin die Einholung eines medizinischen Gutachtens gemäß § 109 Abs. 1 SGG nicht beantragt.

Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Bescheide vom 17. September 1997 und vom 17. Juni 1998 sind gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden.

Die Berufung ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Leipzig (SG) die Klage abgewiesen, weil der Klägerin ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Invalidität nicht zusteht.

Die Klägerin ist weder berufs- noch erwerbsunfähig (§§ 43 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a. F.]) und nicht invalide (Art. 2 § 7 Abs. 3 des Rentenüberleitungsgesetzes - RÜG -).

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst sie in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die sie nach ihrem Gesundheitszustand und nach ihrem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).

Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als selbständige Einzelhändlerin im Bereich Schuhwaren. Diese hat die Klägerin von 1989 bis zur Abmeldung des Gewerbes am 31. März 1997 vollwertig bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.

Den Beruf als selbständige Einzelhändlerin kann die Klägerin nicht mehr vollwertig verrichten. Hiervon geht auch die Beklagte aus. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen überwiegenden Steh- und Gehanteile sowie Steigen auf Leitern, sind mit ihren orthopädischen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht mehr vereinbar.

Dennoch liegt Berufsunfähigkeit bei der Klägerin nicht vor. Sie ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen sie mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.

Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten eine leistungsgeminderte Versicherte zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat das Bundessozialgericht zu diesen drei Gruppen noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Diesem Schema ist eigentümlich, dass jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden kann, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist die Klägerin der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters zuzuordnen und sozial zumutbar auf eine Tätigkeit als Groß- und Einzelhandelskauffrau und als Bürofachkraft verweisbar. Der Senat schließt sich nach Überprüfung den entsprechenden medizinischen und sozialen Feststellungen des Sozialgerichtes vollumfänglich an und nimmt, zur Vermeidung von Wiederholungen, darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung, welche einem vollschichtigen Einsatz als Groß- und Einzelhändlerin im Büro entgegenstünde, ist seit der Berufungseinlegung nicht festzustellen. Auf orthopädischem Gebiet wird von Dr. S ... eine Befundänderung verneint, ebenso auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet von Dr. Z ... Mit dem von Dr. S ... mitgeteilten Visus von R/L 0,8/0,16 ist die Klägerin in der Lage, Bürotätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Nach der "Sozialmedizinischen Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung" (5. Aufl. 1995, Harald Burggraf, Seite 522, 523) besteht bei einem Visus von 0,8 und bei dem Partnerauge von kleiner 0,2 ein nur noch sehr reduziertes räumliches Sehvermögen. Damit sind Berufe, die gutes Sehvermögen erfordern, nicht mehr möglich. Lesen und das Erkennen von Feinheiten ist mit Einschränkungen gut möglich, ebenso können vollschichtig Bildschirmtätigkeiten ausgeübt werden. Die von Dipl.-Med. S ... bekundete Harninkontinenz hat sich nicht verschlechtert und erfordert sozialmedizinisch die Möglichkeit zum Aufsuchen einer Toilette. Diese ist bei Bürotätigkeiten regelmäßig gegeben und bedingt insofern keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit.

Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, und die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zu einer derartigen Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - BSGE 80,24 -).

Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001 BGBl. 2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Invalidenrente gemäß Art. 2 § 7 des RÜG, da dieser eine Minderung des gesundheitlichen Leistungsvermögens um mindestens 2/3 voraussetzt.

Die Anwendung der §§ 43, 44 SGB VI a. F. resultiert aus der Rentenantragstellung vom 17. Oktober 1995 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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