L 5 RJ 25/01

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 14 RJ 282/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 25/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20. Dezember 2000 abgeändert: 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu er statten.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ... 1964 geborene Kläger war von September 1981 bis Februar 1982 als Maschinen- und Anlagenmonteur, bis Februar 1983 als Feldbauhelfer und bis Februar 1989 als Hilfsschlosser und Anlagenfahrer tätig. Im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung erwarb er am 30. Juni 1984 die Urkunde "Facharbeiter für Getreidewirtschaft". Von April 1989 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im August 1990 arbeitete er als Sachbearbeiter in der Materialplanung und Beschaffung sowie von Januar 1991 bis Dezember 1994, unterbrochen durch Arbeitslosigkeit von September bis Dezember 1991, als Glas- und Gebäudereiniger. Nach erneuter Arbeitslosigkeit war der Kläger im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von Mai 1996 bis August 1996 und November 1996 bis zum 04. Juli 1997 jeweils als Bauhelfer beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitslos und bezieht Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit bzw. Krankengeld. Nach eigenen Angaben hat der Kläger am 20. November 2000 ein Praktikum begonnen.

Den am 16. Juli 1997 gestellten Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit begründete er mit einer Zuckererkrankung und Beschwerden in den Beinen und Gelenken.

Im Verwaltungsverfahren ließ die Beklagte ein Gutachten durch Dr. K ..., Gutachterarzt, vom 20. November 1997, erstellen, welcher die Diagnosen

- insulinpflichtiger Diabetes mellitus ohne Schockzustände,
- lokales Lumbalsyndrom - ohne wesentliche Funktionseinschränkungen
- ein noch behandelbares Leiden,
- Arthralgien in beiden Kniegelenken - ohne wesentliche Funktionseinschränkungen,
- Höhenschwindel (nicht höhentauglich),
- mäßiggradig eingeschränktes Sehvermögen links, durch Brille korrigierbar,

erhob. Durch diese Befunde sei das Leistungsvermögen nicht wesentlich eingeschränkt. Körperlich leichte Tätigkeiten könnten im Sitzen, Stehen und Gehen, auch im Wechsel, ohne Wechsel- und Nachtschicht sowie ohne häufiges Klettern und Steigen und ohne Absturzgefahr seit der Rentenantragstellung vollschichtig verrichtet werden. Mittelschwere Tätigkeiten und die Tätigkeit als Bauhelfer seien nur noch zweistündig bis unter halbschichtig zumutbar.

Mit Bescheid vom 09. Dezember 1997 lehnte die Beklagte den Rentenantrag unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab. Den am 03. Februar 1998 eingegangenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 05. Mai 1998 zurück. Der Kläger sei nach seinem beruflichen Werdegang als Bauhelfer der Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter zuzuordnen und somit seien ihm alle ungelernten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zuzumuten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit wechselnder Arbeitshaltung, ohne Wechsel- und Nachtschicht sowie ohne häufiges Klettern und Steigen und ohne Absturzgefahr, verrichten. Die konkrete Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit sei dabei entbehrlich.

Auf die am 16. Juni 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden die Berichte des St. Carolus-Krankenhauses G ... vom 20. April 1998 und vom 12. Juni 1998, einen Befundbericht des Dr. E ..., Praktischer Arzt, vom 27. Dezember 1998 und der Dr. H ..., Fachärztin für Augenheilkunde, vom 20. Juni 1999, eingeholt. Des Weiteren hat es Dr. G ..., Augenärztin, mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Den Termin zur Begutachtung hat der Kläger, nach einmaliger Verschiebung, am 04. Oktober 1999 nicht wahrgenommen. Nach Beiziehung medizinischer Unterlagen aus der Akte des Amtes für Familie und Soziales Dresden hat das Sozialgericht einen Befundbericht der Dr. B ..., Fachärztin für Allgemeinmedizin, vom 24. Februar 2000 und des Dipl.-Med. H ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 04. März 2000, eingeholt. Nach Erlass einer Beweisanordnung zur internistischen Begutachtung durch Dr. B ... hat der Kläger den Termin am 17. Mai 2000 ohne Angabe von Gründen und einen zweiten Termin am 07. Juni 2000 mit der Begründung nicht wahrgenommen, er könne erst im März 2001 zur Begutachtung kommen, da er bis dahin ein Praktikum absolviere. Nach Anberaumung eines Erörterungstermins zum 05. Dezember 2000 hat der Kläger fernmündlich unter dem 08. November mitgeteilt, er sei an einem Erörterungstermin nicht interessiert und komme nicht zum Termin. Am 20. November 2000 beginne er ein Praktikum und müsse sich auch um Arbeit kümmern. Mit am 18. Dezember 2000 bei dem Sozialgericht eingegangen Fax bekundete der Kläger, er könne keine körperlich schweren Arbeiten mehr leisten und sei deshalb nicht voll einsetzbar. Wegen seiner Zuckerkrankheit seien die Einschränkungen Sitzen, Stehen und Gehen im Wechsel einzuhalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dem Kläger Mutwillenskosten in Höhe von 365,80 DM auferlegt. Ausgehend von der Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger hat es den Kläger der Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter zugeordnet und, unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dr. K ..., der eingeholten medizinischen Unterlagen und Befundberichte, ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung festgestellt. Durch die Zuckerkrankheit sowie die Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates seien leichte körperliche Tätigkeiten nicht ausgeschlossen. Zudem sei das Sehvermögen noch ausreichend. Anhaltspunkte für eine Alkoholkrankheit ergäben sich nach Aktenlage nicht. Ein Sachverständigengutachten nach Aktenlage sei nicht erforderlich, da die vorhandenen Unterlagen als Entscheidungsgrundlage ausreichend seien.

Der Kläger hat mit am 16. Januar 2001 bei dem Sozialgericht Dresden und am 24. Januar 2001 bei dem Sächsischen Landessozialgericht eingegangenen Schreiben per Fax, einmal ohne und einmal mit Unterschrift, ohne weitere Begründung, Berufung eingelegt. Auf die gerichtlichen Aufforderungen vom 26. Januar 2001, 05. März 2001 und 21. März 2001 hat er mit am 12. April 2001 mitgeteilt, es bedürfe keiner weiteren Erklärung für die Antragstellung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 20. Dezember 2000 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 09. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Mai 1998 zu verurteilen, ihm eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Gerichtsbescheid.

Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Leistungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist schriftlich - mit vom Kläger unterschriebenen Telefax - eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist insoweit begründet, als dem Kläger Mutwillenskosten auferlegt worden sind, im Übrigen ist sie unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Dresden (SG) die Klage abgewiesen, weil dem Kläger ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zusteht.

Der Kläger ist weder berufs-, noch erwerbsunfähig (§§ 43 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung [a.F.]).

Berufsunfähigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. liegt nicht vor, da die Erwerbsfähigkeit des Klägers wegen Krankheit oder Behinderung noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, wird danach getroffen, welchen Verdienst er in einer Tätigkeit erzielen kann, auf die er nach seinem Gesundheitszustand und nach seinem bisherigen Beruf zumutbar verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 24/58 - SozR Nr. 24 zu § 1246 RVO -). Für die Beurteilung, wie weit die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten gesunken ist, kommt es auf den bisherigen Beruf an (vgl. BSG in SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 107 und 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit oder Beschäftigung, die vollwertig und nachhaltig verrichtet worden ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164).

Letzte Beschäftigung in diesem Sinne ist die Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger. Diese hat der Kläger von Januar 1992 bis zur betrieblichen Kündigung im Dezember 1994 vollwertig bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.

Diesen Beruf kann der Kläger nicht mehr vollwertig verrichten. Die mit dieser Tätigkeit verbundenen mittelschweren Arbeiten, mit Zwanghaltungen von Bücken, Hocken, Knien und Überkopfarbeiten sowie auf Leitern und Gerüsten, sind mit dem Gesundheitszustand des Klägers nicht mehr vereinbar.

Dennoch liegt Berufsunfähigkeit bei dem Kläger nicht vor. Er ist zumutbar auf andere Tätigkeiten verweisbar, bei welchen er mehr als die Hälfte des Verdienstes einer gesunden Vergleichsperson erzielen kann.

Zur Bestimmung, auf welche Tätigkeiten ein leistungsgeminderter Versicherter zumutbar verwiesen werden kann, hat das Bundessozialgericht ein Mehr-Stufen-Schema entwickelt und die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt. Es gibt die Gruppe der Facharbeiterberufe, der Anlerntätigkeiten und der ungelernten Tätigkeiten (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 1972 - 5 RJ 105/72 - SozR Nr. 103 zu § 1246 RVO). Später hat das Bundessozialgericht zu diesen drei Gruppen noch eine weitere Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" hinzugefügt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 - 5 RJ 98/76 - BSGE 43, 243), zu welcher auch "besonders hoch qualifizierte Facharbeiter" gehören (vgl. BSG, Urteil vom 19. Januar 1978 - 4 RJ 81/77 - BSGE 45, 276). Nach diesem Schema kann jeder Versicherte auf Tätigkeiten zumutbar verwiesen werden, die eine Stufe tiefer einzuordnen sind, als es dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Facharbeiter kann daher auf Anlerntätigkeiten, ein angelernter Arbeiter auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden.

In Übereinstimmung mit der sozialgerichtlichen Entscheidung ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Dies ergibt sich aus seinen eigenen Darstellungen im Verwaltungsverfahren, wonach er zur Verrichtung der Tätigkeit als Glas- und Gebäudereiniger weder eine Ausbildung absolviert, noch einer Anlernzeit bedurft hat. Insofern ist er in den Bereich der Ungelernten einzustufen, sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass diese konkret benannt werden müssten, und verfügt über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Auf die entsprechenden medizinischen Feststellungen des SG, welchen der Senat nach Überprüfung vollumfänglich beitritt, wird Bezug genommen und verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Gegenüber dem Zustand bei der Begutachtung durch Dr. K ... am 20. November 1997 und dem Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides hat sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht wesentlich geändert. Aus dem Bericht des St. Carolus-Krankenhauses G ... vom 12. Juni 1998 ergibt sich, dass der Kläger sehr gut in der Lage ist, die Insulinanpassungen vorzunehmen und die verschiedenen Situationen einzuschätzen. Dies stimmt mit den Feststellungen des Dr. K ... überein. Eine Änderung lässt sich insoweit objektivieren, als der Kläger nunmehr jeweils früh, mittags und abends nach Bedarf und zur Nacht Insulin spritzen muss. Der Verdacht auf eine Niereninsuffizienz wurde in dem Bericht des Dr. E ... vom 27. Dezember 1998 klinisch nicht bestätigt. Eine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergibt sich aus den von Dr. H ... in ihrem Bericht vom 20. Juni 1999 mitgeteilten Visuswerten von R/L 0,4/0,8 nicht. Denn mit derartigen Visuswerten bestehen allenfalls Einschränkungen für Berufsarten, die eine hohe Sehanforderung stellen und beidäugiges Zusammensehen, wie der öffentliche Personenverkehr (Bus, Lokführer, Taxi), spezielle technische Dienste, Präzisionsarbeiten oder Arbeiten an hohen Regalsystemen, erfordern (vgl. Klassifizierung der Sehminderung in Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung", Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Auflg. 1995, Seite 522 f.). Dipl.-Med. H ... stellte in seinem Bericht vom 04. März 2000 keine wesentlichen Normabweichungen in der klinischen Untersuchung fest. Damit ist der Kläger nachvollziehbar in der Lage, vollschichtig zumindest leichte körperliche Tätigkeiten zu verrichten. Einschränkungen sind nur insoweit zu beachten, als keine Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an das Sehvermögen, wegen des Diabetes mellitus nicht in Wechsel- oder Nachtschicht und ohne Klettern oder Steigen und ohne Absturzgefahr, ausgeübt werden können. Ob die vorbezeichneten Funktionseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine sonstige schwerwiegende Behinderung, die es dem Kläger auch bei vollschichtiger Einsatzfähigkeit unmöglich macht, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sogenannte "Katalogfälle" (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 - 4 RJ 55/84 - SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 137) darstellen, kann dahinstehen. Denn mit den bestehenden Beeinträchtigungen ist der Kläger beispielsweise in der Lage, die Tätigkeit eines Pförtners vollschichtig zu verrichten. Nach dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten der Diplom-Verwaltungswirtin S ... H ... vom 07. Januar 2000 für das Sächsisches Landessozialgericht zum Az. L 5 RJ 167/98 gehört zum Aufgabengebiet im Wesentlichen das Empfangen und Weiterleiten von Besuchern, Betriebsangehörigen u.ä., gegebenenfalls das Prüfen von Legitimationen, Anmelden und Weiterleiten der Besucher, Ausstellen der Besucherscheine sowie das Erteilen von Auskünften. Je nach Arbeitsplatzgestaltung fallen auch das Bedienen der Telefonanlage, Postverteilung, Durchführung von Kontrollgängen an. Die Arbeit ist generell körperlich leicht und wird in der Pförtnerloge überwiegend im Sitzen, mit der Möglichkeit des Haltungswechsels zwischen Gehen, Stehen und Sitzen verrichtet. Auf Grund des Publikumsverkehrs kommt es zum Teil durch stoßweise Arbeitsbelastung (z.B. Schichtwechsel, Arbeitsende) zu Zeitdruck. In psychischer Hinsicht sind Reaktionsvermögen, Entschlusskraft, Handlungsbereitschaft, Besonnenheit und Umsichtigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Zuverlässigkeit und Unbestechlichkeit erforderlich. Das Aufsuchen einer Toilette zur Blutzuckerbestimmung und Insulinspritzung ist hierbei gewährleistet. Im Übrigen ist der Kläger nicht am Zurücklegen des Arbeitsweges, also des Weges von seiner Wohnung bis zu einer etwaigen Arbeitsstätte (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 43/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10), gehindert. Betriebsunübliche Pausen (vgl. BSG, Urteil vom 30. Mai 1984 5a RKn 18/83 SozR 2200 § 1247 RVO Nr. 43) muss er während der Arbeitszeit nicht einhalten. Selbst bei einer Blutzuckerkontrolle und Insulinspritzung früh, mittags und abends nach Bedarf fällt im Verlauf eines achtstündigen Arbeitstages allenfalls mittags eine Blutzuckerkontrolle und Insulinspritzung an. Da nach § 4 des Arbeitsgesetzes vom 06. Juni 1994 (BGBl. I Seite 1170) bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden mindestens eine halbstündige bzw. zwei viertelstündige Ruhepausen zu gewähren sind, kann die während des Arbeitstages erforderliche Blutzuckerüberprüfung und Insulingabe innerhalb dieser Pausen erfolgen. Regelmäßig werden hierfür nicht mehr als fünf bis sieben Minuten benötigt (vgl. Der Diabetiker im Erwerbsleben in Sozialmedizinische Begutachtung in der gesetzlichen Rentenversicherung", Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 5. Aufl. 1995, Seite 262).

Eine weitere Gesundheitsverschlechterung hat der Kläger mit der Berufung nicht behauptet. Auf die gerichtlichen Aufforderungen vom 26. Januar 2001, 05. März 2001 und 21. März 2001 hat er mit am 12. April 2001 eingegangenen Schreiben lediglich bekundet, es bedürfe keiner weiteren Erklärung für die Antragstellung. Weitere Ermittlungen haben sich dem Senat von Amts wegen gemäß § 106 SGG insofern nicht aufgedrängt.

Der Umstand, dass es in einer Zeit angespannter Arbeitsmarktlage schwierig ist, einen passenden Arbeitsplatz zu finden, und Vermittlung nicht in der Lage ist, ist kein Grund zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Denn bei vollschichtiger Einsatzmöglichkeit ist der Arbeitsmarkt der gesamten Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen, und es kommt auf die Zahl der vorhandenen, nicht auf die Zahl der gerade freien Arbeitsplätze an (vgl. BSG, Großer Senat, Beschluss vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 BSGE 80,24 -).

Nachdem der Kläger nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI (a.F.) ist, hat er erst recht keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach den strengeren Vorschriften des § 44 SGB VI (a.F.), so dass die Berufung in der Sache keinen Erfolg haben konnte. Bei einem Leistungsvermögen von mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind auch die Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI (in der Fassung ab dem 01. Januar 2001 BGBl. 2000, Teil I, Seite 1827) nicht erfüllt.

Die Anwendung der §§ 43, 44 SGB VI a.F. resultiert aus der Rentenantragstellung vom 16. Juli 1997 (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Hingegen war die Auferlegung von Mutwillenskosten gemäß § 192 SGG nicht gerechtfertigt. Eine Verschleppung, das heisst, eine bewusste, vorsätzliche Verzögerung des Rechtsstreits (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage, München 1998, Anm. 6 zu § 192), ist durch das Nichtbefolgen der Aufforderung zur medizinischen Begutachtung nicht hinreichend sicher festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved