L 5 RJ 281/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 RJ 118/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 281/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 07. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am ... 1961 geborene Kläger absolvierte in der Zeit vom 1. September 1977 bis 15. Juli 1979 eine Lehre als Zerspanungsfacharbeiter. Vom 24. Juli 1979 bis 11. Januar 1980 ging er einer Beschäftigung als Einsteller nach. In der Zeit vom 28. April 1980 bis 23. März 1984 war er als Verkäufer und Kassierer beschäftigt. Vom 1. Juli 1984 bis 30. September 1984 war er als Lagerarbeiter, danach vom 4. März 1985 bis 30. Juni 1985 als Zerspaner tätig. In der Zeit vom 8. Juli 1985 bis 14. November 1985 ging er einer Tätigkeit als Transportarbeiter nach. Danach arbeitete er vom 20. Januar 1986 bis 10. Februar 1988 als Fachverkäufer. Vom 5. August 1988 bis 31. Dezember 1988 war er als Stricker tätig. Danach arbeitete er vom 1. Januar 1989 bis 30. November 1990 als Handwerker, Versand- und Aufmachungsarbeiter. Zuletzt war er vom 8. März 1993 bis 30. April 1993 als Marktleiter beschäftigt. Seitdem geht er - abgesehen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen - keiner Tätigkeit mehr nach. Er verfügt über Berufsabschlüsse als Zerspanungsfacharbeiter, Fachverkäufer und Wirtschaftskaufmann (Spezialisierungsrichtung Industrie).

Am 12. Mai 1997 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Daraufhin zog die Beklagte insbesondere zwei für das Arbeitsamt Z ... erstellte ärztliche Gutachten vom 26. Januar 1994 und vom 20. Mai 1997 bei, in welchen Herr Dr. St ..., Facharzt für Allgemeinmedizin, unter Berücksichtigung einer chronischen Darmerkrankung und einer psychischen Instabilität sowie unter Einbeziehung von Schmerzen in beiden Knie- und Ellenbogengelenken jeweils für ein vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers unter Beachtung bestimmter Einschränkungen votierte. Während der Gutachter bei der Untersuchung am 26. Januar 1994 noch Zweifel daran hatte, ob der Kläger seine Angelegenheiten selbst besorgen könne, beschrieb er ihn bei der Begutachtung am 15. Mai 1997 lediglich als psychisch auffällig, klagsam und instabil, bejahte aber, dass er seine Angelegenheiten selbst zu besorgen vermöge. Im Vergleich zum Vorgutachten habe sich sein Gesundheitszustand etwas gebessert. In dem psychologischen Gutachten vom 5. Juli 1994 heißt es, die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Klägers liege insgesamt im Durchschnitt. Seine Konzentrationsfähigkeit sei jedoch bei Aufgaben unter starkem Zeitdruck eingeschränkt.

Nach Einsichtnahme in weitere medizinische Unterlagen ließ die Beklagte ein ärztliches Gutachten bei Frau Dr. D ..., Gutachterärztin, erstellen. Sie diagnostizierte im Gutachten vom 28. August 1997 nach einer Untersuchung des Klägers am 22. August 1997 folgende Gesundheitsstörungen:

Morbus Crohn (chronisch-entzündliche Darmerkrankung) mit Zustand nach Ileozökal-Resektion (7/90) wegen Konglomerattumor im Bereich des terminalen Ileum mit Fistelung zur Harnblase, zum Dick- und Dünndarm; bisher kein Nachweis stärkerer entzündlicher Aktivität, jedoch mit belastungs- und stressabhängigen Darmbeschwerden,

psychische Instabilität nach Arbeitsplatzverlust mit Zustand nach rezidivierenden Hyperventilations-Tetanien (stationär 1995 und 5/97),

belastungsabhängige Gonalgien beidseits, ohne Bewegungseinschränkung, bei Verdacht auf beginnende degenerative Veränderungen,

belastungsabhängige Epicondylopathie beidseits ohne zur Zeit objektivierbare Ursache.

Psychisch sei der Kläger zeitlich und örtlich vollständig orientiert gewesen. Die Sinneswahrnehmungen und Denkabläufe schätzte die Gutachterin als normal ein, die Stimmung als indifferent. Konzentration, Aufmerksamkeit, Reaktionsvermögen und Antrieb seien altersentsprechend normgerecht.

Trotz der festgestellten Beschwerden bestehe für eine körperlich leichte, stundenweise auch mittelschwere, wechselvolle Tätigkeit ohne Nachtdienst und Überstunden sowie ohne negativen Stress ein vollschichtiges Leistungsvermögen, sofern die Arbeit in klimatisierten Räumen ausgeführt werden könne. Häufiges Bücken, häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten sowie Gefährdungen durch Kälte, Zugluft und Nässe müssten ausgeschlossen sein. Dieses Leistungsbild bestehe seit Rentenantragstellung.

Mit Bescheid vom 18. September 1997 wies die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zurück.

Auf den Widerspruch des Klägers vom 29. September 1997 hin bestätigte die Beklagte ihren Bescheid durch Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1998. Als Versandarbeiter sei er nach seinem beruflichen Werdegang der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts seien ihm somit alle ungelernten Tätigkeiten im Bereich des allgemeinen Arbeitsmarktes zuzumuten mit Ausnahme solcher, die nur einen geringen qualitativen Wert hätten. Die konkrete Benennung zumutbarer Tätigkeiten sei dabei entbehrlich. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne er nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nicht mehr in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Versandarbeiter tätig sein, jedoch ganztägig leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, nicht überwiegend im Freien und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft und Nässe verrichten.

Die gegen die Bescheide der Beklagten am 16. Februar 1998 beim Sozialgericht Chemnitz erhobene Klage ist durch Urteil vom 7. September 1999 abgewiesen worden. Seine Entscheidung hat das Gericht insbesondere auf ein Gutachten auf internistisch-rheumatologischem Fachgebiet gestützt.

Der Gutachter, Herr Dr. H ..., Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Nephrologie, Physikalische und Chirotherapie, Chefarzt, hat in seinem Gutachten vom 13. April 1999 nach einer Untersuchung des Klägers am 12. Februar 1999 folgende Diagnosen gestellt:

Hauptdiagnose:

Enteritis regionalis (Morbus Crohn) mit derzeit geringer Krankheitsaktivität, aber Zustand nach Ileozökalresektion im Juli 1990 bei Konglomerattumor mit Ileus sowie Fistelung zu Harnblase und Darm,

Nebendiagnosen:

psychovegetative Dystonie (unter anderem wiederholte Hyperventilationstetanien, "Herzrhythmusstörungen" und Tinitus),

initiale Retropatellararthrose beidseits,

benigne Prostataadenomatose (Blasenhalsadenom).

Psychisch hätten sich "eventuell etwas hypochondrische Züge (subjektiv nicht zuletzt infolge eines erheblichen sozialen Druckes), ansonsten situationsgerechtes Verhalten und volle Orientierung zu Ort, Zeit und eigener Person" gezeigt.

Der Kläger habe sich bei der Begutachtung in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand befunden, und zwar mit klinisch praktisch regelrechtem Organstatus. Nach Auswertung der ermittelten Laborbefunde sei von einer bestenfalls geringen Krankheitsaktivität des ursprünglich histologisch gesicherten Morbus Crohn auszugehen. Die rezidivierenden Hyperventilationstetanien, "Herzrhythmusstörungen", "Kreislaufregulationsstörungen" mit Schwindelgefühl und zeitweiligem Tinitus seien am ehesten als Ausdruck einer "psychovegetativen Dystonie" zu interpretieren. Die degenerativen Veränderungen an den Kniegelenken wiesen einen geringen Umfang auf. Das Blasenhalsadenom führe manchmal zu einem schwachen Harnstrahl. Der Gutachter hat eingeschätzt, der Kläger könne körperlich leichte Tätigkeiten durchaus vollschichtig ausüben. Heben, Tragen und Bewegen von schweren Lasten mit einem Gewicht von mehr als fünf Kilogramm seien nach Möglichkeit zu vermeiden. Tätigkeiten im Gehen, Stehen und Sitzen seien zu etwa gleichen Anteilen möglich. Insbesondere komme auch eine vollschichtige Beschäftigung als Telefonist in Betracht. Das Leistungsbild bestehe seit Anfang der neunziger Jahre. Hinsichtlich der Wegefähigkeit bestünden keine Einschränkungen. Konzentrationsfähigkeit, technisches Verständnis, Reaktions- und Übersichtsfähigkeit sowie Anpassungsfähigkeit und geistige Beweglichkeit seien als gut einzuschätzen, Ausdauer und besonderes Verantwortungsbewusstsein seien durchschnittlich ausgeprägt.

Weiterhin hat das Sozialgericht neben anderen ärztlichen Befundberichten insbesondere einen solchen vom 30. Juni 1998 bei Frau Medizinalrätin Dr. G ... angefordert. Diesem Befundbericht ist ein für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte angefertigtes Gutachten vom 9. Januar 1998 beigefügt gewesen. Der Gutachter, Herr Prof. Dr. med. habil. L ..., Chefarzt der Klinik für Neurologie und Psychiatrie des ...-Krankenhauses Z ..., hat darin ausgeführt, der Kläger sei bei der Begutachtung bewusstseinsklar und voll orientiert gewesen. Er verfüge über eine durchschnittliche formal-intellektuelle Ausstattung. Psychoseverdächtige Denk- und Wahrnehmungsstörungen lägen ebenso wenig vor wie Suizidalität. Einschränkungen der Aufmerksamkeit, Konzentration und Merkfähigkeit bestünden nicht. Als Fachverkäufer oder Wirtschaftskaufmann bestehe ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Eine schwere körperliche Belastung sei ausgeschlossen. Formal-intellektuell liege er auf einem guten Niveau und sei forderbar. Es bestehe eine psychische Störung im Sinne einer akzentuierten, durch Reizbarkeit und Unduldsamkeit, Misstrauen und Verschlossenheit gekennzeichneten Persönlichkeit, ihr komme aber kein Krankheitswert zu.

Das Sozialgericht hat argumentiert, der Kläger sei weder berufs- noch erwerbsunfähig. Als Versandarbeiter sei er der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen. Somit könne er zumutbar auf die Tätigkeit eines Telefonisten verwiesen werden, da ausweislich der Ausführungen des vom Gericht beauftragten Gutachters hierfür ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestehe.

Gegen das am 21. Oktober 1999 als Einschreiben versandte Urteil vom 7. September 1999 hat der Kläger durch am 25. Oktober 1999 beim Sächsischen Landessozialgericht eingegangenes Schreiben vom 24. Oktober 1999 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, er habe insgesamt drei Berufe erlernt, denjenigen eines Zerspanungsfacharbeiters, denjenigen eines Fachverkäufers und denjenigen eines Wirtschaftskaufmannes. Eine Anlerntätigkeit sei ihm somit nicht zumutbar. Er könne weder als Versandarbeiter noch als Telefonist arbeiten, weil er mindestens sieben bis zehn Mal täglich eine Toilette aufsuchen müsse. Außerdem habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Insbesondere sei seine Augenerkrankung inzwischen chronisch geworden. Er habe vom 26. Mai 2000 bis zur erneuten Einweisung am 12. Juli 2000 einen Gewichtsverlust von 12 Kilogramm (von 68 Kilogramm auf 56 Kilogramm) erlitten. Die Einnahme von Medikamenten gegen den Morbus Crohn habe nunmehr auch noch zu einer Nervenschädigung geführt. Geistig befinde er sich in einem Topzustand, lediglich physisch sei er am Ende.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 7. September 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab Juni 1997 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung träfen zu. Die beim Kläger vorliegenden Augenleiden seien behandelbar und führten nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung. Eine wesentliche Sehschwäche sei nicht belegt. Die Rezidivbildung im Hinblick auf den Morbus Crohn führe zu Arbeitsunfähigkeit, da bei adäquater Behandlung eine relative Heilung zu erreichen sei. Ohne Zweifel sei die qualitative Leistungsfähigkeit des Klägers reduziert, die quantitative sei jedoch auch bei Wertung einer ersten Rezidivbildung des entzündlichen Darmleidens zehn Jahre nach der Erstmanifestation erhalten. Nach den sozialmedizinischen Feststellungen sei der Kläger in der Lage, ganztägig körperlich leichte, zeitweise auch mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten (ohne mechanische Hilfsmittel), ohne häufiges Bücken, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, nicht überwiegend im Freien und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft und Nässe zu verrichten. Da er nach seinem beruflichen Werdegang der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter im unteren Bereich zuzuordnen und somit auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei, mit Ausnahme solcher, die nur einen geringen qualitativen Wert hätten, sei die konkrete Benennung zumutbarer Tätigkeiten entbehrlich. Die sozialmedizinische Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers werde auch nach Durchführung der Operation im November 2000 aufrechterhalten, weil nach adäquater Rekonvaleszenzzeit, welche als Zeit der Arbeitsunfähigkeit zu werten sei, zweifellos wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen bestehe.

Zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht hat der Senat Befundberichte bei den den Kläger behandelnden Ärzten eingeholt.

Herr Dr. D ..., Facharzt für Innere Medizin, hat im Befundbericht vom 16. April 2000 mitgeteilt, der Kläger habe sich am 21. August 1998 zum letzten Mal bei ihm vorgestellt.

Frau Diplom-Medizinerin S ..., Ärztin für Augenheilkunde, hat im Befundbericht vom 24. April 2000 eine Tränengangsstenose, eine Bindehautentzündung und eine Lidrandentzündung diagnostiziert. Mit diesen Beschwerden komme eine Büroarbeit nur dann in Betracht, wenn die Zeit der dabei zu verrichtenden Computertätigkeit keinesfalls acht Stunden überschreite.

Frau Dr. S ..., Fachärztin für Neurologie, hat im Befundbericht vom 22. Januar 2001 eine Polyneuropathie ungeklärter Genese festgestellt. Der Kläger habe sich lediglich am 19. Dezember 2000 zur ambulanten Betreuung bei ihr vorgestellt.

Ferner hat der Senat den Entlassungsbericht des Krankenhauses Lichtenstein vom 6. Juni 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 19. Mai 2000 bis 27. Mai 2000 beigezogen. Darin haben Herr Dr. R ..., Chefarzt der Inneren Abteilung, Frau Oberärztin F ... und Herr A ... im Praktikum S ... einen Verdacht auf Rezidiv bei bekanntem Morbus Crohn, eine gering- bis mittelgradige Aortenklappeninsuffizienz und eine bekannte Sulfasalazinallergie diagnostiziert. Zum Zeitpunkt der Aufnahme sei der Kläger bewusstseinsklar gewesen. Hinsichtlich der ersten Diagnose bestehe seit 1990 weitgehend Beschwerdefreiheit. Das Aufnahmegewicht des Klägers habe 64,5 Kilogramm betragen. Es finde sich nirgends ein Nachweis von entzündlichen Veränderungen. Der bei Aufnahme beschriebene leichte Druckschmerz im rechten Unterbauch habe während des gesamten stationären Aufenthaltes nicht mehr bestanden.

Außerdem hat der Senat den Entlassungsbericht des Krankenhauses Lichtenstein vom 5. September 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 12. Juli 2000 bis 5. August 2000 eingesehen. Die behandelnden Ärzte haben ein akutes Rezidiv eines bekannten Morbus Crohn (bevorzugt Dünndarm) mit Fistelbildung und abgekapseltem Abszess im rechten Unterbauch diagnostiziert. Als zusätzliche Diagnose findet sich hier eine diffuse Osteoporose. Das Körpergewicht des Klägers habe bei der Aufnahme 59,4 Kilogramm betragen. Auch zum Entlassungszeitpunkt sei laborchemisch ein leichter Anstieg der Entzündungsparameter zu verzeichnen gewesen. Trotz Hinweises auf die Schwere der Erkrankung habe der Patient während des gesamten stationären Aufenthaltes auf Entlassung gedrängt, so dass er am 5. August 2000 gegen Revers nach Hause geschickt worden sei. Er sei aufgeklärt worden, sich bei Fieber oder Schmerzen sofort wieder vorzustellen.

Schließlich hat der Senat den Entlassungsbericht der ...kliniken ... C ... vom 6. Dezember 2000 über den stationären Aufenthalt des Klägers vom 24. November 2000 bis 7. Dezember 2000 angefordert. Herr Dr. W ..., Facharzt für Chirurgie/Visceralchirurgie, Chefarzt, Herr Dr. F ..., Facharzt für Chirurgie, Oberarzt, und Herr H ..., Assistenzarzt, haben darin ein lokoregionäres Rezidiv eines Morbus Crohn bei Zustand nach Ileoascendestomie und eine blind endende retroperitoneale Fistelung diagnostiziert. Am 27. November 2000 sei eine operative Therapie dieses Befundes erfolgt. Der postoperative Verlauf habe sich unauffällig gestaltet, so dass der Kläger nach problemlos toleriertem Kostaufbau mobilisiert und mit reizlosen Wundverhältnissen in die ambulante Nachbehandlung habe entlassen werden können. Ausweislich der pathologisch-anatomischen Begutachtung habe sich kein Anhalt für Malignität ergeben.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Insoweit kann bis zum Zeitpunkt der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Absatz 2 SGG abgesehen und in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts Chemnitz verwiesen werden.

Ergänzend ist anzumerken, dass der Kläger jedenfalls zumutbar auf die von ihm erlernte Tätigkeit eines Wirtschaftskaufmannes verwiesen werden kann, sofern man ihm Berufsschutz als Marktleiter zubilligt. Denn auch nach Erlass der Entscheidung des Sozialgerichts Chemnitz besteht beim Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, wenn bestimmte Einschränkungen, die bei einer kaufmännischen Tätigkeit keine Rolle spielen, beachtet werden. Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich sind durch körperlich leichte Arbeit in geschlossenen Räumen, überwiegend sitzend, gekennzeichnet. Arbeit unter Zeitdruck fällt nur in Stoßzeiten an. Vorausgesetzt werden unter anderem psychische Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit (vgl. Berufs-Informations-Karte "Groß- und Einzelhandelskaufleute, Einkäufer/Einkäuferinnen" BO 681).

Zunächst ergibt sich aus den Krankenhausentlassungsberichten, dass der Kläger einen Gewichtsverlust von ca. fünf Kilogramm erlitten hat (Abnahme von 64,5 Kilogramm auf 59,4 Kilogramm). Die Ursache hierfür liegt in dem akuten Rezidiv des Morbus Crohn. Da jedoch die Operation in den ...kliniken ... C ... positiv verlaufen ist, besteht insoweit kein Anhaltspunkt für das Vorliegen von verminderter Erwerbsfähigkeit. Wie die Beklagte zu Recht vorträgt, ist insoweit vielmehr von einer Zeit der (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit auszugehen.

Das vom Kläger geltend gemachte Augenleiden ist ausweislich des Befundberichts von Frau Diplom-Medizinerin S ... sozialmedizinisch nicht von Bedeutung, weil es lediglich einer mehr als achtstündigen täglichen Computerarbeit entgegensteht.

Die von Frau Dr. S ... erwähnte Polyneuropathie ungeklärter Genese führt ebenso wenig zu einer quantitativen Leistungseinschränkung. Denn dabei handelt es sich lediglich um eine Verdachtsdiagnose, da Frau Dr. S ... ausgeführt hat, bei der einmaligen Untersuchung habe sie sich auf die "Fragestellung einer möglichen Polyneuropathie" konzentriert.

Selbst wenn der Kläger mehrmals täglich (nach seinen Angaben sieben bis zehn Mal) eine Toilette aufsuchen muss, steht dies einer vollschichtigen Beschäftigung nicht entgegen, weil er hierfür zum einen die üblichen Arbeitspausen nutzen kann und zum anderen - insbesondere bei einer Beschäftigung als Wirtschaftskaufmann - die individuelle Zeitgestaltung so einzurichten vermag, dass ein Gang zur Toilette problemlos zu jeder Zeit möglich ist (zur Problematik der persönlichen Verteilzeit s. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. Juli 2000, Az. L 3 RJ 53/98, in: Nachrichten der LVA Hessen 2001, S. 128 ff.).

Auch dass der Kläger nur noch Tätigkeiten ohne besonderen Zeitdruck ausführen kann, steht einer Beschäftigung als Wirtschaftskaufmann nicht entgegen. Vielmehr ermöglicht es ihm die relativ selbstständige Zeiteinteilung in einer kaufmännischen dürfte bei einer derartigen Beschäftigung weniger Stress anfallen als bei einer Tätigkeit als Telefonist, für die ausweislich des Gutachtens von Herrn Dr. H ... ein vollschichtiges Leistungsvermögen beim Kläger besteht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger sich selbst als geistig "topfit" einstuft, was mit den Ausführungen zur Konzentrationsfähigkeit und zur geistigen Beweglichkeit unter anderem von Herrn Dr. H ... übereinstimmt.

Dieses Ergebnis steht ferner im Einklang mit dem Arbeitsamtsgutachten vom 20. Mai 1997, wonach sich der Gesundheitzustand des Klägers auch in psychischer Hinsicht gebessert hat. Ausweislich des psychologischen Gutachtens vom 5. Juli 1994 verfügt der Kläger darüber hinaus über eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit. Frau Dr. D ... hat ebenfalls mitgeteilt, Konzentration und Aufmerksamkeit seien altersentsprechend normgerecht. Herr Prof. Dr. med. habil. L ... schließlich hat gleichfalls eine durchschnittliche formal-intellektuelle Ausstattung des Klägers bestätigt. Ausdrücklich hat er für ein vollschichtiges Leistungsvermögen als Fachverkäufer oder Wirtschaftskaufmann votiert. Die beim Kläger bestehende psychische Störung besitzt nach seinen überzeugenden Ausführungen keinen Krankheitswert: Vielmehr ist der Kläger auf Grund seiner formal-intellektuell guten Ausstattung dazu in der Lage, den Anforderungen an eine solche Beschäftigung nachzukommen und sogar forderbar; insbesondere war er jederzeit bewusstseinsklar und voll orientiert, Denk- und Wahrnehmungsstörungen lagen gerade nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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