L 5 RJ 293/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 9 RJ 1444/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 293/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Invalidität.

Der am ... geborene Kläger war nach einer abgebrochenen Maurerlehre von April 1964 bis Oktober 1968 als Speditionsarbeiter - unterbrochen durch Inhaftierung wegen versuchter Republikflucht in der Zeit von Februar 1967 bis September 1967 - beschäftigt. Danach arbeitete er als Isolierer und Betonarbeiter, bevor er den Beruf eines Malers erlernte und im April 1974 den entsprechenden Facharbeiterabschluss erwarb. Anschließend war er bis Juli 1975 in dem erlernten Beruf beschäftigt. Von Juli 1975 bis zur Betriebsschließung im Oktober 1993 arbeitete der Kläger als Schädlingsbekämpfer; am 23. Oktober 1975 bestand er die Giftprüfung in den Abteilungen 1, 2 und 3. Seit November 1993 ist er arbeitslos.

Am 20. Februar 1996 beantragte der Kläger wegen asthmatischer Bronchitis, Atemwegserkrankung, Schuppenflechte, Gelenkerkrankung sowie Wirbelsäulen- und Nervenproblemen die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Invalidität.

Im Verwaltungsverfahren lagen der Beklagten neben medizinischen Unterlagen der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege und des Amtes für Familie und Soziales C ... - Versorgungsamt - vor: - ein ärztliches Gutachten des Arbeitsamtes C ... vom 06. Dezember 1993, - ein Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K ... vom 07. Oktober 1996, - Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 29. Mai 1996, vom 10. Juli 1996 und vom 27. November 1996, - ein Gutachten der Gutachterärztin Dr. D ... vom 29. Januar 1997, in dem dem Kläger bei einer chronisch-obstruktiven Bronchitis, einem pseudoradikulären Cervikobrachialsyndrom, einer ausgedehnten Psoriasis vulgaris, funktionellen Oberbauchbeschwerden, einem medikamentös gut eingestellten Glaukom, einer diätetisch geführten grenzgestörten Glukosetoleranz sowie einer Adipositas ein unter zweistündiges Leistungsvermögen als Schädlingsbekämpfer sowie ein halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne Nachtschicht, ohne besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, ohne Überkopfarbeit, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, inhalative Reizstoffe, Nässe und Lärm bescheinigt wurde. Der Ärztliche Prüfdienst der Beklagten (Dr. Sch ...) schloss sich in einer Stellungnahme vom 04. Februar 1997 hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen dem Gutachten von Dr. D ... an; in quantitativer Hinsicht hielt er jedoch nach Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme einen vollschichtigen Einsatz für möglich.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1997 lehnte die Beklagte unter Verweis auf ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Invalidität ab.

Den dagegen eingelegten Widerspruch vom 13. März 1997 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. Dezember 1997 zurück. Mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne der Kläger nach den sozialmedizinischen Feststellungen zwar nicht mehr in dem zuletzt ausgeübten Beruf als Schädlingsbekämpfer, der der Berufsgruppe der angelernten Arbeiter zuzuordnen sei, tätig sein, jedoch ganztägig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, ohne überwiegend einseitige Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne Überkopfarbeit, ohne Wirbelsäulenzwangsstellungen und ohne Gefährdung durch Kälte, Zugluft, inhalative Reizstoffe, starke Temperaturunterschiede, Nässe und Hautreizstoffe verrichten.

Auf die am 30. Dezember 1997 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz (SG) Befundberichte der Orthopädin Dr. S ... vom 20. Juli 1998, des Internisten Dr. B ... vom 18. Juli 1998, des Neurologen/Psychiaters Dr. H ... vom 23. Juli 1998, des Allergologen Dr. B ... vom 23. Juli 1998, der Allgemeinmedizinerin Dr. V ... vom 21. Juli 1998 und des Neurologen/Psychiaters Dr. H ... vom 01. Januar 1999 eingeholt sowie ärztliche Gutachten des Arbeitsamts C ... vom 06. Dezember 1993 und vom 28. Mai 1997 beigezogen. Ferner hat das SG den Facharzt für Neurologie/Psychiatrie Dr. G ... mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dr. G ... hat in seinem nach ambulanter Untersuchung am 01. April 1999 erstatteten Gutachten vom 05. April 1999 folgende Diagnosen gestellt: - Somatisierungsstörung auf der Grundlage einer neurotischen Entwicklung bei selbstunsicherer, asthenischer Persönlichkeit, - chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung, - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen, - Diabetes mellitus Typ II mit diskreten sensiblen Störungen (Verdacht auf diabetische Polyneuropathie), - Schuppenflechte, - Glaukom. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht könne der Kläger mit einer zumutbaren Willensanstrengung körperlich leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an geistige und psychische Belastbarkeit, ohne Zeitdruck/Stress/Schichtarbeit vollschichtig ausüben. Eine Tätigkeit als Pförtner wäre dem Kläger vollschichtig zumutbar. Wegen der Atemwegserkrankung sei eine Arbeit als Schädlingsbekämpfer nicht mehr möglich. Hinsichtlich des Fußweges und der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien keinerlei Einschränkungen begründbar.

Mit Urteil vom 28. September 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme könne der Kläger seinen bisherigen Beruf als Schädlingsbekämpfer infolge der Atemwegserkrankung nicht mehr verrichten. Nach den überzeugenden Ausführungen in dem Gutachten von Dr. G ... könne er aber körperlich leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit, ohne Zeitdruck/Stress/Schichtarbeit - etwa als Pförtner - vollschichtig ausüben. Eine andere Leistungsbeurteilung ergäbe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Befundberichte der behandelnden Ärzte. Da die Tätigkeit eines Schädlingsbekämpfers kein anerkannter Ausbildungsberuf sei, sondern nach Ablegung einer Giftprüfung verrichtet werden könne, sei der Kläger in den unteren Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter einzustufen und daher auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Der Kläger macht mit seiner am 04. November 1999 eingelegten Berufung geltend, er könne die Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. G ... nicht akzeptieren, dass er körperlich leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an geistige und psychische Belastbarkeit, ohne Zeitdruck (Stress/Schichtarbeit) mit einer zumutbaren Willensanstrengung noch vollschichtig ausüben könne. Dies stünde im Widerspruch zu den Ergebnissen der psychologischen Testdiagnostik. Auch sei die Zeit der politischen Verfolgung nicht ausreichend bedacht worden. Es bestünden Bedenken, ob er nach den psychologischen Testergebnissen die Verweisungstätigkeit eines Pförtners überhaupt bewältigen könne, auch wenn der gerichtliche Sachverständige dies in seinem Gutachten bejahe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. September 1999 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung ihres Bescheids vom 13. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. Dezember 1997 Rente ab Antragstellung wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, zwar sei der Kläger durch Rehabilitierungsbescheinigung vom 26. Februar 1996 entsprechend den Vorschriften des beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) rehabilitiert worden; er könne jedoch nicht verlangen, auf der Grundlage der Rehabilitierungsbescheinigung als Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas angesehen zu werden. Ein derartiger Nachteilsausgleich sei im BerRehaG nicht vorgesehen. Allein auf der Grundlage der Rehabilitierungsbescheinigung sei eine andere als die bisher vorgenommene Zuordnung innerhalb des Mehrstufenschemas nicht möglich. Weiter zu beachten sei, dass die anerkannte Verfolgungszeit am 02. Oktober 1990 ende, der Kläger aber darüber hinaus noch bis zum 31. Oktober 1993 als Schädlingsbekämpfer tätig gewesen sei.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen und verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da er weder berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (alte Fassung - a. F.) noch erwerbsunfähig im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. und auch nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung (neue Fassung - n. F.) ist; der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Invalidität, da er nicht invalide im Sinne von Artikel 2 § 7 Abs. 3 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) ist. Die Anwendung von Artikel 2 § 7 RÜG und der §§ 43, 44 SGB VI a. F. resultieren aus der Rentenantragstellung im Februar 1996 (Artikel 2 § 1 Abs. 1 RÜG, § 300 Abs. 2 SGB VI).

Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die (Rest-) Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG, SozR 2200 1246 Nr. 107, 169). In der Regel ist dies die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG, SozR 2200 § 1246 Nr. 130, 164; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55, 61).

Zutreffend hat das SG als bisherigen Beruf des Klägers dessen letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Schädlingsbekämpfer zugrunde gelegt. Denn diese Tätigkeit hat der Kläger von Juli 1975 bis Oktober 1993 bewusst und gewollt zur dauerhaften Einkommenserzielung ausgeübt.

Die als bisheriger Beruf zugrundezulegende Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer kann der Kläger infolge seiner Atemwegserkrankung nicht mehr vollwertig verrichten. Hiervon geht auch die Beklagte aus.

Dass der Kläger nicht mehr vollwertig in seinem bisherigen Beruf als Schädlingsbekämpfer arbeiten kann, bedeutet jedoch noch nicht, dass er berufsunfähig ist. Berufsunfähig ist ein Versicherter vielmehr erst dann, wenn es nicht zumindest eine andere berufliche Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar und für ihn sowohl gesundheitlich als auch fachlich geeignet ist.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat das BSG in seiner Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung gebildet worden, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 61,55). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehr-Stufen-Schema erfolgt allerdings nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 27, 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 5, 61).

Gemessen an diesen Kriterien hat das SG den bisherigen Beruf des Klägers zutreffend dem unteren Bereich der dritten Gruppe im Mehrstufenschema des BSG mit dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zugeordnet.

Die Tätigkeit eines Schädlingsbekämpfers ist kein anerkannter Ausbildungsberuf - und zwar weder nach dem bundesdeutschen Recht noch nach dem Recht der ehemaligen DDR. Vielmehr konnte der Kläger diese Tätigkeit nach Ablegung einer Giftprüfung verrichten, die er nach dem von ihm im Verwaltungsverfahren vorgelegten Zeugnis Ende Oktober 1975 und damit drei Monate nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer bestanden hatte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rehabilitierungsbescheinigung vom 26. Februar 1996. Zwar ist der Kläger in dieser Bescheinigung für die Zeit seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer bis zum 02. Oktober 1990 der Qualifikationsgruppe 4 im Sinne der Anlage 13 zum SGB VI, mithin den Facharbeitern, zugeordnet worden. Und nach § 22 Abs. 3 BerRehaG sind die für die Ausführung des Zweiten bis Vierten Abschnitts des BerRehaG zuständigen Behörden, zu denen u. a. die Rentenversicherungsträger zählen, an die in der Rehabilitierungsbescheinigung enthaltenen Feststellungen gebunden. Jedoch gilt dies nur, soweit diese Behörden in Ausführung des BerRehaG tätig werden und eine in diesem Gesetz vorgesehene Leistung erbringen. Zum Ausgleich von Nachteilen in der Rentenversicherung sieht der Vierte Abschnitt des BerRehaG nur die Berücksichtigung und (verbesserte) Bewertung von Verfolgungszeiten als rentenrechtliche Zeiten vor. Nur zu diesem Zwecke sind Verfolgte nach Maßgabe des § 22 Abs. 1 Nr. 6 b BerRehaG einer Qualifikationsgruppe nach Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen. Eine darüber hinausgehende Bindungswirkung kommt den Rehabilitierungsbescheinigungen nicht zu. Insbesondere ergibt sich aus ihnen nichts für die Einordnung eines bestimmten Berufes in das für die Berufsunfähigkeitsrenten entwickelte Mehrstufenschema - zumal für die Qualifikationsgruppen nach Anlage 13 zum SGB VI keineswegs dieselben Voraussetzungen gelten wie für die Berufsgruppen des Mehrstufenschemas des BSG.

Angehörige der Gruppe der angelernten Arbeiter können grundsätzlich pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, wenn sie nach den medizinischen Feststellungen noch in der Lage sind, körperlich leichte Arbeiten vollschichtig auszuüben (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist bei ihnen angesichts der Vielzahl der auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten körperlich leichter Art entbehrlich. Anders verhält es sich jedoch bei dem oberen Bereich der angelernten Arbeiter. Dabei handelt es sich um Versicherte, deren bisheriger Beruf berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die ohne einschlägige Vorkenntnisse erst durch eine betriebliche Anlernzeit von mehr als 12 Monaten erworben werden können. Diese Versicherten können nicht schlechthin auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Vielmehr ist in diesen Fällen eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Soweit dabei ungelernte Tätigkeiten in Betracht gezogen werden, dürfen diese nicht von nur ganz geringem qualitativem Wert sein, sondern müssen sich durch Qualitätsmerkmale, wie z. B. das Erfordernis einer nicht ganz geringfügigen Einweisung oder Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (vgl. BSG, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Da die Tätigkeit eines Schädlingsbekämpfers kein anerkannter Ausbildungsberuf ist, sondern nach Ablegung einer Giftprüfung verrichtet werden kann, die der Kläger bereits drei Monate nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Schädlingsbekämpfer bestanden hatte, kommt eine Zuordnung zu dem oberen Bereich der Gruppe der angelernten Arbeiter nicht in Betracht, sondern lediglich eine Zuordnung zum unteren Bereich dieser Gruppe.

Für eine Tätigkeit als Pförtner sowie für körperlich leichte Arbeiten unter Beachtung von Funktionseinschränkungen besteht ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Insoweit schließt sich der Senat nach Überprüfung den Feststellungen des erstinstanzlichen Gerichts an und nimmt darauf Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Eine weitere Gesundheitsverschlechterung konnte im Berufungsverfahren nicht festgestellt werden und wurde auch nicht vorgetragen. Den von Klägerseite behaupteten Widerspruch zwischen der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G ... in dessen Gutachten vom 05. April 1999, dass der Kläger mit einer zumutbaren Willensanstrengung körperlich leichte Arbeiten ohne hohe Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit, ohne Zeitdruck/Stress/Schichtarbeit vollschichtig verrichten kann, und den in diesem Gutachten mitgeteilten Ergebnissen der psychologischen Testdiagnostik liegt nicht vor. Denn mit den Ergebnissen der testpsychologischen Diagnostik lässt sich die neurotische Genese der Beschwerdesymptomatik des Klägers darstellen. Aus der psychosomatischen Funktionsstörung, unter der der Kläger leidet, lassen sich qualitative, nicht jedoch quantitative Leistungseinschränkungen ableiten. Unstimmigkeiten bestehen auch nicht insoweit, als Dr. G ... den Kläger für vollschichtig einsetzbar als Pförtner gehalten hat. Nach dem von Dr. G ... erhobenen psychischen Befund ist der Kläger bewusstseinsklar, voll orientiert, kontaktfähig, auskunftsbereit und kooperativ; die Stimmung ist ausgeglichen, nicht depressiv, die affektive Schwingungs- und Resonanzfähigkeit regelrecht; das Verhalten ist situationsadäquat, der Antrieb regelrecht; es besteht kein Anhalt für formale Denkstörungen oder Wahrnehmungsstörungen, jedoch eine Beschwerdefixierung und Zukunftsangst; die geistig-konzentrative Belastbarkeit, Auffassungsgabe sowie rasche geistige Umstellungsfähigkeit/Wendigkeit und mnestische Funktionen sind ungestört. Im Ergebnis der psychologischen Testdiagnostik haben sich ein hoher Neurosewert sowie hochpathologische Werte für Hypochondrie, Depressivität und Hysterie ergeben. Dass der Kläger, wie sich im Ergebnis der Untersuchung durch Dr. G ... gezeigt hat, eine selbstunsichere, asthenische Persönlichkeit aufweist, lässt nicht den Schluss zu, dass er als Pförtner ungeeignet wäre. Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass die politische Verfolgung, der der Kläger zu DDR-Zeiten ausgesetzt war, in dem Gutachten von Dr. G ... nicht ausreichend beachtet worden ist. Dr. G ... hat in seinem Gutachten hierzu ausdrücklich Stellung genommen, dabei allerdings einen Zusammenhang zwischen dem mit 17 Jahren erlittenen Unrecht und der jetzigen Beschwerdesymptomatik für nicht nachvollziehbar gehalten. Einen Zusammenhang mit emotionalen Konflikten und psychosozialen Problemen - insbesondere der Langzeitarbeitslosigkeit - liegt jedoch seines Erachtens vor. Wenn der Kläger vortragen lässt, er habe große Hoffnungen in die politische Wende gesetzt, jedoch sehr bald feststellen müssen, dass er nicht mehr über die nötige Ausdauer und Energien verfüge - insbesondere als er lange nach der Wende habe feststellen müssen, dass er sich in der DDR den falschen Leuten anvertraut habe, womit die Verfolgung für ihn wieder gegenwärtig geworden sei -, so wird gerade auch von Klägerseite nicht allein auf das mit 17 Jahren erlittene Unrecht, sondern gerade auf die emotionalen Konflikte und psychosozialen Probleme der letzten Jahre abgestellt, zu denen auch seine Arbeitslosigkeit gehört, die von Dr. G ... keineswegs als alleinige Ursache des Leistungsdefizits des Klägers bezeichnet worden ist.

Mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Pförtner ist der Kläger, bei dem keine Leistungseinschränkungen vorliegen, die es ihm trotz vollschichtiger Einsatzfähigkeit für zumindest körperlich leichte Arbeiten unmöglich machten, eine geeignete Erwerbstätigkeit aufzunehmen (vgl. zu diesen Fällen BSG, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8), nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. Aufgrund seines vollschichtigen Leistungsvermögens für zumindest körperlich leichte Arbeiten ohne Vorliegen von Leistungseinschränkungen, aufgrund derer dem Kläger im vorgenannten Sinne der Arbeitsmarkt verschlossen wäre, liegen bei ihm auch - und erst recht - die erheblich strengeren Voraussetzungen von Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 2 SGB VI a. F. nicht vor. Da der Kläger auch über den 31. Dezember 2000 hinaus vollschichtig, d. h. acht Stunden täglich, einsatzfähig für zumindest körperlich leichte Arbeiten ist, sind bei ihm auch die Voraussetzungen voller oder teilweiser Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI n. F. nicht erfüllt. Ferner liegt bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen für zumindest körperlich leichte Arbeiten auch nicht Invalidität im Sinne von Artikel 2 § 7 Abs. 3 RÜG vor, da bei einem derartigen Leistungsvermögen eine Leistungsminderung um 2/3 (vgl. Artikel 2 § 7 Abs. 3 Nr. 1 a RÜG) nicht gegeben ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen für ihre Zulassung nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved