L 2 U 164/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 4 U 266/98
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 164/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. für die Zeit vom 01.11.1997 bis 31.05.1999.

Der 1962 geborene Kläger, ein Werkzeugmacher, erlitt am 13.12.1995 einen Unfall, bei dem die Finger seiner linken Hand in einem Maschinenschraubstock eingequetscht wurden, als ein Stahlblock beim Anheben aus dem Schraubstock aus seiner Halterung rutschte (Bl. 1 BG). In dem von Dr. R ..., damals Chefarzt der Traumatologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses R ..., am 18.12.1995 erstellten Durchgangsarztbericht wurde eine schwere Quetschverletzung der Langfinger der linken Hand auf der Beugeseite in Höhe Mittelglied mit Durchtrennung der tiefen Beugesehnen II - V und der oberflächlichen Beugesehnen III - V sowie der volaren Gefäßnervenbündel festgehalten (Bl. 4 BG). Die Langfinger konnten aktiv nicht gebeugt werden. Es bestanden auf der Beugeseite dieser Finger Par- und Hypästhesien (Bl. 4, 5 und 6 BG).

Nach der operativen Versorgung befand sich der Kläger vom 16.01.1996 bis zum 13.02.1996 zum Zwecke der medizinischen Rehabilitation in der V ...-Klinik in B ... E ... Laut Abschlussbericht vom 20.02.1996 war der Faustschluss der linken Hand noch nicht komplett möglich. Der 2. Finger blieb 0,5 cm, der 3. und 4. Finger blieben 1 cm und der 5. Finger 3 cm von der Hohlhand entfernt. Die grobe Kraft der linken Hand konnte von 0 auf 12 kp gesteigert werden (zum Vergleich: rechte Hand 42 kp). Die Opposition des Daumens war möglich. Wegen der Einzelheiten der Beweglichkeitsmessung wird auf Blatt 43 der Beklagtenakte verwiesen (dort ist irrtümlich von der rechten statt von der linken Hand die Rede). Das von der Beklagten bei Dr. R ... in Auftrag gegebene Gutachten erhob folgenden Befund (Blatt 60 der Beklagtenakte): Die linke Hand wies gegenüber rechts eine mäßig reduzierte, grobe Kraft auf. Beim Faustschluss bestand für die Langfinger ein Fingerspitzen-Hohlhand-Abstand von 1,5 cm. Am 2. und 3. Finger fanden sich zur Beugeseite hin noch Par- und Hypästhesien. Die Fein- und Spitzgriffe waren möglich, aber leicht erschwert. Wegen der Einzelheiten der Beweglichkeitsmessung wird auf Blatt 62 der Beklagtenakte verwiesen. Dr. R ... schlug vor, den Körperschaden mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.1996 dem Kläger eine vorläufige Rente nach einer MdE um 20 v. H. (Bl. 70 BG). Als Verletzungsfolgen wurden anerkannt:

- unvollständiger Faustschluss (der Finger 2 - 5) - erschwerter Fein- sowie Spitzgriff - Sensibilitätsstörung an der Innenseite der Finger 2 und 3 - Minderung der groben Kraft.

Die Beklagte gab bei Dr. R ... am 14.08.1997 ein erneutes Gutachten in Auftrag. Dieser kam aufgrund der Untersuchung des Klägers am 08.09.1997 zu der Einschätzung, dass die MdE nur noch 15 v. H. betrage und der Endzustand erreicht sei. Dem lag folgender von Dr. R ... erhobener Befund zugrunde (Blatt 86 der Beklagtenakte): Die grobe Kraft war in der linken Hand gegenüber rechts mäßig reduziert. Ein vollständiger Faustschluss war nicht möglich (Fingerspitzen-/Hohlhand-Abstand der Finger 2 - 5: 1 cm). Es bestand eine Hyposensibilität am 2. bis 4. Finger. Die Fingerbeweglichkeit wurde als wieder gut beschrieben. Wegen der Einzelheiten der Beweglichkeitsmessung wird auf Blatt 88 der Beklagtenakte verwiesen.

Mit Schreiben vom 02.10.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige die Rente zu entziehen, weil die MdE nur noch 15 v. H. betrage, und gab dem Kläger Gelegenheit sich zu äußern. Ausweislich der Akte wurden die beiden von Dr. R ... erstellten Gutachten nicht mit übersandt. Im Rahmen der Anhörung wies der Kläger darauf hin, aufgrund der schlechten Durchblutung seiner linken Hand komme es unter Belastung wiederholt zu Krämpfen, so dass er Gegenstände plötzlich nicht mehr halten könne. Insoweit habe sich seine Situation gegenüber der früheren Begutachtung eher noch verschlechtert. Der Verlust der Sensibilität in seinen Fingern sei bei Präzisionsarbeiten äußerst hinderlich (Bl. 93 BG). Mit Bescheid vom 27.10.1997 entzog die Beklagte die vorläufige Rente mit Wirkung ab 01.11.1997 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit anstelle der vorläufigen Rente ab. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass Dr. R ... als Unfallfolgen nur noch habe feststellen können: - gering eingeschränkter Faustschluss der Finger 2 - 5 - Sensibilitätsstörungen am 2. - 4. Finger - Mäßige Minderung der groben Kraft.

Hierdurch werde die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht mehr in rentenberechtigendem Grade gemindert. Aufgrund des vom Kläger dagegen eingelegten Widerspruchs (Bl. 104 BG) holte die Beklagte bei der Oberärztin Dr. Sch ..., Fachärztin für Chirurgie und Traumatologie, ein weiteres Gutachten ein. Als objektiver Befund (Blatt 116 der Beklagtenakte) wurde eine Umfangsdifferenz aller Langfinger der linken Hand festgestellt, die infolge Minderdurchblutung leicht bläulich verfärbt waren. Die Finger 2 und 3 wiesen zur Beugeseite hin stärkere Missempfindungen auf als die Finger 4 und 5. Hier bestehe eher eine Minderung des Gefühls. Keiner der Finger erreichte die Hohlhandfurche. Der Abstand habe sich leicht verschlechtert, vorausgesetzt, Dr. R ... habe keine andere Messtechnik verwandt. Der Daumen erreichte die Fingerkuppen aller anderen Finger, auch wenn dies bei den Fingern 4 und 5 etwas erschwert war. Die Handspanne war nur geringfügig verkürzt. Der Befund wurde als Endzustand angesehen und mit einer MdE unter 20 v. H. bewertet. Wegen der Einzelheiten der Beweglichkeitsmessung wird auf Blatt 118 der Beklagtenakte verwiesen. Mit Bescheid vom 04.08.1998 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, auch Dr. Sch ... sei zu dem Ergebnis gekommen, die MdE erreiche keinen rentenberechtigenden Grad.

Der Kläger hat dagegen das Sozialgericht Chemnitz (SG) angerufen und geltend gemacht, die Gutachterin habe gegenüber dem ersten Gutachten von Dr. R ... keine Verbesserung, sondern eher eine Verschlechterung festgestellt. Es sei daher überraschend, dass sie die MdE mit unter 20 v. H. einschätze. Das SG hat durch Beweisanordnung vom 25.03.1999 Prof. Dr. K ..., Leiter der chirurgischen Poliklinik der Technischen Universität D ..., zum Sachverständigen ernannt, der den Kläger am 10.05.1999 sehr ausführlich untersucht hat und in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verletzungsfolgen beim Kläger zu beschreiben sind mit:

- Starke Herabsetzung der groben Kraft aller Finger der linken Hand, - Störung des Fein- und Spitzgriffes der linken Hand, - Einschränkung des Hakengriffes und des Grobgriffes der lin ken Hand, - Faustschluss der linken Hand nicht durchführbar, - endgradige Bewegungseinschränkung des linken Handgelenkes.

Der Sachverständige hat die seit dem 21.04.1996 bestehende MdE mit 20 v. H. bewertet. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 65 bis 75 der SG-Akte verwiesen. Daraufhin hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.09.1999 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. ab dem 01.06.1999 bewilligt und die oben aufgeführten Verletzungsfolgen anerkannt.

Mit Urteil vom 22.09.1999 hat das SG unter Aufhebung des Bescheides vom 27.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.1998 den Bescheid vom 15.09.1999 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01.11.1997 eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. als Rente auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei nur deswegen zulässig, weil während des SG-Verfahrens ein weiterer Bescheid ergangen sei, ansonsten wäre richtige Klageart die isolierte Anfechtungsklage gewesen. Die Klagen seien begründet, weil die Verletzungsfolgen des Klägers mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten seien. Rechtsgrundlage seien noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), weil es sich nicht um die erstmalige Bewilligung einer Rente gehandelt habe (§ 214 Abs. 3 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ). Rechtswidrig sei der Bescheid vom 27.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides - zwar nicht formell aber materiell - und der Bescheid vom 15.09.1999 insoweit, als er den Rentenbeginn erst auf den 01.06.1999 lege. Unter ausführlichem Wiedergeben der von Prof. Dr. K ... im Einzelnen festgestellten Verletzungsfolgen gelangt das SG zu dem Ergebnis, dass der MdE-Einschätzung durch Prof. Dr. K ... zu folgen sei, weil die im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten nicht den Anforderungen entsprächen, die an ein handchirurgisches Gutachten zu stellen seien und eine Gesamtschau der dort erhobenen Befunde es rechtfertige, die Verletzungsfolgen mit einer MdE um 20 v. H. zu bewerten. Abgesehen von der zusätzlich von Prof. Dr. K ... festgestellten größeren Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit deckten sich die von ihm erhobenen Befunde mit den von Dr. Sch ... erhobenen Befunden.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dem SG müsse insoweit widersprochen werden, als es ausführte, auch Dr. Sch ... habe gutachterliche Standards verletzt. Denn selbst Prof. Dr. K ... habe attestiert, dass das Gutachten von Dr. Sch ... korrekt und aussagekräftig erarbeitet worden sei. Das SG habe auch nicht ihre Kritik beachtet, die sie schon in ihrem Schriftsatz vom 22.07.1999 geäußert habe. So hänge die Kraftmessung sehr von der Mitarbeit des Klägers ab. Auch die von Prof. Dr. K ... erhobene Beanstandung, es sei bislang die Messung der Bewegungswinkel der Daumengelenke unterblieben, sei nicht relevant, weil die Gutachter ohnehin festgestellt hätten, dass das Daumenendglied die Fingerkuppen der übrigen Langfinger zu berühren vermocht habe. Prof. Dr. K ..., der das Gutachten von Dr. Sch ... als korrekt bezeichnet habe, sei irrtümlich davon ausgegangen, dass Dr. Sch ... eine MdE um 20 v. H. bejaht habe. Entscheidend sei aber, dass es sehr wohl zu einer Verschlimmerung gekommen sei, weil sich die Langfingerbeuge- und Streckdefizite verschlechtert hätten. Auch seien erst durch Prof. Dr. K ... endgradige Bewegungseinschränkungen des Handgelenkes sowie des Daumengrund- und Endgelenkes "minimaleren Ausmaßes" festgestellt worden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 22.09.1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Das Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. K ... beruhe nicht auf neuen medizinischen Befunden, die eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers belegten, sondern auf einer fachlich korrekten Einschätzung der schon immer bestehenden Unfallfolgen. Hätten die beiden Vorgutachter ihre Einschätzung ebenfalls auf dieser Grundlage vorgenommen, wären sie ebenfalls zu der Überzeugung gelangt, dass die MdE 20 v. H. betrage.

Dem Senat liegen neben den Prozessakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Zutreffend hat das SG dem Rentenbegehren des Klägers für die Zeit vom 01.11.1997 bis 31.05.1999 entsprochen und die Beklagte zur Leistung einer Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. verurteilt.

Auch die Klage gegen den Bescheid vom 15.09.1999 ist zulässig, denn er beschwert den Kläger, der geltend macht, ihm stehe von Beginn der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit an eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu und nicht erst - wie im Bescheid verfügt - ab 01.06.1999. Insoweit ist der Bescheid vom 15.09.1999 zu korrigieren. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage des Klägers gegen diesen und den Bescheid vom 27.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.1998 ist insgesamt begründet, die Berufung der Beklagten deshalb unbegründet.

Zutreffend hat das SG auch die Vorschriften der RVO angewandt und dies zu Recht aus § 214 Abs. 3 SGB VII abgeleitet. Hiernach gelten die Vorschriften des SGB VII über Renten (nur dann) auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Eine erstmalige Festsetzung in diesem Sinne ist bereits durch die Bewilligung der vorläufigen Rente erfolgt.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, weil die sich aus dem Arbeitsunfall ergebenden Verletzungsfolgen jedenfalls seit Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit insoweit einen Dauerzustand darstellen, als die MdE zu keinem Zeitpunkt unter 20 v. H. gelegen hat, auch nicht in dem hier nur noch streitigen Zeitraum. Die erhobenen Befunde - insbesondere unter Berücksichtigung des Reha-Berichtes der Vogtland-Klink vom 20.02.1996 - lassen den Schluss zu, dass die Verletzungsfolgen des Klägers keine bedeutsamen Änderungen seit Abschluss der Heil- und Rehabilitationsmaßnahmen erfahren haben (a) und mit 20 v. H. zu bewerten sind (b).

a) Auf der Grundlage der beständigen glaubhaften Beschwerdeschilderungen des Klägers ist davon auszugehen, dass die grobe Kraft der linken Hand seit der Verletzung im Wesentlichen unverändert, nicht nur unerheblich eingeschränkt ist. Zwar führt Dr. R ... aus, die Kraft sei "mäßig reduziert" (Dr. Sch ... macht hierzu überhaupt keine Angaben). Jedoch hat Prof. Dr. K ... festgestellt, dass die grobe Kraft aller Finger der linken Hand stark herabgesetzt ist. Bereits aus dem Abschlussbericht der V ...-Klinik vom 20.02.1996 geht hervor, dass zwar die Kraft in der linken Hand von 0 auf 12 kp hat gesteigert werden können, im Vergleich zur rechten Hand (dort betrug sie aber deutlich 42 kp) geringer war.

Entsprechendes gilt für die Beweglichkeit der Finger. Von keinem der Sachverständigen ist die Befunderhebung der Vogtland-Klinik gewürdigt worden. Vergleicht man deren Befund mit denen von Prof. Dr. K ... erhobenen (Blatt 43 der Beklagtenakte und Blatt 75 der SG-Akte), zeigen sich keine auffallenden Veränderungen hinsichtlich der Beweglichkeit der Grund-, Mittel- und Endgelenke. Hierbei ist immer in Rechnung zu stellen - was dem Senat aus anderen Verfahren hinlänglich bekannt ist -, dass die Messergebnisse regelmäßig keine völlig exakte Beschreibung des tatsächlichen Befundes darstellen. Nicht selten finden sich Abweichungen bei der Bestimmung der Beweglichkeit von Gliedmaßen, wenn unterschiedliche Sachverständige messen. Die hier vorliegenden Differenzen halten sich noch in diesem Toleranzbereich. Erst recht kann aus den unterschiedlichen Messungen zum Abstand der Finger von Hohlhandfurche nicht geschlossen werden, dass es zu erheblichen Änderungen gekommen ist. So ist schon nicht klar, ob die von Dr. Sch ... abweichenden Befunde von Dr. R ... auf unterschiedlichen Messmethoden beruhen. Im Übrigen gilt auch hier das oben Gesagte. Die ermittelten Werte sind mit einem erheblichen Messungenauigkeitsfaktor behaftet. Ihnen kann nur mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass der Kläger zu einem kompletten Faustschluss nicht in der Lage ist. Aus den Befunderhebungen und der Beschwerdeschilderung des Klägers ergeben sich auch dann keine deutlichen Veränderungen seit April 1996, wenn man eine endgradige Bewegungseinschränkung des Handgelenkes zusätzlich berücksichtigt.

Die eigentliche Bedeutung des Gutachtens von Prof. Dr. K ... besteht in der sehr gründlichen und in ihren Auswirkungen nachvollziehbaren Beschreibung der erheblichen Gefühlsminderungen und der damit verbundenen Einschränkung der Feinmotorik der linken Hand des Klägers. Diese decken sich mit den beständigen Beschwerdeschilderungen des Klägers, der sich nicht dem Verdacht ausgesetzt hat, seine Beschwerden zu übertreiben. Prof. Dr. K ... ist der erste Sachverständige, der sich intensiv mit den Auswirkungen der Gefühlsstörungen befasst, die als sehr erheblich anzusehen sind und die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand beträchtlich reduzieren. Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass feinmotorische Bewegungen ungeschickt ausgeführt werden und den Blick des Klägers auf den zu führenden oder zu bearbeitenden Gegenstand verlangen. Der Spitzgriff ist nur mit Blick auf den zu greifenden Gegenstand durchführbar, der Feingriff ist stark eingeschränkt. Wegen der weiteren Ergebnisse der Funktionstests wird auf Seite 4 f. des Gutachtens von Prof. Dr. K ... verwiesen. Da die Hyp- und Parästhesien als solche fortlaufend objektiv dokumentiert sind, zweifelt der Senat nicht, dass die Einschränkungen der Sensibilität dauerhaft vorhanden waren.

b) Die Folgen des erlittenen Unfalles sind mit einer MdE um 20 v. H. als Maß der Dauerrente einzuschätzen. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass auch die von Dr. Sch ... vorgenommene Befunderhebung nicht derart wesentlich in ihrer Aussagekraft von derjenigen Dr. R ... abweicht, dass die Beurteilung von Prof. Dr. K ... nachvollziehbar wäre, nicht die Gutachten von Dr. R ..., wohl aber dasjenige von Dr. Sch ... sei lege artis erstellt worden. Denn auch aus den von Dr. Sch ... erhobenen Befunden wird - worauf der Kläger mit Recht hinweist - nicht deutlich, warum diese letztlich zu einer Einschätzung der MdE von unter 20 v. H. gelangt. Zwar legt auch Prof. Dr. K ... seinerseits eine eigentliche Begründung seiner Einschätzung der MdE nicht vor. Seine Beschreibung der Verletzungsfolgen erlaubt es jedoch, die hier allein streitige Frage zu überprüfen und zu entscheiden, ob dem Kläger bereits ab dem 01.11.1997 eine Dauerrente zusteht, weil bereits zu diesem Zeitpunkt die Unfallfolgen einen rentenberechtigenden Dauerzustand erreicht hatten.

Soweit es, wie hier, nicht um Gliedmaßenverluste geht, ist darauf abzustellen, in welchem Umfang die Funktionen der Hand durch den Unfall eingeschränkt sind, und ob diese Beeinträchtigungen mit denen vergleichbar sind, die bei Fingerverlusten bestehen, die mit einer MdE um 20 v. H. bewertet werden. Allerdings ist es weder tatsächlich möglich noch rechtlich zulässig, Details der erhobenen Befunde rechnerisch mit einer MdE zu belegen, die deutlich weniger als 10 v. H. ausmachen. Ein Herauf- oder Herunterrechnen einzelner Prozentpunkte auf der Grundlage einzelner Messwerte ist nicht möglich. Vielmehr sind die jeweiligen beeinträchtigten Funktionsbereiche zu gewichten. Dies sind hier

- die grobe Kraft, - die Sensibilität/Feinmotorik, - die Beweglichkeit der Finger und der gesamten Hand.

Vergleicht man die Funktionseinschränkungen der linken Hand des Klägers mit dem gänzlichen Verlust des 4. und 5. Fingers oder dem Verlust des 2. und 3. Fingers im Mittelgelenk, die jeweils mit einer MdE um 20 v. H. - auch für die Nichtgebrauchshand - bewertet werden, ist die Funktionsbeeinträchtigung der linken Hand des Klägers der sich aus den genannten Gliedmaßenverlusten ergebenden Funktionseinbuße gleichzustellen. In allen drei genannten Fällen ist die Hand noch für eine Vielzahl von Funktionen einzusetzen. Die Funktionseinbußen sind jedoch so stark, dass sie jederzeit erlebt werden und in nicht wenigen Alltagssituationen zu einem vorübergehenden Ausfall der Hand führen.

Mit dieser Bewertung verstößt der Senat auch nicht gegen die Regel, dass die Rechtswidrigkeit der Festsetzung der MdE durch den Versicherungsträger grundsätzlich nicht damit begründet werden kann, die MdE sei aufgrund einer abweichenden ärztlichen Schätzung um 5 v. H. höher zu bewerten (st. Rechtsprechung, s. dazu bereits BSG, Urt. v. 17.12.1975 - 2 RU 35/75 - BSGE 41,99.100 m. w. Nachw.). Denn zum einen geht es hier darum, ob der Befund, der auch nach Einschätzung der Beklagten mit 20 v. H. zu bewerten ist, bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung der Dauerrente vorlag. Zum anderen aber gilt die genannte Regel nur für die Fälle, in denen vom Versicherungsträger die Dauerrente mit einem bestimmen MdE-Satz bewertet wurde, der Verletzte aber geltend macht, der Dauerrente müsse ein um 5 % höherer Wert zugrunde gelegt werden. Sie gilt dann nicht, wenn die Feststellung einer Dauerrente mit der Begründung abgelehnt wurde, eine MdE in rentenberechtigendem Grade liege nicht vor, weil in einem solchen Fall ein MdE-Grad durch den Versicherungsträger gerade nicht festgesetzt worden ist. Dies hat das BSG in der genannten Entscheidung ausdrücklich hervorgehoben (a. a. O. S. 101). Der Senat folgt dem.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved