L 2 U 54/99

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 7 U 158/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 54/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin aufgrund der durch einen Verkehrsunfall erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusteht.

Die am ...1950 geborene Klägerin erlitt als Beifahrerin am 19.2.1993, einem Freitag, gegen 15.30 Uhr einen Verkehrsunfall auf dem Weg von ihrer damaligen Arbeitsstätte in R ... nach ihrem Wohnort L ... Auf der B 7 bei W ... hielt der PKW der Klägerin wegen eines Rückstaus an. Der nachfolgende PKW fuhr auf den PKW der Klägerin auf und schob ihn auf den davor stehenden PKW. Kurz darauf fuhr ein weiterer PKW von hinten auf die stehenden PKWs auf. Am Fahrzeug, in dem sich die Klägerin befand, entstand Sachschaden. Die Halterin des PKWs konnte jedoch mit der Klägerin die Rückfahrt nach Leipzig fortsetzen.

Zunächst verspürte die Klägerin keine Schmerzen. Beschwerden (Kopfschmerzen und Schmerzen am Hals bis zur Übelkeit) traten am Abend des Unfalltages auf. Die Klägerin, deren Arbeitsverhältnis sich noch in der Probezeit befand, fuhr am Montag nach R ... zurück, um wieder die Arbeit (Schulung bei T ... GmbH) aufzunehmen. Wegen zunehmender Schmerzen suchte sie am Dienstag, dem 23.2.1993, einen Arzt im Prosperhospital in R ... auf. Im D-Arztbericht vom 23.2.1993 ist vermerkt:

"5. Befund Keine Verletzungszeichen. Leichter Druckschmerz über der Nackenregion. Freie Beweglichkeit der HWS in allen Freiheitsgraden. Keine Sensibilitätsstörungen. 6. Röntgenergebnis: HWS in 2 Ebn.: keine Fraktur. 7. Diagnose ... HWS-Schleudertrauma"

Der Klägerin wurde eine Schanz sche Krawatte verordnet. Die Klägerin war für rund einen Monat danach arbeitsunfähig krankgeschrieben. Die vom D-Arzt empfohlene neurologische Untersuchung ergab am 24.2.1993 keinen Anhaltspunkt für ein Schädel-Hirn-Trauma. Am selben Tag suchte die Klägerin Dipl.-Med. B ..., Fachärztin für Orthopädie, auf, die insbesondere eine Gefügelockerung bei C7/T1 und eine Blockierung bei C2/3 feststellte. Sie diagnostizierte ein akutes Cervico-Brachialsyndrom links. Eine Nachuntersuchung bei Dipl. Med. Sch ..., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie am 12.3.1993 zeigte ebenfalls einen unauffälligen Befund. Sie bewertete die von der Klägerin noch vorgebrachten Beschwerden (Ziehen im linken Arm) als einen auf das Schleudertrauma zurückzuführenden "Restbefund".

Im Rahmen der von der Beklagten aufgenommenen Ermittlungen wies Dipl.-Med. B ... im Befundbericht vom 13.8.1994 darauf hin, dass die cervico-thorakale Gefügelockerung und die wiederholten Blockierungen mit jeweils akuten Beschwerden auf das Schleudertrauma zurückzuführen seien. Zugleich würden die vorhandenen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule infolge des Schleudertraumas wesentlich stärker und schneller ablaufen und zunehmend in den Vordergrund treten. Laut einem weiteren Befundbericht von Dipl.-Med. B ... vom 20.1.1995 sei keine Besserung des Befundes eingetreten. Der die Beklagte beratende Arzt Dr. Sch ..., Chefarzt der Chirurgischen Klinik am Klinikum der Stadt G ..., vertrat im Juni 1995 die Auffassung, die noch bestehenden Beschwerden seien nicht auf den Unfall zurückzuführen. Nach Übersendung von Kopien des SV-Ausweises veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin bei Prof. Dr. G ..., Facharzt für Chirurgie und Traumatologie, Leitender Chefarzt im Ev.-Luth. Diakonissenkrankenhaus L ... gGmbH. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin kam er in seinem Gutachten vom 21.11.1995 zu dem Ergebnis, dass anhand der seitlichen Röntgenaufnahmen eine Gefügelockerung nicht festgestellt werden könne, jedoch im unteren Bereich der Halswirbelsäule deutliche Verschleißerscheinungen an den Wirbelgelenken erkennbar seien. Die Druckschmerzen bei L1/T12/C2/C7 beruhten auf einer Verspannung der die Hals- und Lendenwirbelsäule begleitenden Muskulatur. Auf diese schmerzhafte Erhöhung des Spannungszustandes der Streckmuskulatur seien die Beschwerden zurückzuführen, die bei der Untersuchung durch Drehung und Neigung des Kopfes ausgelöst würden. Die objektivierbaren krankhaften Veränderungen seien einer so genannten überbeweglichen (hypermobilen) Wirbelsäule zuzuschreiben, die durch die frühere sportliche Betätigung der Klägerin bedingt sei. Die sich daraus ergebende Lockerung des Gesamtgefüges der Wirbelsäule sei durch das Tragen der Halskrause verstärkt worden, da keine begleitenden muskelkräftigenden Maßnahmen in der Anfangszeit verordnet worden seien. Der Unfall habe nur eine kurzfristige Verstauchung zur Folge gehabt. Hingegen habe der Vorschaden (hypermobile Wirbelsäule) die Eigenschaft, dass er bei jedem Ereignis eine Dysbalance der Muskulatur auslösen könne. Auf eine Nachfrage der Beklagten führte Prof. Dr. G ... ergänzend aus, dass die durch das Tragen der Halskrause bewirkte Schwächung der Halsmuskulatur ein nur vorübergehender Zustand gewesen sei. Die Muskulatur der Klägerin sei wieder so gut konditioniert, dass weitere Blockierungen nicht mehr "unmittelbar" aufgetreten seien. Die rezidivierenden Blockierungen beruhten auf der schicksalhaft hinzunehmenden hypermobilen Wirbelsäule der Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 67 ff. und Blatt 80 der Beklagtenakte verwiesen.

Daraufhin wurde mit Bescheid vom 23.5.1996 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Arbeitsunfalls vom 19.2.1993 abgelehnt. Mit ihrem dagegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin insbesondere geltend, dass sie keine intensive Gymnastik betrieben habe. Bei der Gymnastik habe es sich um eine Übungsstunde je Woche gehandelt. Die jetzt vorhandenen Beschwerden habe sie vor dem Unfall nicht gehabt. In ihrer Stellungnahme vom 15.11.1996 führte Dipl.-Med. B ... aus, es seien intensive krankengymnastische Übungen zur Muskelkonditionierung verordnet und durchgeführt worden. Trotzdem sei es wiederholt zu Beschwerden gekommen, die stets dieselben HWS-Segemente betroffen hätten. Da diese Beschwerden trotz degenerativer Veränderungen der Halswirbelsäule vor dem Unfall nicht anzutreffen gewesen seien, besehe zweifelsfrei ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und den nachfolgenden Beschwerden. Dem hielt Prof. Dr. G ... in seiner zweiten ergänzenden Stellungnahme vom 23.1.1997 entgegen, es komme nicht darauf an, ob die Gymnastik "intensiv" gewesen sei. Zwar sei durch den Unfall eine Blockierung auf der Grundlage einer vorbestehenden Gefügelockerung aufgetreten. Diese sei aber von Dipl.-Med. B ... manuell gelöst worden. Spätere Blockierungen könnten dem Unfall nicht mehr angelastet werden. Gegen ein "klassisches" Schleudertrauma spreche auch, dass auch nach Auffassung von Dipl.-Med. B ... im Falle der Klägerin zwei Segemente betroffen seien, obwohl das "klassische" Schleudertrauma dadurch gekennzeichnet sei, dass nur ein Segement in Mitleidenschaft gezogen werde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 110 ff. verwiesen. Der beratende Arzt der Beklagten, Dr. Sch ..., nahm ebenfalls an, dass die unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule Ursache der Beschwerden der Klägerin seien. Aus einem bei der Fachärztin für Allgemeinmedizin Z ... eingeholten Befundbericht ergab sich, dass die Klägerin sich dort am 7.4.1987, am 24.11.1987 und am 9.8.1989 wegen Schmerzen im Nackenbereich bzw. Rückenschmerzen in Behandlung befnden hatte und am 11.3.1992 neben einem grippalen Infekt auch ein Schulter-Arm-Syndrom diagnostiziert worden war. Nach Auffassung von Dr. Sch ... werde durch diese Angaben das Gutachten von Prof. Dr. G ... bestätigt. Hierauf wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.7.1998 den Widerspruch der Klägerin zurück.

Mit ihrer vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG hat nach anfänglichen Ermittlungen (insbesondere Befundbericht Z ... vom 13.3.1998, für die BfA erstellter Reha-Abschlussbericht der Klinik am Wald/Bad Sch ... vom 12.3.1996) mit Schreiben vom 8.9.1998 die Klägerin im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr ... zur Rücknahme der Klage aufgefordert und sodann mit Schreiben vom 11.12.1998 angekündigt, es sei beabsichtigt, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. In ihrem Schriftsatz vom 10.12.1998 hat die Klägerin insbesondere ausgeführt, fraglich sei, weshalb der Vorschaden "selbstverständlich" die Eigenschaft habe, bei jedem Ereignis ausgelöst zu werden. Bei dem Auffahrunfall handele es sich um keine Gelegenheitsursache. Auch habe Prof. Dr. G ... in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.1.1997 eine Verschlimmerung des vorbestehenden Leidens durch den Unfall nicht ausgeschlossen. Er habe lediglich seine subjektive Einschätzung entgegengehalten.

Das SG hat durch Gerichtsbescheid vom 26.1.1999 über den sinngemäß gestellten Antrag, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide die Beklagte zur Gewährung von Leistungen zu verurteilen, entschieden und die Klage abgewiesen. In der Begründung sind im Wesentlichen verschiedene, im Gutachten von Prof. Dr. G ... enthaltene Sätze weitgehend wörtlich wiedergegeben worden. Eine Anspruchsgrundlage ist nicht erwähnt worden. Auf die Argumente der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10.12.1998 ist das SG nicht eingegangen.

Mit ihrer gegen den Gerichtsbescheid eingelegten Berufung führt die Klägerin aus, es hätte ein Orthopäde als Sachverständiger hinzugezogen werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 26. Januar 1999 sowie den Bescheid vom 23.5.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.7.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid und den Akteninhalt.

Der Senat hat die Klägerin über die näheren Umstände des Unfalls und über die subjektiven Beschwerden befragt. Wegen der Antwort der Klägerin wird auf Blatt 23 f. der LSG-Akte verwiesen. Ferner hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten bei Dr. B ..., Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Traumatologie, eingeholt. Dr. B ... kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die noch vorhandenen Beschwerden auf den Unfall mitursächlich zurückzuführen seien. Er bewertet die verbleibenden Schädigungsfolgen mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 10 v.H. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt 49 ff. der LSG-Akte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Leistungen abgelehnt. Insoweit hat auch das SG im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.

Das SG hat über die von der Klägerin am 22.7.1997 nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG ebenfalls erhobene Feststellungsklage (kausaler Zusammenhang zwischen ihren Beschwerden im Nacken-, Schulter- und Armbereich und dem Schleudertrauma) ausweislich des im Gerichtsbescheid "sinngemäß" formulierten Antrags nicht ausdrücklich entschieden. Aus den Gründen geht jedoch eindeutig hervor, dass das SG der Auffassung von Prof. Dr. G ... folgt, der einen Kausalzusammenhang ablehnt. Im Übrigen hat die Klägerin im Berufungsverfahren an der Feststellungsklage nicht festgehalten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das SG trotz des anders formulierten "sinngemäßen" Antrags über den Feststellungsantrag mitentschieden hat.

Auf den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch findet § 580 Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anwendung, weil sich der Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des SGB VII ereignet hat.

Im vorliegenden Verfahren besteht zwischen den Beteiligten kein Streit darüber, dass der Unfall vom 19.2.1993 ein Arbeitsunfall war. Streitig ist, ob die noch bestehenden Beschwerden Folgen des Auffahrunfalls sind (haftungsausfüllende Kausalität).

Die Sachverständigen Prof. Dr. G ... und Dr. B ... sowie die Orthopädin Dipl.-Med. B ... stimmen darin überein, dass die Klägerin im Unfallzeitpunkt unter nicht bloß unerheblichen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule litt. Allerdings besteht schon insoweit keine Einigkeit, ob die degenerativen Veränderungen altersentsprechend waren (so Dr. B ...) oder durch eine hypermobile Wirbelsäule und eine hierdurch bedingte Lockerung des Gesamtgefüges der Wirbelsäule verursacht sind (so Prof. Dr. G ...). Hingegen geht Prof. Dr. G ... davon aus, dass das Schleudertrauma nur eine reversible Verstauchung bewirkt habe (Stellungnahme vom 23.1.1997). Dr. B ... und Dipl.-Med. B ... meinen hingegen, dass das Schleudertrauma einen klinisch stummen Sachverhalt expressiv werden ließ und es insoweit eine nicht austauschbare Mit-Ursache für die noch vorhandenen Beschwerden ist. Dr. B ... spricht an einer Stelle davon, das anfängliche Beschwerdeausmaß habe sich in der Folgezeit in ein akutes linksseitiges Cervico-Brachialsyndrom verwandelt. Prof. Dr. G ... vertritt hingegen die Auffassung, der bei der Klägerin anzutreffende Vorschaden habe die Eigenschaft, bei jedem Ereignis eine Dysbalance der Muskulatur auszulösen.

Die Aussagen von Prof. Dr. G ... sind nicht konsistent.

So stellt er einerseits fest, dass bei der Klägerin röntgenologisch keine Gefügelockerung feststellbar sei, andererseits bejaht er eine Lockerung des Gesamtgefüges der Wirbelsäule. Beide Aussagen stehen im Gutachten beziehungslos nebeneinander. Erklärt werden ferner die Druck- und Bewegungsschmerzen bei C2/C7/T12/L1 mit Muskelverspannungen der Streckmuskulatur, was besonders im Halswirbelsäulenbereich linksseitig verstärkt festgestellt werden könne. Sodann führt Prof. Dr. G ... aus, die objektivierbaren krankhaften Veränderungen (welche? die Muskelverspannungen? die röntgenologisch beschriebenen degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule? beides?) seien auf die Hypermobilität der Wirbelsäule zurückzuführen. Die Hypermobilität soll die Ursache für eine Gefügelockerung sein, die im HWS-Bereich röntgenologisch verneint wird. Unklar bleibt, wie eine röntgenologisch ausgeschlossene Gefügelockerung der Halswirbelsäule röntgenologisch nachweisbare degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule verursacht hat und weiterhin verursacht. Ob die Hypermobilität auch Ursache für eine Muskelverspannung sein kann, bleibt an dieser Stelle offen. Dagegen wird an anderer Stelle wiederum ausgeführt, die Hypermobilität könne jederzeit eine Dysbalance der Muskulatur auslösen. Der Leser des Gutachtens kann nun darüber spekulieren, ob Prof. Dr. G ... meint, dass die Hypermobilität zu einer Dysbalance der Muskulatur führe oder ob die (für den HWS-Bereich ausgeschlossene) Gefügelockerung die im HWS-Bereich nachgewiesenen Muskelverspannungen bewirke bzw. unmittelbar die gesamten Beschwerden der Klägerin im HWS-Bereich verursache.

Nicht nachvollziehbar sind auch die Ausführungen von Prof. Dr. G ... in seiner ersten ergänzenden Stellungnahme vom 17.1.1996. Hier legt er dar, die Halsmuskulatur der Klägerin sei wieder so gut konditioniert worden, dass weitere Blockierungen nicht unmittelbar aufgetreten seien. Ob "unmittelbar" einen zeitlichen oder einen kausalen Aspekt hat, ist nicht klar. Soweit diese Stellungnahme besagen soll, dass die durch das Tragen der Halskrause aufgetretene Schwächung der Halsmuskulatur als zusätzliche, arbeitsunfallbedingte Ursache wieder entfallen sei, werden dadurch die früheren Ausführungen im Gutachten nicht verständlicher. In der zweiten ergänzenden Stellungnahme schließlich werden die Verschleißerscheinungen dezidiert auf die Gefügelockerung der Wirbelsäule zurückgeführt. Damit ist aber weiterhin nicht geklärt, wie sich diese Aussage zu den röntgenologisch verneinten Gefügelockerungen der Halswirbelsäule verhält. Hinzu kommt, dass Prof. Dr. G ... nunmehr ausführt, der Unfall habe "nicht oder keinesfalls alleine" die Lockerung des Gefüges der Wirbelsäule ausgelöst. Bei dieser Formulierung bleibt unklar, ob Prof. Dr. G ... seine früheren Aussagen zu den Folgen der Hypermobilität modifizieren will.

Auch das Gutachten von Dr. B ... weist hinsichtlich der Kausalitätserwägungen Ungereimtheiten auf, die sich nicht zuletzt daraus ergeben, dass er auf die fünfte Beweisfrage, die er aber gar nicht ausdrücklich beantwortet hat, Bezug nimmt. Gleichwohl ergibt sich aus dem Gutachten eine insoweit schlüssige Hypothese, als Dr. B ... die degenerativen Veränderungen als Ursache für die Beschwerden ansieht, die sich im Zeitpunkt des Unfalls noch in einem labilen subklinischen Gleichgewichtszustand befunden hätten, der durch den Unfall mit der Folge beseitigt worden sei, dass die degenerativen Veränderungen sich klinisch bemerkbar gemacht hätten. Dr. B ... bleibt aber die Antwort schuldig, warum der Auffahrunfall ein nicht ersetzbares Ereignis für die Beschwerden der Klägerin war. Für die Bejahung der sozialrechtlichen Kausalität muss die Unfallverletzung zwar immer eine Conditio sine qua non sein. Dies reicht jedoch nicht aus, um einen Kausalzusammenhang im Rechtssinne zu bejahen. Dr. B ... bietet keine Erklärung dafür, wie sich das Umschlagen des subklinischen in einen klinischen Zustand konkret vollzieht. Insbesondere ist unklar, welche - um mit seinen Worten zu sprechen - "bestimmten Ereignisse oder veränderten Lebensgewohnheiten" er als auslösende Ursachen ansieht. Wenn schon eine Veränderung der Lebensgewohnheiten ausreicht, handelt es sich bei dem Auffahrunfall möglicherweise um eine Gelegenheitsursache. Nach den Darlegungen von Dr. B ... kann nicht ausgeschlossen werden, dass z.B. auch ein alltägliches Ereignis dieselben Folgen bei der Klägerin verursacht haben könnte. Dies bedeutet nicht, dass es sich hier bei dem Auffahrunfall tatsächlich um eine Gelegenheitsursache gehandelt hat. Das Gutachten beantwortet lediglich diese Frage nicht adäquat.

Letztlich kann die Kausalitätsbetrachtung dahingestellt bleiben, weil die Beschwerden der Klägerin mit unter 20 v.H. zu bewerten sind. Eine Verletztenrente nach § 580 Abs. 1 RVO erfordert aber, dass der Versicherte durch den Arbeitsunfall über die 13. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus (also mehr als drei Monate) in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v.H. gemindert sein muss, um einen Anspruch auf Verletztenrente zu haben.

Selbst Dr. B ... hat nur für die ersten drei Monate die MdE auf 20 v.H. und danach nur noch auf 10 v.H. geschätzt. Da bei der Klägerin nur gelegentlich Blockaden im Halswirbelsäulenbereich auftreten, die zu erheblichen Beschwerden führen, und in der linken Hand nur zeitweilig Taubheitsgefühle sich bemerkbar machen, die durch gezielte Bewegungen positiv verändert werden können, ist die Bewertung der Beschwerden mit einer MdE deutlich unter 20 v.H. angemessen und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Auch der von der Klägerin vorgetragene Scheitelkopfschmerz und die Spannungsgefühle im Schulter-Nacken-Bereich vermögen keine andere Bewertung zu rechtfertigen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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