L 2 U 90/98

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 139/97
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 90/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berfungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Tod des Ehemannes der Klägerin Folge einer Berufskrankheit (BK) der Nr. 1310 (u.a. polychlorierte Biphenyle [PCB] und Dioxine) bzw. 4105 (Asbesterkrankung) der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ist.

Der im Jahre 1941 geborene Ehemann der Klägerin (Versicherter) war von 1965 bis 1994 als Elektriker im Stahl- und Walzwerk ..., Betriebsteil Rohrwerk ...n, tätig.

Aus den Berichten des ... ( ...) vom 22.08.1994, 29.08.1994 und 13.09.1994 ergibt sich u. a., dass der Versicherte während seiner Beschäftigungszeit von 1965 bis 1991 als Elektriker bzw. verantwortlicher Schichtelektriker einer wöchentlichen Asbestexposition von ca. 4 Stunden durch das Wechseln von Kabelummantelungen sowie gelegentliches Tragen von Asbesthitzeschutzhandschuhen von ca. 0,5 Stunden pro Woche ausgesetzt gewesen war. Zusätzlich hat eine Gesundheitsgefährdung durch die Brandbekämpfung im Jahre 1983 und die nachfolgende Entsorgungen der Altanlagen bestanden. Die damals verbrannten Kondensatoren hätten den chemischen Stoff PCB enthalten.

Im Februar 1994 trat bei ihm Luftnot bei reduziertem Allgemeinzustand auf, weswegen er von der Praktischen Ärztin Dr. W ... behandelt wurde, die ihn wegen Zustandsver-schlechterung am 16.02.1994 ins Kreiskrankenhaus ... zur stationären Behandlung überwies. Dabei wurde eine linksseitige Pleuritis carzinomatosa, ein Verdacht auf primäres Leberzellkarzinom sowie ein Diabetes mellitus diagnostiziert. Klinisch und röntgenologisch wurde ein massiver linksseitiger Pleuraerguß gesichert. Sonographisch konnte eine Raumforderung im Leber-Hilius-Bereich nachgewiesen werden, ebenso Lebermetastasen. Im Pleurapunktat wurden zytologisch Tumorzellen gefunden, bei denen es sich um mittelgroße bis große und häufig mehrkernige Zellen handelte, ein primäres Leber-Nierenkarzinom wurde für möglich gehalten. Eine umfangreiche Diagnostik zur Primärtumorsuche erbrachte keine weitere Klärung (Beklagten-Akte Bl. 10). Nach zunehmend rascher Verschlechterung des Allgemeinzustandes verstarb der Versicherte am 10.03.1994. Eine Sektion wurde nicht durchgeführt.

Mit Datum vom 17.05.1994 erstattete Dr. W ... eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit, wobei der Verdacht des Freiwerdens kanzerogener Stoffe bei dem Brand im Rohrwerk 1983 geäußert wurde. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei und ermittelte bei dem früheren Arbeitgeber des Versicherten die Art und Dauer seiner Beschäftigungen sowie, welchen Einwirkungen er dabei ausgesetzt gewesen war. Nach der Einschätzung des ... ließen sich aus den Unterlagen für den Versicherten deutlich 3 Faserjahrbelastungen feststellen. Die regelmäßigen Asbestexpositionen seien zwar hoch gewesen, erreichten aber nicht die Schwelle von 25 Asbestfaserjahren. Die Beklagte beauftragte im Anschluß daran Prof. Dr. J ... (pathologisches Institut des ...) mit der Erstattung eines Gutachtens. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 08.11.1994 aus, in den Sedimenten der zytologischen Untersuchung seien keine Tumorzellen darstellbar gewesen, so dass immunologische Untersuchungen zur Einordnung des Tumors zu einem bestimmten Organ nicht möglich seien. Es lägen in einzelnen Ausstrichen nur wenige, aber sichere Tumorzellen vor, die auch sicher als Zellen eines malignen Tumors einzuordnen seien. Die sehr großen Zellen mit vacuolisiertem Zytoplasma und polymorphen Kernen sprächen für das Vorliegen eines Adenokarzinoms. Man könne somit sowohl ein kleinzelliges Lungenkarzinom, als auch ein Plattenepithelkarzinom der Lunge mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Ob es sich um ein Adenokarzinom der Lunge oder ein Adenokarzinom anderer primärer Lokalisation handele, könne nicht entschieden werden. Abschließend verwies Prof. Dr. J ... darauf, dass letzlich eine gutachterliche Stellungnahme nicht möglich sei, da sich aufgrund der unterbliebenen Obduktion die primäre Tumorlokalisation nicht mehr klären lasse (Beklagten- Akte Bl. 101).

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete im weiteren Verlauf Prof. Dr. S ... (Zentralinstitut für Arbeitsmedizin der Universität H ...) ein arbeitsmedizinisch-internistisches Gutachten (vom 20.09.1996), worin er ausführt, dass der Versicherte Anfang 1994 im Alter von 53 Jahren an einem bösartigen Geschwulstleiden erkrankt und an dessen Folgen er binnen weniger Wochen schließlich am 10.03.1994 verstorben sei. Der Versicherte sei gegenüber Asbest und dem Lösungsmittel Trichlorethen und außerdem langzeitig im geringen und für die Dauer von ca. 8 Wochen während eines Brandes im Rohrwerk Z ... im Jahre 1983 in größerem Umfange gegenüber polychlorierten Biphenylen exponiert gewesen. Die wissenschaftliche Literatur über polychlorierte Biphenyle ergebe keine gesicherten Anhaltspunkte für eine humankanzerogene Wirkung dieser Stoffe. Es könne daher nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Krebserkrankung des Versicherten auf seine berufliche PCB-Exposition zurückzuführen sei. Gegen einen solchen Zusammenhang spreche auch der bei ihm fehlende Nachweis einer erhöhten Exposition, z. B. das Fehlen einer Chlorakne als Beanspruchungsreaktion. Weiterhin führte der Sachverständige aus, das Röntgenbild vom 02.03.1994, das links einen breiten Brustwandbegleitschatten, knollige Formation im Pleuraraum sowie eine deutliche Schrumpfung des linken Hemithorax zeige, sei gut mit einem Mesotheliom (bösartiger Tumor an der Pleura [Brustfell]) vereinbar. Ein solches Mesotheliom sei beim Versicherten jedoch histologisch nicht nachgewiesen. Die Annahme einer Berufskrankheit entsprechend Nr. 4104 scheide bereits deshalb aus, weil die vorliegenden Röntgenaufnahmen keine Hinweise für asbestbedingte Pleuraveränderungen, etwa Plaques an der radiologisch gut beurteilbaren rechten Thoraxwand zeigten. Zusammenfassend empfahl der Sachverständige bei dem Versicherten keine Berufskrankheit anzuerkennen. Da jedoch ein Mesotheliom bisher nicht sicher habe ausgeschlossen werden können, sei ggf. noch eine Nachbegutachtung des möglicherweise noch vorhandenen zyto- bzw. histologischen Materials durchzuführen.

In einer sich anschließenden fachärztlichen Stellungnahme vom 08.10.1996 wies der Facharzt für Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde sowie Arbeitsmedizin, Dr. F ..., am 08.10.1996 darauf hin, dass der Verdacht eines Pleuramesotheliom wegen der unterbliebenen Sektion nicht mehr zu erhärten sei. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 22.10.1996 wies Prof. J ... erneut darauf hin, dass für eine histologische Untersuchung, wie sie Prof. Dr. S ... nochmals angeregt habe, kein geeignetes Material zur Verfügung stehe.

Mit Bescheid vom 22.11.1996 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag der Klägerin auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da die Krebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes keine Berufserkrankung nach Nr. 1310 gewesen sei, und sich auch keine asbestinduzierte Erkrankung habe feststellen lassen.

Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 18.12.1996, in welchem unter Hinweis auf das Gutachten von Prof. S ... eine nochmalige Nachbegutachtung des zyto- bzw. histologischen Materials verlangt wurde. Außerdem wurde eine Exhumierung der Leiche des Versicherten beantragt. Entgegen den Ausführungen im Widerspruchsbescheid sei zu keinem Zeitpunkt eine Sektion verweigert worden.

Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme (vom 24.04.1997) ihres ... - Fachstelle "Gefährliche Arbeitsstoffe" - ein, worin ausgeführt wurde, dass zwar eine Asbestexposition - allerdings von weniger als 25 Asbestfaserjahren - vorgelegen habe, die Zielorgane (Lunge, Rippen- oder Bauchfell, Kehlkopf) nach den Nrn. 4104 oder 4105 aber nicht betroffen gewesen seien. Bei dem Brandereignis vom 21.03.1983 in einem Kabelkeller mit Zerstörung und Brand von Großkondensatoren sei eine Exposition gegenüber PCB und den entstandenen Dioxinen zu unterstellen. Ebenfalls seien bei dem Brand wohl u. a. Salzsäure und Chlor freigesetzt worden. Ein möglicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Versicherten und den aufgetretenen Gefahrenstoffen sei der Fachstelle für gefährliche Arbeitsstoffe jedoch nicht bekannt, so dass man sich insoweit der Auffassung des medizinischen Gutachters anschließe.

Mit Bescheid vom 24.04.1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach den getroffenen Feststellungen sei der Tod des Versicherten nicht als Folge einer bestehenden Berufskrankheit eingetreten.

In ihrer am 28.05.1997 beim Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin insbesondere noch einmal darauf hingewiesen, die Beklagte habe nicht alle zur Feststellung einer Berufskrankheit notwendigen Gesichtspunkte berücksichtigt. Insbesondere habe sie versäumt, nach der Verdachtsmeldung am 17.05.1994 weitere Schritte zur Sicherung von Beweismaterial einzuleiten. Nach wie vor sei sie von dem unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes und seiner beruflichen Tätigkeit überzeugt.

Mit Urteil vom 19. Juni 1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anspruch der Klägerin richte sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) , da die von ihr geltend gemachte Berufskrankheit ihres Ehemannes vor dem Inkrafttreten des Siebenten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) am 01. Januar 1997 eingetreten sei (§ 212 SGB VII). Der Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe gemäß § 589 Abs. 1 RVO "bei" Tod durch Arbeitsunfall. Arbeitsunfall im Sinne von § 548 Abs. 1 Satz 1 RVO sei ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleide. Als Arbeitsunfall gelte nach § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine Berufskrankheit. Solche seien die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bezeichnet und die sich ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Der Tod des Versicherten sei weder auf eine Berufskrankheit der Nr. 1310 noch auf eine Berufskrankheit der Nrn. 4104 und 4105 zurückzuführen. Die Kammer stütze sich in dieser Überzeugung insbesondere auf das Gutachten von Prof. Dr. S ... vom 20.09.1996 (Blatt 111 bis 129 Bekl.-Akte). Nach Nr. 4105 könne ein durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfells, des Bauchfells oder des Perikards als Berufskrankheit anerkannt werden. Erforderlich wäre dafür zunächst der Nachweis des Vorliegens eines Mesothelioms. Zwar spreche nach Einschätzung von Prof. Dr. S ... für einen solchen Tumor aus klinischer Sicht der offenbar akut aufgetretene Pleuraerguß sowie die ausgeprägte Progredienz des Tumorleidens. Außerdem sei das Röntgenbild vom 02.03.1994, das links einen breiten Brustwandbegleitschatten, knollige Formation im Pleuraraum sowie eine deutliche Schrumpfung des linken Hemithorax zeige, gut mit einem Mesotheliom vereinbar. Es fehle jedoch letztlich der histologische Nachweis eines Mesothelioms, so dass eine Anerkennung einer Berufskrankheit entsprechend der Nr. 4105 bereits aus diesem Grunde ausscheide. Ebensowenig lasse sich die Erkrankung nach Nr. 4104 anerkennen, da in der Lunge des Versicherten keine asbestotischen Veränderungen hätten nachgewiesen werden können. Unzutreffend sei, die Beklagte habe nicht alle zur Feststellung einer Berufskrankheit notwendigen Gesichtspunkte berücksichtigt und insbesondere eine Obduktion des Versicherten unterlassen und es damit schuldhaft versäumt, den medizinischen Sachverhalt aufzuklären. Aus einem handschriftlichen Bericht von Dr. Z ... (Innere Abteilung des Kreiskrankenhauses R ..., Blatt 17 Bekl.-Akte) ergebe sich, dass die Sektion des Verstorbenen von den Angehörigen abgelehnt worden sei. Außerdem würde auch eine fehlerhafte Beweiserhebung oder sogar eine Beweisvereitelung durch denjenigen, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zu prozessualem Vorteil gereiche, keine Umkehr der Beweislast bewirken (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27.05.1997- 2 RU 38/96). Auch wenn man an den Beweis der Tatsachen, auf die sich der Beweisnotstand beziehe, weniger hohe Anforderungen stelle, lasse sich der Nachweis für das Vorliegen eines Mesothelioms oder aber einer Asbestose nicht führen. Die vom Gutachter vorgeschlagenen Nachbegutachtung des möglicherweise noch vorhandenen zyto- bzw. histologischen Materials scheitere daran, dass nach Auskunft von Prof. J ...s (ergänzenden Stellungnahme vom 22.10.1996) für eine histologische Untersuchung kein geeignetes Material vorliege. Die insoweit vorliegende Beweislosigkeit der anspruchbegründenden Tatsachen (Vorliegen eines Mesothelioms bzw. einer Asbestose) gehe nach den allgemeinen Regeln objektiver Beweislast zu Lasten des Versicherten bzw. seiner Hinterbliebenen (Hinweis auf BSGE 35, 216, 217). Unter Würdigung der PCB- Belastung des Versicherten, die in größerem Umfange insbesondere bei der Bekämpfung des Brandes im Rohrwerk Z ... im Jahre 1983 aufgetreten sei, habe der Sachverständige ausgeführt, dass sich in der wissenschaftlichen Literatur keine gesicherten Anhaltspunkte für eine humankanzerogene Wirkung dieser Stoffe fänden. Es könne daher nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Krebserkrankung des Versicherten auf seine berufliche PCB-Exposition zurückzuführen sei. Gegen einen solchen Zusammenhang spreche auch bereits der bei ihm fehlende Nachweis einer erhöhten Exposition, z. B. das Fehlen einer Chlorakne als Beanspruchungsreaktion. Das Gericht habe weder Möglichkeit noch Veranlassung, die fachkundigen Ausführungen des Sachverständigen unbeachtet zu lassen. Für eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung habe bereits deshalb keine Veranlassung bestanden, weil für eine weitere histologische Untersuchung, mit der vielleicht der Nachweis eines Mesothelioms hätte geführt werden können, kein geeignetes Material zur Verfügung stehe. Auch eine Exhumierung des Verstorbenen zu weiteren Untersuchungen erscheine im Hinblick auf die seit dem Ableben des Versicherten verstrichene Zeitdauer nicht sachgerecht.

Gegen das ihr am 2.9.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.9.1998 Berufung eingelegt. Die Beklagte habe schuldhaft notwendige Untersuchungen unterlassen, der dadurch hervorgerufene Beweisnotstand dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Sie habe auch nie eine Obduktion abgelehnt, es fänden sich keine Unterlagen, die eine unterschriftliche Verweigerung bestätigten. Auch müßten noch Gewebeproben vorhanden sein.

Auf die Bitte des Senats, einen Gewerbearzt über die Aussicht einer Exhumierung zu befragen, hat die Beklagte eine Stellungnahme des ehemaligen staatlichen Gewerbearztes Prof. Dr. P ... v. 14.12.1998 vorgelegt. Darin führt dieser aus, gem. dem Urteil des SG sei der Versicherte am 16.02.1994 wegen einer linksseitigen Pleuritis carcinomatosa bei Verdacht auf Leberzellkarzinom zur stationären Behandlung aufgenommen worden. Dabei habe sich auf der linken Seite ein massiver Pleuraerguss mit einem Leber-Nierenkarzinom gezeigt, welche Erkrankung am 10.03.1994 zum Tode geführt habe. Hinsichtlich einer Asbestbelastung seien 3 Faserjahre ermittelt, histopathologisch sei ein Adenokarzinom festgestellt worden. Ein Lungenkrebs könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Prof. Dr. S ... habe ein Krebsleiden verursacht durch PCB (Exposition nach einem Brand 1983) ausgeschlossen. Auf die Frage seitens des LSG Chemnitz, ob bzgl. des Vorliegens einer Berufskrankheit und des Kausalzusammenhangs zwischen einer solchen und dem Tod weitere Sachaufklärung zu erwarten sei, müsse er als ehemaliger Staatl. Gewerbearzt für den Aufsichtsbezirk Nordrhein und Westfalen-Lippe (bis 1991) feststellen, dass mehr als 4 Jahre nach dem Tode des Versicherten eine Exhumierung keine neuen Gesichtspunkte erwarten lasse. Hinsichtlich der Verursachung des Krebsleidens durch Einwirkung chemischer Stoffe (PCB und andere chemische Noxen) bringe eine Exhumierung keine Sachaufklärung, insbesondere bestünden 4 Jahre nach dem Tode keine Möglichkeiten mehr, makroskopische oder mikroskopische Organuntersuchungen vorzunehmen. Bei dem Versicherten sei von dem Pathologen Prof. J ... ein zytohistologisches Adenokarzinom festgestellt worden. Die Pleuritis carcinomatosa sei eine Begleiterkrankung dieses Krebsleidens. Sonographisch habe sich eine Raumforderung im Leber-Hilus-Bereich in der Nähe des Leberhilus ergeben. Die untersuchten Zellen aus dem Pleurapunktat hätten zwar die Möglichkeit eines Leber-Nierenkarizinoms offengelassen. Dieser Verdacht auf einen Primärtumor in diesem Organ-System werde auch durch die Diagnose eines Adenokarzinoms gestützt. Ein solches stelle jedoch kein Mesotheliom dar, weshalb ein asbestverursachtes Tumorleiden nicht wahrscheinlich gemacht werden könne. Auch spreche die Asbestexposition von 3 Faserjahren eher gegen als für einen asbestinduzierten Lungenkrebs oder ein Mesotheliom.

Die Klägerin hat ferner einen handschriftlichen Vermerk von Frau Dr. Z ..., Ärztin bei der Beklagten, vorgelegt, in dem es heißt: Pleuramesotheliom müßte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen" (LSG-Akten Bl. 34). Die Klägerin meint, diese Diagnose bestätige ihren Anspruch.

Auf eine entsprechende Nachfrage von seiten des Senats hat sich Frau Dr. Z ... dazu wie folgt geäußert:

Diese Aufzeichnung ist m.W. am 14.10.96 bei der Auswertung des Gutachtens von Prof. mit der Klägerin entstanden. Durch den Gutachter war erstmals auf Grund des Röntgenbefundes auch die Möglichkeit eines Pleuramesothelioms erwogen worden. Bei Bestätigung dieser Diagnose wäre eine Berufskrankheit-Anerkennung möglich.

Frau K ... wurde in aller Ausführlichkeit dargelegt, dass die vorliegenden Befunde diese Diagnose nicht stützen können und nur die Sektion eine Klärung ermöglicht hätte. Frau K ... wurde wunschgemäß die Diagnose und die Voraussetzung für deren Annahmen auf- geschrieben.

Aus der Aufzeichnung kann nicht geschlussfolgert werden, dass ich persönlich die Meinung vertreten habe, dass ein Pleuramestheliom mit hoher Wahrscheinlichkeit vorgelegen hat Diese Wahrscheinlichkeit war auch durch, die gehörten Gutachter nicht zu belegen.

In diesem Zusammenhang darf ich darauf aufmerksam machen, dass die Möglichkeit einer Exhumierung zur Sicherung der Diagnose im Beisein von Frau K ... mit dem Pathologen Prof. J ... telefonisch besprochen wurde. Diese Möglichkeit wurde verneint. Es war somit bereits am Ende des Gesprächs klar, dass eine Sicherung der Diagnose bzw. die Prüfung, ob ggf. ein Pleuramesotheliom vorgelegen haben kann, nicht mehr möglich ist.

Auf Anregung der Klägerin hat der Senat die Beklagte gebeten, Akten über drei frühere Arbeitskollegen ihres verstorbenen Ehemannes beizuziehen. Dies ist bezüglich von Herrn K. erfolgt. Die Anerkennung einer Berufskrankheit wurde mit bestandskräftigem Bescheid v. 4.6.1997 abgelehnt. Die Akten S. sind bereits vernichtet, die Akte B. betreffen ein Verfahren nach Berufskrankheit Nr. 1303 (Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol).

Mit den Beteiligten ist der Sachverhalt und die (fehlende) Aussicht auf Erfolg im Termin am 16.10.2001 erörtert worden, in dem sich diese auch mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt haben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19.6.1998 mit dem Bescheid vom 22.11.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Anerkennung einer Berufskrankheit des Versicherten die gesetzlichen Hinterbliebenenleistungen der Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Dem Senat liegen neben den Prozeßakten beider Rechtszüge die Verwaltungsakten vor.

Entscheidungsgründe:

Die fristgemäß eingelegte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

Die hier maßgebenden Normen hat das SG zutreffend genannt. Darauf wird ebenso Bezug genommen wie auf die Ausführungen des SG zur Sache, denen sich der Senat anschließt. Ergänzend ist hinzuzufügen:

Die Klägerin hat sachliche Einwände gegen die der Entscheidung des SG zugrundeliegenden Gutachten nicht vorgebracht, sondern vor allem geltend gemacht, man habe von seiten der Beklagten die erforderliche Obduktion versäumt, die eine Klärung der Todesursache hätte bringen können. Die Behauptung, sie habe sich nie geweigert, ihre Zustimmung dazu zu geben, entspricht jedoch nicht dem Akteninhalt. Aus einer Notiz von Frau Dr. Z ... (innere Abteilung des Kreiskrankenhauses R ...) über ein Gespräch mit der Ehefrau des Versicherten ergibt sich vielmehr, dass diese die Klägerin darüber aufgeklärt hat, dass man von seiten der Klinik keinen Anhalt für das Vorliegen einer Berufskrankheit habe und man deshalb auch keine Meldung an die Berufsgenossenschaft erstatten werde, ferner, dass die Sektion von den Angehörigen abgelehnt worden war (Beklagten-Akte Bl. 17 Rs). Es fehlt jeder Anhalt dafür, dass jene Notiz den Inhalt des Gesprächs nicht richtig wiedergegeben habe. Die Voraussetzungen für eine Beweiserleichterung oder gar für eine Umkehr der Beweislast sind schon aus diesem Grund nicht erfüllt.

Selbst wenn jedoch - was aber nach Auffassung des Senats nicht zutrifft - sich die Klägerin in einem von der Beklagten verschuldeten Beweisnotstand befände, führte dies zu keinem für die Klägerin günstigerem Ergebnis. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müßte sich auch in einem solchen Fall das Gericht davon überzeugen, dass der Tod durch einen in der BKV genannten Stoffe verursacht wurde, die bloße Möglichkeit dafür genügte nicht (BSG, Urteil v. 27.5.1997 - 2 RU 38/96 - SozR 3- 1500 § 128 Nr. 11).

Man kann zwar davon ausgehen, dass der Versicherte während seiner Berufstätigkeit sowohl Asbest (Nr. 4105) als auch dem Stoff PCB (Nr. 1310) ausgesetzt gewesen war. Doch das Gutachten Prof. S ... verneint einen Zusammenhang mit diesen Stoffen. Nach Auswertung der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur ist er zu dem Ergebnis gelangt, es gebe keine gesicherte Erkenntnis dafür, dass diese Stoffe überhaupt Krebs verursachen könnten. Es ist nicht ersichtlich, dass hier ein weiteres Gutachten zu wesentlich anderen Ergebnissen führen könnte. Die Klägerin hat dazu auch nichts weiter vorgetragen. Der Sachverständige bezeichnet es zwar als auffallend, dass noch eine Reihe anderer Arbeitskollegen des Versicherten ebenfalls an Krebs erkrankt seien, fügt jedoch auch hinzu, dass in Hinblick auf die überprüfte Literatur selbst dies nicht dafür ausreichte, um generell von einem hinreichend gesicherten Zusammenhang mit der PCB-Exposition auszugehen. Auch der Versuch des Senats, aus Akten von Arbeitskollegen des Verstorbenen weitere Aufschlüsse zu gewinnen, ist erfolglos geblieben. Bei K. ist es zu keiner Anerkennung gekommen, die Akten über A existieren nicht mehr, und bei B. geht es um eine andere Berufskrankheit. Auch wenn sich, wie der Sachverständige ausführt, bei Tierversuchen durch PCB Leberkrebs hervorrufen ließ, und bezüglich des Versicherten der Verdacht einer Leberkrebserkrankung geäußert wurde, ist weder gesichert, dass PCB auch beim Menschen Krebs hervorruft, noch dass bei dem Verstorbenen tatsächlich eine derartiger Leberbefund bestand. Auf derartige Vagheiten läßt sich keine richterliche Überzeugung bilden.

Der Sachverständige spricht ferner von den Möglichkeit, dass eine Asbestexposition zu einem Mesotheliom geführt haben könnte und meint, Aufschluß darüber könnte eine Analyse eventuell noch vorhandenen Gewebes bringen. Solche existieren aber nicht mehr.

Prof. J ... hat dazu deutliche Worte gefunden: Nach der derzeitigen Sachlage ist infolge der unterbliebenen Obduktion aus meiner Sicht ein Zusammenhangsgutachten nicht möglich, da die Histogenese, d.h. der Ausgangspunkt der durch die Zytologie gesicherten Geschwulst, nicht möglich ist (Beklagten-Akte Bl. 151).

Auch Dr. F ... hat in seiner Stellungnahme v. 8.10.1996 (Beklagten-Akte Bl. 134) bestätigt, dass es mehr als eine auf Röntgenaufnahmen gestützte Vermutung für das Bestehen eines Mesothelioms nicht gebe, und keine weiteren medizinischen Befunde dafür sprächen. Auch insoweit fehlt es an einer geeigneten Grundlage für die Überzeugung, der Tod des Versicherten sei durch den beruflichen Umgang mit Asbest verursacht worden.

Dafür, dass der Verstorbene an einer Asbeststaublungenerkrankung (Nr. 4104) gelitten habe und daran gestorben sei, fehlt jeder Anhaltspunkt.

Hinterbliebenenleistungen können der Klägerin deshalb nicht gewährt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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