L 18 V 8/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 V 8/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 8/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 8 b BVG (hier: Beschädigung einer Brille) zielt nicht unmittelbar
auf den Ersatz eines Sachschadens in Anlehnung an das Zivilrecht. Sein
Entschädigungsumfang wird durch die versorgungsrechtliche Grundentscheidung
konkretisiert, keinen vollen Schadenersatz zu leisten (vgl BSG SozR 3-3100
§ 18 Nr 5).
2. Nach der ersatzlosen Streichung des § 33 Abs 4 Satz 1 SGB V wird nunmehr
lediglich der früher von der Krankenkasse gezahlte Festbetrag von 20,00 DM für
ein Brillengestell im Wege des Härteausgleichs gem § 89 Abs 2 BVG von der
Versorgungsverwaltung gewährt (vgl Rundschreiben des BMA vom 05.12.1996 Nr VI
3-51013-35 Bundesarbeitsblatt 2/1997 S 91).
3. Eine Bindung des Beklagten an eine frühere Verurteilung zur vollen
Kostenerstattung besteht nicht (vgl BSG SozR 3-3100 § 10 Nr 6).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 17.01.1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger von dem Beklagten Kostenerstattung für die Ersatzbeschaffung einer Brille nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verlangen kann.

Der am 1921 geborene Kläger stürzte am 22.08.1994 infolge der bei ihm anerkannten Schädigungsfolgen am rechten Bein. Dabei wurde die Fassung seiner Brille irreparabel beschädigt. Er begehrte vom Beklagten die Erstattung der Kosten für die Ersatzbeschaffung in Höhe von 285,- DM zusätzlich zu dem geleisteten Zuschuss der Barmer Ersatzkasse in Höhe von 20,- DM. Der Beklagte lehnte eine Erstattung mit Schreiben vom 05.10.1994 ab. Zur Begründung führte er an, es bestehe zwar ein Anspruch auf Versorgung mit einer neuen Brille nach dem BVG, die Maßnahmen der Heilbehandlung würden sich aber nach den Vorschriften richten, die für Leistungen der Krankenkassen an ihre Mitglieder gelten. Eine Erstattung der Mehrkosten über die von der Barmer Ersatzkasse erstatteten 20,- DM hinaus sei laut Kassenrecht und somit nach dem BVG nicht möglich.

Im Widerspruchsverfahren wies der Kläger auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Bayreuth vom 22.08.1991 (Az S 3/8 V 123/90) hin, womit ihm nach einem Sturz eine volle Kostenerstattung für eine unbrauchbare Brille zugesprochen worden war. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte der Beklagte wegen Fristversäumnis zurückgenommen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1995 zurück und verneinte eine Bindung an das Urteil des SG Bayreuth vom 22.08.1991.

Im Klageverfahren vor dem SG Bayreuth hat der Kläger für die zerstörte Brille Kostenerstattung begehrt, soweit diese nicht durch die Krankenkasse erfolgt ist. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.01.1996 abgewiesen und die Berufung zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und auf das zusprechende Urteil des SG Bayreuth vom 22.08.1991 Bezug genommen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des SG Bayreuth vom 17.01.1996 sowie den Bescheid vom 05.10.1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 26.01.1995 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für die Anschaffung eines Brillengestells als Ersatz für die am 22.08.1994 beschädigte Brille zu erstatten, soweit sie nicht bereits von der Krankenkasse erbracht worden sind.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 17.01.1996 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten des Beklagten, die Archivakten des SG Bayreuth S 3/8 V 123/90, des Bayer. Landessozialgerichts L 10 V 139/91 sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Ersatzbeschaffung einer Brille gemäß § 8 b BVG über den von der Krankenkasse gezahlten Festbetrag hinaus.

Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des § 1 Abs 1 BVG steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, eine Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich (§ 8 b BVG). Die für einen Versorgungsanspruch nach § 8 b BVG erforderliche Voraussetzung - Beschädigung der Sache durch einen schädigenden Vorgang im Sinn des § 1 Abs 1 BVG (Wilke/Fehl Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 7. Auflage, § 8 b RdNr 3) - ist unstreitig gegeben. Der Sturz war die Folge der beim Kläger anerkannten Schädigungsfolgen am rechten Bein.

Die Besonderheit der Regelung des § 8 b BVG liegt darin, dass Versorgungsschutz bei der Beschädigung einer Sache zuerkannt wird, wobei die Beschädigung einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne von § 1 Abs 1 BVG gleichgestellt wird. Dies bedeutet, dass die Vorschriften der §§ 10 ff BVG über die Gewährung von Heilbehandlung von Schädigungsfolgen bei der Reparatur oder Gewährung einer neuen gleichwertigen Sache anzuwenden sind. Die Heilbehandlung umfasst gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 3 die Versorgung mit Brillen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gelten für die Leistungen nach Satz 1 die Vorschriften für die Leistungen, zu denen die Krankenkassen ihren Mitgliedern verpflichtet sind, entsprechend. Danach haben für die Versorgung mit Brillengestellen, die Krankenkassen (bis zur ersatzlosen Streichung des § 33 Abs 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch mit Wirkung ab 01.01.1997, vgl Beitragsentlastungsgesetz - BeitrEntlG - vom 01.11.1996 ) einen Festbetrag von 20,- DM gezahlt.

Die Barmer Ersatzkasse hat die dem Kläger zustehende Leistung in Höhe von 20,- DM für das Brillengestell bezahlt. Für einen weitergehenden Erstattungsanspruch fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Nach den hier gemäß § 11 Abs 1 Satz 2 BVG anzuwendenden Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung steht die Gewährung von Leistungen der Heilbehandlung unter dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Danach müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (aaO Abs 1 Satz 1) und zwar auch dann nicht, wenn das beschädigte Hilfsmittel etc. nach Umfang, Material und Ausführung darüber hinausgegangen ist (Wilke/Fehl aaO RdNr 1).

§ 8 b BVG zielt nicht - wie das SG Bayreuth in seinem Urteil vom 22.08.1991 ohne weitere Begründung im Ergebnis angenommen hat - unmittelbar auf den Ersatz eines Sachschadens in Anlehnung an das Zivilrecht. Sein Entschädigungsumfang wird, wie bei allen Heilbehandlungsansprüchen nach dem BVG, in erster Linie durch die versorgungsrechtliche Grundentscheidung konkretisiert, Versorgungsberechtigten keinen vollen Schadenersatz wegen medizinischer Behandlung von Schädigungsfolgen zu leisten (so BSG SozR 3-3100 § 18 Nr 5 zur medizinischen Behandlung von Gewaltopfern). Vielmehr gewährt das Versorgungsrecht Heilbehandlung auf dem standardisierten, kostengünstigen Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 11 Abs 1 Satz 2 BVG) und zwar ohne die dort angeordnete Kostenbeteiligung - § 18 Abs 1 Satz 2 BVG - (aaO). Anders als im Zivilrecht kann ein Versorgungsberechtigter nicht verlangen, dass ihm die nach seinen persönlichen Verhältnissen üblichen Kosten einer gehobenen medizinischen Versorgung aus staatlichen Mitteln erstattet werden (aaO).

Die ersatzlose Streichung des § 33 Abs 4 Satz 1 SGB V und die Ergänzung des § 33 Abs 1 SGB V dahingehend, dass der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nicht (mehr) die Kosten des Brillengestells umfasst (aaO) führen zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Es wird nunmehr lediglich der früher von der Krankenkasse gezahlte Festbetrag von 20,- DM für ein Brillengestell im Wege des Härteausgleichs gemäß § 89 Abs 2 BVG von der Versorgungsverwaltung gewährt (so auch Rundschreiben des BMA vom 05.12.1996 Nr VI 3-51013-35- Bundesarbeitsblatt 2/1997 S.91).

Eine Bindung des Beklagten an das Urteil des SG Bayreuth vom 22.08.1991 besteht nicht. Die Bewilligung einer konkreten Heilbehandlungsmaßnahme ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG SozR 3-3100 § 10 Nr 6).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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