L 18 V 4/94

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 V 126/89
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 4/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Antrag auf Beschädigtenversorgung ist verwirkt, wenn ein
Antragsteller - trotz Aufforderung durch die Versorgungsverwaltung - über
Jahrzehnte an der Sachverhaltsaufklärung nicht mitwirkt.
Sein Begehren, den Antrag - nach Wiederauffinden eines Entlassungsscheins -
dennoch zu bearbeiten, ist als illegale Verspätung der Rechtsausübung zu
werten, die einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.11.1993 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine chronische Sinusitis und eine Hörstörung rechts als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen sind und Beschädigtenversorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 90 vH (einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit) zu gewähren ist.

Der am 1928 geborene Kläger leistete vom 01.05.1944 bis 01.05.1945 Wehrdienst. Am 22.01.1946 wurde er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Er stellte erstmals am 27.06.1951 beim Versorgungsamt Düsseldorf einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen einer am 29.04.1945 durch eine Panzersprenggranate erlittenen Kopfverletzung. Das Versorgungsamt Düsseldorf lehnte den Antrag nach dreimaliger ergebnisloser Aufforderung zur Mitwirkung mit Bescheid vom 27.01.1954 mit der Begründung ab, der Kläger habe keine Beweismittel (Entlassungsschein) vorgelegt. Es werde deshalb angenommen, dass bei ihm eine rentenberechtigende Gesundheitsstörung nicht vorliege.

Am 20.03.1987 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Versorgung und gab zur Begründung an, jetzt seinen Entlassungsschein gefunden zu haben. Er machte geltend, dass durch die Nasenwurzel Granatsplitter in den Kopf eingedrungen seien. Auch seien die Wange und die linke Hand durch Granatsplitter verletzt worden. Die Finger der linken Hand seien wegen einer splitterbedingten Sehnenverletzung schon immer steif gewesen. 1978 habe er sein rechtes Gehör verloren. Aufgrund der Antragstellung 1951 sei kein Bescheid ergangen, sodass der nunmehrige Antrag weiter bearbeitet werden könne. Der Beklagte zog Behandlungsunterlagen der Neurochirurgischen Klinik der Universität E. und der Kopfklinik bei (CT-Befunde von 1979 und 1980, Röntgenbefund des Schädels von 1979) und befragte die Schwester des Klägers W.W. zu der Kriegsverletzung des Klägers. Diese berichtete in ihren Schreiben vom 12.09.1988/ 20.09.1988 von schwer heilenden Wunden im Gesicht des Klägers und von ernsten Störungen der Hirnfunktion während seines Studiums an der Technischen Hochschule Aachen. Es würden jetzt noch zwei Granatsplitter im Gehirn wandern und erhebliche Störungen und Schmerzen verursachen. Der Beklagte ließ den Kläger HNO-ärztlich, nervenärztlich und orthopädisch begutachten. Bei der HNO-Ärztin Dr.S. (versorgungsärztliches Gutachten vom 18.04.1989) gab der Kläger an, seine Hörminderung sei erst 1976 bzw 1977 aufgetreten. Aufzeichnungen über die Hörleistung zwischen 1945 und 1976 lagen Dr.S. nicht vor. Der Kläger gab an, in dieser Zeit sehr gut gehört zu haben. Er leide an rezidivierenden Entzündungen der linken Stirnhöhle mit beständigem Eiterfluss aus der Nase. Auch leide er an rezidivierenden Schmerzattacken im Bereich der Nasenwurzel mit Ausstrahlungen in das rechte Ohr. Bei der Untersuchung kam im Tonaudiogramm eine vorwiegend reine Innenohrschwerhörigkeit zur Darstellung, die links vorwiegend den Hochtonbereich betraf. Dr.S. hielt die Hörstörung nicht für schädigungsbedingt. Der vom Beklagten gehörte Orthopäde Dr.H.E. (Gutachten vom 04.04.1989) stellte eine seitengleiche freie Beweglichkeit des linken Handgelenks und der Fingergelenke fest. Es fand sich lediglich eine kaum sichtbare Stecknadelkopf große Narbe in der linken Hohlhand. Der von der Beklagten gehörte Nervenarzt Dr.H.G. (Gutachten vom 21.03.1989) stellte außer einer leichten Labilität des vegetativen Nervensystems keinen krankhaften Befund fest, insbesondere verneinte er das Vorliegen einer Trigeminusneuralgie und einer Gehirnverletzung unter Berufung auf die beigezogenen CT-Befunde von 1979 und 1980 der Neurochirurgischen Universitätsklinik E ...

Der Beklagte anerkannte mit Bescheid vom 26.05.1989 als Schädigungsfolgen mit einer MdE von 0 vH: 1. Narben im Bereich von Nasenwurzel, Nasenrücken und Wangen, 2. Narbe linke Hohlhand. Die Gesundheitsstörungen Septumdeviation, Sinusitis maxillaris rechts, Innenohrschwerhörigkeit beiderseits und vasomotorische Kopfschmerzen migränoider Art hielt er für schädigungsfremd.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat der Kläger die Einholung weiterer Gutachten durch Sachverständige außerhalb Bayerns und die Einvernahme seiner Ehefrau M.Z. zu den Umständen der seit 1945 ständig bestehenden Nasenhöhlenvereiterung beantragt, hilfsweise hat er die Anerkennung einer "chronischen Sinusitis" und die "Verletzung des rechten Gehörs" als weitere Schädigungsfolgen sowie entsprechende Beschädigtenversorgung begehrt. Das SG hat einen Befundbericht des Arztes für Innere Krankheiten Dr.W.S. vom 30.09.1990 über Behandlungen des Klägers von 1959 bis 1969 beigezogen und von Prof.Dr.J.T. (Nürnberg) ein Gutachten vom 23.01.1992 eingeholt. Dieser hat die Gesundheitsstörungen im Bereich der Nasennebenhöhlen wegen der langen beschwerdefreien Intervalle und des nicht nachweisbaren Eindringens von Metallfremdkörpern in die Nasennebenhöhlen sowie aufgrund der nicht traumatisch bedingten erheblichen Nasenscheidewandverbiegung für schädigungsunabhängig gehalten. Auch die Schädigung im Bereich des Gehörs hat er nicht auf die erlittene Splitterverletzung und auch zumindest nicht überwiegend auf eine schalltraumatische Schädigung zurückgeführt. Der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Prof.Dr.Dr.G., Ordinarius für Hygiene und Mikrobiologie an der Universität E. , hat in seinem Gutachten vom 14.06.1993 unter allgemein infektiologischen Gesichtspunkten eine völlige Ausheilung der durch äußerliche Splitterverletzungen hervorgerufenen Gesundheitsstörungen angenommen. Er hat es für ausgeschlossen gehalten, dass chronische, bakteriell verursachte Entzündungen ohne deutliche Brückensymptome über eine 20-jährige Latenzzeit fortbestehen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11.11.1993 abgewiesen und sich auf die eingeholten Gutachten gestützt. Es hat die Behauptung des Klägers, er habe zwischen dem Ende der 40er Jahre und 1976/1977 immer wieder an Nebenhöhlenentzündungen gelitten nicht für glaubhaft gehalten. Die Nichteinvernahme der Zeugin M.Z. hat es damit begründet, dass nach allgemeiner Erfahrung Zeugenaussagen zu Gesundheitsstörungen gänzlich ungeeignet seien. Auch ergebe sich aus den ärztlichen Unterlagen ab 1959 kein Hinweis, dass Nebenhöhlenentzündungen oder ähnliche Beschwerden vorgelegen hätten. Die Hörstörung sei erst Ende 1976 aufgetreten. Der langjährige Zeitablauf zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Auftreten der Schwerhörigkeit spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Die vom Kläger vorgetragene Argumentation, dass die Hörstörung aufgrund einer durch die Eitererreger im Nebenhöhlenbereich ausgelösten Otitis verursacht worden sei, sei nicht weiterführend, und habe daher nicht durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens überprüft werden müssen. Selbst wenn ein solcher Zusammenhang medizinisch-wissenschaftlich für wahrscheinlich gehalten werden könnte, so sei doch darauf hinzuweisen, dass der ursächliche Zusammenhang mit der Granatsplitterverletzung wegen der fehlenden Dokumentation von Brückensymptomen nach wie vor nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit angenommen werden könnte.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und begehrt, als weitere Schädigungsfolgen die Gesundheitsstörungen "chronische Sinusitis" und "Verletzung des rechten Gehörs" anzuerkennen und entsprechende Beschädigtenversorgung zu gewähren. Er hat sich gegen die Verwertung der vom SG eingeholten Gutachten gewandt und ua die Erstellung des Gutachtens des Prof.Dr.J.T. durch Hilfskräfte gerügt. Prof. Dr.J.T. hat mit Schreiben vom 20.04.1994 die Verantwortung für das Gutachten übernommen und erklärt, dass er grundsätzlich Gutachtenspatienten selbst sehe. Auch führe er eine Plausibilitätskontrolle durch. Auf Anfrage des Senats hat der den Kläger 1978 behandelnde Facharzt für HNO-Krankheiten Dr.K.G. dem Senat mitgeteilt, dass seine Diagnose "Exsudat rechte Kieferhöhle mit Cholesterin-Kristallen" eine eitrige Entzündung mit stinkendem Eiter ausschließe, "denn dann wäre es kein Exsudat, sondern eine eitrige Sinusitis". Das Exsudat finde sich oft in einer Kieferhöhlenzyste. Der Senat hat die Ehefrau des Klägers M.Z. und den Sohn des Klägers K.-P.Z. als Zeugen vom SG Nürnberg darüber einvernehmen lassen, ob die Nasennebenhöhlenentzündung in der Zeit von 1956 bis 1975 ausgeheilt gewesen ist oder ohne Unterbrechung bestanden hat. Auf die Niederschrift des SG vom 07.12.1995 wird Bezug genommen. Anschließend hat der Senat von Prof.Dr.J.H. ein HNO-ärztliches Gutachten vom 09.12.1996 mit neuroradiologischer Zusatzbegutachtung eingeholt. Dieser hat als Ursache der chronischen Entzündungszustände der Nasennebenhöhlen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine eigenständige Erkrankung der Nasenscheidewand angesehen. Die Hörminderungen beidseits hat er mit hoher Wahrscheinlichkeit teilweise auf eine kriegsbedingte Lärmschädigung als Höhenrichtschütze bei der Marineflak, Scharfschütze und Panzerfaustschütze bei einem Panzerjagdkommando sowie auf die Granatexplosion, in deren Folge sich der Kläger Granatsplitterverletzungen zugezogen hatte, zurückgeführt.

Der Beklagte hat sich mit einer HNO-ärztlichen Stellungnahme des Dr.N. vom 09.04.1997 gegen die Annahme einer knalltraumatischen kriegsbedingten Hochtonschädigung durch Prof.Dr.J.H. gewandt und an dem Gutachten des Prof.Dr.J.T. festgehalten.

Der Kläger hat Prof.Dr.J.H. als befangen abgelehnt und dies damit begründet, dass dieser ihn weder gesehen noch untersucht habe, das Gutachten aber am Schluss den Vermerk enthalte "aufgrund eigener Untersuchungen und Prüfung mit der Beurteilung einverstanden". Er hat ferner gerügt, dass Prof.Dr.J.H. zu sämtlichen Vorgutachten in der Gerichtsakte Zugang gehabt habe. Das Gutachten weise auch erhebliche wissenschaftliche Mängel auf. So hätten bei der Tonschwellenaudiometrie, dem Sprachaudiogramm sowie dem Lautheitseindruck im "Würzburger Hörfeld" eine statistische Absicherung durch ein Gutachten eines Lehrstuhls für Statistik und Wahrscheinlichkeitslehre erfolgen müssen. Darüber hinaus hat der Kläger seine eigene Vernehmung unter Eid über alle noch offen stehenden Fragen beantragt, zB darüber, dass die Entzündungen im Nasenbereich in der Zeit von 1945 bis 1977 nie ausgeheilt gewesen seien. Des weiteren hat er eine besondere berufliche Betroffenheit geltend gemacht, da er seinen Beruf als Lehrer ab 1978 wegen der Hörstörung nicht mehr habe ausüben können. Ferner hat er eine eidesstattliche Versicherung vom 20.09.1997 vorgelegt, wonach er bis zur Einberufung zur Marine keine Beschwerden mit der Nasenatmung oder wegen einer Nebenhöhlenentzündung gehabt habe. Außerdem hat er versichert, dass die Nasennebenhöhlenentzündung erstmals in einem russischen Sammellager aufgetreten sei. Zu seiner Hörminderung hat er vorgetragen, dass er bei der 10,5 cm-Batterie in Ruhwarden (Buttjadinger Land) Höhenrichtschütze gewesen sei. Bei jedem Einsatz von ca 22.00 Uhr bis 3.00 Uhr seien zwischen 100 und 160 Salven geschossen worden. Gehörschutz sei nicht zur Verfügung gestellt worden. Während seiner Studienzeit von 1948 bis 1951 und von 1970 bis 1975 an der TH Aachen habe er unbewusst immer in der vordersten Reihe gesessen, er habe aber nicht gewusst, dass er schwerhörig sei. Er habe aber immer wieder Schmerztabletten gegen die Schmerzen in der rechten Schläfe einnehmen müssen.

Mit Schreiben vom 14.10.1997 hat Prof.Dr.J.H. auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er das Gutachten persönlich verantworte. Die von seinen Mitarbeitern vorgenommenen Untersuchungen seien ausreichend, um eine eigene volle Zustimmung zur vorgenommenen Beurteilung zu begründen. Eine persönliche Untersuchung des zu Begutachtenden sei für die objektive Bewertung des Sachverhalts nicht notwendig gewesen.

Der HNO-Arzt des Beklagten Dr.N. hat in seiner Stellungnahme vom 13.01.1998 Knalltraumen als Genese der Schwerhörigkeit abgelehnt. Zur Begründung hat er angegeben, zum einen sei die Schwerhörigkeit erstmals 1975 erwähnt und zum anderen zeige der Umfang der Schwerhörigkeit seit dieser Zeit so erhebliche Schwankungen, dass eine knalltraumatische Genese nicht mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei.

Der Senat hat von Prof.Dr.H.F. ein HNO-ärztliches Gutachten nach Aktenlage vom 17.08.1998/12.04.1999 eingeholt. Prof.Dr.H.F. hat einen ursächlichen Zusammenhang sowohl der chronischen Nasennebenhöhlenentzündung als auch der beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit mit kriegsbedingten Einwirkungen nicht für ausreichend wahrscheinlich gehalten. Die vom Kläger beantragte Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen für mathematische Statistik hat er im Hinblick auf die wissenschaftlich unanfechtbare Standardisierung der Ton- und Sprachaudiometrie nicht für sinnvoll erachtet.

Mit Schreiben vom 20.10.1998 hat der Kläger die Sachkunde des Prof. Dr.H.F. bezweifelt und ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Der Senat hat die Ablehnungsgesuche gegen Prof.Dr.J.H. und Prof.Dr.H.F. mit Beschluss vom 30.08.1999 zurückgewiesen. Eine weitere Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluss hat die Vorsitzende des 18. Senats nicht für statthaft gehalten (Schreiben vom 28.03.2000). Ein Ablehnungsgesuch vom 04.04.2000 gegen die Vorsitzende Richterin am Bayer. Landessozialgericht (LSG) Dr.Salzer und die Richter am LSG Traub und Rubenbauer hat der Senat mit Beschluss vom 14.08.2000 zurückgewiesen. Eine weitere Beschwerde hat er auch insoweit nicht für statthaft erachtet (Schreiben vom 20.11.2000).

Mit Schreiben vom 19.09.1997/15.05.1999 hat der Kläger eine Verschleppung seines Antrags auf Anerkennung der Kriegsverletzung behauptet, da der Antrag bereits 1951 gestellt worden sei und die Behörden in den 26 Jahren zwischen 1951 und bis 1978 nicht einen einzigen Beweis durch Untersuchungen bzw durch Zeugenvernehmungen erhoben hätten. Er befinde sich deswegen heute in einer wesentlich schlechteren Beweisposition. Die Behörden hätten in nicht mehr zumutbarer Weise den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Eine solche grobe Verletzung der Amtspflichten führe zur Beweislastumkehr.

Am 14.05.2001 hat der Kläger unter Bezugnahme auf die Richterablehung vom 04.04.2000 die Vorsitzende Richterin Dr.Salzer und die Richter Traub und Rubenbauer "wegen erneuter und fortgesetzter Rechtsbeugung der Menschenrechte" zum zweiten Mal abgelehnt (Schreiben vom 13.05.2001). Die Ablehnung begründete er - wie schon bei der ersten Richterablehnung - im Wesentlichen damit, der Senat habe die Sachverständigen Prof.Dr.J.H. und Prof.Dr.H.F. zu Unrecht nicht als befangen abgelehnt. Für den Fall der erneuten Zurückweisung der Ablehnung hat der Kläger "vorsorglich und hilfsweise" die Beschwerde gemäß Art 13 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) eingelegt.

Der Kläger beantragt,

die Einholung eines Gutachtens des Prof.S., Lehrstuhl für Statistik, TH A. zu Fragen der statistischen Wahrscheinlichkeit bei Hörprüfungen, die Einholung einer Auskunft vom Institut für Hörforschung der Universität Gießen zu folgenden Fragen:
a) Wie hoch ist der Schalldruck in dB beim Abschuss einer 10,5-Granate der schweren Küstenartillerie?
b) Wie hoch wird der Schalldruck in etwa innerhalb des zur Geschützmündung hin offenen Geschützturms bei etwa 3 m Entfernung zum Ohr des Richtschützen sein?
c) Ab welchem Schalldruck entstehen bei einem nächtlichen Einsatz mit ca 100 bis 150 Geschütz-Salven bleibende Ge hörschäden?

Er beantragt ferner

die Beiziehung der Gerichtakte des BayLSG für Siegfried B. zur Auswertung der darin enthaltenen HNO-Gutachten bezüglich des Rechtstreits wegen Gehörschäden (Knalltrauma) aus geringfügigem Einsatz als Panzerschütze bei der Bundeswehr in Landshut. Prozess zwischen BfA (Kl.) und Sozialministerium (Bekl.) Az: SG Nürnberg S 8/AL 440/94. Er beantragt schließlich, ihn als Zeuge darüber einzuvernehmen, dass die Zielluke im Gefecht stets offen gewesen ist.

Hilfsweise beantragt er,

das Urteil des SG Nürnberg vom 11.11.1993 und den Bescheid des Beklagten vom 26.05.1989 aufzuheben und als weitere Schädigungsfolgen die Gesundheitsstörungen "chronische Sinusitis" und "Verletzung des rechten Gehörs" anzuerkennen sowie Beschädigtenrente nach einer MdE um 90 vH einschließlich einer besonderen beruflichen Betroffenheit zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 11.11.1993 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogenen Rentenakten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Beschädigtenakte und Schwerbehindertenakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen. Des weiteren hat der Senat beigezogen die Archivakten des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) L 2 U 205/88, L 8 A 137/89.U, L 2 B 262/86.UR, L 2 B 228/88.U, L 3 B 223/88.U, L 8 B 175/88.U, L 8 A 1/91.V, die Archivakten des SG Nürnberg S 01/VR 0061/86 UL 2, S 7 U 4072/86 L, S 7 VR 9/88 UL 1, S 7 U 5037/89 LZ, S 7 VR 27/84-Krlw 1, S 7/VR 4/85-Krlw 1, S 07/Kr 4001/86 Lw sowie die Archivakte des Bayer. Verwaltungsgerichtshofes 9 B 86.03011.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Es ist weder eine chronische Sinusitis noch eine Hörstörung rechts als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen.

Der Beklagte hat mit Bescheid vom 26.05.1989 den Anspruch des Klägers erstmalig verbeschieden. Es bestand weder Raum für eine Neufeststellung noch war der Antrag des Klägers beim Versorgungsamt Düsseldorf vom 27.06.1951 offen. Der Bescheid des Versorgungsamtes Düsseldorf vom 27.01.1954 ist nicht in Bestandskraft erwachsen, da sich kein Zustellungsnachweis in der reproduzierten Akte findet und der Kläger den Erhalt des Bescheides bestreitet. Der Antrag des Klägers vom 27.06.1951 ist aber verwirkt. Der Kläger hat ausweislich der von ihm mit seinem Antrag vom 16.03.1987 vorgelegten 3. Aufforderung des Versorgungsamtes Düsseldorf an der Aufklärung des Sachverhaltes nicht mitgewirkt. Hierzu wäre er aber verpflichtet gewesen. Auch wenn der vom Versorgungsamt Düsseldorf angeforderte Entlassungsschein vom Kläger 1951 nicht aufgefunden werden konnte, so hätte er doch an der Aufklärung des Sachverhaltes auf sonstige Art und Weise, zB durch Zeugenaussagen, mitwirken müssen. Hierauf hat das Versorgungsamt den Kläger auch hingewiesen, wie sich aus der mit seinem nunmehrigen Antrag vorgelegten 3. Aufforderung des Versorgungsamtes vom 02.12.1953 zur Mitwirkung ergibt. Der Kläger hat - wenn er den Ablehnungsbescheid vom 27.01.1954 nicht erhalten hat - über Jahrzehnte an der Sachverhaltsaufklärung nicht mitgewirkt. Dieses Verhalten hat die Verwirkung seines Antrages vom 27.06.1951 zur Folge (vgl Wilke/Fehl, Soziales Entschädigungsrecht, Kommentar, 7. Auflage, § 1 RdNr 115 unter Verweisung auf BSG Urteil vom 23.11.1962 - 8 RV 305/59 - BVBl 1963 Seite 90 Nr 33). Wenn der Kläger nunmehr geltend macht, sein Antrag von 1951 könne im Jahre 1987 nach Wiederauffinden des Entlassungsscheins weiterbearbeitet werden, so ist dieses Begehren als eine illoyale Verspätung der Rechtsausübung zu werten, die einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt, § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (Palandt, Kommentar zum BGB 51. Auflage § 242 RdNr 87).

Den Antrag auf Versorgung vom 20.03.1987 hat der Beklagte zu Recht abgelehnt. Nach § 1 Abs 1 BVG erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen einer Schädigung auf Antrag Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des miliärischen oder militärähnlichen Dienstes oder die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dabei müssen - wie in allen Zweigen des sozialen Entschädigungsrechts - die anspruchsbegründenden Tatsachen nachgewiesen, dh ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich bewiesen sein (BSG SozR 3-3200 § 81 Nr 16 mwN). Es müssen sich zumindest drei Tatsachenkomplexe oder Glieder der Kausal-(Ursachen-)Kette sowie zwei dazwischenliegende Kausalzusammenhänge feststellen lassen (aaO mwN). Die drei Tatsachenkomplexe bedürfen des Vollbeweises. Der erste Komplex ist die geschützte Tätigkeit, hier also die militärische Dienstverrichtung. Infolge dieser Verrichtung muss ein schädigendes Ereignis eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen haben. Aufgrund dieser Schädigung muss es dann zu der in MdE-Graden zu bewertenden Schädigungsfolge gekommen sein. Das "schädigende Ereignis" wird üblicherweise als weiteres selbstständiges Glied der Kausalkette zwischen geschützter Tätigkeit und Primärschaden angesehen (aaO mwN). Auch dieses bedarf grundsätzlich des Vollbeweises. Dagegen genügt für den Nachweis des haftungsbegründenden ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung (Primär- oder Erstschaden) sowie des haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhangs zwischen der gesundheitlichen Schädigung und der späteren gesundheitlichen Entwicklung (die "Schädigungsfolgen") die Wahrscheinlichkeit (aaO). Diese ist gegeben, wenn mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

Das schädigende Ereignis "Granatsplitterverletzung" hat nach den vom SG und Senat eingeholten Sachverständigengutachten keine gesundheitliche Schädigung der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen sowie des rechten Gehörs verursacht. Schädigungsbedingte Stirnhöhlen- und Nasennebenhöhlenvereiterungen in den Jahren 1945/1946 sind nicht nachgewiesen. Die vom Kläger in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 20.09.1997 angeführte Selbstdiagnose reicht für den Nachweis eines Primärschadens nicht aus.

Der vom SG gehörte Prof.Dr.J.T. hat in seinem Gutachten vom 23.01.1992 - dem der Senat folgt - eine tiefer greifende Schädigung der Nasenhaupt- und Nasennebenhöhlen durch das schädigende Ereignis "Granatsplitterverletzung" nicht angenommen. Er vermochte nicht nachzuvollziehen, weshalb die geklagten Verletzungen zu behandlungsbedürftigen Stirnhöhlenentzündungen links geführt haben sollen. Insbesondere war auf der o.B. befundeten Nasennebenhöhlenaufnahme der Neuroradiologie Erlangen vom 11.05.1979 keine - wie vom Kläger behauptete - knöcherne Verletzung zu erkennen, die geeignet gewesen wäre, ein Eindringen von Metallteilen in die Nasennebenhöhlen bzw in das Schädelinnere anzunehmen. Für das Entstehen der Sinusitis hat Prof.Dr.J.T. vielmehr die Nasenscheidewandverbiegung des Klägers in Betracht gezogen.

Zum gleichen Ergebnis sind die vom Senat gehörten HNO-ärztlichen Sachverständigen Prof.Dr.J.H. und Prof. Dr.H.F. gelangt. Letzterer betont, dass es nicht den geringsten Anhalt gibt, dass die Splitterverletzung bis in die Nasennebenhöhlen vorgedrungen ist. Ein Metallsplitter konnte in keiner der Nasennebenhöhlen nachgewiesen werden. Soweit objektive Befunde einer Nasennebenhöhlenentzündung erhoben werden konnten, betrafen sie die Kieferhöhlen und zeigten sich in Form von Zysten, also einer nicht eitrigen, in der Regel auch nicht bakteriell hervorgerufenen Anschwellung der Schleimhäute. So hat auch Dr.K.G. darauf hingewiesen, dass der Befund, der sich bei der Kieferhöhlenspülung 1976 mit Colesterinkristallen in der Spülflüssigkeit dokumentierte, eine eitrige Entzündung mit stinkendem Eiter ausschließt.

Prof.Dr.Dr.W.G. hält es in für den Senat nachvollziehbarer Weise aus allgemein infektiologischen Gesichtspunkten für ausgeschlossen, dass die Spitterverletzung mit einer bakteriellen Wundinfektion vor fast 50 Jahren mit derzeitigen Krankheitssymptomen in ursächlichem Zusammenhang steht. Soweit Prof. Dr.Dr.W.G. die vom Kläger 1945/1946 behaupteten Stirnhöhlenvereiterungen noch als Folgen der Splitterverletzung - mit späterer völliger Ausheilung - gedeutet hat, vermag ihm der Senat nicht zu folgen, da Prof.Dr.Dr.W.G. - wie er selbst ausführt - den Kläger auf HNO-ärztlichem Gebiet wegen fehlender ärztlicher Kompetenz nicht begutachtet hat. Die Frage, ob vom Kläger behauptete Stirnhöhlenvereiterungen in den Jahren 1945/1946 auf die erlittene Splitterverletzung zurückzuführen sind, war allein von einem HNO-ärztlichen Sachverständigen zu beantworten. Stirnhöhlenvereiterungen aus dieser Zeit sind aber genauso wenig nachgewiesen wie Vereiterungen der Nasennebenhöhlen.

Anhaltspunkte für das Vorliegen einer durch die Splitterverletzung verursachten Stirnhöhlenvereiterung 1945/1946 ergeben sich auch nicht aus der vom Beklagten eingeholten Erklärung der Schwester des Klägers W.W ... Diese hat nur von schwer heilenden Wunden im Gesicht berichtet und wandernde Splitter im Gehirn des Klägers vermutet. Die vom SG Nürnberg einvernommene Ehefrau sowie der Sohn des Klägers konnten nur Aussagen für die Zeit ab etwa 1970 bis 1994 machen. Aus ihren Aussagen lassen sich nach den Feststellungen des Prof.Dr.H.F. auch keine verwertbaren Rückschlüsse auf das Bestehen eines Primärschadens 1945/1946 ziehen. Soweit die Zeugen von Absonderungen aus der Stirnwunde nach Granatsplitterverletzung berichten, bestätigen sie nur, dass es im Stirnbereich eine längeranhaltende und rezidivierend wieder aufbrechende Entzündung gegeben hat. Dies beweist nicht, dass die Nasennebenhöhlen hieran ursächlich beteiligt waren. Die Beschaffenheit des Nasensekrets mit üblem Nasengeruch sowie Blut- und Eiterspuren in den Taschentüchern beweise nach den Feststellungen des Prof.Dr.H.F. ebenfalls nicht, dass es sich um eine eitrige Nasennebenhöhlenentzündung gehandelt hat. Blutspuren gehören demnach gerade nicht zu den charakteristischen Merkmalen einer eitrigen Sinusitis, sondern sie finden sich am häufigsten bei einer zu trockenen Beschaffenheit des Nasensekretes in der Nasenhaupthöhle, einer sogenannten Rhinitis sicca. So berichtete der Kläger bei der Begutachtung durch Prof.Dr.J.T. über Verkrustungen und Borkenbildungen in der Nase. Bei der Untersuchung zeigte sich eine Nasenscheidewandverbiegung ganz erheblichen Grades nach links, wobei die Nasenschleimhäute eher trocken und borkig belegt waren. Die Beobachtungen der beiden Zeugen, aber auch die des Klägers selbst, hinsichtlich der Beschaffenheit des Nasensekretes finden hier ihre medizinisch plausible Erklärung. Zudem beweist der radiologische Befund der Unversitäts-HNO-Klinik W. , dass lediglich eine Schwellung der Schleimhaut in den Nasennebenhöhlen bestanden hat, insbesondere in der linken Kieferhöhle. Eine Flüssigkeitsansammlung hat sich aber nicht gefunden. Dieser Befund ist nach den Feststellungen des Prof. Dr.H.F. typisch für eine nicht eitrige, nicht bakteriell bedingte Sinusitis.

Auch ein Hörschaden rechts ist nicht als weitere Schädigungsfolge anzuerkennen. Die Hörstörung ist weder auf eine schädigungsbedingte Verletzung im Stirn- oder Nasennebenhöhlenbereich noch auf ein erlittenes Knalltrauma zurückzuführen.

Nachdem eine schädigungsbedingte Stirn- oder Nasennebenhöhlenentzündung nicht vorliegt, kann auch ein Gehörschaden hierauf nicht zurückgeführt werden. Die vom Kläger behauptete Kausalkette, die eine Verbindung zwischen einer Verletzung im Nasennebenhöhlenbereich mit einer Hörverschlechterung auf dem rechten Ohr im Jahr 1975 herstellen soll, entbehrt nach den Feststellungen des Prof. Dr.H.F. jeglicher Grundlage. Zwar ist davon auszugehen, dass die Granatsplitterverletzung eine Wunde im Bereich der Nasenwurzel verursacht hat und diese mit Eitererregern auch infiziert war. Dies erklärt, dass es dort über längere Zeit zu Entzündungen und eitrigen Absonderungen gekommen ist. Es ergibt sich aber kein Anhalt dafür, dass eine Verletzung der Nasennebenhöhlen durch Splittereinwirkung stattgefunden hat, da Metallsplitter in keiner der Nasennebenhöhlen nachgewiesen werden konnten. Wegen der Lokalisation der Verletzung wäre hier allenfalls eine Verletzung der Stirnhöhle in Betracht gekommen, was aber nach den vorliegenden Röntgenbefunden mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die von Dr.K.G. 1978 festgestellten Befunde betrafen die Kieferhöhlen und zeigten sich in Form von Zysten, somit einer n i c h t eitrigen, in der Regel auch n i c h t bakteriell hervorgerufenen Anschwellung der Schleimhäute. Ein Kausalzusammenhang dahingehend, dass - wollte man das Vorliegen einer schädigungsbedingten Nasennebenhöhlenentzündung unterstellen - Krankheitserreger über den Nasenrachenraum und die Tube oder über die Blutbahn zu einer akuten Mittelohrentzündung geführt haben, wäre schon deswegen nicht wahrscheinlich, weil es am Nachweis einer abgelaufenen Mittelohrentzündung fehlt. Dr.K.G. hat beim Kläger lediglich eine Otitis externa, also eine Entzündung der Haut des äußeren Gehörgangs, behandelt. Eine Otitis externa geht aber nach den Feststellungen des Prof.Dr.H.F. praktisch niemals in eine Mittelohrentzündung über. Beide Erkrankungen haben nichts miteinander zu tun.

Eine primäre Hörschädigung durch die Granatexplosion mit Splitterverletzung am Nasenrücken ist nicht anzunehmen, da es am zeitlichen Zusammenhang mit der vom Kläger angegebenen Hörverschlechterung fehlt. Der Kläger hat mehrfach betont, dass es erst 1975 zu einer plötzlichen Hörminderung des rechten Ohres gekommen ist. Ebenso ist beim Kläger kein primäres Knalltrauma als Höhenrichtschütze bei der Marineflak nachgewiesen. Zwar ist davon auszugehen, dass die Schallpegel beim Abschuss der Flak mehr als 150 dB betragen haben. Es ist auch glaubhaft, wenn der Kläger von einer Vertäubung nach Schießvorgängen berichtet. Dies hat aber zu keinem bleibenden nachgewiesenen Gehörschaden geführt. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang der nunmehrigen Schwerhörigkeit mit den Schießvorgängen spricht, dass die Hörstörung erst im fortgeschrittenen Alter aufgetreten ist (vgl Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage S. 384). Der Kläger hat bei verschiedenen Anlässen von einer Hörminderung ab 1975/1977/1978 berichtet (Antrag vom 16.03.1987: "Ich verlor 1978 mein rechtes Gehör"; Untersuchung Dr.S. am 21.03.1989: "Auf die konkrete Frage nach einer Hörminderung gibt er an, dass er zwischen 1945 und 1976 sehr gut gehört habe"; Schriftsatz des Klägers vom 02.01.1990: "Dass der Kläger erst seit 1977 hörgeschädigt ist, ist durch Zeugenbeweis belegbar"). Es ist deshalb für den Senat nachvollziehbar, wenn Prof. Dr.H.F. aus ärztlicher Erfahrung aus diesen Äußerungen ableitet, dass vor 1975 eine Hörstörung von gutachtlich relevantem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorgelegen hat. Die Feststellung des Prof.Dr.H.F. wird auch durch den behandelnden Internisten Dr.S. gestützt, der in seinem internistischen Gutachten für die BfA vom 29.11.1978 berichtet, der Kläger habe bezüglich der Entwicklung seiner Schwerhörigkeit angegeben, er habe 1975 nach schweren Aufregungen einen Hörsturz erlitten und sei seitdem schwerhörig. Schließlich wird im Befundbericht des Dr.W.S. vom 30.09.1990, der sich über einen Zeitraum vom 03.12.1959 bis 13.03.1969 erstreckt, von einer Hörstörung des Klägers nicht berichtet.

Dem Gutachten des Prof.Dr.J.H. kann - soweit er ohne Begründung eine kriegsbedingte Lärmschädigung beidseits mit einer MdE von 15 vH annimmt - nicht gefolgt werden. Eine solche Annahme ist rein spekulativ.

Für den Nachweis des Entstehens einer primären Hörstörung kann eine Beweiserleichterung im Sinne der Glaubhaftmachung nicht gewährt werden. Zwar kann im Falle eines "Beweisnotstandes", dh in Fällen, in denen für den Nachweis anspruchsbegründender Tatsachen besondere Schwierigkeiten bestehen, das Gericht eine Beweiserleichterung gewähren und an die Bildung der richterlichen Überzeugung weniger hohe Anforderungen stellen (vgl BSG SozR 3-1750 § 444 Nr 1). Eine Beweiserleichterung kommt hier jedoch schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger vor seinem Antrag auf Anerkennung am 20.03.1987 Jahrzehnte hat verstreichen lassen, ohne die Anerkennung von Schädigungsfolgen zu betreiben. Beweiserleichterungen gibt es nur für kriegsbedingte Beweisnot (so BSG SozR 3-3100 § 5 Nr 2). Dabei ist es unerheblich, ob der Kläger den Ablehnungsbescheid vom 27.01.1954 erhalten hat. Jedenfalls hat sich der Kläger nach seiner Antragstellung vom 27.06.1951 nicht mehr um seine Versorgungssache gekümmert und hat auf Monierungen vom 13.08.1953, 27.10.1953 und 15.12.1953 (letztere per Einschreiben) nicht reagiert. Auch in der Folgezeit hat er die Anerkennung der angeblichen Schädigungsfolgen nicht weiter verfolgt. Es kann daher auch keine Rede davon sein, dass die Versorgungsverwaltung die Anerkennung seiner Schädigungsfolgen verschleppt hat und deshalb nunmehr eine Beweislastumkehr eingetreten ist. Der Kläger hat selbst zu verantworten, dass keine Ohrbefunde aus den 50er und 60er Jahren existieren, aus denen sich Rückschlüsse auf einen erlittenen Primärschaden ableiten lassen.

Die eingeholten Gutachten der Professoren Dr.J.T. und Dr.J.H. konnte der Senat ohne Einschränkung verwerten, obwohl weitere Ärzte bei der Erstellung der Gutachten mitgewirkt haben. Die Mitwirkung von anderen Ärzten bei der Gutachtenerstellung ist nämlich zulässig. Der Sachverständige muss das Gutachten aber persönlich verantworten (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage § 118 RdNr 11g). Ein Sachverständiger hat im Gutachten oder nachträglich zum Ausdruck zu bringen, dass er die von der Hilfskraft vorgenommene Untersuchung für ausreichend hält, um darauf die eigene volle Zustimmung der Beurteilung zu gründen, und dass er für die Bewertung den Kläger nicht hätte persönlich sehen müssen (so BSG, SozR 1500 § 128 Nr 24). Bestehen Zweifel, ob der beauftragte Sachverständige die volle zivil- und strafrechtliche Verantwortung für ein Gutachten trägt, bei dem eine andere Person mitgewirkt hat, so muss das Gericht dafür sorgen, dass die Zweifel durch eine ausdrückliche Erklärung des Sachverständigen beseitigt werden (BSG-Urteil vom 28.05.1988 - 9/9aRV 40/85 in NZA 1989 Seite 197). Dies ist vorliegend durch die vom Senat herbeigeführten Stellungnahmen des Prof.Dr.J.T. vom 20.04.1994 und des Prof.Dr.J.H. vom 14.10.1997 erfolgt. Die Sachverständigen haben damit zweifelsfrei die persönliche Verantwortung für die erstellten Gutachten übernommen. Prof.Dr.J.H. hat zudem erklärt, dass eine persönliche Untersuchung des Klägers durch ihn nicht erforderlich gewesen ist. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass der Anspruch des Klägers auch unbegründet ist, wenn der Senat das Gutachten des Prof.Dr.J.H. nicht berücksichtigt. Der Senat kann Prof.Dr.J.H. ohnehin nicht folgen, soweit dieser einen Teil der Hörstörung auf Kriegseinflüsse zurückführt. Bezüglich der geltend gemachten Schädigungsfolge "Sinusitis" kommen alle drei gehörten HNO-Sachverständigen zu dem gleichen Ergebnis mit der Folge, dass sich die medizinische Sachlage auch bei Nichtberücksichtigung des Gutachtens des Prof.Dr.J.H. nicht ändert. An der Fachkunde des auf HNO-ärztlichem Gebiet international anerkannten Prof.Dr.H.F. konnte der Kläger bei vernünftiger Betrachtung nicht zweifeln.

Der Senat war nicht gehalten, weitere Beweise zu erheben. Die Einholung eines statistischen Wahrscheinlichkeitsgutachtens zur Korrektur der bislang angewendeten Methoden bei der Auswertung von Ton- und Sprachaudiogrammen war schon deshalb nicht geboten, da bereits eine primäre Hörschädigung bzw ein primäres Knalltrauma nicht nachgewiesen ist. Darüber hinaus sind - worauf Prof.Dr.H.F. zutreffend hingewiesen hat - die Methoden der Ton- und Sprachaudiometrie durch eine Reihe von deutschen und internationalen Normvorschriften festgelegt. Bei der Entwicklung und Standardisierung sowohl der Tonaudiometrie als auch der Sprachaudiometrie war die Physikalisch-Technische Normausschüsse und die PTB stellen höchste wissenschaftliche Institutionen in Deutschland dar und garantieren das wissenschaftlich unanfechbare Niveau der audiometrischen Verfahren. Eine Vernehmung des Klägers als Zeuge kommt im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da die für die Durchführung der Beweisaufnahme maßgebliche Vorschrift des § 118 Abs 1 SGG nicht auf die Vorschriften über die Parteivernehmung der §§ 445 ff Zivilprozessordnung (ZPO) verweist (BSG SozR § 445 ZPO Nr 1). Beweiserhebungen zur Lärmexposition der Klägers als Richtschütze bei der Marineflak waren nicht geboten, da der Senat die vom Kläger behauptete Lärmeinwirkung als zutreffend unterstellt.

Der wiederholte Antrag auf Ablehnung der Vors. Richterin Dr.Salzer und der Richter Traub und Rubenbauer ist unzulässig, weil rechtsmissbräuchlich. Das Gericht braucht über ein missbräuchliches Ablehnungsgesuch nicht ausdrücklich zu entscheiden (Peters-Sautter-Wolff, Kommentar, 4. Auflage § 60 S 186/7, BSG SozR Nr.6 zu § 41 ZPO; BVerfGE 11, 348). Der Kläger hat das schon abgelehnte Gesuch vom 04.04.2000 ohne neue Gründe lediglich wiederholt. Es bleibt dem Kläger unbenommen, sich nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe mit einer Individualbeschwerde gemäß Art 34, 35 EMRK an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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