S 10 AL 88/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AL 88/01
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 19.02.2001 und 02.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2001 dazu verurteilt, dem Kläger weiter Insolvenzgeld in Höhe von 4.897,83 DM zu zahlen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers und des Beigeladenen dem Grunde nach.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Insolvenzgeld unter Berücksichtigung des vollen 13. Monatsentgelt zu gewähren hat.

Der im Jahr 1944 geborene Kläger war bei der Firma N Q C GmbH seit Juli 1968 beschäftigt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 01.02.2001 (AZ.: 00 IN 000/00) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen dieser Firma eröffnet. Der Beigeladene wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Anfang Februar 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld.

Mit Bescheid vom 19.02.2001 und Änderungsbescheid vom 02.03.2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2000 bis 31.01.2001 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 00.000,00 DM. Dabei berücksichtigte sie lediglich 3/12 der dem Kläger in Höhe eines 13. Monatseinkommens zustehenden Sonderzahlung.

Mit dem am 09.03.2001 eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger die Berücksichtigung des vollen 13. Monatsgehaltes bei der Berechnung des Insolvenzgeldes. Zur Begründung führte er aus, dass das 13. Gehalt jeweils im November des laufenden Jahres ausgezahlt wurde und er daher einen Anspruch auf Auszahlung des gesamten 13. Gehaltes habe.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 17.04.2001 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Jahressondervergütungen, deren einziger Zweck die zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit sei, nur in Höhe ihres auf dem Insolvenzgeldzeitraum entfallenen Anteiles zu berücksichtigen seien (maximal mit 3/12 der Gesamtleistung). Könne der einer Jahressondervergütung zugrundeliegende Zweck nicht oder nicht eindeutig ermittelt werden, sei davon auszugehen, dass ausschließlich eine zusätzliche Vergütung für die geleistete Arbeit innerhalb des Bezugsjahres bezweckt wurde mit der Folge, dass maximal 3/12 der Gesamtleistung einen Insolvenzgeldanspruch begründen könne. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lasse sich ein höherer Anspruch des Klägers nicht herleiten.

Hiergegen richtet sich die am 31.05.2001 erhobene Klage.

Der Kläger macht geltend, dass die Beklagte § 183 SGB III fehlerhaft angewandt habe. Auszugleichen sei, das für den Insolvenzgeldzeitraum ausgefallene Arbeitsentgelt. Hierzu gehöre auch das im Insolvenzgeldzeitraum fällig gewordene 13. Monatsgehalt. Nach dem abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 00.00.1995 habe er einen Anspruch auf ein monatliches Grundgehalt zunächst in Höhe von 0.000,00 DM erworben, welcher jährlich - neben einer Tantieme - an 13 Monaten zur Auszahlung gelangt ist. Dabei sei das Grundgehalt an jedem Kalendermonat ausgezahlt worden und eine zusätzliche Zahlung in Höhe eines Gehaltes sei nach betrieblicher Übung im November eines jeden Jahres erfolgt. Dies ergäbe sich auch aus den vorhandenen Gehaltsabrechnungen der Monate Novemer 1996, 1997, 1998 und 1999. Aufgrund einer Anpassung des Grundgehaltes vom 10.08.1998 und einer weiteren Gehaltsanpassung habe das monatliche Bruttoentgelt zuletzt 0.000,00 DM betragen. Nach der eindeutigen Vertragsgestaltung habe er nicht lediglich einen Anspruch auf 3/12 eines Monatsgehaltes als "Jahressonderleistung", sondern er könne für den Monat Dezember 2000 ein volles Gehalt als regelmäßige Zahlung beanspruchen. Vorliegend handele es sich um eine Sonderzahlung, die jeweils zu einem bestimmten Stichtag gezahlt werde, ohne dass sie als Gegenleistung einem bestimmten Zeitraum zugeordnet werden könne. In diesen Fällen sei die Sonderzahlung in der vollen Höhe versichert, wenn der Auszahlungstag in den Insolvenzgeldzeitraum falle.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19. Februar 2001 und 2. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2001 zu verurteilen, dem Kläger weiteres Insolvenzgeld in Höhe von 4.897,83 DM zu zahlen.

Der Beigeladene schließt sich der Argumentation des Klägers im Wesentlichen an und stellt keinen eigenen Antrag.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die getroffene Verwaltungsentscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Insolvenzakte der Beklagten betreffend den Kläger sowie der Insolvenzakte Allgemeiner Teil betreffend die Firma N Q C GmbH Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger ist durch die Bescheide der Beklagten vom 19.02.2001 und 02.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2001 insoweit beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG, als die Beklagte zu Unrecht die Gewährung von weiterem Insolvenzgeld in Höhe von 4.897,93 DM abgelehnt hat.

Nach § 183 Sozialgesetzbuch 3. Buch hat Anspruch auf Insolvenzgeld ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis (§ 183 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Zwischen den Beteiligten ist lediglich streitig, ob auch die dem Kläger zustehende "Sonderzahlung" in Höhe eines 13. Monatsgehaltes in voller Höhe in die Berechnung des Insolvenzgeldes einzubeziehen ist.

Das nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 00.00.1995 vereinbarte 13. Monatsgehalt ist Arbeitsentgelt im Sinne des § 183 Abs. 1 SGB III. Darunter sind grundsätzlich alle Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis zu verstehen, d. h. alle Leistungen des Arbeitgebers, die eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstellen (BSG in Soz R 4100 § 141 b Nr. 26 mit weiteren Nachweisen; Henning/Kühl/Heuer SGB III Kommentar § 183 Rand-Nr. 119 f). Auch zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es sich bei dem 13. Monatsgehalt um eine Gegenleistung des Arbeitgebers für eine Leistung des Arbeitnehmers und somit um Arbeitentgelt im Sinne der Vorschrift handelt.

Streit besteht allein darüber, ob das nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages festgelegte 13. Monatsgehalt als Arbeitsentgelt allein dem Monat November 2000 oder gleichmäßig verteilt dem ganzen Jahr 2000 zuzuordnen ist.

Nach ständiger Rechtssprechung des Bundessozialgerichts richtet sich die Zuordnung einer im Insolvenzgeldzeitraum fällig gewordenen vereinbarten Sonderzahlung danach, ob aus den getroffenen Vereinbarungen zu entnehmen ist, dass sich die Sonderzahlungen den Monaten des gesamten Jahres oder dem Monat zuordnen lässt, in dem die Zahlung fällig wurde (BSG in Soz R 4100 § 141 b Nr. 8, 40, 42; Soz R 3-4100 § 141 b Nr. 1, Urteil des BSG vom 09.12.1997, AZ.: 10 RAr 5/97; Urteil deä BSG vom 02.11.2000; AZ.:B 11 AL 87/99 R). Lässt sich eine Zuordnung zu den einzelnen Monaten des Jahres nicht vornehmen, so ist die Sonderzahlung nach ständiger Rechtsprechung des BSG in voller Höhe beim Insolvenzgeld zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis hätte ausgezahlt werden müssen (BSG in Soz R 4100 § 141 b Nr. 42; Soz R 3 - 4100 § 141 b Nr. 1; Urteil des BSG vom 02.11.2000 und 09.12.1997, s. o.).

Die zeitliche Zuordnung des 13. Monatsgehaltes bestimmt sich nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 23.11.1995. Darüber hinausgehende weitere Regelungen wurden zwischen den Arbeitsvertragsparteien nicht geschlossen. Aus § 2 ergibt sich, dass sich das 13. Monatsgehalt nicht anteilig den einzelnen Monaten des Jahres zuordnen lässt. Die arbeitsvertragliche Regelung sieht keine Staffelung der Sonderzahlung für den Fall vor, dass der Kläger während des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Darüber hinaus wurde auch keine Regelung dahingehend getroffen, wonach der Kläger in den Fällen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses für begrenzte Zeit bzw. des unentschuldigten Fehlens lediglich eine anteilige Sonderzahlung erhalten sollte. Aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des § 2 ist die Kammer zu der Einschätzung gelangt, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Anspruch auf Zahlung des 13. Monatsgehaltes ohne Aufteilung nach der Dauer der Arbeitsleistung im Kalenderjahr begründet werden sollte. Da sich das 13. Monatsgehalt hiernach nicht anteilig den einzelnen Monaten des Jahres 2000 zuzuordnen lässt, sie darüber hinaus im November 2000 und somit innerhalb des Insolvenzgeldzeitraumes fällig geworden ist, ist sie in voller Höhe beim Insolvenzgeld zu berücksichtigen.

Hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunktes hat die Kammer dabei berücksichtigt, dass in § 2 des Arbeitsvertrages keinerlei Regelung betreffend den Fälligkeitszeitpunkt getroffen wurde. Aus den vorgelegten Verdienstbescheinigungen der Jahre 1996 bis 1999 lässt sich jedoch entnehmen, dass dieses 13. Monatsgehalt jeweils mit der Abrechnung für den Monat November gezahlt wurde. Daraus, dass das 13. Monatsgehalt über Jahre hinweg vorbehaltlos im November gezahlt wurde, ergibt sich ein Vertrauenstatbestand im Sinne einer betrieblichen Übung, die einen vertraglichen Anspruch auf Beibehaltung dieser Sonderzahlung in der bisherigen Weise begründete. Ein solcher Anspruch kraft betrieblicher Übung entsteht regelmäßig bereits nach dreimaliger Zahlung, falls nicht besondere Umstände entgegenstehen bzw. der Arbeitgeber einen Bindungswillen für die Zukunft ausgeschlossen hat (unter anderem BAG AP Nr. 7 zu § 611 BGB, BAG E 39, 271, 276; Schaub Arbeitsrechtshandbuch 9. Auflage § 78 Rand-Nr. 24). Der arbeitsvertraglich geregelte Anspruch des Klägers auf ein 13. Monatsgehalt war daher aufgrund der betrieblichen Übung insoweit konkretisiert, dass er tatsächlich im November des Jahres 2000 fällig war. Der vom Kläger geltend gemachte zusätzliche Anspruch wurde demzufolge auch innerhalb der Insolvenzgeldzeitraumes fällig, mit der Folge, dass der Klage stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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