L 18 VS 13/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 V 14/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 VS 13/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 19.01.2001 und der Bescheid vom 07.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1997 aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991 Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 vH zu gewähren.
III. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob dem Kläger Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 vH für die Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991 zusteht.

Das Wehrbereichsgebührnisamt V (WBGA) gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 16.07.1986 einen Ausgleich gemäß § 85 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) nach einer MdE um 40 vH. Als Wehrdienstbeschädigung (WDB) wurden anerkannt: 1. Innenmeniskusentfernung links 2. Gonarthrose links 3. Komplexinstabilität linkes Knie 4. Hochton-Innenohrschwerhörigkeit beiderseits.

Auf einen Antrag des Klägers vom 12.08.1986 anerkannte der Beklagte die vom WBGA anerkannten Schädigungsfolgen mit Bescheid vom 13.11.1986 und gewährte die entsprechende Grundrente ab 01.08.1986. In diesem Bescheid führte der Beklagte in den Gründen ua aus, dass zunächst von einer laufenden Zahlung der Grundrente und Abrechnung für die rückliegende Zeit abgesehen werde, da die Bundeswehr noch über die Gewährung von Unfallversorgung nach § 27 Abs 2 SVG zu entscheiden habe und der Bezug derartiger Leistungen gemäß § 65 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) insoweit zum Ruhen des Anspruchs auf Versorgung führe. Hierüber ergehe zu einem späteren Zeitpunkt noch weiterer Bescheid, sobald die heute dem WBGA übersandten Akten hier wieder vorlägen.

Mit Bescheid vom 23.07.1991 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.10.1991 stellte der Beklagte nach versorgungsärztlichen Begutachtungen die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.11.1986 insoweit fest, als die MdE für die anerkannten WDB-Folgen anstatt mit weniger als 25 vH mit 40 vH bewertet worden war. Da der Bescheid vom 13.11.1986 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aus Gründen des Bestandsschutzes nicht mehr zurückgenommen werden konnte, erließ er den Bescheid vom 23.07.1991 als sog Abschmelzungsbescheid nach § 48 Abs 3 SGB X. Er erbrachte auch weiterhin keine Leistungen und gab zur Begründung an, nach § 48 Abs 3 SGB X sei nur ein Zahlbetrag geschützt. Nachdem aufgrund des laufenden Verfahrens bezüglich der Gewährung eines Dienstunfallruhegehalts und der damit verbundenen offenen Frage eines Ruhens nach § 65 BVG ein Zahlbetrag nach der rechtswidrigen MdE von 40 vH bislang nicht existent sei und andererseits nach § 48 Abs 3 SGB X nur ein Zahlbetrag bestandsgeschützt sei, ergebe sich auch zukünftig keine Zahlung von Versorgungsbezügen.

Nachdem das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth Ansprüche auf Unfallversorgung gemäß § 27 SVG mit Urteil vom 19.01.1996 abgelehnt hatte, beantragte der Kläger am gleichen Tag die Rücknahme des Bescheides vom 23.07.1991 gemäß § 44 SGB X bzw die Neufeststellung seines Versorgungsanspruches. Der Beklagte wies die Anträge mit Bescheid vom 07.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1997 nach versorgungsärztlicher Untersuchung (Gutachten Ch.E. vom 25.11.1996) mit der Begründung zurück, der Grad der MdE betrage unverändert unter 25 bzw 40 vH. Eine Rücknahme des Bescheides vom 23.07.1991 lehnte er ab, da der Bescheid vom 23.07.1991 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 10.10.1991 - nach § 48 Abs 3 zu Recht ergangen sei. Da infolge des Ruhens nach § 65 BVG ein Zahlbetrag nicht existiert habe, könne von einem Bestandsschutz nicht gesprochen werden.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Bayreuth hat der Kläger die Anerkennung einer Patelladysplasie und einer Kreuzbandruptur links als WDB und zunächst die Gewährung einer Rente nach einer MdE von 40 vH - später nach einer solchen von 30 vH - für die Zeit von November 1986 bis Dezember 1991 begehrt. Der vom SG gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Gutachten vom 05.11.1999 gehörte Dr.K. hat vorgeschlagen, die Kniegelenksstörungen des Klägers bis Juni 1996 durchgehend mit 30 vH und danach mit unter 25 vH zu bewerten. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 17.10.2000 ein Teilanerkenntnis des Beklagten vom 05.10.2000 angenommen. Darin hat der Beklagte WDB-Folgen mit einer MdE von unter 25 vH festgestellt und sich für die Zeit vom 01.01.1992 bis 11.06.1996 bereit erklärt, die bis dahin bestehenden wehrdienstbedingten Gesundheitsstörungen des Klägers nach einer MdE um 30 vH zu entschädigen. Der Beklagte hat das Teilanerkenntnis mit Bescheid vom 06.12.2000 ausgeführt.

Das SG hat die Klage im Übrigen mit Urteil vom 19.01.2001 abgewiesen. Es hat in der Begrenzung des Klageanspruches auf eine Rente nach einer MdE von 30 vH eine zulässige Klageänderung gesehen und wegen der Regelung des § 44 Abs 4 SGB X einen Anspruch auf die Gewährung rückwirkender Sozialleistungen über das Teilanerkenntnis hinaus für nicht gegeben erachtet.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und die Zahlung einer Rente für die Zeit vor 1992 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nach einer MdE um 30 vH begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Beklagte habe zu Unrecht eine Zahlung der Rente seit 1986 nicht vorgenommen. Er habe sich auch darauf verlassen dürfen, dass nach Abschluss des Unfallversorgungsverfahrens sein Rentenanspruch auf der Grundlage des Bescheides vom 16.07.1986 erfüllt werde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Bayreuth vom 19.01.2001 und den Bescheid vom 07.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1997 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991 Versorgungsrente nach einer MdE um 40 vH zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

´ die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 19.01.2001 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die SVG-Akte und Schwerbehindertenakte des Beklagten, die WDB-Akten des WBGA, die Archivakte des SG Bayreuth S 5 V 13/97 und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung einer Versorgungsrente nach einer MdE um 40 vH für die Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991. Der Bescheid vom 07.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1997, mit dem (im Ergebnis) die Zahlung der Versorgungsbezüge für den og Zeitraum abgelehnt wurde, war aufzuheben.

Der Senat konnte eine Rente nach einer MdE um 40 vH zusprechen, obwohl der Kläger seinen Klageantrag vor dem SG auf die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 30 vH beschränkt hatte. Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich bei der Beschränkung des Klageantrags nicht um eine Klageänderung. Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird (§ 99 Abs 3 Nr 2 SGG). Hierunter fällt auch das Verlangen der Feststellung einer höheren oder niedrigeren MdE (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 99 Rdnr 4a).

Der Senat ist nicht wegen des § 44 Abs 4 SGB X gehindert, dem Kläger für die Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991 Leistungen zuzusprechen. Zwar bestimmt § 44 Abs 4 SGB X, dass, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X erfüllt sind. Hieran fehlt es vorliegend.

Ein Anwendungsfall des § 44 SGB X liegt nicht vor. Die Leistungen vor dem Erlass des Bescheides vom 23.07.1991 wurden nicht aufgrund des Abschmelzungsbescheides vom 23.07.1991 nicht erbracht.

Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Der Beklagte hatte zunächst die Rücknahme des Bescheides vom 23.07.1991 (= Bescheid gemäß § 48 Abs 3 SGB X) im Verwaltungsverfahren mit Bescheid vom 07.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.03.1999 abgelehnt, dann aber mit dem vor dem SG abgegebenen Teilanerkenntnis vom 05.10.2000 und dem Ausführungsbescheid vom 06.12.2000 die Rücknahme des Bescheides vom 23.07.1991 de facto vollzogen. Er hat sich aber wegen der in § 44 Abs 4 Satz 1 SGB X vorgesehenen Begrenzung der Wirkung der Rücknahme auf einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme gehindert gesehen, für die Zeit ab 01.08.1986 Versorgungsleistungen zu gewähren. Diese Auffassung ist rechtsirrig.

Der Beklagte hat nämlich nicht wegen des rechtswidrigen Abschmelzungsbescheides vom 23.07.1991 keine Leistungen für die Zeit ab 1986 erbracht, sondern wegen der rechtswidrigen Nichtzahlung von Versorgungsleistungen aufgrund des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 13.11.1986. Er hat die ab 01.08.1986 ausdrücklich zuerkannten Leistungen deswegen nicht gewährt, weil der Bezug einer von der Bundeswehr etwa zu gewährenden Unfallversorgung zu einem Ruhen des Anspruchs gem § 65 BVG führen würde.

Dieses Verwaltungshandeln ist vom Gesetz nicht gedeckt. Nur der tatsächliche Bezug einer Unfallversorgung nach § 27 Abs 2 SVG hätte zu einem Ruhen der Leistung gem § 65 BVG geführt. Der Beklagte hätte daher zunächst die Versorgungsrente in der bewilligten Höhe erbringen und n a c h einer Gewährung von Unfallfürsorge einen Ruhensbescheid gem § 65 BVG erlassen müssen. Eine Überzahlung hätte durch Anmeldung eines Erstattungsanspruches gem §§ 103, 111 SGB X beim WBGA vermieden werden können. Gemäß § 65 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BVG ruht der Anspruch auf Versorgungsbezüge, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen, in Höhe des Unterschieds zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Der Zweck des Ruhens gemäß § 65 BVG liegt darin, Doppelleistungen auszuschließen (so Wilke/Sailer, Kommentar zum Sozialen Entschädigungsrecht, 7.Auflage, § 65 Rdnr 1). Für den hier streitigen Zahlungszeitraum hat ein weiterer Anspruch aus der Unfallfürsorge aber nicht bestanden. Die Anwendung der Ruhensvorschrift hätte auch - bei Bestehen eines weiteren Anspruches - eine Gegenüberstellung der BVG-Bezüge mit dem Unterschiedsbetrag zwischen Ruhegehalt und (bekannten) Hinterbliebenenbezügen nach allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen und Unfallfürsorgevorschriften vorausgesetzt (vgl aaO Rdnr 3).

Der Bewilligungsbescheid vom 13.11.1986 ist in Bindungswirkung erwachsen (§ 77 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Diese erstreckt sich auf den Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes (VwA), wobei ein VwA auch mehrere Verfügungssätze enthalten kann, wie Rentenart, Rentenhöhe und Rentenbeginn (von Wulffen/Engelmann SGB X § 31 Rdnr 51 uVa BSG-Rspr). Teile der Gründe, also die tatsächlichen Annahmen und rechtlichen Erwägungen des VwA nehmen idR an der Bindungswirkung nicht teil (aaO). Allerdings können Teile der Begründung die Qualität von Verfügungssätzen erlangen, wenn ihnen nach dem materiellen Recht eine solche Bedeutung zukommt, dass sie unter Berücksichtigung der Interessen der Beteiligten als selbstständige Feststellung iS weiterer Verfügungssätze zu werten sind (aaO). So ist es hier.

Der Bewilligungsbescheid vom 13.11.1986 hat im Entscheidungssatz WDB-Anerkennungen und die dadurch bedingte MdE-Höhe von 40 vH verfügt. In der Begründung enthält der Bescheid weitere Verfügungen, nämlich die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundrente erfüllt sind und die Versorgung mit dem 01.08.1986 beginnt. Einen weiteren Verfügungssatz stellen die Ausführungen über ein vorläufiges Absehen von der laufenden Zahlung der Grundrente dar. Diese Verfügungssätze des Bescheides sind in Bestandskraft erwachsen. Die rechtswidrige vorläufige Nichtzahlung der Versorgungsbezüge konnte der Kläger unter Berücksichtigung des objektiven Sinngehalts nur so verstehen, dass - falls eine Unfallversorgung nicht gewährt wird - die Versorgungsleistungen ohne weiteres erbracht werden (zu Auslegung von Verfügungssätzen vgl aaO).

Der Beklagte hat mit dem Bescheid vom 23.07.1991 gemäß § 48 Abs 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 13.11.1986 bezüglich der MdE-Höhe festgestellt. Er hat zutreffend erkannt, dass er den (rechtswidrigen) begünstigenden VwA nicht mehr wegen Fristablaufs nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X zurücknehmen kann. Für VwAe, die trotz Rechtswidrigkeit nicht zurückgenommen werden können, schreibt § 48 Abs 3 bei aufgrund wesentlicher Änderungen vorzunehmender Erhöhung der Leistung ein Abschmelzen der an sich zu gewährenden Erhöhung bis zur Höhe des Bestandsschutzes vor, wenn die Rechtswidrigkeit festgestellt ist (von Wulffen/Wiesner aaO § 48 Rdnr 26). Der Leistungsträger ist dann befugt, durch VwA seine Berechtigung festzustellen und laufende Sozialleistungen k ü n f t i g abzuschmelzen (aaO) uVa BSG Urteil vom 15.12.1999 = Breithaupt 2000, 394). Die bestandskräftig festgestellte MdE - hier 40 vH - hätte in einem später zu ergehenden Neufeststellungsbescheid keinesfalls unterschritten werden dürfen, vielmehr verbleibt dem Betroffenen damit die einmal erreichte Position (aaO). § 48 Abs 3 greift damit nicht in den geschützten Bestand einer Leistung ein und nimmt nicht, sondern beschränkt nur als Regelung des materiellen Leistungsrechts die an sich dem Betroffenen aufgrund der (späteren) wesentlichen Änderung zustehende Leistungserhöhung (aaO).

Zu Unrecht meint der Beklagte für die Zeit ab 1986 nicht leisten zu müssen, weil nur ein Zahlbetrag nach § 48 Abs 3 geschützt sei. Zwar ist es richtig, dass der Bestandsschutz des SGB nur den aktuellen Zahlbetrag, nicht aber den sozialen Besitzstand erfasst und § 48 Abs 3 die Wirkung der Bestandskraft auf den finanziellen Besitzstand beschränkt (so BSG SozR 1300 § 48 Nr 51 = Breithaupt 1989, 418-421). Mit dieser Rechtsprechung hat das BSG aber lediglich Rentenanpassungen als eine Änderung zugunsten des Betroffenen iSd § 48 Abs 3 angesehen und die Rentenanpassungen auf der Grundlage der (nunmehr) zutreffenden MdE vorgenommen. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit ist aber auf die Anwendung des § 48 Abs 3 beschränkt. Im Übrigen gilt der gemäß § 77 SGG rechtsverbindliche Bescheid weiterhin als rechtmäßig (BSG SozR 1300 § 48 Nr 49 = Breithaupt 1989, 837-842). Die Rechtswirkung des § 48 Abs 3 besteht darin, dass die ursprünglich unrichtig festgestellte Leistung zunächst so berechnet wird, als wenn der rechtswidrige VwA zuvor nicht bestandskräftig geworden wäre. Da aber die unrichtige Entscheidung nicht mehr zurückgenommen werden darf und da eigentlich von der durch diese Entscheidung bestimmten Rentenhöhe bei der Neufeststellung (§ 48 Abs 1 SGB X) ausgegangen werden müsste, kommt dem zuletzt - rechtswidrig - festgestellten und rechtsverbindlich bleibenden Betrag ein Bestandsschutz zu. Solange dieser Betrag höher ist als der neu und zutreffend bemessene, wird er ausbezahlt (aaO). Der Beklagte hat mit dem rechtsverbindlichen Bescheid vom 12.08.1986 dem Kläger Grundrente nach einer MdE in Höhe von 40 vH ab 01.08.1986 bewilligt und z u n ä c h s t (rechtswidrig) nur von der laufenden Zahlung abgesehen. Der Beklagte hat daher - nachdem feststeht, dass eine Unfallversorgung nicht gewährt wird - für die zurückliegende Zeit vom 01.08.1986 bis 31.12.1991 Versorgungsrente nach einer MdE um 40 vH zu zahlen. Die Regelungswirkung des § 48 erstreckte sich nur auf künftige Abschmelzungen. Durch § 48 Abs 3 soll verhindert werden, dass die zu hohe Zahlung, die durch irgendeinen Fehler entstanden ist, durch irgendeine Veränderung zu Gunsten des Betroffenen immer noch höher wird (so BSG SozR 1300 § 48 Nr 51 mwN). Die Rücknahme des Abschmelzungsbescheides kann daher keine weitergehende Regelung als der Abschmelzungsbescheid zeigen. Der in Bestandskraft erwachsene Zahlungsanspruch des Klägers ab 1986 ist hiervon unberührt. Die Nichtzahlung der Versorgungsrente beruhte nicht auf dem gem § 44 SGB X zurückzunehmenden Abschmelzungsbescheid, sondern auf dem bestandskräftigen und von der Rücknahme nicht erfassten Bewilligungsbescheid. Die (tatsächliche) Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides vom 23.07.1991 durch das Teilanerkenntnis vom 05.10.2000 (Beseitigung der Abschmelzung) konnte somit für die Zeit vor seinem Erlass keine Rechtswirkungen erzeugen. Es fehlt an der Ursächlichkeit iS des § 44 SGB X. Die Leistungen vor dem Erlass des Bescheides vom 23.07.1991 wurden nicht "deshalb", dh nicht aufgrund des rechtswidrigen Bescheides vom 23.07.1991 nicht erbracht (vgl aaO § 44 Rdnr 2).

Da es sich vorliegend somit nicht um einen Anwendungsfall des § 44 SGB X handelt, kommt auch die Beschränkung auf eine Zahlung für einen Zeitraum von längstens vier Jahren nach der Antragstellung des Klägers im Jahr 1996 nicht zum tragen. Aus Abs 4 folgt nämlich nicht ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dergestalt, dass die rückwirkende Gewährung von Sozialleistungen für mehr als vier Jahre in jedem Fall ausgeschlossen sein soll. Wo Abs 4 tatbestandsmäßig nicht hinreicht, gelten die allgemeinen Verjährungsvorschriften (aaO § 44 Rdnr 20 mwN; ebenso Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 02.08.2000 Az: B 4 RA 54/99 R). Bei Ansprüchen, die durch unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt festgestellt worden sind, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre (§ 52 Abs 2 SGB X iVm § 218 Bürgerliches Gesetzbuch; aaO § 52 Rdnr 4).

Der Beklagte hat sich demnach für seine Weigerung, die Zahlungsansprüche des Klägers zu erfüllen, die vor 1992 entstanden waren, zu Unrecht auf materiell-rechtliche anspruchsvernichtende Einwände berufen. Das nachrangige richterrechtliche Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs war schon deshalb tatbestandlich nicht anwendbar, weil kein "sozialrechtlicher Schaden" entstanden war; denn der Kläger kann seine ursprünglichen monatlichen Zahlungsansprüche noch gegen den Beklagten durchsetzen (vgl BSG aaO).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Grundrente nach einer MdE in Höhe von 40 vH (§ 88 Abs 3 Satz 1 SVG). Das WBGA hatte die Höhe der MdE durch Bescheid vom 16.07.1986 mit 40 vH verbindlich festgestellt. Diese Entscheidung bindet nach § 88 Abs 3 SVG auch die Versorgungsverwaltung (BSG, Urteil vom 02.07.1997 - 9 RV 21/95 = SozR 3-3200 § 88 Nr 2).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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