L 5 AR 180/00 AL

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 167/97
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 180/00 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnung des Vorsitzenden der 7. Kammer des Sozialgerichts Würzburg, Richter am Sozialgericht ..., wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.

Gründe:

I.

Der Kläger und Antragsteller führt vor der 7. Kammer des Sozialgerichts Würzburg - SG - (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht - RiSG - ...) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit wegen der Bemessung der Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 25.04. 1997). Die Klageschrift ist am 30.04.1997 beim Sozialgericht eingegangen.

Am 04.10.2000 hat der Kläger den Kammervorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt: Nachdem "in der gleichen Sache" bereits dreimal mündliche Verhandlungen stattgefunden hätten und nicht "in seinem Sinne" entschieden worden sei, nehme er an, dass RiSG ... und der Vertreter der Widerspruchsstelle der Beklagten, Herr W ..., in unkorrekter Weise zusammenarbeiteten. Ihm - dem Kläger - sei bekannt, dass RiSG ... früher beim Arbeitsamt Würzburg tätig gewesen sei und Herrn W ... deshalb gut kenne.

RiSG ... hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 09.10.2000 dienstlich geäußert.

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichtsbarkeit abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, § 42 Rdnr.9). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach den Umständen naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat der Kläger und Antragsteller keinen Grund, die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung des RiSG ... in Zweifel zu ziehen.

Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist kein geeignetes Mittel, sich gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen (auch in früheren Verfahren) eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür. Die Mitwirkung des Richters an einem früheren Verfahren, das zu einer der Partei ungünstigen Entscheidung geführt hat, kann nur bei Hinzutreten zusätzlicher konkreter Umstände einen Ablehnungsgrund setzen. Aus diesem muss sich ergeben, dass der Richer nicht bereit ist, seine früher geäußerte Meinung kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern (vgl. BAG, MDR 1993, 383; Zöller-Vollkommer, a.a.O., Rdnr.15; Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, § 42 Rdnr.14). Es ist davon auszugehen, dass der Richter, der an eine in einem früheren Rechtsstreit geäußerte Meinung nicht gebunden ist, die jeweiligen Argumente der Parteien und die Besonderheiten des Einzelfalles unter Einbeziehung eventuell neuer Erkenntnisse sorgfältig erwägt und die Entscheidung nach gründlicher Prüfung unvoreingenommen trifft.

Die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers - in der gleichen Sache hätten bereits drei mündliche Verhandlungen stattgefunden, ohne "in seinem Sinne" entschieden worden zu sein - unterstellt, so trägt er doch keine zusätzlichen Umstände vor, aus denen sich die Besorgnis ergeben könnte, RiSG ... stehe bei einer erneuten Entscheidung der hier zu beurteilenden Rechtsfragen der Sache voreingenommen und daher parteiisch gegenüber. Die bloße Befürchtung des Klägers, der Kammervorsitzende könne die anstehende Streitfrage ebenso wie in einem früheren Verfahren würdigen, ist kein Befangenheitsgrund (vgl. BAG, a.a.O.). Im Ablehnungsverfahren können richterliche Entscheidungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden, es sei denn, sie beruhten auf Willkür. Von einer auf Willkür fußenden Entscheidung kann aber nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., Rdnr.30). Diese Voraussetzungen können - was keiner weiteren Begründung bedarf - dem vorliegenden Sachverhalt keinesfalls entnommen werden und werden auch vom Kläger selbst nicht behauptet.

Die vom Kläger monierte frühere Tätigkeit des Kammervorsitzenden beim Arbeitsamt Würzburg und die darauf beruhende Bekanntschaft mit dem Arbeitsamtsbediensteten W ... rechtfertigt ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit des Richters. Nach § 60 Abs.2 SGG ist von der Ausübung des Richteramtes auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Unter einem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren ist dasjenige Verfahren zu verstehen, dessen Ergebnis - in der Regel der das Verfahren abschließende Verwaltungsakt - den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens darstellt. Es muss sich also um dasjenige Verwaltungsverfahren handeln, das zu dem angefochtenen Bescheid geführt hat; dem vorausgegangenen Verfahren ist auch das Widerspruchsverfahren zuzurechnen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 60 Rdnr.5 m.w.N.). Mitgewirkt beim vorausgegangenen Verwaltungsverfahren hat ein Richter nicht nur, wenn er einen den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Verwaltungsakt (oder Widerspruchsbescheid) erlassen hat. Vielmehr ist jede wie auch immer geartete amtliche Tätigkeit im Verwaltungsverfahren einschließlich des Widerspruchsverfahrens in Bezug auf die Sache geeignet, eine Ausschließung gemäß § 60 Abs.2 SGG zu rechtfertigen. Für einen Ausschluss ausreichend ist somit jedes sachliche Eingreifen in dem zur gerichtlichen Entscheidung stehenden Einzelfall; es genügt jede über eine lediglich formelle Beteiligung hinausgehende Mitwirkung (vgl. BSG, NJW 1963, 414, 415 m.w.N.). Eine bloße frühere Zugehörigkeit des Richters zur Behörde - wie im vorliegenden Fall - erfüllt diese Voraussetzungen dagegen ersichtlich nicht (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O.).

Gründe für eine Ablehnung des RiSG ... wegen Besorgnis der Befangenheit sind somit nach allem nicht zu erkennen. Der Antrag war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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