L 4 B 193/02 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 697/01 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 193/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Antragstellerin der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung verbieten lassen kann, auf einen kostengünstigeren Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln über die niederländische Internetapotheke "D." hinzuweisen.

Die Antragsgegnerin hatte in einem Schreiben vom Juni 2001 einen Versicherten, der Kunde der Antragstellerin ist, nach einem Telefongespräch unter Übersendung von Bestellformularen auf die Möglichkeit des Einkaufs von Arzneimitteln bei der niederländischen Internetapotheke "D." mit Angabe der Bestelladresse in H. hingewiesen und dabei die Abwicklung der Bestellung erläutert. Die Antragstellerin mahnte mit Schreiben vom 09.07.2001 die Antragsgegnerin ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung auf. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Schriftsatz vom 12.07.2001 ab und reichte beim Landgericht München I am 16.07.2001 eine Schutzschrift unter anderem über die Rechtswegzuständigkeit ein.

Die Antragstellerin beantragte am 19.07.2001 beim Landgericht München I den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM verboten werden sollte, insbesondere gegenüber ihren Versicherten für den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Wege des Versandhandels, insbesondere über die Internetapotheke "D." zu werben sowie ihre Versicherten mündlich oder schriftlich zu einer Bestellung aufzufordern oder auf die Möglichkeit der Bestellung hinzuweisen. Die Antragstellerin versicherte diesen Vorfall an Eides statt und fügte eine weitere eidesstattliche Versicherung der Inhaberin einer Apotheke in München vom 16.07.2001 bei, deren Kunde, gleichfalls ein Versicherter der Antragsgegnerin, von dieser aufgefordert worden sei, Medikamente bei der Internetapotheke "D." zu erwerben. Das Landgericht München I erließ am 19.07.2001 die beantragte einstweilige Verfügung. Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin vom 23.07.2001 erließ das Landgericht München I am 22.08.2001 einen Beschluss, mit dem es feststellte, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet ist und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht München (SG), ohne die Verfügung selbst aufzuheben. Dagegen legte die Antragstellerin sofortige Beschwerde ein, die vom Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 04.12.2001 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Die Antragsgegnerin hat mit dem Schriftsatz vom 23.04.2002 unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall das deutsche Recht durch das Recht der Europäischen Gemeinschaft (EG-Recht) geändert werde und dass ein Versandhandelsverbot für Arzneimittel ein Hindernis für den freien Warenverkehr darstelle; ein vollständiges Verbot des Bezugs von Arzneimitteln von im Ausland der Europäischen Union (EU) gelegenen Apotheken, die nach dortigem Recht zugelassen seien, sei nach der Rechtsprechung des EuGH unzulässig. Im Erörterungstermin des SG vom 24.04.2002 hat die Antragstellerin erklärt, sie sei dem Apothekenvertrag für Bayern vom 24.05.2000 beigetreten; diese Erklärung ist von der Antragsgegnerin bestritten worden. Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat die Antragstellerin angegeben, sie könne sich nicht erinnern, eine Beitrittserklärung angefertigt zu haben; sie rechne mit sämtlichen gesetzlichen Krankenkassen ab, unter anderem mit der Antragsgegnerin.

Das SG hat mit Beschluss vom 25.04.2002 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, es sei weder ein Anordnungsgrund, noch ein Anordnungsanspruch erkennbar. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, und es sei für die Kammer auch nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang für die Antragstellerin aufgrund des Verhaltens der Antragsgegnerin tatsächlich wirtschaftliche Nachteile eingetreten seien. Da die Antragsgegnerin nur einen Bruchteil der gesetzlich Versicherten betreue und von diesen wiederum nur ein Bruchteil für eine Bestellung über die Internetapotheke "D." in Betracht komme, und die Antragstellerin selbst nur einen Bruchteil ihres Umsatzes mit den Versicherten der Antragsgegnerin erziele, sei die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Umsatzausfalles verschwindend gering. Die Antragstellerin habe auch nicht ausreichend dargelegt, inwieweit sie sich auf den Unterlassungsanspruch aus dem Apothekenvertrag für Bayern vom 24.05.2000 stützen könne. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie dem Vertrag beigetreten sei und habe trotz Aufforderung durch das Gericht die entsprechende Beitrittserklärung nicht vorgelegt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 06.06.2002, mit der sie geltend macht, im vorliegenden Fall sei Wettbewerbsrecht anzuwenden. Der Beitritt zum Apothekervertrag sei aufgrund der ständigen Abrechnung mit der Antragsgegnerin glaubhaft gemacht worden. Die Wahrscheinlichkeit eines Umsatzausfalles sei entgegen dem SG nicht als gering anzusehen. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin hat demgegenüber auch unter Bezugnahme auf ihre früheren Ausführungen geltend gemacht, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern Wettbewerbsrecht nicht mehr anzuwenden. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Krankenversicherungsrechts bestehe im Hinblick auf die über 40 Milliarden DM betragenden Arzneimittelkosten pro Jahr ein Einsparpotential in einer Größenordnung von 15 bis 20 % bei Inanspruchnahme von Versandhandelsapotheken. Das Bundesgesundheitsministerium habe sich für diesen Vertriebsweg ausgesprochen. Die Antragsgegnerin verstoße mit ihrem Verhalten nicht gegen das Arzneimittelgesetz und das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG). Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine nationale Regelung oder Praxis, die sich hemmend auf die Einfuhren pharmazeutischer Erzeugnisse auswirke oder auswirken könne, nur insoweit mit dem Europäischen Recht vereinbar, als sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen notwendig sei. Der Kauf eines Arzneimittels in einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat biete indessen eine Garantie, die derjenigen gleichwertig sei, auf die sich die Antragstellerin berufe. Das Verbot des Versandhandels bzw. Internethandels mit Arzneimitteln sei nicht erforderlich, wenn die strengen gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Qualität und Sicherheit beim Bezug von Arzneimitteln eingehalten würden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts München vom 25.04.2002 aufzuheben und der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, gegenüber Dritten, insbesondere ihren Versicherungsnehmern, für den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Wege des Versandhandels, insbesondere über die Internetapotheke "D.", zu werben, insbesondere ihre Versicherungsnehmer mündlich oder schriftlich zu einer Bestellung aufzufordern oder auf die Möglichkeit der Bestellung hinzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG und des Landgerichts München I, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet; der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden.

Gemäß § 86b Abs.2 SGG i.d.F. des 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl.I S.2144) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch - dies ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht - und einen Anordnungsgrund voraus, der insbesondere in der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung besteht (Kopp, VwGO, 10. Auflage, § 123, Rn.6, 8 mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall ist die Eilbedürftigkeit - also die Unzumutbarkeit, den Ausgang des eigentlichen Rechtsstreites abzuwarten - nicht ersichtlich und auch der materielle Unterlassungsanspruch zumindest zweifelhaft.

Die Antragstellerin kann sich hier nicht mit Recht auf den Apothekenvertrag vom 24.05.2000 berufen; denn sie hat nicht glaubhaft gemacht (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung), dass sie diesem Vertrag beigetreten ist. Sie hat auch im Beschwerdeverfahren die Beitrittserklärung nicht vorgelegt. Allein die von der Antragsgegnerin nicht bestrittene Abrechnung ersetzt die Beitrittserklärung nicht. Die Beitrittserklärung zu diesem Rahmenvertrag nach § 129 Sozialgesetzbuch V (SGB V) muss ausdrücklich erfolgen (§ 129 Abs.3 Nr.2 SGB V). Es ist auch nicht ersichtlich und von der Antragstellerin ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden, dass sie einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehört und dessen Satzung die Rechtswirkung des Rahmenvertrags für die eigenen Verbandsmitglieder vorschreibt (§ 129 Abs.3 Nr.1 SGB V).

Selbst wenn der Apothekenvertrag für Bayern vom 24.05.2000 für die Antragstellerin rechtlich wirksam ist, kann diese im vorliegenden Verfahren der Antragsgegnerin nicht verbieten, ihre Versicherten auf die Möglichkeit des Bezugs von apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Wege des Versandhandels über die niederländische Internetapotheke "D." hinzuweisen. Soweit der Antrag der Antragstellerin darüber hinausgeht, ist er schon deswegen unbegründet, weil die von der Antragstellerin vorlegten Schreiben der Antragsgegnerin lediglich einen Hinweis auf die Bezugsmöglichkeit enthalten, aber den Versicherten oder Dritte nicht zur Inanspruchnahme der Internetapotheke bzw. einer anderen Versandapotheke auffordern oder verpflichten. Der Hinweis auf eine billigere Bezugsmöglichkeit zwingt die Versicherten nicht, hiervon Gebrauch zu machen.

Die Antragsgegnerin ist nach §§ 14 und 15 Sozialgesetzbuch I (SGB I) jedoch berechtigt, auf Anfrage der Versicherten diese über ihre Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch zu beraten und über alle sozialen Angelegenheit nach diesem Gesetzbuch Auskünfte zu erteilen. Die Auskunftspflicht erstreckt sich auf alle Sach- und Rechtsfragen, die für die Auskunftssuchenden von Bedeutung sein können und zu deren Beantwortung die Auskunftsstelle imstande ist (§ 15 Abs.2 SGB I). Diese Beratungs- und Auskunftspflicht erfasst auch Hinweise auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der gesetzlich vorgesehenen Leistungen, wozu auch die Versorgung mit Arzneimitteln zählt (§§ 27 Abs.1 Satz 2 Nr.3, 31 SGB V). Inwieweit in dem einen streitigen Fall, durch den die Antragstellerin betroffen ist, der Versicherte berechtigt war, Kostenerstattung zu wählen, also vom Sachleistungsprinzip abzuweichen (§§ 13 Abs.2, 4 Abs.2 SGB V), muss hier offen bleiben, da die Beteiligten hierzu keine näheren Angaben gemacht haben.

Ob im vorliegenden Fall das Arzneimittelgesetz (AMG) dem Bezug von Arzneimitteln über die niederländische Internetapotheke entgegensteht (§ 43 Abs.1 AMG) und ob der Versand der Arzneimittel an Versicherte durch Art.28 i.V.m. Art.30 EG-Vertrag (EGV) sowie § 73 Abs.2 Nr.6a AMG erlaubt ist, kann hier nicht abschließend entschieden werden. Einer Vorlage an den EuGH (Art.234 EGV) bedarf es jedenfalls nicht, da in den Verfahren nach § 86b SGG keine endgültige Entscheidung ergeht. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes haben wegen der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die rechtlichen Feststellungen Bedeutung für das Eilverfahren (Bundesverfassungsgericht vom 02.05.1984 BVerfGE 67, 43).

Die Antragsgegnerin beruft sich nach der pauschalen Prüfung der Rechtslage im vorliegenden Fall auf EG-Recht, insbesondere auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art.3, 4, 28, 30 EGV), der den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln über die Internetapotheke in den Niederlanden nicht ausschließt: Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH unterliegt die Abgabe von Arzneimitteln in einem anderen Mitgliedstaat dem Grundsatz des freien Warenverkehrs (Art.59 EGV; EuGH vom 12.07.2001 C 157/99; EuGH vom 28.04.1998 C 120/95; EuGH vom 12.03.1990 C 62/90). Das von der Antragstellerin geltend gemachte Verbot eines Versandhandels würde danach gegen diesen Grundsatz verstoßen (EuGH vom 28.02.1984, Az.: 247/81; EuGH vom 28.04.1998 C 120/95). Wie der EuGH in der Entscheidung vom 27.05.1986 ausgeführt hat (Az.: 87/85), ist jeder Mitgliedstaat berechtigt, die geeigneten Vorschriften zu erlassen, um in seinem Hoheitsgebiet den Schutz der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten. Solche Maßnahmen sind allerdings nur gerechtfertigt, wenn feststeht, dass sie erforderlich sind, um dieses in Art.36 (jetzt 30) EGV genannte Ziel zu erreichen, und wenn dieses Ziel nicht mit Mitteln erreicht werden kann, die den Handelsverkehr innerhalb der Gemeinschaft weniger einschränken. Dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen kann, der eine solche Beschränkung rechtfertigt, hat der EuGH auch am 28.04.1998 (C 120/95) entschieden. Es ist insoweit jedoch ein eindeutiger Nachweis erforderlich (EuGH vom 28.04. 1998 C 120/95; Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rn.1302). Im vorliegenden Fall sind erhebliche Gefährdungen des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit nicht erwiesen, da die Antragstellerin bisher selbst nur von einem Fall betroffen ist und von einem weiteren Fall berichtet hat. Es kann hier offen bleiben, ob die Antragsgegnerin weitere Versicherte auf die Möglichkeit der Beschaffung von Arzneimitteln über die niederländische Internetapotheke hingewiesen hat, da es insoweit an einer Glaubhaftmachung durch die Antragstellerin fehlt. Rein wirtschaftliche Gründe jedoch können eine Beschränkung des elementaren Grundsatzes des freien Warenverkehrs nicht rechtfertigen.

Wie der EuGH am 08.04.1992 (C 62/90) und am 07.03.1989 (Az.: 215/87) entschieden hat, verstößt ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus den Art.30 f. EGV, wenn er einer Privatperson die Einfuhr von Arzneimitteln, die im Einfuhrmitgliedstaat verschreibungspflichtig sind und die (in einem anderen Mitgliedstaat) durch einen Arzt verschrieben und in einer Apotheke gekauft worden sind, selbst in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge untersagt. Ein derartiges Verbot lässt sich nicht mit der Schutz der Gesundheit des Lebens von Menschen rechtfertigen, da davon auszugehen ist, dass die Verschreibung eines Arzneimittels durch den Arzt und sein Kauf in einer Apotheke in einem anderen Mitgliedstaat Garantien bieten, die denen gleichwertig sind, die auf der Verschreibung des Arzneimittels durch einen Arzt und seinen Verkauf durch eine Apotheke in dem Mitgliedstaat, in dem die Privatperson das Arzneimittel einführt, beruhen, da die Voraussetzungen für den Zugang zum Arzt- und Apothekerberuf sowie die Modalitäten ihrer Ausübung in Gemeinschaftsrichtlinien geregelt sind. Diese Rechte gelten jedoch nicht uneingeschränkt, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese Beschränkungen tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet. Zu den Zielen, die derartige Beschränkungen rechtfertigen können, gehört der Schutz der öffentlichen Gesundheit und des Lebens von Menschen. Daher ist es einem Mitgliedstaat erlaubt, im Interesse des Schutzes der öffentlichen Gesundheit bei Einfuhren von Arzneimitteln, die in seinem Hoheitsgebiet verschreibungspflichtig sind, durch Privatpersonen Kontrollen vorzunehmen, sofern diese Kontrollen so ausgestaltet sind, dass sie den Erfordernissen, die sich aus dem Schutz der Grundrechte ergeben, entsprechen.

In der krankenversicherungsrechtlichen Literatur wird unter Bezugnahme auf diese Rechtsprechung des EuGH die Möglichkeit des Arzneimittelbezugs über ausländische Versandapotheken positiv beurteilt; rechtliche Bedenken werden nicht als durchgreifend anerkannt (Schäfers/Kaesbach, BKK 2001, 489; Krombach-Bachem/ Fischer, SozVers 2001, 253; Richter, DÄ 2001, A 2624).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin steht auch Wettbewerbsrecht der streitigen Information und Beratung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Nach § 69 Satz 1 SGB V (4. Kapitel: Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern; 1. Abschnitt: Allgemeine Grundsätze) regelt dieses Kapitel sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse der Bundes- und Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V. Daraus hat das BSG in ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 25.09. 2001 SozR 3-2500 § 69 Nr.1; Urteil vom 31.08.2000 BSGE 87, 95) entnommen, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern und ihren Verbänden seit dem 01.01.2000 öffentlich-rechtlicher Natur sind. Das nationale Wettbewerbsrecht (GWB und UWG) ist auf diese Rechtsbeziehungen seit diesem Zeitpunkt nicht mehr anwendbar. Das BSG hat im erstgenannten Urteil noch ausgeführt, dass § 51 Abs.2 SGG und dem § 87 Abs.1 und 96 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) jeweils Bestimmungen angefügt worden sind, mit denen die kartellrechtliche Zuständigkeit der Zivilgerichte für den durch § 69 SGB V erfassten Bereich ausdrücklich ausgeschlossen wird (Art.8 Nr.1b, Art.9 Nr.1, 2 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000). Diese Neuregelung dient der Beseitigung einer unklaren Rechtslage, und zwar in prozessualer und materieller Hinsicht gleichermaßen.

Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin mit Recht auf das Arzneimittelgesetz (AMG) berufen. Der gerügte Verstoß gegen § 43 Abs.1 AMG betrifft die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Nach dieser Vorschrift dürfen Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs.1 oder Abs.2 Nr.1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs.1 AMG erlassenen Rechtsverordnung für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind, außer in den Fällen des § 47 AMG berufs- oder gewerbsmäßig für den Endverbrauch nur in Apotheken und nicht im Wege des Versandes in den Verkehr gebracht werden. Die hierdurch begründete Apothekenpflicht von Fertigarzneimitteln ist gleichzeitig auch die Grundlage für das Apothekenmonopol, das vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) als verfassungsrechtlich zulässig erachtet wird (BVerfG vom 11.06.1958, NJW 1958, 1035 f.; BVerfG vom 07.01.1959, NJW 1959, 667 f.). Es ist auch unter dem Gesichtspunkt des EG-Rechts unbedenklich, da es schützenswerten Interessen des Gemeinwohls dient. Das Apothekenmonopol und die Beachtung der Apothekenpflicht sind jedoch auch bei Abgabe des Arzneimittels in einer Apotheke des anderen Mitgliedstaates der EU gewahrt. Beschränkungen der Einfuhr solcher Arzneimittel durch Privatpersonen sind daher nicht zulässig (EuGH vom 07.03.1989 Az.: 215/97; EuGH vom 08.04.1992 C 62/90). Es liegt auch kein Verstoß gegen § 73 Abs.1 AMG (Verbringungsverbot) vor. Denn § 73 Abs.2 Nr.6a AMG macht von diesem Verbot eine Ausnahme für Arzneimittel, die im Herkunftsland in Verkehr gebracht werden dürfen und ohne gewerbs- oder berufsmäßige Vermittlung in einer dem üblichen persönlichen Bedarf entsprechenden Menge aus einem Mitgliedstaat der EG oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bezogen werden. Mit dieser, auf die Rechtsprechung des EuGH (Entscheidungen vom 07.03.1989 und 08.04.1992) zurückgehenden Rechtsänderung hat der deutsche Gesetzgeber Privatpersonen nunmehr auch den Bezug von Arzneimitteln aus Mitgliedsländern der EU oder des EWR durch Privatpersonen für den eigenen Bedarf gestattet. Diese Gestattung richtet sich an die Privatpersonen, an die Arzneimittel aus dem Ausland (neben dem Mitbringen von einer Auslandsreise (§ 73 Abs.2 Nr.6)) auch verbracht werden dürfen. Ein gewerblicher Versandhandel wird hierdurch jedoch nicht erlaubt. Ist somit der Versand des Arzneimittels von einer Apotheke aus einem Mitgliedsland der EU oder des EWR an den inländischen Verbraucher unter den vom EuGH in der genannten Entscheidung vom 07.03.1989 aufgezeigten Kriterien zumindest denkbar, so gilt dies nicht für das gewerbsmäßige Sammeln von Rezepten für inländische Patienten, um den Versand der entsprechenden Arzneimittel aus dem Ausland en gros zu organisieren (Rehmann, Arzneimittelgesetz, 1999, § 73, Rn.10 mit weiteren Nachweisen).

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2000 (NJW 2001, 1808) steht dem nicht entgegen. Denn hierin hat das Gericht über den Arzneimittelversand im Inland an Ärzte, Gesundheitsämter und andere Einrichtungen entschieden. Zur Begründung hat es auf die Arzneimittelsicherheit abgestellt, deren wesentliche Elemente, wie die Beratungspflicht des Apothekers und die Vorrichtungen zur sachgerechten Lagerung beim Abnehmer, durch den Versand in großem Umfang (z.B. von Impfstoffen) beeinträchtigt werden können. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um den Versand von Arzneimitteln aus dem EU-Ausland an die o.g. Abnehmer, sondern um den Bezug für den persönlichen Bedarf, meistens in kleinen Mengen, wobei, wie die Internetseite der niederländischen Apotheke zeigt, eine Beratung durch einen Apotheker durch E-Mail vorgesehen ist. Ferner ist gesundheitsrechtlich bedeutsam, dass dem Bezug eine (vertragsärztliche) Verordnung zugrunde liegen muss.

Auch das Gesetz über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) vom 11.07.1965 (BGBl.I S.604), auf dessen § 8 Abs.2 sich die Antragstellerin beruft, steht dem Hinweis der Antragsgegnerin nicht entgegen. Danach ist die Werbung unzulässig, Arzneimittel im Wege des Teleshopping oder bestimmte Arzneimittel im Wege der Einzeleinfuhr nach Maßgabe des § 73 Abs.2 Nr.6a oder § 73 Abs.3 AMG zu beziehen. Der Antragstellerin ist entgegenzuhalten, dass die Antragsgegnerin keine Werbung für Arzneimittel betrieben, sondern lediglich auf eine Beschaffungsmöglichkeit im Ausland hingewiesen hat. Das Werbeverbot gemäß § 8 Abs.2 HWG soll den Ausnahmecharakter der Einzeleinfuhr nicht zugelassener Arzneimittel wahren, um zu verhindern, dass das grundsätzliche Erfordernis einer nationalen Zulassung nach den deutschen Rechtsvorschriften systematisch umgangen wird. Wenn nämlich in Deutschland für dort nicht zugelassene Arzneimittel geworben werden dürfte, bestünde die Gefahr, dass die Hersteller die Zulassung der Arzneimittel in einem Mitgliedstaat, der geringere Anforderungen stellt, beantragen und sie dann aufgrund von Einzelbestellungen, die sie durch Werbeaktionen ausgelöst haben, nach Deutschland einführen würden. Das Werbeverbot des § 8 Abs.2 HWG ist daher für die Wirksamkeit der nationalen Zulassungsregelung erforderlich. Es ist im Sinne des Art.36 (jetzt 30) EGV zum Schutz der Gesundheit von Menschen gerechtfertigt (EuGH vom 10.11.1994 C 320/93). Unter diesem Gesichtspunkt ist das Verhalten der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Denn der zu entscheidende Sachverhalt bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass die Antragsgegnerin das grundsätzliche Erfordernis einer nationalen Zulassung für Arzneimittel zu umgehen beabsichtigt.

Der Senat verkennt nicht, dass diese Rechtslage nach dem AMG und HWG in der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung der Zivilgerichte umstritten ist. Während das LG Berlin in den Entscheidungen vom 30.10.2001 und 07.11.2000 (Pharma Recht 2002, 19 und MMR 2001, 249) sich auf den Ausnahmetatbestand des § 73 Abs.6a AMG stützte und das Werbeverbot des § 8 Abs.2 HWG nicht verletzt sah, hielten andere Gerichte den Arzneimittelversand durch eine niederländische Internetapotheke wegen des Verstoßes der durch §§ 43 Abs.1 Satz 1, 73 Abs.2 Nr.6a AMG gezogenen Grenzen und wegen § 8 Abs.2 HWG für wettbewerbswidrig (§ 1 UWG; vgl. KG Berlin vom 29.05.2001 NJW-RR 2002, 113; LG Frankfurt vom 09.11.2000 MMR 2001, 243; LG Frankfurt vom 09.11.2000 K + R 2001, 153; OLG München vom 25.02.1999 OLGR München 1999, 255). Es ist aber zu berücksichtigen, dass diese Fälle anders gelagert waren und hierbei wettbewerbsrechtliche Fragen im Vordergrund standen.

Dass auch das Zusammenwirken der Leistungsansprüche auf Versorgung mit Arzneimitteln (§§ 27, 31 SGB V) mit dem EG-Recht und dem deutschen Arzneimittelrecht noch nicht endgültig geklärt ist, zeigt überdies die Antwort der Bundesregierung vom 17.05. 2002 (BT-Drucks.14/9140) auf die Anfrage von Abgeordneten; sie hält den grenzüberschreitenden Versandhandel mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln wegen Verstoßes gegen § 43 Abs.1 AMG nicht für zulässig. Dagegen hat die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 21.09.2001 der Kommission der EU unter Abwägung des Sachleistungsprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung und der Belange der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung und der Gesundheit der Versicherten im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 12.07.2001 (C 157/99) mitgeteilt, dass der Binnenmarktfreiheit nach dem EGV der Vorrang vor der ebenfalls nach dem EGV den Mitgliedstaaten vorbehaltenen Verantwortung und Gestaltungskompetenz zur Organisation ihres jeweiligen nationalen Gesundheitswesens eingeräumt werden muss. Die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung wird durch den Bezug der von einem zugelassenen Arzt verordneten Arzneimittel im EU-Ausland - wenigstens in der bisherigen Form, in der die Antragstellerin ihre Versicherten informiert hat - nicht gefährdet. Auch sind andere gravierende Auswirkungen auf die gesetzliche Krankenversicherung oder die Gesundheit der Versicherten nicht ersichtlich.

Der Senat hält bei der hier anzustellenden summarischen Prüfung die Rechtsansicht der Bundesregierung, wie sie gegenüber der EU-Kommission am 21.09.2001 dargetan wurde, für nachvollziehbar. Vorbehaltlich einer Änderung der Rechtsprechung des EuGH kann angesichts der gegenwärtig nicht eindeutigen Rechtslage die Antragstellerin keinen Anspruch gegenüber der Antragsgegenerin herleiten, wonach es der Antragsgegnerin zu untersagen wäre, ihre Versicherten auf die Bezugsmöglichkeiten bei der niederländischen Apotheke hinzuweisen. Somit ist das Verhalten der Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der §§ 14, 15 SGB I nicht zu beanstanden; denn es hält sich an die Vorgaben einer sachbezogenen Information.

Eindeutig ist der vorläufige Rechtsschutz mangels eines ausreichenden Anordnungsgrundes abzulehnen. Die Antragstellerin hat nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass ein Anordnungsgrund vorliegt. Für diesen und für künftige, gleichgelagerte Fälle ist darauf hinzuweisen, dass einstweilige Anordnungen sicherstellen sollen, dass nicht irreversible Fakten bis zur Hauptsachentscheidung geschaffen werden; zugleich hat die Vorschrift die Aufgabe, den Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch eine Zwischenregelung zu überbrücken (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner u.a., VwGO, § 123, Rn.10). Auf der Grundlage des Art.19 Abs.4 Satz 1 Grundgesetz (Justizgewährungsanspruch) verlangt die verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutzeffektivität bei Vornahmesachen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166). Einstweiliger Rechtsschutz ist zu gewähren, wenn anders dem Antragsteller eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69). Hiervon kann angesichts der beiden von der Antragstellerin benannten Fälle, wovon nur einer sie überhaupt in ihren Geschäftsbeziehungen betroffen hat, nicht die Rede sein. Selbst wenn die Antragsgegnerin in einer allgemeinen Aktion versucht haben sollte, ihre Versicherten auf die Möglichkeit des Bezugs von zulassungspflichtigen Arzneimitteln über die ausländische Internetapotheke hinzuweisen, fehlt es im vorliegenden Fall schon an ausreichenden Darlegungen, welche nicht wieder gutzumachenden Nachteile der Antragstellerin dadurch entstünden. Wie das SG zu Recht ausgeführt hat, wäre hiervon lediglich ein kleiner Teil der Kunden der Antragstellerin betroffen.

Zwar hat das Landgericht den Streit auf den sozialgerichtlichen Rechtsweg verwiesen, ohne zuvor seinen Verbotsbeschluss aufzuheben, der Senat geht aber mit den Beteiligten davon aus, dass er seine Wirkung verloren hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 und 4 SGG, da das von § 197a SGG erfasste Verfahren vor dem 02.01.2002 rechtshängig geworden ist.

Die Entscheidung kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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