L 8 AL 148/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 AL 189/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 148/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04. Mai 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Erstattung dieser Leistung in Höhe von 1.834,40 DM sowie die Erstattung der Beiträge zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) in Höhe von 578,85 DM streitig.

Die Beklagte bewilligte dem 1938 geborenen Kläger ab 30.06.1995 Alg für 780 Tage. Laut Aktenvermerk vom 23.09.1997 wurde der Kläger bei einer persönlichen Vorsprache mit einem anonymen Hinweis konfrontiert, wonach er sich öfter unangemeldet im Urlaub befinde; er habe dies auf Befragung zugegeben und wolle zur Klärung der Verfügbarkeit genaue Daten nennen.

Bei seiner erneuten Vorsprache am nächsten Tag legte der Kläger eine schriftliche Erklärung vom 23.09.1997 vor; danach habe er Eigeninitiative ergriffen, nachdem eine Vermittlung einer Arbeitsstelle in seinem Alter aussichtslos sei. Er habe Kontakt zu Firmen aufgenommen, die er aus einer früheren Tätigkeit her kenne, und die in Deutschland noch nicht vertreten seien, um sich um deren Vertretung zu bemühen und den Weg in die Selbständigkeit als Handelsvertreter zu gehen. Zu diesem Zweck sei er abwesend gewesen. Aus Kostengründen sei er gezwungen gewesen, dies mit längerer Abwesenheit zu verbinden, da dies vom zeitlichen und räumlichen Ablauf her erforderlich gewesen sei, und er auch auf Kosten achten müsse. Hinzu komme, dass die in seinem Haushalt lebende Mutter seiner Ehefrau ein Pflegefall sei, für den auch er verantwortlich sei, "und dies d.h. eine Aufsicht abgestimmt werden muss". Er sei bisher der Auffassung gewesen, dass nur eine Abwesenheit wegen Urlaub, Kur oder ähnlichem angezeigt werden müsse, und bitte dieses Missverständnis zu entschuldigen; er werde künftig jede Abwesenheit anzeigen. Am 16., 17., 18., 19., 20., 23., 24., 25., 26., 27.06.1997 sei er aufgrund eines Besuches von Stuhl- und Möbelfabriken in Udine und Verona abwesend gewesen, am 30.06., 01., 02., 03.07.1997 wegen des Besuches von Lampenfabriken in Florenz und Umgebung und in Murano. Die Abwesenheit am 21., 22., 25., 26., 27., 28.08.1997 sei durch den Besuch der Möbelindustrie in Tirol und der Schweiz bedingt gewesen.

Von der Beklagten mit Schreiben vom 02.10.1997 zur Stellungnahme wegen einer beabsichtigten Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Abwesenheitstage aufgefordert gab der Kläger an, seine Abwesenheit angezeigt zu haben, ausgenommen, wenn es sich um Arbeitssuche gehandelt habe, gemäß der ihm erteilten Auskunft, dass eine Stellensuche nicht jedesmal angezeigt werden müsse. Diese Auskunft sei ihm von einem Beamten des Arbeitsamtes Kempten gegeben worden. Er habe keine Veranlassung gesehen, sich den Beamten zu notieren oder gar ausweisen zu lassen.

Mit Bescheid vom 09.12.1997 hob die Beklagte die Bewilligung für die Zeit vom 16.06. bis 03.07. und 21. bis 28.08.1997 auf und forderte die Erstattung von 1.835,40 DM. Mit weiterem Bescheid vom 09.12.1997 forderte sie die Erstattung der für den Aufhebungszeitraum entrichteten KV- und PV-Beiträge in Höhe von 587,85 DM. Seinen Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, im Sinne der Bestimmungen nicht ortsabwesend gewesen zu sein und der Arbeitsvermittlung ohne Verzögerung zur Verfügung gestanden zu haben, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.1998 als unbegründet zurück. Seine Behauptung, ihm sei die Auskunft erteilt worden, eine Stellensuche müsse nicht jedesmal angezeigt werden, sei nicht unter Beweis gestellt worden.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg (SG) Klage erhoben und auf Aufforderung des Gerichts hin als Zeugen für die ihm erteilte Auskunft hinsichtlich seiner Meldepflicht von Stellvertreter J. benannt. Letzterer hat unter Vorlage der entsprechenden Aktenvermerke darauf hingewiesen, letztmals am 04.08.1995 mit dem Kläger persönlichen Kontakt gehabt zu haben.

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung am 04.05.1999 den Arbeitsvermittler P. als Zeugen vernommen; bezüglich seiner Aussage wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls Bezug genommen.

Mit Urteil vom 14.05.1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei während der von ihm selbst angegebenen Abwesenheitszeiten in Italien, Tirol und in der Schweiz nicht unter seiner angegebenen Anschrift erreichbar gewesen. Es genüge nicht einmal, dass der Arbeitslose nach dem Zeitraum des üblichen Zugangs der Briefpost noch von eingegangener Post Kenntnis nehmen und noch am selben Tag das Arbeitsamt aufsuchen könnte. Nach den glaubwürdigen Angaben des zuständigen Arbeitsvermittlers habe der Kläger seine jeweilige Ortsabwesenheit dem zuständigen Arbeitsamt nicht vorher mitgeteilt. Aus den Schreiben des Klägers sei ersichtlich, dass ihm die Notwendigkeit der Ortsanwesenheit als grundsätzlicher Anspruchsvoraussetzung bekannt gewesen sei.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, täglich an seinem Wohnsitz anwesend gewesen zu sein und die Briefpost, die sich bis spätestens 9.00 Uhr täglich in seinem Besitz befunden habe, in Empfang genommen zu haben. Dem Sachbearbeiter hätte bei sorgfältiger Abwägung klar gewesen sein müssen, dass die Fahrten nach Tirol, Bozen und in die Schweiz (Kreuzlingen) bei einer Entfernung von 50 bis 150 km in Tagestouren zu erledigen seien; dies habe er Herrn P. erklärt und Zeugenbeweis angeboten. Diese Ortsabwesenheit sei dem Arbeitsamt schriftlich und mündlich mitgeteilt worden.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger erklärt, entgegen seinen gegenüber dem Arbeitsamt abgegebenen Erklärungen in der streitigen Zeit nicht ortsabwesend gewesen zu sein, weil er eine Pflegeperson abwechselnd mit seiner Ehefrau zu betreuen gehabt habe.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.05.1999 und den Bescheid vom 09.12.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe sich noch am 23.09.1997 veranlasst gefühlt, mitzuteilen, dass er zum Zwecke von Firmenkontaktierungen abwesend und aus Kostengründen gezwungen gewesen sei, dies mit längerer Abwesenheit zu verbinden. Der nunmehrige Vortrag, es sei eine tägliche Rückkehr an den Wohnort erfolgt, sei nicht glaubhaft; für die tägliche Fahrt nach Udine, Verona, Florenz, Murano und in die Schweiz nach 9.00 Uhr vom Wohnort Kaufbeuren aus würden - unabhängig vom erforderlichen Zeitaufwand und der Fahrbelastung - die entstehenden Fahrkosten die Übernachtungskosten bei Weitem übersteigen. Es sei deshalb nur verständlich, wenn sich der Kläger schon aus Kostengründen dafür entschieden habe, an den Reisezielen zu verbleiben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgeweisen, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung des Alg für die Zeit vom 16.06. bis 03.07. und 21. bis 28.08.1997 ist § 48 Abs.1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 100 ff. des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Die Bewilligung des Alg ab 03.06.1995 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Die wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, liegt darin, dass der Kläger in den oben genannten Zeiträumen der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung stand. Gemäß § 103 Abs.1 Satz 1 Nr.3 AFG, eingefügt durch Art.1 Nr.31 des 5. Änderungsgesetzes des AFG vom 23.07.1979 (BGBl.I S.1189), ist dies u.a. nur dann der Fall, wenn der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für dieses erreichbar ist. Hierzu bestimmt § 1 der Aufenthaltsanordnung vom 03.10.1979 (ANBA 1979 S.1388), dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm benannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgeblichen Anschrift erreichen können muss. An dieser Voraussetzung mangelt es hier für die streitigen Zeiträume, da sich der Kläger nicht an seiner bei der Arbeitslosmeldung genannten Adresse aufgehalten hat.

Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest aufgrund der detaillierten, zeitnahen Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 23.09.1997. Entgegen seinen Angaben im Berufungsverfahren hat er damals eindeutig erklärt, seine Kontakte mit Firmen im Ausland aus Kostengründen gezwungenermaßen mit längerer Abwesenheit verbunden zu haben, "da vom zeitlichen und räumlichen Ablauf diese Abwesenheit erforderlich war". Seine spätere Einlassung, erst nach Eingang der Briefpost jeweils nur tageweise die Wohnung verlassen zu haben, ist nicht glaubhaft und angesichts der Reiseziele Udine, Verona, Florenz und Umgebung, Murano auch kaum vorstellbar. Soweit er seinen Vortrag im Berufungsverfahren damit begründet, er habe zusammen mit seiner Ehefrau in der streitigen Zeit eine Pflegeperson betreuen müssen, so widerspricht auch dies seinem Schreiben vom 23.09.1997, in dem es heißt, die Zeit seiner Abwesenheit habe wegen der Pflegebedürftigkeit der in seinem Haushalt lebenden Mutter seiner Frau mit einer "Aufsicht abgestimmt werden" müssen.

Gemäß § 3 der Aufenthaltsanordnung steht eine Abwesenheit der Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung bis zu drei Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn vorher vom Arbeitsamt festgestellt wurde, dass dadurch in dieser Zeit die Vermittlung in Arbeit oder in eine berufliche Ausbildungsstelle, die Teilnahme an einer zumutbaren Maßnahme der beruflichen Bildung oder die Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitsberatung nicht beeinträchtigt wird. Eine solche die Verfügbarkeit ausnahmsweise begründende Feststellung wurde im vorliegenden Fall nicht getroffen. Auch die diesbezüglichen Angaben des Klägers, er habe seine Abwesenheit jeweils mitgeteilt, widersprechen zum Einen seinen eigenen Angaben im Schreiben vom 23.09.1997 und sind auch sonst nicht bewiesen und nicht glaubhaft. Vielmehr hat der Zeuge P. angegeben, erst durch Hinweise von außen erfahren zu haben, dass der Kläger öfters abwesend gewesen sei. Im Übrigen werde bei einer aktiven Selbstsuche auf das Kriterium der Ortsanwesenheit dann verzichtet, wenn eine konkrete Ortsabwesenheit für eine konkrete Stellensuche vorher mitgeteilt werde; dies sei hier nicht der Fall gewesen. Der Kläger habe auch trotz Aufforderung keine Nachweise über konkrete Vorstellungen vorgelegt. Er habe mit dem Kläger bezüglich der Notwendigkeit der Ortsanwesenheit keine abweichende Absprache gehabt.

Damit ist der Anspruch des Klägers in den oben angeführten Zeiträumen wegen fehlender Verfügbarkeit weggefallen. Gemäß § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X sind die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung für diese Zeiträume gegeben, da der Kläger seiner Pflicht, die Abwesenheit mitzuteilen, nicht nachgekommen ist. Das Unterlassen dieser Mitteilung ist zumindest grob fahrlässig. In dem dem Kläger bei Arbeitslosmeldung ausgehändigten Merkblatt, dessen Erhalt er unterschriftlich bestätigt hat, ist er davon unterrichtet worden, dass er trotz Ortsabwesenheit für die Dauer von jeweils drei Wochen im Jahr als verfügbar angesehen werden kann. "Allerdings bedarf Ihr auswärtiger Aufenthalt der vorherigen Zustimmung des Arbeitsamtes. Beantragen sie also frühzeitig bei Ihrem Arbeitsvermittler diese Zustimmung zur Abwesenheit von Ihrem Wohnort. Er wird Ihnen etwa eine Woche vor Reisebeginn mitteilen, ob auch während der Zeit Ihres auswärtigen Aufenthaltes die Weiterzahlung des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe möglich ist. Verreisen sie ohne vorherige Unterrichtung und Zustimmung Ihres Arbeitsvermittlers, wird die Bewilligung der Leistung rückwirkend vom Reisebegin aufgehoben." Da diese Belehrung klar und allgemein verständlich ist, wäre von grober Fahrlässigkeit auszugehen, falls der Kläger seine Meldepflicht dennnoch nicht gekannt haben sollte. Sein Vortrag, ihm sei von P. erklärt worden, Abwesenheitszeiten, die durch Arbeitsuche bedingt seien, müssten nicht gemeldet werden, ist, wie schon dargelegt, weder nachgewiesen noch glaubhaft.

Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum Alg in Höhe von 1.834,40 DM erhalten; gemäß § 50 Abs.1 Satz 1 SGB X ist er zur Erstattung dieses Betrages verpflichtet. Gemäß §§ 157 Abs.3 a Satz 1, 166 c Satz 2 AFG ist er darüber hinaus verpflichtet, die für die streitigen Zeiträume von der Beklagten gezahlten Beiträge zur KV und PV in Höhe von insgesamt 578,85 DM zu erstatten.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 04.05.1999 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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