L 8 AL 164/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Al 300/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 164/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage, ob ein Unternehmen, das das grabenlose Verlegen von Rohren und Kabeln mittels des Horizontalsprühverfahrens betreibt, zu den förderungsfähigen Betrieben gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 23 Baubetriebe-VO zu rechnen ist.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. Februar 1997 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Klägerin, die Umlage zur Produktiven Winterbauförderung zu zahlen, streitig.

Die Klägerin führt als Unternehmen die unterirdische, grabenlose Verlegung von Rohren und Kabeln, die der Verteilung von Elektrizität, Gas, Wasser, Abwasser dienen, durch. Eine Verlegungseinheit besteht technisch aus einer Verlegungsmaschine mit Kabel- bzw. Rohrrolle und dem Versorgungsteil, der das Bohrgerät mit Energie versorgt. Personell besteht eine Verlegungseinheit aus zwei bis drei Arbeitnehmern, insbesondere dem das Bohrgerät bedienenden Systemführer und dem den Bohrvorgang kontrollierenden bzw. steuernden Bohrmeister. Von der Verlegungseinheit wird eine Lanze horizontal in den Untergrund eingeführt und mittels eines jeweils angeschraubten Verlängerungsgestänges in einer Tiefe zwischen 0,5 m und 5 Metern durch den Untergrund geführt. Hierbei wird entweder durch vorherige geologische Bodenuntersuchungen oder durch Radarmessungen, die den Verlegungsvorgang oberirdisch begleiten, sichergestellt, daß bereits vorhandene Versorgungsleitungen oder partiell vorhandene Gesteinsschichten bzw. einzelne große Felsbrocken unter- oder überfahren werden. Der Vortrieb erfolgt in der Weise, daß unter sehr hohem Druck aus der Lanzenspitze austretende, in der Verlegungseinheit vorbehandelte Flüssigkeit sich im Vorfeld einen Hohlraum frei fräst, der die pressungslose Nachführung des Verlegungsgestänges ermöglicht. Nach Erreichen des Endpunktes wird die Lanze zurückgezogen und gleichzeitig, vom Endpunkt ausgehend, das Rohr bzw. Kabel bis zum Ausgangspunkt zurückverlegt.

Mit Bescheid vom 14.01.1994 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit von Januar bis November 1993 eine Winterbau-Umlage in Höhe von 9.020,50 DM, wobei das Umlage-Soll geschätzt wurde. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es handele sich bei ihr nicht um einen förderungsfähigen Baubetrieb im Sinne der Produktiven Winterbauförderung. Baugruben, die im Einzelfall z.B. für den Anschluß an vorhandene Rohrleitungen benötigt würden, würden von den Auftraggebern bzw. von durch diese beauftragten Baufirmen erstellt. Die Verlegung der Rohre erfolge in einer variablen Arbeitstiefe zwischen einem halben und fünf Metern; es sei in unseren Breiten kein Fall denkbar, in dem der Boden soweit gefroren sei, daß mit der Installation der Rohre nicht nach unten ausgewichen werden könne. Ansonsten wäre eine Förderung durch Auftauen tiefgefrorenen Bodens auf langer Strecke aus objektiven Gründen ausgeschlossen, da es hierfür keine wirtschaftlich einsetzbaren Verfahren gebe. Gegen die üblichen Regen- und Schneebelästigungen seien die Mitarbeiter deshalb geschützt, weil sie besondere Kleidung tragen müßten, die sie vor Stromschlägen schützten, falls bei der Arbeit unbeabsichtigt ein in der Erde liegendes stromführendes Kabel beschädigt sein sollte. Verlegungseinheit und Verlegungsprodukt würden durch Witterungseinflüsse nicht beeinflußt und seien daher nicht förderbar. Das von der Klägerin betriebene Verfahren falle auch nicht unter die Positivliste nach § 1 Abs.2 der Baubetriebe-VO, vielmehr lasse es sich in die Negativliste in § 2 Nr.6 der Baubetriebe-VO einordnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.1995 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin erbringe aus- schließlich Bauleistungen. Diese seien unter § 1 Abs.2 Nr.23 Baubetriebe-VO zu subsumieren.

Mit ihrer zum Sozialgericht Augsburg (SGG) erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, mittlerweile arbeiteten über 100 Firmen im Bereich der grabenlosen Installation von Rohren und Kabeln. Es gebe auch einen einschlägigen Berufsverband, nämlich die German Society for Trenchless Technology e.V. Unter dem Namen FlowTex arbeiteten mit der gleichen Technik wie die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland etwa zehn voneinander unabhängige Firmen. Somit liege eine nennenswerte, abgrenzbare Gruppe von Betrieben im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor, die durch Leistungen der Winterbauförderung nicht wesentlich gefördert werden könnten.

Das SG hat mit Urteil vom 27.02.1997 u.a. den Bescheid vom 14.01.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05. 1995 aufgehoben. Das Gericht gehe in Übereinstimmung mit der Beklagten davon aus, daß es sich bei der Tätigkeit der Klägerin um Bauarbeiten des § 1 Abs.2 Nr.23 Baubeteriebe-VO handele. Allerdings sei ein witterungsbedingter Arbeitsausfall nach den schlüssigen Darlegungen der Klägerin nur bei ungünstigsten Witterungverhältnissen möglich. Erst bei einer Bodenfrosttiefe von mehr als vier Metern wäre nämlich ein witterungsbedingter Arbeitsausfall denkbar. Dies schließe es praktisch aus, Betriebe wie den der Klägerin dem Gesetzeszweck entsprechend z.B. durch Wintergeld zu fördern. Die Klägerin gehöre auch zu einer nennenswerten, abgrenzbaren Gruppe von gleichartigen Betrieben, die von der Umlagepflicht zur Produktiven Winterbauförderung ausgenommen sei. Indiz hierfür sei das Vorhandensein eines einschlägigen Bundesverbandes "Deutsche Gesellschaft für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen e.V."; auch stelle die Interessengemeinschaft der FlowTex-Gruppe eine abgrenzbare nennenswerte Gruppe in diesem Sinne dar.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, die witterungsabhängigen Arbeitsplätze der Klägerin mit zwangsläufig witterungsbedingten Erschwernissen hätten in der Förderungszeit sehr wohl mit Wintergeld gefördert werden können. Außerdem wäre infolge des witterungsbedingten Arbeitsausfalls bei "ungünstigsten" Witterungsverhältnissen die Gewährung von Schlechtwettergeld möglich. Alle dem einschlägigen Berufsverband angehörenden Betriebe erbrächten ganzjährig witterungsabhängige Bauarbeiten im Sinne der Baubetriebe-VO, weshalb es eine nicht förderbare Gruppe insoweit nicht gebe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.02.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Voraussetzung für die Umlagepflicht sei nicht die bloße Förderungsmöglichkeit, sondern eine Förderungsfähigkeit im Hinblick auf eine Belebung der ganzjährigen Bautätigkeit. Dies sei hier nicht gegeben. Ein witterungsbedingter Arbeitsausfall sei praktisch nicht möglich, und wenn, dann nur bei extremen Witterungsverhältnissen, denen durch Förderungsmaßnahmen nicht abgeholfen werden könne. Eine Belebung der Bautätigkeit durch die Förderung könne nicht stattfinden, weil grundsätzlich keine Behinderung vorliege. In der Regel seien für die zu verlegenden Rohre bzw. Kabel vom Auftraggeber Regeltiefen vorgegeben, die auch grundsätzlich einzuhalten seien; diese bewegten sich zwischen 0,5 und 1,5 Metern, was Gas und Wasser betreffe, bei der Kanalverlegung 1,5 Meter und tiefer. Eine Verhinderung der Verlegungsarbeiten bei entsprechend starkem Frost trete ein, wenn von den Auftraggebern die erforderliche Baugrube nicht hergestellt werden könne; zum anderen sei die Verlegung von sogenannten PE-Rohren, die einen hohen Anteil ausmachten, nicht möglich, wenn die Bodentemperatur unter Null Grad liege. Die Mitarbeiter hielten sich ganz überwiegend im Freien auf und bekämen im Winter spezielle Thermoschutzkleidung, die auch Schutz vor Stromschlägen biete, zur Verfügung gestellt.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, daß Gegenstand der Entscheidung des Senats nur der Bescheid vom 14.01.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.05.1995 sein solle, und auch nur insoweit, als über die Winterbauumlagepflicht dem Grunde nach entschieden worden sei. Für den Fall, daß durch gerichtliche Entscheidung die Winterbauumlagepflicht rechtskräftig festgestellt werden sollte, solle dies auch für die folgende Zeit gelten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

Das Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache als begründet. Zu Recht hat die Beklagte für den für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Zeitraum Januar bis November 1993 die Umlagepflicht festgestellt.

Gemäß § 186a Abs.1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in der Fassung des Gesetzes vom 15.12.1981 (BGBl I 1390) werden die Mittel für die Produktive Winterbauförderung von Arbeitgebern des Baugewerbes, in deren Betrieben die ganzjährige Beschäftigung durch Leistungen nach den §§ 77 bis 80 AFG zu fördern ist (§ 76 Abs.2 AFG), durch eine Umlage aufgebracht, die von der Beklagten erhoben wird. Arbeitgeber des Baugewerbes sind gemäß § 75 Abs.1 Nr.1 AFG Inhaber von Betrieben des Baugewerbes, die auf dem Baumarkt gewerbliche Bauleistungen anbieten. Betriebe des Baugewerbes sind nach § 75 Abs.1 Nr.2 AFG solche, die überwiegend Bauleistungen erbringen. Bauleistugen wiederum sind gemäß § 75 Abs.1 Nr.3 AFG alle Bauarbeiten, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.

Die Klägerin ist ein Arbeitgeber des Baugewerbes im Sinne von § 75 Abs.1 AFG. Die von der Klägerin verlegten Rohre und Kabel sind Versorgungs- bzw. abwasserleitungen, die der Funktionsfähikeit von Gebäuden und damit sowohl ihrer Instandsetzung als auch Instandhaltung dienen (vgl. zum unterirdischen Kabelbau für Fernmeldeanlagen BSG SozR 3-41000 § 186a Nr.3).

Die Förderungsfähigkeit richtet sich nach der gemäß § 76 Abs.2 Satz 1 AFG erlassenen Baubetriebe-VO vom 28.10.1980 (BGBl I S.2033), zuletzt geändert durch die VO vom 24.10.1984 - BGBl. I S.1318). Gemäß § 1 Abs.2 Nr.23 Baubetriebe-VO sind förderungsfähige Betriebe solche, die Rohrleitungsbau-, Rohrleitungstiefbau-, Kabelleitungstiefbauarbeiten und Bodendurchpressungen verrichten. Die Klägerin verrichtet Rohrleitungstiefbau- und Kabelleitungstiefbauarbeiten in diesem Sinne; denn zu den Rohrleitungs- bzw. Kabel-Arbeiten gehören das Verlegen und Montieren von Rohren bzw. Kabeln, wobei es nicht maßgeblich ist, in welchem Verfahren diese Arbeiten durchgeführt werden. Somit fällt auch das Verlegen oder Montieren der Rohre bzw. Kabel ohne vorherigen Aushub eines Grabens in den Geltungsbereich des § 1 Abs.2 Nr.23 (so BAG, Urteil vom 13.03.1996, 10 AZR 721/95, zum Geltungsbereich des gleichlautenden § 1 Abs.2 Abschnitt V Nr.25 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren ). Da gemäß § 76 Abs.2 Satz 4 AFG die Baubetriebe-VO nach Möglichkeit den fachlichen Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigen soll, was angesichts des identischen Wortlauts hier auch geschehen ist, ist bei der Auslegung der Baubetriebe-VO der VTV und die hierzu ergangene Rechtsprechung heranzuziehen (BSG, Urteile vom 09.12.1997, 10 RAr 2/96 und 10 RAr 3/97). Da letztere schlüssig und insbesondere nicht ersichtlich ist, weshalb bei der Subsumtion unter § 1 Abs.2 Nr.23 Baubetriebe-VO zwischen verschiedenen Verfahren beim Rohrleitungs- und Kabelleitungsbau differenziert werden soll, ist die Klägerin als Betrieb anzusehen, der in diesem Sinne überwiegend Bauleistungen erbringt. Da die Klägerin sich auschließlich mit Rohrleitungs- und Kabelleitungsbau beschäftigt, stellt sich die Frage, ob es sich bei ihr um einen Mischbetrieb handelt und die Bauleistungen im Sinne der Baubetriebe-VO überwiegen, ohnehin nicht.

Die Klägerin gehört auch nicht zu einer abgrenzbaren Gruppe von Betrieben, die der Verordnungsgeber wegen fehlender Förderungsfähigkeit aus der Produktiven Winterbauförderung hätte ausnehmen müssen (vgl. BSG SozR 3-4100 § 186a Nr.6 m.w.N.). Es kann dahinstehen, ob die sogenannte FlowTex-Gruppe, die wie die Klägerin das grabenlose Verlegen mittels des Horizontalsprühverfahrens betreibt, eine abgrenzbare Gruppe darstellt, und/oder ob dies bei der unter dem Verband "Deutsche Gesellschaft für grabenloses Bauen und Instandhalten von Leitungen e.V." zusammengefaßten Gruppe von Betrieben der Fall ist, da jedenfalls die Klägerin ein förderbarer Betrieb ist.

Es kann weiterhin dahinstehen, ob bei der Klägerin tatsächlich ein witterungsbedingter Arbeitsausfall in nur so geringem Umfang eintritt, daß eine dementsprechend geringe Förderbarkeit durch Bewilligung von Schlechtwettergeld im Sinne von § 83 AFG in der bis 31.12.1995 geltenden Fassung eine Zurechnung zu einer nicht förderbaren Gruppe rechtfertigt. Denn die bei ihr beschäftigten Arbeiter, die nach den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ihre Tätigkeit ganz überwiegend im Freien verrichten, sind damit auf einem witterungsabhängigen Arbeitsplatz beschäftigt und haben demgemäß nach § 80 Abs.1 Satz 1 AFG in der bis 31.12.1995 geltenden Fassung Anspruch auf Wintergeld. Die Voraussetzungen des § 83 AFG sind schon deshalb gegeben, weil für die Klägerin der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und der VTV gelten.

In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den Eintritt eines witterungsbedingten Arbeitsausfalles an, da das Wintergeld gerade für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gezahlt wird. Die Arbeiter der Klägerin sind in diesem Sinne ganz überwiegend auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigt, da sie bei ihrer Arbeit in den Wintermonaten den witterungsbedingten Erschwernissen wie Sturm, Kälte, Nässe usw. ausgesetzt sind (BSG SozR 3-4100 § 186a Nr.6). Durch das Wintergeld sollen Mehraufwendungen der Bauarbeiter (zusätzliche Arbeitskleidung usw.) pauschal abgegolten werden. Zum anderen soll dadurch ihr Interesse an einer kontinuierlichen Arbeit in den Wintermonaten geweckt werden. Der Anspruch auf Wintergeld besteht unabhängig davon, ob die einzelnen Arbeitnehmer Mehraufwendungen in diesem Sinne tatsächlich haben, so daß es unerheblich ist, wenn die Klägerin ihren Arbeitern kostenlos eine Thermmo-Schutzkleidung zur Verfügung stellt; im übrigen berührt es die Umlagepflicht grundsätzlich nicht, wenn die Förderungsunfähigkeit auf dem Einsatz eigener Mittel beruhen würde (BSG SozR 4100 § 186 a Nr.16, SozR 3-41000 § 186 a Nr.4).

Der Klägerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie der Heranziehung zur Umlage mit dem Argument entgegentritt, daß bei ihr und der Gruppe, der sie sich zurechnet, der Einsatz von Fördermitteln nicht zu einer Belebung der Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit führt. Die den Anspruch auf Wintergeld regelnde Bestimmung des § 83 AFG wurde durch das zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AFG vom 19.05.1972 (BGBl I S.791) in das AFG eingefügt. Der Grund für die Einführung dieser zusätzlichen Leistung war die Tatsache, daß nach Auffassung des Gesetzgebers die bisherigen Instrumente der Produktiven Winterbauförderung, insbesondere das Schlechtwettergeld, nicht zu der erwarteten Belebung der Bautätigkeit im Winter geführt hatten. Deshalb sollten stärkere Anreize geschaffen werden, um eine Steigerung der Bauproduktion im Winter und eine gleichmäßige Verteilung der Bautätigkeit auf alle Jahreszeiten sowie eine stärkere Ausnutzung der Baukapazität in der witterungsungünstigen Jahreszeit zu erreichen. Aus diesem Grunde wurde neben dem Zuschuß zu den Lohnkosten (Mehrkostenzuschuß) auch eine Förderleistung für die Bauarbeiter in Form des Wintergeldes eingeführt, um deren Interesse an einer ununterbrochenen Arbeit in den Wintermonaten zu wecken (Zusammenfassung der gesetzgeberischen Motive in Kranz, Winterbau, E 23, 24; BSG SozR 4100 § 80 Nr.1). Daß dieser gesetzgeberische Zweck bei der Klägerin und der mit ihr vergleichbaren Gruppe von Betrieben nicht zum Tragen kommt, ist nicht ersichtlich, da jedenfalls ihre Arbeiter Witterungseinflüssen in gleicher Weise ausgesetzt sind wie die übrigen auf witterungsabhängigen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeiter im übrigen Baubereich.

Eines darüber hinausgehenden, konkreten Nachweises, daß die vom Gesetzgeber vorgesehenen und hier auch tatsächlich in nicht nur geringem Umfang in Betracht kommenden Fördermittel auch tatsächlich zu einer Belebung der Bautätigkeit führen, bedarf es nicht, auch wenn § 76 Abs.2 Satz 2 AFG vom Verordnungsgeber fordert, er habe bei der Bestimmung der zu fördernden Zweige des Baugewerbes zu berücksichtigen, ob dadurch die Bautätigkeit in der Schlechtwetterzeit voraussichtlich in wirtschafts- oder sozialpolitisch erwünschter Weise belebt werden wird. Der Verordnungsgeber hat sich bei der Regelung des § 1 Abs.2 Nr.23 der Baubetriebe-VO innerhalb der gesetzlichen Ermächtigung gehalten, da er insbesondere auch der Vorgabe in § 76 Abs.2 Satz 4 AFG, wonach er nach Möglichkeit den fachlichen Geltungsbereich tariflicher Regelungen berücksichtigen soll, entsprochen hat. Daß innerhalb des von Nr.23 erfaßten Zweiges des Baugewerbes der Einsatz von Fördermitteln generell nicht zu einer Belebung der Bautätigkeit führt, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht behauptet.

Bei der Prüfung, ob innerhalb dieses Zweiges eine abgrenzbare Gruppe von Betrieben aus der Förderung bzw. der Umlagepflicht herauszunehmen ist, kommt es lediglich darauf an, festzustellen, ob bei dieser Gruppe der Einsatz von Fördermitteln nicht oder nur in unwesentlichem Umfang in Betracht kommt, was aus den dargelegten Gründen bei der Klägerin und den ihr artverwandten Betrieben der Fall ist. Die Rechtsprechung hat bisher jedenfalls bei der Prüfung der Herausnahme einer Gruppe von Betrieben aus einem in der Baubetriebe-VO geregelten Zweig des Baugewerbes nur darauf abgestellt, ob der Betrieb förderungsfähig ist, was sich wiederum danach richtet, "ob er objektiv (ohne Berücksichtigung untypischer, individueller Gegebenheiten) als Empfänger der entsprechenden Leistungen in Betracht kommt" (BSG SozR 3-4100 § 186a Nr.6 S.21). Würde man trotz des nicht unbeträchtlichen Einsatzes von Fördermitteln und ohne daß Besonderheiten zu den übrigen Zweigen des Baubereiches erkennbar sind, was die Kausalität zwischen dem Einsatz solcher Mittel und dem Erreichen des damit angestrebten Zweckes betrifft, eine Einbeziehung in die Winterbauförderung verneinen, so würde dies die grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung berühren, durch Aufbringung von Mitteln einerseits und Verteilung dieser Mittel andererseits einen bestimmten Zweck zu verfolgen. Diese Entscheidung muß jedoch dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, ebenso, ggf. eine wegen ungünstiger Mittel-Zweckrelation nicht mehr zeitgemäße Förderung geänderten Verhältnissen anzupassen.

Etwas anderes läßt sich auch nicht aus dem durch die VO vom 13.12.1996 BGBl. I S.1954) mit Wirkung ab 21.12.1996 in § 1 Baubetriebe-VO eingefügten Absatz 5 herleiten, wonach Betriebe und Betriebsabteilungen von der Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe ausgeschlossen sind, wenn sie zu einer abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe gehören, bei denen eine Einbeziehung nach den Absätzen 2 bis 4 nicht zu einer Belebung der ganzjährigen Bautätigkeit führt. Zum einen ist diese Vorschrift für den hier zu entscheidenden Zeitraum nicht einschlägig. Zum anderen wollte der Verordnungsgeber mit dieser Vorschrift keine neuen, weitergehenden Gesichtspunkte bei der Prüfung einer aus der Förderung und damit der Umlagepflicht herauszunehmenden abgrenzbaren und nennenswerten Gruppe einführen. Vielmehr sollte damit der Rechtsprechung (insbesondere BSG a.a.O.) bzgl. des Erfordernisses einer Herausnahme bestimmter abgrenzbarer Gruppen Rechnung getragen und der Gefahr begegnet werden, daß die Rechtsprechung künftig auf eine einengende Korrektur des Positivkatalogs der Baubetriebe-VO verzichten und diese wegen wiederholter Überschreitung der Ermächtigungsgrundlage teilweise oder insgesamt als unwirksam ansehen würde (Hammer in Bundesarbeitsblatt 1997 S.15 ff.).

Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG vom 27.02.1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved