L 10 AL 214/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 46/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 214/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 01.05.1995 bis 30.03.1996 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 10.585,50 DM.

Die am 1944 geborene Klägerin war bis 31.03.1993 als Inspektorin bei den US-Streitkräften beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Aufhebungsvertrag wegen Personalabbaus beendet. Die Klägerin erhielt vom Arbeitgeber eine Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31.08.1991 (TASS), auf die die Leistungen bei Arbeitslosigkeit angerechnet wurden. Sie bezog von der Beklagten bis 12.04.1995 Arbeitslosengeld (Alg) und beantragte am 25.04.1995 Anschluss-Alhi. Dabei gab sie im Antragsformular an, ihr Ehemann sei selbstständig tätig. Die Frage nach dessen Einkommen ließ sie unbeantwortet. Der Ehemann bezifferte den Gewinn aus der von ihm ausgeübten selbstständigen Tätigkeit am 24.04.1995 mit 300 DM. Mit Bescheid vom 15.05.1995 gewährte die Beklagte ab 13.04.1995 Alhi in Höhe von 193,80 DM/Woche. Anlässlich einer persönlichen Vorsprache vom 03.04.1996 erwähnte die Klägerin beim Arbeitsamt (AA), ihr Ehemann sei seit Mitte/Ende des letzten Jahres als Arbeitnehmer beschäftigt. Dem Antrag auf Fortzahlung der Alhi vom 22.04.1996 legte sie eine Verdienstbescheinigung des Rechenzentrums A. GmbH (H.) vom 17.04.1996 über ab Januar 1996 erzieltes Arbeitsentgelt des Ehemannes bei. In einer weiteren Bescheinigung dieses Arbeitgebers vom 22.05.1996 ist als Beginn der Beschäftigung des Ehemannes der 01.05.1995 angegeben. Die Auszahlung des Arbeitsentgelts für Mai 1995 erfolgte am letzten Bankarbeitstag des Monats.

Am 01.07.1996 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme, weil sie beabsichtigte, die für die Zeit vom 01.05.1995 bis 30.03.1996 zu Unrecht erhaltenen Leistungen - das Einkommen des Ehemannes hätte auf die Alhi angerechnet werden müssen - teilweise zurückzufordern. Die Klägerin teilte hierauf mit, sie habe das Amt für Verteidigungslasten über die Rückforderung mit dem Ziel der Begleichung informiert.

Mit Bescheid vom 23.07.1996 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi gemäß § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für die Zeit vom 01.05.1995 bis 30.03.1996 teilweise in Höhe von wöchentlich 184,44 DM auf, weil der Ehegatte seit 01.05.1995 anzurechnendes Einkommen erzielt und die Klägerin dies nicht rechtzeitig mitgeteilt habe. Die Beklagte forderte 10.585,50 DM zurück.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18.12.1996 zurück. Sie führte zur Begründung aus: Die Alhi-Bewilligung werde abweichend von der bisherigen Begründung auf § 45 SGB X iVm § 152 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestützt, da die Klägerin die Aufnahme der abhängigen Beschäftigung durch den Ehemann zum 01.05.1995 wenigstens grob fahrlässig nicht gemeldet habe. Sie habe wissen müssen, dass das Einkommen des Ehemannes auf die Alhi anzurechnen sei. Wegen des gestiegenen Einkommens des Ehemannes betrage der wöchentliche Anrechnungsbetrag ab 01.01.1996 317,68 DM.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und beantragt, den Bescheid des AA Ansbach vom 23.07.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.1996 aufzuheben. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Ihr Ehemann habe vom AA die Auskunft erhalten, dass sich durch seine Arbeitsaufnahme zum 01.05.1995 keine Änderung beim Leistungsbezug ergebe. Hätte man ihn zutreffend beraten, wäre die Alhi zwar niedriger gewesen, dies hätte aber zu einem höheren Überbrückungsgeld geführt. Einen nachträglichen Ausgleich habe das Amt für Verteidigungslasten verweigert. Sie könne somit Vertrauensschutz in Anspruch nehmen.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme der Sachbearbeiterin M.R. vom 29.08.1997 vorgelegt.

Mit Urteil vom 06.05.1998 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Beklagte zur Aufhebung der Alhi-Bewilligung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X berechtigt gewesen sei und damit auch zur Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Leistungen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Zwar gehe sie davon aus, dass das Rückforderungsbegehren der Beklagten auch bei fehlender Bösgläubigkeit berechtigt sei, rechne aber mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte auf. Durch die (unrichtigen) Bescheide der Beklagten sei sie nämlich davon abgehalten worden, beim Amt für Verteidigungslasten ihre berechtigten Ansprüche in Bezug auf das Überbrückungsgeld geltend zu machen. Sie bzw ihr Ehemann hätten mit dem AA vertrauensvoll zusammengearbeitet. So habe ihr Ehemann seine Einkommenssituation jeweils offengelegt. Das AA habe diese jedoch unzutreffend beurteilt, so dass sie eine zu niedrige Überbrückungsbeihilfe erhalten habe. In Höhe des Betrages von 10.585,50 DM sei sie geschädigt, weil das Amt für Verteidigungslasten weitere Zahlungen nicht mehr leiste. Dieser Schaden wäre ihr bei sachgerechter Bearbeitung durch das AA nicht entstanden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 06.05.1998 sowie den Bescheid vom 23.07.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 06.05.1998 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Einrede der Aufrechnung sei mangels Gegenforderung nicht begründet. Habe nämlich das Amt für Verteidigungslasten eine rückwirkende Korrektur der Anrechnung von Alhi auf das Überbrückungsgeld zu Recht abgelehnt, fehle es bereits an einem Schaden der Klägerin. Bei unberechtigter Ablehnung wäre der Klägerin zwar ein Schaden entstanden. Ein Amtshaftungsanspruch bestehe aber insoweit schon deshalb nicht, weil die Klägerin nicht versucht habe, den Schaden (zB durch Klage gegen das Amt für Verteidigungslasten) abzuwenden. Auch ein sozialrechtlicher Herstellunsanspruch sei nicht gegeben, da eine fehlerhafte oder unterlassene Beratung der bereits seit dem Widerspruchsverfahren anwaltlich vertretenen Klägerin nicht vorliege.

In Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten der Klägerin (Stammnr 41626), auf die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Ansbach (Az 11 Js 8083/97) sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Beklagte hat die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 10.05.1995 bis 30.03.1996 zu Recht teilweise aufgehoben.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung ist § 48 Abs 1 SGB X. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ua aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr 3). Es genügt in diesem Zusammenhang, wenn nicht der Antragsteller sondern eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch rechtserheblich sind, Einkommen erzielt hat (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53; Wiesner in Schroeder-Printzen, Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren -SGB X-, 4.Auflage, § 48 Rdnr 24).

Vorliegend stand der Ehemann der Klägerin ab 01.05.1995 in einer abhängigen Beschäftigung, aus der erstmals am letzten Bankarbeitstag des Monats Mai 1995 - das war der 31.05.1995 - Arbeitsentgelt fällig war. Einkommen ist damit nach Erlass des aufzuhebenden Bescheides vom 15.05.1995 erzielt worden. Dieses bezog sich sowohl auf Zeiträume nach Erlass des Bescheides aber auch rückwirkend auf einen Zeitraum zwischen Antragstellung und Erlass iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X. Die Aufhebung des Verwaltungsaktes hatte daher unter Heranziehung des § 48 SGB X und nicht nach § 45 SGB X zu erfolgen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 11; BSG SozR 1300 § 48 Nr 19 = BSGE 59, 111; Wiesner § 48 aaO, § 45 Rdnr 10).

Bei der der Klägerin ab 13.04.1995 gewährten Alhi handelte es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (BSG SozR 4100 § 138 Nr 25). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist darin zu erblicken, dass der Ehemann der Klägerin für die Zeit ab 01.05.1995 Einkommen erzielt hat, das auf den Alhi-Anspruch der Klägerin grundsätzlich anzurechnen war (§ 138 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 2 AFG). Die Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X setzt kein Verschulden und keine Bösgläubigkeit des Betroffenen voraus.

Ein Vertrauensschutz steht der Klägerin nicht zu. Dies ergibt sich vorliegend schon daraus, dass die Aufhebung der Alhi-Bewilligung auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X gestützt werden kann, weil die Klägerin einer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen der Verhältnisse wenigstens grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die Klägerin war gemäß § 60 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) zur Mitteilung der Einkommenserzielung durch den Ehemann verpflichtet. Nach dieser Bestimmung hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erkärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Diese Verpflichtung war der Klägerin bekannt: Zum einen hat sie den Empfang des Merkblatts für Arbeitslose, in dem sie auf ihre Mitwirkungspflicht hingewiesen wurde, am 24.04.1995 unterschriftlich bestätigt. Zum anderen hat sie sich am 24.04.1995 ebenfalls unterschriftlich verpflichtet, alle Veränderungen anzuzeigen, die gegenüber den im Antrag angegebenen Verhältnissen eintreten. Die Arbeitsaufnahme des Ehemannes hatte sie dem AA aber frühestens am 03.04.1996 mitgeteilt.

Das Vorbringen der Klägerin, ihr Ehemann habe seine Einkommenssituation jeweils dem AA offenbart, ist widerlegt durch die im Bußgeldverfahren erfolgte Beweisaufnahme (Einvernahme der Zeugen D. , R. und S.M.). Der Senat schließt sich insoweit der Beurteilung des Amtsgerichts Ansbach im Urteil vom 06.11.1997 - OWi 11 Js 8083/97 - an. Im Übrigen ist es für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X unerheblich, ob der Ehemann seine Einkommenssituation der Beklagten tatsächlich rechtzeitig und zutreffend offenbart hat, weil es bei der Berücksichtigung von nachträglich erzieltem Einkommen nicht auf Verschulden ankommt.

Bei der Aufhebungsentscheidung war die Beklagte gemäß § 152 Abs 3 AFG nicht zur Ausübung von Ermessen verpflichtet. Die Pflicht zur Erstattung der für die Zeit vom 01.05.1995 bis 30.03.1996 zu Unrecht erhaltenen Alhi ergibt sich aus § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X. Der Erstattungsbetrag wurde von der Beklagten zutreffend berechnet. Einwände gegen die Höhe dieses Betrages hat die Klägerin nicht erhoben.

Für den von der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung, mit dem sie gegen die Ansprüche der Beklagten aufrechnen will, ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht begründet, denn § 51 Abs 1 SGG lässt die verfassungsrechtlich verbürgte Rechtswegezuständigkeit der Zivilgerichte für Amtshaftungsansprüche (Art 34 Satz 3 Grundgesetz -GG- iVm § 839 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) unberührt (BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 13 S 18; Niesel, Der Sozialgerichtsprozesss, 3.Auflage, Rdnr 3). Auch die Neuregelung des § 17 Abs 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) - idF des 4.VwGOÄndG vom 17.12.1990 (BGBl I 2809) - hat die durch das GG garantierte Zuordnung der Amtshaftungsansprüche zu den Zivilgerichten nicht geändert (vgl § 17 Abs 2 Satz 2 GVG; dazu BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 8 S 26, Thomas-Putzo, ZPO mit GVG, 22.Auflage, § 17 GVG Rdnrn 10 f).

Die Berufung der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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