L 3 P 8/01

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 15 P 94/00
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 P 8/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.01.2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Duisburg, mit dem das Sozialgericht einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Zuschusses zu einer elektrisch betriebenen Sonnenmarkise nach den Vorschriften des Elften Buchs des Sozialgesetzbuchs - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) verneint hat.

Die im Jahre 1952 geborene Klägerin leidet an einer Enzephalitisdisseminata, einem Zustand nach wiederholten lumbalen Bandscheibenoperationen sowie einer beidseitigen Abduktorendurchtrennung bei Beuge-Adduktionskontraktur sowie Übergewicht. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen und aufgrund einer linksseitigen Parese nicht in der Lage, Überkopftätigkeiten bzw. mit Gebrauch beider Arme auszuführen. Seit Inkrafttreten des SGB XI erhält sie Pflegegeld anstelle häuslicher Pflege nach der Pflegestufe II.

Im Jahre 1999 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung von Dr. L ... einen Zuschuss für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes in Form einer elektrisch betriebenen Sonnenmarkise für ihren Balkon. Die sen Antrag lehnte die Beklagte unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (Dr. F ...) mit Bescheid vom 01.12.1999 ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2000): Der Erwerb und/ oder der Umbau auf Elektrobetrieb einer Markise gehöre nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.11.1999 - B 3 P 3/99 R - zu den persönlichen Bedürfnissen, die nicht einem allgemeinen Wohnungsstandard entsprächen, sondern aus gehobenen Ansprüchen an den Wohnkomfort gewachsen seien. Dafür habe die Solidargemeinschaft der Pflegeversicherten nicht einzustehen.

Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage sah die Klägerin die Voraussetzungen des § 40 SGB XI unter dem Gesichtspunkt der Reorganisation der Wohnung nebst Wohnbereich als erfüllt an. Sie sei aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage, an Sonnentagen ohne Hilfe Dritter die Wohnung zu verlassen. Der Balkon, der zur Sonnenseite liege, könne ohne Sonnenschutz nicht genutzt werden. Der Arzt für Neurologie Dr. O ... bestätigte, eine direkte Sonneneinwirkung sei schädlich. Im Übrigen rügte die Klägerin, der medizinische Dienst habe ihre Wohnung nicht besichtigt.

Mit Urteil vom 26.01.2001 hat das Sozialgericht die Klage unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 03.11.1999 abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 27.02.2001 eingelegte Berufung. Zu ihrer Begründung verweist die Klägerin darauf, dass der Balkon ihrer Wohnung bei entsprechender Witterung den ganzen Tag der Sonnenstrahlung ausgesetzt sei. Aufgrund ihrer Erkrankung könne sie daher den Balkon an Sonnentagen nicht nutzen. Wenn sie sich im Freien aufhalten wolle, müsse sie die Wohnung verlassen. Dabei sei sie auf Hilfe Dritter angewiesen. Dies werde nicht erforderlich, falls eine Markise mit elektrischem Antrieb vorhanden wäre. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts könne nicht herangezogen werden, da darin die Wohnsituation in einem Einfamilienhaus maßgeblich gewesen sei. Im Übrigen gehöre eine Ausrüstung elektrisch betriebener Markisen z.B. in Altenwohnheimen zur Standardausrüstung.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.01.2001 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.04.2000 zu verurteilen, ihr einen Zuschuss für den Erwerb und Anbau einer elektrisch betriebenen Sonnenmarkise zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin mitgeteilt, die Markise sei noch nicht montiert worden. Die Kosten für das Vorhaben belaufen sich nach einem Kostenvoranschlag auf 3.112,-- DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den von ihr begehrten Zuschuss.

Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 4 SGB XI, der hier als eigenständige und spezielle Regelung ausschließlich als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, sind nicht erfüllt. Nach dieser Norm können die Pflegekassen finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen gewähren, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen sichergestellt wird. Wie schon aus dem Wortlaut ersichtlich, handelt es sich um eine Ermessensvorschrift insoweit, als es im Ermessen der Pflegekasse liegt, ob und ggf. in welcher Höhe ein Zuschuss gewährt wird. Die Beklagte hat hier erkennbar kein Ermessen ausgeübt. Dies ist allerdings unschädlich, da die Beklagte schon die Maßnahmeeigenschaft der von der Klägerin begehrten elektrisch betriebenen Markise verneint hat. Was als Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI anzusehen ist, ist ein gerichtlich voll überprüfbarer und unbestimmter Rechtsbegriffe. Eine elektrisch betriebene Sonnenmarkise erfüllt die an eine Maßnahme im Sinne des § 40 Abs. 4 SGB XI zu stellenden Anforderungen nicht.

Der Senat folgt der Rechtsprechung des BSG aus den Urteilen vom 03.11.1999 - Az.: B 3 P 6/99 R - und 26.04.2001 - Az.: B 3 P 15/00 R -. Die in diesen Entscheidungen dargelegten Gründe hält der Senat insbesondere unter Berücksichtigung des Urteil vom 03.11.1999, das zu einem durchaus vergleichbaren Sachverhalt (dort: 1940 geborene Klägerin, Pflegestufe I, Multiple Sklerose, allein wohnend in einem Einfamilienhaus, Pflege durch Sohn sowie Nachbarin) erging, für uneingeschränkt zutreffend. Ebenso wie das Bundessozialgericht sieht auch der Senat den Einbau einer elektrisch betriebenen Markise zur elementaren Lebensführung im häuslichen Bereich nicht als erforderlich an. Zwar dient auch diese Einrichtung der Verbesserung der Lebensqualität der Klägerin, weil sie es ihr ermöglicht, sich ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe bei starker Sonneneinstrahlung im Freien aufzuhalten. Jedoch geht dieses Bedürfnis über durchschnittliche Anforderungen an den Wohnkomfort hinaus, so dass dafür keine Mittel der Solidargemeinschaft aus der gesetzlichen Pflegeversicherung in Anspruch genommen werden können. Wohnungssicherungsmaßnahmen richten sich nicht stets und vollständig nach den individuellen Bedürfnissen und Lebensgewohnheiten des einzelnen Pflegebedürftigen aus. Maßgebend ist vielmehr nur ein üblicher und durchschnittlicher Wohnungsstandard, wie sich dies insbesondere aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach §§ 4 Abs. 3, 29 Abs. 1 SGB XI ergibt. Die Ausstattung von Balkonen mit Markisen, dazu noch mit elektrischem Antrieb versehene Markisen, entspricht offenkundig im Sinne der Allgemeinkundigkeit (§ 291 ZPO) nicht dem allgemeinen Wohnungsstandard. Die gegenteilige Behauptung der Klägerin entbehrt jeder Grundlage. Auch bei Altenwohnheimen modernerer Bauart ist offenkundig Sonnenschutz in dieser Form nicht üblich. Aus diesen Gründen ist die individuelle Lebenssituation der Klägerin ebenso wenig entscheidend wie ihr Einwand, der vom Bundessozialgericht entschiedene Sachverhalt und das daraus resultierende Ergebnis sei schon deswegen unbeachtlich, weil die Klägerin des dortigen Verfahrens in einem Einfamilienhaus wohnte. Dies erklärt auch, warum eine konkrete Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Beklagten vor Ort nicht notwendig gewesen ist.

Scheidet somit der Maßnahmecharakter schon aus, dann kann es letztlich unbeantwortet bleiben, ob mit der elektrisch betriebenen Markise überhaupt ein Beitrag zur Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung der Klägerin geleistet werden kann. Die Klägerin stützt ihre Begründung in erster Linie darauf, sie benötige dann nicht die Hilfe Dritter, um sich in frischer Luft aufzuhalten. Dies vermag den Senat nicht zu überzeugen, da die Frischluftzufuhr bzw. das Aufhalten in frischer Luft auch durch einen dann sonnengeschützten Balkon kaum gesteigert werden kann. Da jedoch aus den dargelegten Gründen eine Markise schon keine Maßnahme zur Verbesserung des Wohnumfeldes darstellt, brauchte der Senat diese Frage nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Insbesondere vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des Bundessozialgerichts hat der Senat keine Veranlassung gesehen, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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