L 3 RJ 111/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 19 (9) RJ 210/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 RJ 111/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.10.2004 abgeändert. Der Bescheid vom 03.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2002 wird aufgehoben, soweit die Bewilligung des vorgezogenen Altersruhegeldes über den 31.12.2000 hinaus aufgehoben und ein Betrag in Höhe von mehr als 9.147,18 EUR erstattet verlangt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht überzahlte Rentenbeträge wegen der Berücksichtigung von Einkünften des Klägers aus einem Gewerbebetrieb fordert.

Der am 00.00.1937 geborene Kläger beantragte im Februar 2000 die Bewilligung der Altersrente wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für Versicherte, die als Schwerbehinderte nach § 1 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) anerkannt sind. Er gab an, weiterhin als Dachdecker selbständig tätig zu sein. Seine Einkünfte für das Jahr 1999 würden nach einer Auskunft seines Steuerberaters "Null" betragen.

Mit Bescheid vom 27.03.2000 bewilligte die Beklagte die beantragte Altersrente ab dem 01.02.2000 als Vollrente in Höhe von monatlich 1.506,57 DM netto (1.621,08 DM brutto), ab 01.07.2000 in Höhe von 1.515,62 DM netto (1.630,82 DM brutto), ab 01.07.2001 in Höhe von 1544,63 DM netto (1.662,03 DM brutto) und ab 01.01.2002 in Höhe von 789,76 EUR netto (849,79 EUR brutto).

Am 07.02.2002 legte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2000 vor, in dem Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 131.547,00 DM sowie ein Verlustabzug aus dem Jahre 1998 in Höhe von 130.060,00 DM ausgewiesen sind. Das zu versteuernde Einkommen betrug 0,00 DM. Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 03.05.2003 die Bewilligung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Wirkung vom 01.02.2000 hinsichtlich der Rentenhöhe auf und forderte für die Zeit vom 01.02.2000 bis zum 30.04.2002 einen Betrag in Höhe von 22.647,98 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe im Jahr 2000 Einkommen aus Gewerbebetrieb in Höhe von 131.547,00 DM erzielt. Da der Verlustabzug aus anderen Veranlagungsjahren nicht abzusetzen sei, errechne sich ein monatlicher Hinzuverdienst in Höhe von 10.962,25 DM (= 5.604,91 EUR). Die Hinzuverdienstgrenze für die Zahlung einer Rente in Höhe von einem Drittel (monatlich 862,93 EUR) werde überschritten.

Der Kläger legte am 04.06.2002 Widerspruch ein. Er war der Auffassung, dass der Verlustvortrag aus den vorangegangenen Kalenderjahren zu berücksichtigen sei. § 10 d Abs. 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) erlaube einen intertemporalen Verlustausgleich, der das zu versteuernde Einkommen und damit auch das im Sozialversicherungsrecht maßgebliche Einkommen entsprechend mindere. Auch komme eine Rückforderung für das Jahr 2001 nicht in Betracht, da er nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2001 einen Verlust in Höhe 235.618,00 DM erwirtschaftet habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Verlustvorträge seien vom Gesamtbetrag der Einkünfte nicht abzusetzen. Sie verminderten zwar das zu versteuernde Einkommen, nicht aber den Gewinn des maßgebenden Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).

Der Kläger hat am 29.12.2002 Klage erhoben und im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ergänzend hat er vorgetragen, im Dezember 2000 seien noch Forderungen, die der Einkommensberechnung zu Grunde lägen, in einer Gesamthöhe von 206.914,76 DM nicht ausgeglichen gewesen. Infolgedessen sei von einem Verlust in Höhe von 75.367,76 DM auszugehen. Es habe lediglich buchmäßig ein Gewinn vorgelegen, tatsächlich seien die Beträge nicht zugeflossen. Auch sei eine Aufhebung für das Jahr 2001 nicht möglich. Eine wesentliche Änderung sei insoweit nicht eingetreten, da er keinen Gewinn erwirtschaftet habe. Eine erneute Antragstellung sei für die Zahlung der Altersrente ab Januar 2001 nicht erforderlich, denn die Beklagte habe die Bewilligung der Altersrente nur hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Ihm stehe auf Grund seines erstmaligen, der Rentenbewilligung zugrunde liegenden, unverändert fortwirkenden Antrages ein Zahlungsanspruch zu. Er fügte den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002 bei. Hierin sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 45.067,00 EUR sowie ein Verlustvortrag in Höhe von 48.983,00 EUR ausgewiesen.

Mit Urteil vom 19.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung der Altersrente ab 01.02.2000 aufgehoben, denn der Kläger habe nach Erlass des Rentenbescheides Einkommen erzielt, das zum Wegfall der Rente führe. Das monatliche Arbeitseinkommen des Klägers in Höhe von 10.962,35 DM überschreite die Hinzuverdienstgrenze (1.687,74 DM für eine Rente in Höhe von einem Drittel). Ein Verlustabzug könne nicht geltend gemacht werden. Arbeitseinkommen sei der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Die den Verlustrücktrag regelnde Vorschrift des § 10 d EStG sei kein Bestandteil der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts. Das Arbeitseinkommen ergebe sich nach den Einkünften aus dem Gewerbebetrieb wie es im Einkommenssteuerbescheid ausgewiesen sei. Der Entscheidung der Finanzbehörden komme insoweit Bindungswirkung zu. Das Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze bewirke grundsätzlich, dass der Rentenanspruch erlösche, denn die Einhaltung dieser Grenze sei eine negative Anspruchsvoraussetzung. Das sogenannte Stammrecht "Altersrente" entfalle mit der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze. Trotz der missverständlichen Formulierung der Beklagten in ihrem Bescheid vom 03.05.2002 bleibe also der Rentenanspruch des Klägers auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen nicht bestehen bzw. ruhe nicht. Anders verhalte es sich bei Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Dort ergebe sich aus den Formulierungen "werde nur geleistet", dass das Einhalten der Hinzuverdienstgrenzen keine negative Anspruchsvoraussetzung sei, sondern der Anspruch bei Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nur ruhe. Trotz Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze sei eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach § 48 Abs. 1 Satz 2, 3 SGB X erforderlich. Ein Ermessen im Rahmen der Aufhebung habe der Beklagten nicht zugestanden, da ein atypischer Fall nicht vorliege. Der Kläger habe auch für das Jahr 2001 keinen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen, obwohl er in diesem Jahr kein zu berücksichtigendes Einkommen erzielt habe, da er keinen neuen Antrag gestellt habe. Diesen Anspruch könne er auch nicht unter Heranziehung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs durchsetzen. Der Beklagten habe zum damaligen Zeitpunkt keine Hinweispflicht oblegen. Da sie erst am 07.02.2002 von der Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze für das Jahr 2000 erfahren habe, sei ihr ein entsprechender Hinweis im Jahr 2001 nicht möglich gewesen. Für das Jahr 2001 habe der Kläger auch zu diesem Zeitpunkt keine Einkommensbelege vorgelegt. Auf die bestehenden Mitwirkungspflichten sei er seitens der Beklagten hingewiesen worden. Aus dem Einkommensbescheid für das Jahr 2002 ergäben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 45.067,00 EUR, mithin ein monatliches Einkommen in Höhe von 3.755,00 EUR. Damit überschreite der Kläger die maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen, so dass er auch für das Jahr 2002 keinen Zahlungsanspruch habe. Die Rückforderung bestehe in der von der Beklagten geltend gemachten Höhe daher zu Recht.

Der Kläger hat gegen das ihm am 28.10.2004 zugestellte Urteil am 29.11.2004 Montag Berufung eingelegt. Die Entscheidung des Sozialgerichts sei aufzuheben, da ein Verfahrensfehler wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliege. Das Sozialgericht habe in einem Erörterungstermin darauf hingewiesen, dass seiner Auffassung nach dem Kläger für das Jahr 2001 Altersrente zu gewähren sei. Dies ergebe sich aus der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2004. Ohne vorherigen Hinweis habe es in dem Urteil vom 19.10.2004 seine Auffassung dahingehend geändert, dass auch für das Jahr 2001 ein Anspruch auf Altersrente nicht bestehe. In der Sache selbst verweist der Kläger auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 16.05.2001, Az.: B 5 RJ 46/00 R, das Zweifel äußerte, ob für den gezielten Ausschluss des abschnittsübergreifenden Verlustausgleichs ein sachlicher Grund bestehe, wenn "reale Verluste" entstanden seien, die in späteren Veranlagungszeiträumen wieder erwirtschaftet und ausgeglichen werden müssten. Er habe in den entsprechenden Jahren Einnahmeausfälle hinnehmen müssen, die zu berücksichtigen seien. Eine Rückforderung für das Jahr 2001 sei nicht möglich, da der Steuerbescheid für dieses Jahr negative Einkünfte ausweise. Eine Aufhebung der Bewilligung der Altersrente komme nur in Betracht, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen hätten, eine wesentliche Änderung eintrete. Die Aufhebung sei mithin beschränkt auf die Reichweite der wesentlichen Änderung. Nicht die Bewilligung der Rentenleistung in ihrer Gesamtheit unterliege der Aufhebung, sondern lediglich der die Hinzuverdienstgrenze übersteigende Teil der Rentenbewilligung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.10.2004 abzuändern und den Bescheid vom 03.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.11.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die angefochtene Entscheidung zu Recht ergangen sei. Es sei nicht erneut zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für einen künftigen Rentenanspruch erfüllt seien, denn der Bescheid über die Bewilligung der Altersrente sei von Beginn an zurückgenommen worden. Die Altersrente könne ab Januar 2001 nicht gewährt werden, da der Kläger keinen neuen Antrag gestellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte sowie die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung war nicht wegen eines Verfahrensfehlers aufzuheben und an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Der vom Kläger behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt. In dem Erörterungstermin am 03.02.2004 hat das Sozialgericht seine Auffassung zum Anspruch des Klägers auf Altersrente für das Jahr 2001 in Bezug auf die Höhe des Einkommens aus Gewerbebetrieb dargelegt. Nicht erörtert hat es die Frage, ob für eine Rentenzahlung ab Januar 2001 eine erneute Antragstellung erforderlich ist. Diese Rechtsfrage hat erstmals die Beklagte nach dem Erörterungstermin aufgeworfen. Der Kläger hatte auch Gelegenheit, sich zu dieser Rechtsfrage zu äußern, denn das Sozialgericht hat ihn zu einer Stellungnahme hierzu aufgefordert. Von dieser Möglichkeit machte er auch Gebrauch. Die Erwiderung der Beklagten hierzu hat das Sozialgericht zur freigestellten Stellungnahme übersandt und zeitgleich von den Beteiligten das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erbeten, das dann von den Beteiligten erteilt wurde. Nach Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgte kein weiterer Sachvortrag seitens der Beklagten. Eine erneute Anhörung des Klägers war daher nicht erforderlich. Der Kläger musste im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf erkennen, dass das Sozialgericht auch die nach dem Erörterungstermin aufgeworfene Rechtsfrage in seine Entscheidung einbeziehen werde.

Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als die Beklagte die Bewilligung der Altersrente für Schwerbehinderte über den 31.12.2000 hinaus aufgehoben hat. Im Ubrigen ist sie unbegründet. Der Kläger hat in der Zeit vom 01.02. bis zum 31.12.2000 keinen Anspruch auf Altersrente wegen Schwerbehinderung, denn er hat Einkommen erzielt, das zum Wegfall des Leistungsanspruchs führt.

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Ein Anspruch auf die vom Kläger bezogene vorzeitige Altersrente nach § 37 SGB VI besteht nur, wenn die Hinzuverdienstgrenze nach § 34 SGB VI nicht überschritten wird. Nach der im Jahr 2000 geltenden Rechtslage, die hier anzuwenden ist, betrug diese Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen Alters als Teilrente von einem Drittel der Vollrente das 23,3-fache, bei der Hälfte der Vollrente das 17,5-fache, bei zwei Dritteln der Vollrente das 11,7-fache des aktuellen Rentenwertes, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Beginn der ersten Rente wegen Alters, mindestens mit 1,5 Entgeltpunkten. Hinsichtlich der Höhe der Hinzuverdienstgrenze für den Kläger im Jahr 2000 ( 847,49 DM - Rente in Höhe von 2/3; 1.267,61 DM - Rente in Höhe der Hälfte; 1.687,74 DM - Rente in Höhe von 1/3) wird auf die zutreffende Berechnung der Beklagten in dem Schreiben vom 12.02.2002 verwiesen.

Zur Prüfung, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, sind die objektiven Umstände zum Zeitpunkt der Bewilligung der vorgezogenen Altersrente und die Umstände im Zeitpunkt der Neufeststellung zu vergleichen.

Die Bewilligung der vorgezogenen Altersrente in Höhe der Vollrente erfolgte ursprünglich zu Recht, denn nach den Angaben des Klägers waren keine Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit zu erwarten. Erst nach der steuerlichen Festsetzung im Jahr 2002 ergaben sich Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb für das Jahr 2000 in einer Höhe, die zum Wegfall des Anspruchs auf vorgezogene Altersrente führten. Für die Frage, ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist auf den Zeitpunkt der Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2000 abzustellen. Die Vorlage des Steuerbescheides erfolgte nach Antragstellung und nach Erteilung des Bescheides über die Bewilligung der Altersrente. Der Steuerbescheid weist erstmals die Höhe des Einkommens aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2000 aus. Für die Annahme einer wesentlichen Änderung erst durch Vorlage des Steuerbescheides spricht ferner, dass der Berechnung der Einkünfte auch solche zu Grunde liegen, die möglicherweise erst nach der Bewilligung der Altersrente im Laufe des Jahres 2000 erwirtschaftet wurden. Die Höhe der monatlichen Einkünfte errechnet sich nämlich durch Division der im Steuerbescheid festgestellten Jahreseinkünfte aus Gewerbebetrieb durch 12. Auf den genauen Zeitpunkt, wann die Einkünfte innerhalb des Steuerjahres erwirtschaftet wurden, kommt es nicht an.

Der Kläger hat im Jahr 2000 Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit in Höhe von 10.962,25 DM monatlich erzielt und damit die Hinzuverdienstgrenze für die niedrigste Teilrente im Jahr 2000 in Höhe von 1.687,40 DM überschritten. Der Verlustvortrag aus den vorangegangenen Kalenderjahren, der zu einer Verminderung des zu versteuernden Einkommens geführt hat, ist nicht zu berücksichtigen.

Nach § 15 Abs. 1 S.1 SGB IV ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommenssteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Für die Ermittlung des vom Kläger in den Monaten von Februar bis Dezember 2000 erzielten Gewinns aus der selbständigen Tätigkeit als Dachdecker sind die Feststellungen aus dem Einkommenssteuerbescheid des Jahres 2000 heranzuziehen (vgl. BSG Urteil vom 22.09.1999, B 5 RJ 54/98 R, in: SozR 3-2600 § 34 Nr. 2). Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides vom 02.07.2002 erzielte der Kläger im Jahr 2000 Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 131.507,00 DM. Diese Feststellungen des Finanzamtes sind unverändert aus dem Steuerbescheid zu übernehmen, denn § 15 Abs.1 Satz 1 SGB IV schließt es aus, dass für die Zwecke der Sozialversicherung der Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit anders ermittelt wird als im Einkommenssteuerrecht (BSG Urteil vom 27.01.1999, 4 RA 17/98 R, in: SozR 3-2600 § 15 Nr.3; Urteil vom 22.09.1999, B 5 RJ 54/98, in: SozR 3-2600 § 34 Nr. 2).

Die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb errechnen sich gem. § 2 Abs. 2 Zif. 1 EStG nach den §§ 4-7k EStG. Der Verlustvortrag nach § 10 d EStG in Höhe von 130.060,00 DM zählt nicht zu den "allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts und ist auch keine steuerliche Vergünstigung innerhalb dieser Regelungen" (BSG, Urteil vom 16.05.2001, Az: B 5 RJ 46/00 R, in: SozR 3-2600 § 97 Nr 4; im Ergebnis auch: Urteil vom 09.09.1993, Az: B 5 RJ 60/92, in: SozR 3-2200 § 1248 Nr 9). Er ist nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG wie eine Sonderausgabe "vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen", d.h. er verringert wie eine Sonderausgabe die Summe der Einkünfte aus allen Einkunftsarten (BSG, a.a.O.) und nicht nur die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er verringert das zu versteuernde Einkommen und durchbricht dabei zur Herstellung der materiellen Gerechtigkeit den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, denn der Steueranspruch ist zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen auszurichten. Auch wenn das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 16.06.2001 (Az: B 5 RJ 46/00, aaO) Zweifel äußerte, ob für den Ausschluss des abschnittübergreifenden Verlustausgleichs ein sachlicher Grund besteht, wenn reale Verluste erwirtschaftet wurden, hält es im Ergebnis wegen eines andernfalls entstehenden unverhältnismäßigen und nicht zu bewältigenden Verwaltungsaufwandes die Berücksichtigung des Verlustabzuges im Sozialrecht weder aus dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung noch aus sonstigen verfassungsrechtlichen Gründen für geboten.

Ebenso können die vom Kläger für Dezember 2000 angegebenen offenen Forderungen in Höhe von insgesamt 206.914,76 DM nicht in Abzug gebracht werden. Auch hier ist wegen der Parallelität von Einkommenssteuerrecht und dem Recht der Sozialversicherung allein ihre steuerliche Berücksichtigung im Jahre 2000 ausschlaggebend (vgl. BSG Urteil vom 22.09.1999, B 5 RJ 54/98 R a.a.O.).

Die Beklagte hat auch zu Recht den Hinzuverdienst bereits ab dem 01.02.2000 auf die Altersrente des Klägers angerechnet.

Nach § 48 Abs. 1 S. 3 SGB X gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. Der Bezug von Sozialleistungen soll auch für einen Zeitraum rückgängig gemacht werden, für den die Änderung der Verhältnisse noch nicht eingetreten war. Dies geschieht im Wege der Fiktion ("gilt"). Die Vorschrift setzt nach ihrem Wortlaut voraus, dass das erzielte Einkommen nach Bestimmungen in den besonderen Teilen des SGB anzurechnen ist. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll insbesondere auch in den Fällen ein früherer Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse fingiert werden, in denen rückwirkend eine Sozialleistung fingiert wird, die bei "rechtzeitiger" Bewilligung die Gewährung einer anderen Sozialleistung ausgeschlossen hätte (BSG, Urteil vom 06.11.1985, Az: 10 RKg 3/84, in SozR 1300 § 48 Nr 19). Dies gilt nach der Auffassung des Senats nicht nur im Fall der rückwirkenden Bewilligung einer Sozialleistung, sondern auch dann, wenn anderes Einkommen erzielt wurde, das einen Leistungsanspruch ausschließt oder verringert. Die vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen soll Erwerbseinkommen ersetzen, das - im Sinne einer Vermutung - auf Grund des Alters und der Schwerbehinderung nicht mehr erzielt werden kann. Erzielt der Altersrentenempfänger dann doch Erwerbseinkommen, widerlegt dies die Vermutung, dass Erwerbseinkommen nicht mehr erzielt werden kann. Es besteht kein Anlass, weggefallenes Erwerbseinkommen durch die vorgezogene Altersrente zu ersetzen. Der Anspruch auf die Altersrente entfällt. Der gleichzeitige Bezug von Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen kann rückgängig gemacht werden, indem die Bewilligung des Erwerbsersatzeinkommens, hier der Altersrente, für die Vergangenheit aufgehoben wird.

Begründet ist die Berufung jedoch, soweit die Beklagte die Bewilligung der Altersrente hinsichtlich der Höhe auch für die Zeit ab Januar 2001 aufgehoben hat. Der Kläger hat im Jahr 2001 kein Einkommen erzielt, das den Bezug einer Altersrente ausschließt.

Nach dem Steuerbescheid für das Jahr 2001 erzielte der Kläger keine positiven Einkünfte, sondern erwirtschaftete einen Verlust in Höhe von 235.618,00 DM. Der Kläger hatte somit Anspruch auf vorgezogene Altersrente wegen Schwerbehinderung in voller Höhe. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Anspruch im Jahr 2000 wegen der Höhe des Arbeitseinkommens entfallen war. Entgegen der Auffassung der Beklagten war eine erneute Antragstellung nicht erforderlich. Der Antrag des Klägers auf Gewährung der Altersrente aus Februar 2000 wirkt insoweit fort, denn der Antrag ist auf die Gewährung der Altersrente als Leistung auf Dauer ausgerichtet, der auch Bewilligungszeiträume nach zwischenzeitlichem Wegfall des Anspruches mitumfasst. Folge man der Auffassung der Beklagten ginge in vielen Fällen ein Anspruch auf Altersrente - allein wegen des fehlenden (formellen) Rentenantrages - auch für Zeiten verloren, während derer der Berechtigte ein leistungsausschließendes Einkommen nicht erzielt hat, weil die häufige lange Dauer des Steuerverfahrens den Berechtigten an einer rechtzeitigen Antragstellung hindert. So wie die Beklagte vor Bekanntgabe des Steuerbescheides nicht über die Notwendigkeit einer erneuten Antragstellung beraten kann, weiß der Berechtigte nicht, ob er erneut einen Antrag stellen muss, da der Anspruch auf Altersrente wegen der Höhe der Einkünfte rückwirkend entfallen ist.

Eine erneute Antragstellung ist hier aber auch deshalb nicht erforderlich, weil die Beklagte die Bewilligung der Altersrente mit Bescheid vom 03.05.2003 nicht dem Grunde nach, sondern nur hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben hat.

Obwohl auf Grund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen der Anspruch auf vorzeitige Altersrente dem Grunde nach entfällt, bedarf es einer Aufhebung des Bescheides, mit dem das Stammrecht auf Altersrente zuerkannt wurde. Auch der Wegfall eines Rechts ("Anspruchs") kraft Gesetzes macht nämlich trotz hiergegen aus dogmatischen Gesichtspunkten möglicherweise zu erhebenden Bedenken die Aufhebung der (eigentlich i.S. von § 39 Abs. 2 SGB X) erledigten Bewilligungsentscheidung nach § 48 SGB X erforderlich (BSG, Urteil vom 04.05.1999, Az: B 4 RA 55/98 R , in SozR 3-2600 § 34 Nr 1 m. w. N.). Die Beklagte hat die Bewilligungsentscheidung jedoch lediglich hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben, denn sie tenorierte: " ...wird mit Wirkung vom 01.02.2000 hinsichtlich der Rentenhöhe aufgehoben. Ab 01.02.2000 kommen keine Rentenbeträge mehr zur Auszahlung." Auch in der Begründung des Bescheides vom 03.05.2003 führte sie aus, dass ab 01.02.2000 kein Anspruch auf "Zahlung der Rente" mehr bestehe. Dass der Anspruch des Klägers schon dem Grunde nach entfallen ist, führt sie an keiner Stelle des Bescheides aus. Auch aus dem Widerspruchsbescheid ergibt sich nichts anderes. Hierin zitiert die Beklagte den Gesetzeswortlaut, stellt fest, dass die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird und verweist im Übrigen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides. Gegen eine Aufhebung des Rentenanspruchs dem Grunde nach spricht ferner die Wortwahl der Beklagten. Sie führte sowohl im Aufhebungs- als auch im Widerspruchsbescheid aus, dass eine Altersrente nur "geleistet werde", wenn die Hinzuverdienstgrenze ... nicht überschritten werde. Sie bediente sich damit der Wortwahl des § 96a SGB VI, der die Höhe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit regelt. Im Gegensatz zu der Regelung des § 34 SGB VI entfällt hier jedoch nicht der Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dem Grunde nach, sondern es wird lediglich der Umfang der monatlichen Rentenzahlung geregelt.

Auch im Jahr 2002 hat der Kläger bis zum Beginn der Regelaltersrente Anspruch auf die vorgezogene Altersrente, denn eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung dem Grunde nach ist bislang nicht erfolgt. Die Vorlage des Steuerbescheides für das Jahr 2000 rechtfertigt eine Aufhebung des Anspruchs auf Altersrente hinsichtlich der Rentenhöhe nur für das Jahr 2000, denn er stellt die Höhe des Arbeitseinkommens nur für dieses Jahr fest. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in dem zwischenzeitlich vorliegenden Steuerbescheid für das Jahr 2002 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in einer die Altersrente ausschließenden Höhe festgestellt wurden. Bei der Prüfung der Frage, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt rechtmäßig ist, ist bei einer reinen Anfechtungsklage wie hier die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzen Verwaltungsentscheidung maßgebend (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. § 54, Rdz. 32a). Im Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides am 27.11.2002 lag der Steuerbescheid für das Jahr 2002 noch nicht vor. Dieser datiert vom 13.03.2003. Auch konnte die Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2002 zum Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides schon deshalb nicht ermittelt werden, weil das zu berücksichtigende Kalenderjahr noch nicht abgelaufen war.

Die Beklagte hat zu Recht die Bewilligungsentscheidung ohne Ausübung von Ermessen rückwirkend aufgehoben.

Da nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X der Verwaltungsakt bei Vorliegen einer der Tatbestände der Nrn. 1 - 4 ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden "soll", hat die Beklagte den Verwaltungsakt im Regelfall von diesem Zeitpunkt an aufzuheben, nur in atypischen Fällen hat sie zu prüfen, ob ausnahmsweise von der rückwirkenden Aufhebung abgesehen werden kann. Allein wegen der mit einer Aufhebung verbundenen Rückforderung von Leistungen ist ein solcher "atypischer Fall" nicht anzunehmen, denn diese Erstattungspflicht ist die übliche ("typische") Folge einer Aufhebung. Darüber hinausgehende besondere Umstände, die einen atypischen Fall begründen könnten, sind nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Höhe des Erstattungsbetrages ist die Berufung ebenfalls teilweise begründet. Die Beklagte kann nicht mehr als einen Betrag in Höhe von 9.147,18 EUR erstattet verlangen.

Nach § 50 Abs. 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist.

Die Beklagte hat den Bescheid über die Bewilligung der Altersrente nur für die Zeit vom 01.02. bis zum 31.12.2000 zu Recht aufgehoben. In dieser Zeit hat der Kläger einen Betrag in Höhe von 9.147,18 EUR zu Unrecht erhalten. In der Zeit vom 01.02. bis 30.06.2000 hat der Kläger einen Betrag in Höhe von 8.105,40 DM = 4.144,23 EUR (1.621,08 DM x 5 Mon. = 8.105,40 DM) und in der Zeit vom 01.07. bis 31.12.2000 einen Betrag in Höhe von 9.784,92 DM = 5.002,95 EUR (1.630,82 DM x 6 Mon. = 8.105,40 DM)., insgesamt 9.147,18 EUR erhalten. Dieser Betrag ist zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Anlass, die Revision gem. § 160 Abs. 2 Zif. 1-3 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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